Assassin's Creed Rogue - Test, Action-Adventure, 360, PlayStation4, XboxOne, XboxOneX, PlayStation3, PC, PlayStation4Pro

Assassin's Creed Rogue
13.03.2015, Benjamin Schmädig

Test: Assassin's Creed Rogue

Hinlaufen und abholen

Eine Hassliebe verbindet mich mit Assassin's Creed – nicht nur mit dem aktuellen, sondern der gesamten Serie. Auf der einen Seite ist da das entspannende Gefühl, mir nach einem anstrengenden Tag beim Spielen zuzusehen: Die automatischen Bewegungen wirken wie Beruhigungsmittel. Auf der anderen Seite ist da aber eine Spielwelt, die wie ein drängelndes Kind um Aufmerksamkeit bettelt: "Komm hier her!", "Spiel dieses!", "Versuch jenes!" "Log dich ein, sammel' Punkte, nimm alles mit!" Wie soll ich diesen Beschäftigungszirkus ernst nehmen?

Ubisoft hat mit Assassin's Creed eine neue Art Spiel populär gemacht: das Ausradieren. Nein, nicht im Sinne der namensgebenden Attentäter, sondern ganz wörtlich. Denn es werden Markierungen radiert. Markierungen auf einer Landkarte, die den Blick auf topografische Besonderheiten behindern. Man kann sie entfernen, indem man in einer aufwändigen virtuellen Welt ihren Standort lokalisiert und eine Taste drückt – viel mehr ist kaum nötig. Man gewinnt, wenn fast alle Markierungen verschwunden sind.

Große Leistung!

Das war seit dem ersten Teil so und das hat sich seitdem kaum verändert: Ohne Mühe rennt, springt und klettert die Hauptfigur durch das Land, die Straßen und über die Dächer historisch interessanter Schauplätze – zuerst die Gegend um Jerusalem zur Zeit des dritten Kreuzzugs, später Italien zur Zeit der Renaissance, Konstantinopel, das um seine Unabhängigkeit kämpfende Nordamerika und schließlich die verklärte Piratenhochzeit um 1700.

Die unglaubliche Reise in einem verrückten Animus

Dass Assassin's Creed Rogue (ab 5,75€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) die Umsetzung eines Spiels für die Konsolen der letzten Generation ist, sieht man ihm an: Das ebenfalls für PC sowie PS4 und Xbox One erschienene und in Paris verortete Unity zeigt trotz ärgerlicher Grafikfehler wesentlich eindrucksvollere Bilder.

Die Besonderheiten der PC-Version

Rogue läuft auf dem PC allerdings sehr flüssig - mit Abstand besser als der Vorgänger Black Flag. Obwohl Orte und Vegetation weniger belebt aussehen als in Unity und manche Details erst spät auftauchen, ist das Windows-Abenteuer damit nicht nur schöner, sondern auch besser spielbar als sein Gegenstück auf PlayStation 3 und Xbox 360.

In dieser Ära spielt auch Rogue, das auf PlayStation 3 und Xbox 360 gleichzeitig mit Unity erschien, aber eine andere Geschichte erzählt. Während Unity nämlich (ebenfalls auf PC sowie auf PS4 und Xbox One) ins Paris der Französischen Revolution entführt, knüpft Rogue sowohl spielerisch als auch erzählerisch an Black Flag an, erinnert an zahlreiche Ereignisse und Figuren der Vorgänger und bietet einen neuen Einblick in die Welt der Assassinen.

Deren Gegenspieler, die Templer, stehen immerhin im Mittelpunkt, wenn sich der junge Assassine Shay Cormac gegen die Prinzipien seiner Bruderschaft entscheidet – nicht aufgrund einer profanen Stimmungsschwankung, sondern wichtiger menschlicher Motive. Die Trennung ist umso schmerzhafter, da er in den ersten Stunden viel Zeit mit den Assassinen verbringt. Man lernt seine Freunde und seine Liebe kennen. Trotzdem ist das Zerwürfnis unvermeidbar und so verlässt Shay seine "Familie" schließlich ohne Zorn, aber aus großer Überzeugung. Und Ubisoft erschafft einen der glaubwürdigsten Protagonisten der bisherigen Serie.

Babylon Creed

Im Vordergrund steht dabei die besonnene, vom Schicksal gezeichnete Figur. Der Konflikt um die Ordnung der Welt und das Erbe vormenschlicher Wesen wird in den Hintergrund gedrängt. Das tut der Erzählung gut! Ich mochte die verquaste Science-Fiction nie, bin über Desmonds Verschwinden heilfroh und glücklich darüber, dass das in Black Flag begonnene Abenteuer im Abstergo-Zentrum diesmal nur wenige Szenen lang dazu dient, interessante Verbindungen zu bisherigen Geschehnissen herzustellen.

