Victor Vran - Test, Rollenspiel, Switch, PC, XboxOne, PlayStation4
Während ich bei Titeln wie Prison Architect oder Grim Dawn schon seit gefühlten Ewigkeiten darauf warte, dass sie endlich vom Early Access in den "Live-Betrieb" übergehen, hat Haemimont mit dem Hack&Slay Victor Vran ein Beispiel abgeliefert, wie eine optimierte Early-Access-Entwicklung aussehen kann. Kurz nach dem Start im Februar hat man einen Zeitplan veröffentlicht, der die nächsten Schritte über inhaltliche Ergänzungen bis hin zu Cut-Scenes und vorgesehener Lokalisierung aufgeschlüsselt hat. Updates folgten in regelmäßigen Abständen - meist pünktlich. Dazu nahm man sich des Feedbacks der Spieler an, bekämpfte weiter erfolgreich Bugs und hat nun auch den Abspann mit den letzten Informationen ergänzt. Im Großen und Ganzen kann man also von einer zumindest terminlich erfolgreichen Entwicklung sprechen. Doch wie sieht es inhaltlich aus?
Optimale Entwicklung per Early Access
Hack&Slay mit Kick
Mit Charakterstufe 25 (je nach Spielweise in etwa nach drei Viertel der Kampagne) wird z.B. eine Mehrspieler-Arena freigeschaltet. Mit Stufe 36 kommt ein zufällig generierter Endlos-Dungeon für Solisten hinzu. Zusätzlich warten auf jeder der über 40 Gebietskarten jeweils fünf Herausforderungen, für die es als Belohnung entweder Gold, Erfahrungspunkte oder Ausrüstungsgegenstände gibt. Zu diesen optionalen Aufgaben gehören das Entdecken von Geheimnissen, Zeitlimits, Gesundheitswerte, die nicht unterschritten werden dürfen, Gegner, die man nur mit bestimmten Waffen töten darf und vieles mehr. Doch damit nicht genug: Nach Abschluss der Kampagne kommen noch jeweils fünf Elite-Herausforderungen pro Gebiet hinzu, so dass schließlich über 400 dieser Mini-Missionen auf Bewältigung warten. Und wem das alles nicht reicht, kann über fünf so genannte Flüche den Schwierigkeitsgrad manipulieren, so dass z.B. auch vermehrt Elite-Monster auftauchen oder die Gegner automatische Regeneration haben. Im Gegenzug bekommt man mehr Erfahrung und eine erhöhte Chance auf Gegenstände. Selbstverständlich sind für manche Herausforderungen einer oder mehrere Flüche Pflicht.
Action-Rollenspiel? Action-Adventure? Beides!
Gleiches gilt für den Sprung, der im Kampf eingesetzt werden kann, um z.B. von Feinden platzierten Laserstrahlen auszuweichen. Doch ohne ihn bleiben auch zahlreiche Geheimnisse unentdeckt. Man sieht auf der Minikarte einen Raum oder ein Gebiet, das unerreichbar scheint? Dann sollte man schleunigst schauen, ob es nicht irgendwelche Mauern gibt, über die man sich (im Zweifelsfall auch per Wandsprung) katapultieren kann. Auch zum Überqueren von Abgründen ist der Sprung gut geeignet, so dass sich Victor Vran trotz der deutlich erkennbaren DNA mehr wie ein kampf-fokussiertes Action-Adventure spielt. Es bietet quasi Elemente aus zwei Welten, die hier gut zusammengeführt wurden.
Auch die Kampfmechanik kann überzeugen: Zwei Waffen kann man mit sich führen, jede verfügt über einen Standard-Angriff sowie zwei Spezial-Attacken, die sich nach Benutzung erst wieder aufladen müssen. Zusätzlich kann Victor noch mit Granaten um sich werfen oder aufladbare Dämonenkräfte entfesseln. Das klingt nicht nach besonders viel. Doch mit
vier unterschiedlichen Nahkampf- sowie drei zur Auswahl stehenden Projektil-Waffen und einem Dutzend Dämonenkräften wird für Abwechslung gesorgt. Bei Letzterem wird ein großes Spektrum möglicher Optionen aufgerufen, die von Verlangsamung der Gegner in einem bestimmten Radius über Schockwellen bis hin zu einem Berserker-Modus reichen, bei dem man 50 Prozent mehr Schaden anrichtet, aber auch anfälliger für gegnerische Angriffe wird. Selbstverständlich kann man jederzeit wechseln und sich so auf die Anfälligkeiten oder Resistenzen innerhalb der breit gefächerten sowie sehr abwechslungsreichen Feindesriege samt schön inszenierter mehrstufiger Bosse vorbereiten, die in nicht minder abwechslungsreichen Gebieten ihr Unwesen treibt. Die dreh-, aber nicht zoombare Kamera gibt sich dabei keine Blöße: Würde der Hauptdarsteller von Mauern etc. verdeckt, werden diese ausgeblendet. Während an der grundsätzlichen Technik nichts auszusetzen ist, bleibt das Artdesign blass. Wo Torchlight, Diablo und zuletzt auch Necores Van Helsing eigene, unverwechselbare Akzente setzen konnten, sind die Umgebungen hier zwar nett anzuschauen, aber auch meist gewöhnlich.Gutes Kampfsystem, schwache Charakter-Entwicklung
Ebenfalls nicht schön ist, dass man zwar über das Ausrüsten von Waffen und Kräften Einfluss auf die Fähigkeiten Victor Vrans nehmen kann, aber ansonsten die Charakter-Entwickung vorgegeben ist. Es gibt keine Talentbäume, keine Optionen, um Kraft, Gewandtheit oder sonstige Eigenschaften zu steigern - nix. Die Verbesserungen der Figur sind vorbestimmt, wodurch sich Haemimont vermutlich das Balancing erleichtert, sich aber ansonsten keinen Gefallen getan hat. Zwar kann man zusätzlich aus drei Gegenstands-Optionen wählen und schließlich auch über Kostüme bestimmte Aspekte wie Dämonenkräfte, kritischen Schaden etc. fördern. Dennoch fühle ich mich als Spieler etwas übergangen. Denn vielleicht hätte ich mich statt für Lebenspunkte für kritischen Schaden entschieden - und hätte dann mit den Konsequenzen leben müssen. Andererseits erspart man sich dadurch auch jegliche Notwendigkeit, "umskillen" zu müssen. In den ersten Missionen gibt es dafür ohnehin kaum einen Grund. Man wird auf "Normal" nur selten gefordert.
