Tormentum: Dark Sorrow - Test, Adventure, Mac, iPad, PC, iPhone, Android

Tormentum: Dark Sorrow
06.03.2015, Jan Wöbbeking

Test: Tormentum: Dark Sorrow

Das spielbare Heavy-Metal-Cover

Indie-Studio OhNoo! verbindet das Konzept einer Vorhölle mit Puzzles und der Ästhetik eines Heavy-Metal-Covers. In Tormentum: Dark Sorrow landet ein mysteriöser Kuttenträger in einer Alptraumwelt ewiger Qualen. Auf dem vermeintlichen Weg in die Freiheit warten zahlreiche Puzzles und Entscheidungen. Ein Professor Layton für Erwachsene oder doch nur ein aufgeblähtes Wimmelbildspiel?

Es wird sofort deutlich, bei welchen Vorbildern sich die Zeichnungen von Tormentum bedient haben: Die verschlungenen, knochigen Wände erinnern auf Anhieb an H.R. Gigers Alien-Kreationen. Auch die Monster und bizarren Maschinenwesen, die mir auf meiner Reise begegnen, wirken angenehm surreal und detailverliebt – hier und da muten die schiefen Proportionen allerdings etwas dilettantisch an. Ähnlich wie bei Professor Layton oder in Wimmelbildspielen bekomme ich statische Kulissen zu sehen, auf denen ich nach kleinen Zahnrädchen, magischen Edelsteinen, blutigen Fleischklumpen und anderen nützlichen Dingen fürs Inventar suche. Zwischendurch löse ich zahlreiche ausgelagerte Puzzles sowie einige Rätsel, die in klassischer Point-and-Klick-Manier in die Umgebung  eingebunden sind. Zu Beginn des Spiels weiß ich weder, wer ich bin, noch was ich verbrochen habe, um an solch einen Ort der Qualen verschleppt zu werden. Auch die Wächter, Folterknechte und Gefangenen gehen kaum darauf ein. Anders als bei Professor Layton oder The Whispered World bleiben die Figuren hier sehr flach, da sie jeweils nur eine Hand voll Sätze von sich geben. Meist fungieren sie lediglich als Stichwortgeber für Rätsel oder zu fällende Entscheidungen. Letztere wirken sich auch aufs Ende aus.

Surrealer Höllentrip

Meist wird das finstere Abenteuer von angenehm ruhigen, düsteren Klängen untermalt. Manchmal werden die Ohren allerdings mit durchgehenden Tönen oder sich ewig wiederholenden Soundeffekten gefoltert.
Genau hier liegt bereits ein Problem: Woher soll ich z.B. wissen, ob ich eher der eingesperrten Herrscherin im Käfig oder ihrem grimmigen Hofnarr vertrauen soll, wenn ich weder Hintergründe noch die Motivationen für die Fehde kenne? Er will, dass ich sie erledige. Sie möchte lediglich befreit werden, könnte sich aber an ihm rächen. Später werden die Hintergründe zwar aufgeklärt - trotzdem wäre es schön, schon zu Beginn mehr über die Bewohner der seltsamen Vorhölle zu erfahren.

Der Hintergrund lässt sich mit der Maus ein Stückchen nach rechts oder links bewegen. Dann verschieben sich manchmal auch die Hintergrundebenen, so dass sich Hinweise wie eine Runen-Inschrift offenbaren. Der Großteil der klassischen Steinchen- und Schiebepuzzles ist zwar hübsch gestaltet, lässt sich aber viel zu leicht lösen. Oft muss ich in den ausgelagerten Puzzles lediglich ein paar Tetris-Teile zusammensetzen oder die Funktionsweise eines einfachen Mechanismus entschlüsseln. Zu häufig nehmen mir die daneben platzierten Wandzeichnungen die Arbeit ab, indem sie wichtige Elemente der surrealen Maschinen erklären. Mehr Spaß haben mir die komplexeren Rätsel gemacht, welche sich über mehrere Bildschirme erstrecken und für die ich erst einmal einige Objekte zusammenraffen soll. Um ein riesiges Grubenmonster zu besiegen, muss ich z.B. einen Klumpen Fleisch vergiften.