Zurück zur Serientradition also. Zurück zum mühelosen Rennen, Springen und Klettern, das auch Shay beherrscht. Genau wie die Seefahrt, denn ähnlich wie Piraten die Karibik durchquert Shay den Nordatlantik: In einer offenen Welt macht er auf zahlreichen Inseln halt, erkundet naturbelassene Gegenden und kleine Siedlungen. Er trifft sich mit Assassinen und Templern, verfolgt historische Persönlichkeiten, verübt Attentate, schleicht ungesehen in feindliche Lager oder kämpft mit Schwert, Pistole und Gewehr.

Der Geist des Erfinders

Als Hilfsmittel dienen ihm die Prototypen eines Benjamin Franklin – Granaten etwa, die mehrere Wachen töten oder einschlafen lassen. Das trickreiche Umgehen des bewaffneten Konflikts stand nie im Mittelpunkt der Serie, es bietet aber auch in Rogue ideenreiche Alternativen.

Immerhin bekommt es Shay nicht nur mit überschaubaren Herausforderungen im Rahmen der Handlung zu tun; er kann sich die Welt auch zu Eigen machen, um Ressourcen und Geld zu horten. Tatsächlich gehören einige der Nebenbeschäftigungen zu den interessantesten Aufgaben. Das Erobern eines von Gegnern gehaltenen Lagers ist ohne Planung und umsichtiges Vorgehen etwa kaum schaffbar. Und im Suchen von Schätzen nach von Hand gezeichneten Karten schlummert der Geist eines großen Abenteuers.

Für eine Handvoll Pfund

Einen der schönsten Momente erlebte ich, als Shay nach langem Streifzug durch unberührte Natur von einem Baum zum nächsten huschte, um einen hohen Felsen zu erreichen: Anstatt dort anzukommen, rutschte er unvorhergesehen in eine alte Höhle – ein starker Augenblick! Der wenige Sekunden später vernichtet wurde, als er inmitten der verlassenen Wildnis eine Truhe mit dem Fuß zertrat. Für ein paar schnöde hundert Pfund; welch traurige ignorante Idiotie.

Die Geschichte dreht sich um Shay Cormac (links), der während des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs seine Identät als Assassine infragestellt.

Die Suche nach Schatztruhen zum Aufbessern des Kontos ist ohnehin ein miserabler Running Gag, der sich immer auf die Schenkel klopft, wenn der ausgebildete Mörder präzise kartografierte "Verstecke" erläuft, um eine lausige Belohnung zu zertreten. Die Jagd auf Tiere verläuft ähnlich spannend: Shay rennt in die Wildnis, erschießt Tiere und zieht von dannen. Pirsch, Fallen oder Köder? Fehlanzeige. Ubisoft zitiert aus dem Lehrbuch spielerischer Langeweile, indem es diesen und anderen Hinlauf-Beschäftigungen einen Großteil der Spielzeit einräumt.

Kann Nichtstun Spiel sein?

Selbstverständlich kann ich mich im Nichtstun üben. Aber darf das der Spielsinn sein? Soll ich wegschauen, wenn mit jedem neu eroberten Gebiet Dutzende Symbole aufblinken? "Geh dort hin!", "Spiel dies, mach jenes!" Es ist unmöglich die Hinweisdisko zu ignorieren. Zumal Shay Geld und Material benötigt, um sich eine bessere Ausrüstung und seinem Schiff stärkere Waffen zu besorgen.

Und natürlich kann es eine unschuldige Idee sein, dass Ubisoft den sehr langen Weg zu allen Verbesserungen durch Abkürzungen in Form kleiner Downloadinhalte erleichtern will...

So oder so ist es ein leidvoller Rhythmus, zu dem Assassin's Creed zwingt – zu Lande wie auf dem Wasser.

Auf hoher See setzt sich das profane „Hinfahren und Abholen“ nahtlos fort. Wertvolles Treibgut, das den Nordatlantik wie Hänschens Krümelspur ziert, klickt man mit einem Tastendruck an Bord. Die Crew wirft nicht einmal eine Leine aus. Hauptsache, es geht schnell. Game Must Go On! Ein Angriff auf kleine Boote sieht so aus: Shays Schiff, die Morrigan, rast auf ein Kanonenboot zu, dieses sinkt sofort und per Tastendruck hole ich binnen eines Wimpernschlags über Bord Gegangene sowie die fremde Ladung ein. Das zerstört jede Illusion.

Game Must Go On!