Nach etwa drei bis vier Stunden zieht der Schwierigkeitsgrad spürbar an, es kommen deutlich mehr Gegner, die auch häufig von Champions begleitet werden, stärkeren Varianten, die auch mit Dämonenkräften hantieren können.Zur Ehrenrettung der Charakterindividualierung muss erwähnt werden, dass man über die ebenfalls umfangreiche Auswahl an Tarotkarten Einfluss nehmen und z.B. Angriffsgeschwindigkeit, Rüstungswerte, kritische Trefferchancen und vieles mehr manipulieren kann. Da man anfangs nur über wenige Kartenplätze verfügt und der Wert aller eingesetzten Karten ein bestimmtes Maximum nicht übersteigen darf, kommt der Auswahl eine entscheidende Bedeutung zu. Zusammen mit der Waffenwahl kann man die Figur wenigstens rudimentär an präferierte Spielweisen (Distanz, Nahkampf, Fokus auf schnellen Einsatz von Dämonenfähigkeiten) anpassen. Und bei Bedarf kann man per Transmutation weitere Anpassungen vornehmen. Dahinter verbirgt sich ein universelles Handwerksystem, bei dem man nicht mehr benötigte Beute kombinieren und zu neuen Gegenständen (teils mit Änderung des Seltenheitsgrads) machen kann. Und davon ist nichts ausgenommen. Waffen, Tarotkarten, Kräfte: Alles lässt sich verschmelzen oder veredeln, man kann Waffen auch neue Eigenschaften spenden. Zwar gibt es bestimmte Regeln, die man beachten muss und jede Transmutation kostet Gold, doch die Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben, machen die schwache Auswahl bei den örtlichen Händlern mehr als wett.
Schicksalhaftes Handwerk
Fazit
Ich mag es, wenn Entwickler ein Risiko eingehen und althergebrachte Mechaniken in Frage stellen. Insofern begrüße ich die Entscheidung von Haemimont, das klassische Hack&Slay mit simplen Mitteln wie einer Ausweichrolle, gebietsabhängigen Zusatzaufgaben sowie Sprungfähigkeit des Helden aufzuwerten. Nicht nur, dass die Kämpfe sowie die Gebietserforschung dadurch eine neue Dynamik gewinnen. Ein „simpler“ Dungeon Crawler bekommt so zunehmend den Charakter eines Action-Adventures, ohne jedoch seine Herkunft aus den Augen zu verlieren. Mit sieben Waffen samt eigenen Spezialangriffen sowie zwölf Dämonenfähigkeiten hat man ein reichhaltiges Zerstörungsarsenal zur Verfügung, während die Beuteausschüttung sorgsam austariert ist und den bekannten Motivationssog ausübt. Schade ist allerdings, dass die Charakterentwicklung streng vorgegeben ist und man nur über die Ausrüstung bzw. Boni gewährende Schicksalskarten eingreifen kann. Zudem hätten die sowohl im Englischen (Doug Cockle, aka Geralt von Rivia) als auch im Deutschen (Martin Keßler, Torsten Michaelis) sehr gut ausgewählten und über sich hinauswachsenden Sprecher eine bessere Story verdient. Oder zumindest eine interessante Inszenierung, während ein markantes Artdesign ebenfalls dazu beigetragen hätte, Victor Vran zu etwas Besonderem zu machen anstatt „nur“ zu einer guten Hack&Slay-Alternative, die eigentlich auch für Konsolen prädestiniert ist.
Pro
- Ausweichrolle und Sprung werten das Hack&Slay-Prinzip auf
- grandiose Sprecher (sowohl im Englischen als auch der lokalisierten Version)...
- fünf Herausforderungen pro Karte/Gebiet, später je fünf weitere Elite-Herausforderungen
- saubere Kulisse...
- Pad bzw. "Action"-Steuerung sorgen für das Spielgefühl eines Action-Adventures
- sieben Waffentypen mit je zwei Spezialangriffen
- zwölf Dämonenkräfte
- eingängiges Kampfsystem
- Zuschalten von Modifikatoren
- gut abgestimmte Beute-Ausschüttung
- ordentliche, mehrstufige Bosskämpfe
- Transmutation als weitreichendes universelles Handwerkssystem für Upgrades und Kombinationen
- stimmungsvolle Musik, die mal an Diablo, dann wieder an Van Helsing erinnert
- komfortables Teleportsystem
- freischaltbare PvP-Arena sowie zufällig generierter Endlos-Dungeon für Solisten
Kontra
- vorgegebene Charakterentwicklung
- ... die Story ist allerdings bieder und wird unspektakulär erzählt
- Inventaransicht noch nicht ausgereift
- ... bei der das Artdesign aber generisch bleibt und keine Akzente setzen kann
- Gebietsverbindungen auf Karte nicht ersichtlich
- Währung schnell wertlos