Harte Sitten, leichte Rätsel

Trotz zweidimensionaler Grafik kommt es beim Scrollen ständig zu kleinen Ruckeleinlagen.
Dazu benötige ich allerdings erst einmal Zugang zur bewachten Küche, muss an das Gift einer bedrohlichen Spinne gelangen, einen Ofen reparieren und vieles mehr. Richtig knifflig wurde es aber nur, wenn ich auf den detailüberfluteten Bildern etwas übersehen habe. Zunächst ist mir z.B. nicht aufgefallen, dass ich aus einem der Räume hinab in einen tiefen Folterkeller klettern konnte, was durch einen kleinen Pfeil symbolisiert wird. Anderswo haperte es daran, dass das Interface plötzlich seine Logik änderte: Als mich ein Gefangener darum bat, seinen Käfig mit einem Hebel herunterzulassen, musste ich ihn im Gegensatz zu anderen Objekten nicht anklicken, um in eine Detailansicht zu gelangen. Stattdessen wird dort verlangt, ihn mit der linken Maustaste festzuhalten, um ihn dann zur Seite zu bewegen.

Ähnlich wie in Professor Layton sind die Schiebepuzzles eher lästig - es gibt aber auch fantasievollere Apparaturen, die entschlüsselt werden wollen.
Nach und nach eröffnen sich immer mehr Wege durch die Folterkammern, bis man schließlich in der weiten Einöde landet, die noch stärker an ein Death-Metal-Cover erinnert. Auf dem Weg zu einem Zug mit organisch anmutender Lok türmen sich jede Menge bizarr verschlungene Knochenberge auf. In einer alten Mine warten ein vermodertes Pferd und andere schaurig-schöne Scheußlichkeiten. Ich verrate natürlich nicht, wie die Geschichte ausgeht, aber im Gegensatz zu vielen anderen surrealen Adventures wird man hier zum Glück nicht ratlos zurückgelassen oder mit einem Cliffhanger konfrontiert. Auch die alternativen Entscheidungen werden am Ende ähnlich wie in Dreamfall Chapters zufriedenstellend aufgelöst und erläutert.

Auf in die Freiheit?

Fazit

In Tormentum steckt definitiv mehr als ein aufgeblasenes Wimmelbild-Spiel: Das alptraumhafte Geflecht aus Folterkammern erzeugt eine ganz eigene, düstere Stimmung, die mich trotz schwankender Qualität der Zeichnungen immer tiefer in die Welt gezogen hat. Die Inventar-Rätsel und ausgelagerten Puzzles sind durchaus unterhaltsam, aber weit vom Anspruch und Abwechslung von Genregrößen wie Professor Layton, The Room oder The Whispered World entfernt. Wirklich knifflig wurde es nur dann, wenn ich in den detailüberfluteten Kulissen mal wieder ein Objekt übersehen habe. Auch die alternativen Entscheidungen sind ein zweischneidiges Schwert: Sie wurden schön ins Spiel eingebunden, aber durch flache Charaktere entwertet. Warum soll mich das Schicksal der Figuren interessieren, die nur eine Hand voll kurzer Phrasen von sich geben? Trotz solcher Schwachpunkte sollten Freunde von surreal finsterer Ästhetik dem Spiel eine Chance geben. Ich bereue es zumindest nicht, mich durch die Welt von Tormentum geknobelt zu haben.  

Pro

  • detailverliebt gezeichnete Gruselhölle...
  • surreale Monster, Maschinen, Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten
  • alternative Entscheidungen mit einschneidenden Auswirkungen
  • gelungenes Ende
  • stimmungsvoll düsterer, ruhiger Soundtrack... 
  • kleine Rätsel-Spielereien mit mehreren Hintergrund-Ebenen

Kontra

  • ...manche Zeichnungen und Proportionen wirken amateurhaft
  • Großteil der Rätsel zu leicht durchschaubar
  • Spieldesign setzt zu stark aufs Suchen und klassische Steinchen-Puzzles
  • flache Charaktere mit jeweils nur wenigen Dialogzeilen
  • ...einige Musikstücke und Soundeffekte nerven durch ständige Wiederholung oder fiese Dauertöne
  • leicht ruckelndes Scrolling

Wertung

PC

Die surreale Welt macht neugierig, kann mit ihren einfachen Puzzles und flachen Charakteren aber nur solide unterhalten.