Dabei sind Seeschlachten durchaus aufregend, wenn Kanonensalven großer Pötte über den Ozean krachen und eine volle Breitseite einschlägt. Es ist zwar lächerlich, dass ich Schaden vom Schiff abwende, wenn Shay während des Einschlags in Deckung geht, doch das Spektakel ist zumindest unterhaltsam. Mit geenterten Schiffen repariert Shay zudem die Morrigan oder er fügt sie seiner Flotte hinzu. In einem ebenso strategischen wie überflüssigen Minispiel weist er Schiffen dann auf einer Karte Missionen zu. Erfolgreiche Aufträge füllen Kasse und Laderaum.

Die Kämpfe funktionieren besonders beim Entern nicht so wie sie sollen.


Er trifft mich, er trifft mich nicht...

Während des Enterns fällt allerdings eine weitere Schwachstelle ins Auge: Die Schwertkämpfe sind im Angesicht moderner Action eine Farce. Denn abgesehen davon, dass Shay die meisten Gefechte mit links gewinnt, leiden die Kämpfe unter technischen Mängeln. So inszeniert Ubisoft die Scharmützel ähnlich wie Batmans Arkham-Serie als Reaktionsspiel – ein Knopf wehrt Angriffe ab, ein anderer durchbricht die Deckung, ein weiterer versetzt den Todesstoß.

Nur funktioniert die Zuweisung oft nicht. Mal verteidigt sich Shay nicht, ein andermal trifft er den Gegner nicht. Mit Höhenunterschieden in der Größe einer Treppenstufe hat Assassin's Creed massive Schwierigkeiten. Besonders die Gefechte an Deck eines Schiffs, an denen zahlreiche feindliche und eigene Kämpfer beteiligt sind, geraten so zum heillosen Durcheinander. Das Spiel kann Aktionen und Bewegungen der vielen Fechter schlecht koordinieren und produziert deshalb Fehler.

Die Belohnung eifriger Kletterer: fantastische Aussichten in New York und freier Natur.

Spätestens in diesem Jahr, mit Blick auf Mittelerde: Mordors Schatten, kann ich diese ungeschliffene Inszenierung nicht mehr entschuldigen. Wo ich in Tolkiens Universum ohne eingeblendete Aktionshinweise präzise schlachte und taktiere, reagiert der Assassine selbst mit omnipräsenten Eingabeaufforderungen nicht zuverlässig.

Die Mühe lohnt sich ja! Viele Panoramen sehen fantastisch aus. Staub weht durch die Siedlungen des frühen Nordamerika, Regen vermiest Shay schon mal den Tag und im Schnee hinterlässt er tiefe Spuren. Am meisten überzeugt einmal mehr die Darstellung einer Stadt: Im New York des 18. Jahrhunderts ist die heutige Metropole zwar kaum zu erkennen, doch ich genieße jeden Schritt über belebte Märkte, lese Werbetafeln an kahlen Backsteinwänden und schlendere zu einer ruhigen Musik, die überraschend eindeutig Ezios Abenteuer in Italien zitiert.

Erlebte Geschichte

Wenn ich so durch die Straße bummele, spüre ich die alte Liebe für Assassin's Creed – diese Illusion ein Stück Geschichte zu erleben. Das ist nicht so beeindruckend wie in Unity, dem trotz seiner Fehler visuell beeindruckenderen Abenteuer mit neuer Technologie. Dem stilvollen Erlebnis in Nordamerika kann der grafische Rückstand aber nichts anhaben.

Zumal meine Reise durch interessante Elemente bereichert wird. Denn Shay wird von Attentätern gejagt, die sich an den bekannten Flecken verstecken: auf Bänken, auf Dächern, in Heuwagen oder der Uniform eines Soldaten. Sie lauern ihm auf, bis er in ihrer Nähe ist. Dann greifen sie an und verletzen ihn meist auch empfindlich. Diese Assassinen sind eine echte Gefahr!

Der ganz legale WallHack

Es sind insgesamt unsinnig viele Agenten und mir gefällt nicht, dass ich sie ausschließlich durch den Adlerblick lokalisieren kann. Weil der nämlich jeden erkannten Feind durch die Umgebung hindurch sichtbar macht, empfinde ich ihn als atmosphärisch störend.

Erst nach dem Einnehmen eines Lagers ziehen sich die Attentäter aus dem dazugehörigen Stadtteil zurück – dennoch sorgen sie dafür, dass ich nicht so sorglos wie bisher über die Dächer springe. Shay sollte zudem stärker darauf achten, keine Unschuldigen umzubringen, weil nach jedem Tod eine Belohnung auf seinen Kopf ausgesetzt wird, die einen Assassinen auf seine Spur setzt.

Wenn Attentäter zu Opfern werden

Er selbst kann Attentate im Gegenzug verhindern, indem er Brieftauben abfängt, die einen Mordauftrag transportieren. Dann muss er genau wie ein Assassine die Zielperson ausfindig machen, sie allerdings vor den anrückenden Mördern beschützen. Klingt einfacher als gedacht! Immerhin muss er die Killer so schnell wie möglich ausschalten, im Zweifelsfall inmitten einer Menschenmenge. Das geht einmal, vielleicht zweimal gut. Irgendwann verfolgt ihn jedoch die Stadtwache – während weitere

Dank der höheren Auflösung und einer sauberen Programmierung ist das PC-Abenteuer dem Konsolen-Original einen Schritt voraus.
Attentäter längst ihrem Opfer auflauern...

Das Vereiteln der Anschläge ist eine richtig gute der wenigen neuen Ideen. Sie bringt frischen Wind in eine Serie, die sich in der spielerischen Belanglosigkeit festgefahren hat. Tatsächlich klettert Shay noch schneller und mit noch weniger Tastendrücken durch Nordamerika als es Altair und Ezio taten. So gut wie nie muss er einen möglichen Aufstieg erst suchen. Er muss keinen Eingang, keine Station erreichen – er aktiviert die Schnellreise einfach jederzeit.

Das Alte und der Neue

Ubisoft zelebriert ein "Hinlaufen und abholen", das jederzeit, überall erreichbar ist. Dass dies in der gezeigten Konsequenz der falsche Weg ist, hat man in Montreal interessanterweise längst erkannt: Unitys Arno öffnet Kisten in Ruhe und greift mit der Hand hinein. Er klettert langsamer, hält nach schwierigen Klimmzügen kurz inne. Paris ist, wie es scheint, eine lebendige Kulisse. Nordamerika wirkt wie eine Tech-Demo - auf dem PC immerhin eine flüssigere und damit auch besser spielbare als auf Konsole.

Fazit

Assassin's Creed Rogue beendet die Generation einer Serie, welche sich vom Spiel zum interaktiven Zuschauen entwickelt hat. Eine Generation, welche die Glaubwürdigkeit der virtuellen Welt für ein getriebenes Erlebnis opfert, in dem tausend Hinweisschilder das nächste Ziel markieren, während man schnell noch eine Kiste zertritt – für ein bisschen Geld, das kaum einen Nutzen hat. Könnte ich die Minispiele ignorieren? Ich will es gar nicht! Ich mache mir gerne eine Welt zu Eigen, in der ich mich um ganz verschiedene Bedürfnisse des Protagonisten kümmern muss. Ich will diese Welt aber entdecken; sie darf sich nicht aufdrängen. Und sie muss mich spielerisch fordern. Selbst nach harten Arbeitstagen bedeutet mir ein Videospiel mehr als "Hinlaufen und abholen". Spielerisch ist dieses Rogue gerade ausreichend – manchmal befriedigend, wenn das Verhindern von Attentaten und die Gefahr durch feindliche Assassinen dem knorrigen Prinzip frischen Wind verleihen. In exotischen Panoramen lasse ich zudem die Seele baumeln. In der späten PC-Umsetzung genieße ich dabei ein schärferes Bild sowie ein flüssigeres und damit besser spielbares Abenteuer. Vor allem aber ist es die Geschichte, die einen gelungenen Schlussstrich unter die Nordamerika-Trilogie setzt: Shay Cormac ist die bislang reifste Figur der Serie. Seine Motive sind glaubhaft, sein Schicksal nachvollziehbar. Ubisoft zeichnet ein plastisches Bild der bisherigen Bösewichte – eine Tiefe, die dem Spielerischen leider fehlt.

Pro

  • persönliche Geschichte um gegensätzliche Ideale...
  • Gegner lauern in Assassinen-Verstecken...
  • viele erzählerische Verknüpfungen mit vergangenen Episoden
  • interessante neue Missionen: Zielperson vor Assassinen schützen
  • große Welt mit unterschiedlichen Schauplätzen
  • umfangreiches Verbessern der Ausrüstung und des Schiffs

Kontra

  • ... aber langweilige Erzählung in der Gegenwart
  • ... sind aber ausschließlich durch aufdringliche Adlersicht erkennbar
  • störend: Adlersicht macht Gegner durch Kulissen hindurch sichtbar
  • Shay bewegt sich übermäßig schnell und fast ohne spielerisches Zutun
  • er ist fast allen Gegnern haushoch überlegen, auch einer Überzahl
  • er führt nicht immer nicht die gewünschte Bewegung aus
  • schwache Technik: Kämpfe gegen Gruppen sind unpräzises Kuddelmuddel
  • etliche anspruchslose und im Grunde sinnlose Sammelaufgaben

Wertung

PC

Am PC technisch sauberes, spielerisch aber weiterhin altbackenes und anspruchsloses Abenteuer, das sich über eine sehr gute Erzählung definiert.