Victor Vran - Test, Rollenspiel, Switch, PC, XboxOne, PlayStation4

Victor Vran
23.07.2015, Mathias Oertel

Test: Victor Vran

Hack&Slay-Emporkömmling

Von der Aufbau-Strategie zum Hack&Slay ist es ein weiter Weg. Doch die Tropico-Macher von Haemimont sind dieses Wagnis eingegangen. Das Ergebnis nennt sich Victor Vran (ab 4,75€ bei kaufen) und ist nach einer etwa fünf Monate langen Early-Access-Phase als finale Version erschienen. Ob sich der Monsterjäger gegen die Schwergewichte wie Diablo oder Torchlight durchsetzen kann, klären wir im Test.

Während ich bei Titeln wie Prison Architect oder Grim Dawn schon seit gefühlten Ewigkeiten darauf warte, dass sie endlich vom Early Access in den "Live-Betrieb" übergehen, hat Haemimont mit dem Hack&Slay Victor Vran ein Beispiel abgeliefert, wie eine optimierte Early-Access-Entwicklung aussehen kann. Kurz nach dem Start im Februar hat man einen Zeitplan veröffentlicht, der die nächsten Schritte über inhaltliche Ergänzungen bis hin zu Cut-Scenes und vorgesehener Lokalisierung aufgeschlüsselt hat. Updates folgten in regelmäßigen Abständen - meist pünktlich. Dazu nahm man sich des Feedbacks der Spieler an, bekämpfte weiter erfolgreich Bugs und hat nun auch den Abspann mit den letzten Informationen ergänzt. Im Großen und Ganzen kann man also von einer zumindest terminlich erfolgreichen Entwicklung sprechen. Doch wie sieht es inhaltlich aus?

Optimale Entwicklung per Early Access

Inhalt sowie spröde Präsentation der Geschichte stehen in krassem Gegensatz zu den hervorragenden Leistungen der Sprecher.
Nun, die Story wird keine Preise gewinnen: Der Dämonenjäger Victor Vran, der in seinem Standardkostüm leicht an Neocores Van Helsing erinnert, wird in die Steampunk-Stadt Zagoravia (bei Van Helsing: Borgovia) gerufen, um dort das Mysterium anderer verschwundener Jäger aufzuklären. Um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, muss er auch das Rätsel seiner eigenen Vergangenheit lösen - und erfährt auf diesem Wege vielleicht auch, was es mit der merkwürdigen Stimme auf sich hat, die ihn ständig piesackt und seine Aktionen süffisant kommentiert. Die Geschichte wirkt in vielen Momenten umständlich bemüht und wird zumeist nur über spröde Standbilder inszeniert. Dennoch schafft sie es, dank sehr guter Sprecher für Atmosphäre zu sorgen. Im Englischen ist der Protagonist mit Doug Cockle besetzt, dessen markante Stimme zuletzt auch Geralt von Rivia Charakter verlieh, während der ebenfalls Videospiel-erfahrene Andrew Wincott als "Die Stimme" dagegen hält. Im Deutschen ist das Gespann sogar noch dynamischer besetzt: Martin Keßler (Victor Vran), den die meisten als deutsche Stimme von Nicholas Cage oder Vin Diesel kennen, liefert sich herrliche Duelle mit Torsten Michaelis (Sprecher von u.a. Wesley Snipes, Sean Bean oder Martin Lawrence), der in seiner Rolle voll aufgeht. Die beiden schaffen es, der Story mehr Leben einzuhauchen, als sie eigentlich herzugeben scheint. Immerhin gibt es abseits der Geschichte zahlreiche Anspielungen und Easter Eggs, von denen Elsa als Name einer mit Frost um sich schmeißenden Zwischengegnerin oder die Spinnen Itsy & Bitsy (basierend auf dem englischen Kinderreim "An itsy bitsy spider" noch die offensichtlicheren sind.

Victor Vran setzt auf effektreiche Monsterjagden und ordentliche Beute-Ausschüttung - und auf starke Einflüsse aus dem Action-Adventure.
Aber warum soll mich die fehlende Dramaturgie stören? Die Erzählung ist bei einem Hack&Slay oder Action-Rollenspiel oder Kloppmist oder wie man es auch immer nennen mag nur Mittel zum Zweck. Und der ist wie üblich "Jagen&Sammeln". Oder genauer: Monster dem Erdboden gleich machen und Beute einheimsen. Im Gegensatz zum Raubgut-Überfluss, den man von Blizzard oder Runic kennt, lässt es Victor Vran vergleichsweise gemütlich angehen. Die Ratio aus getöteten Feinden, ausgeschütteter Beute und dabei gefundenen sinnvollen Gegenständen ist sehr angenehm und ein Stützpfeiler der Motivation. In den gut 13 Stunden, die ich mit der Kampagne beschäftigt war, habe ich gerade mal zwei legendäre Waffen gefunden. Sehr schön: Haemimont hat auch abseits der Jagd nach immer besserer Ausrüstung einige Mittel und Wege gefunden, wie man die Spieler auch nach Abschluss der Geschichte nach Zagorovia locken kann.

Hack&Slay mit Kick

Mit Charakterstufe 25 (je nach Spielweise in etwa nach drei Viertel der Kampagne) wird z.B. eine Mehrspieler-Arena freigeschaltet. Mit Stufe 36 kommt ein zufällig generierter Endlos-Dungeon für Solisten hinzu. Zusätzlich warten auf jeder der über 40 Gebietskarten jeweils fünf Herausforderungen, für die es als Belohnung entweder Gold, Erfahrungspunkte oder Ausrüstungsgegenstände gibt. Zu diesen optionalen Aufgaben gehören das Entdecken von Geheimnissen, Zeitlimits, Gesundheitswerte, die nicht unterschritten werden dürfen, Gegner, die man nur mit bestimmten Waffen töten darf und vieles mehr. Doch damit nicht genug: Nach Abschluss der Kampagne kommen noch jeweils fünf Elite-Herausforderungen pro Gebiet hinzu, so dass schließlich über 400 dieser Mini-Missionen auf Bewältigung warten. Und wem das alles nicht reicht, kann über fünf so genannte Flüche den Schwierigkeitsgrad manipulieren, so dass z.B. auch vermehrt Elite-Monster auftauchen oder die Gegner automatische Regeneration haben. Im Gegenzug bekommt man mehr Erfahrung und eine erhöhte Chance auf Gegenstände. Selbstverständlich sind für manche Herausforderungen einer oder mehrere Flüche Pflicht.

Die häufig mehrstufigen Bosskämpfe können überzeugen.
Zwar kann man dieses Abenteuer auch per klassischer Mausklick-Steuerung erleben, doch um die Neuerungen in vollem Umfang genießen zu können, sollte man die Kontrollmethode auf "Action" (direkt per WASD) oder noch besser auf Gamepad stellen. Zwar wirken die Optionen der Ausweichrolle sowie des Sprunges auf dem Papier mehr oder weniger irrelevant. Doch mit ihnen gewinnt das Abenteuer nicht nur eine neue Dynamik, sondern bekommt auch zunehmend den Charakter eines Action-Adventures. Für Konsolenspieler von Diablo 3 ist die Ausweichrolle zwar nicht neu, doch sie verfehlt auch hier ihre Wirkung nicht. Wenn man im letzten Moment durch diese Aktion einem gegnerischen Angriff ausweichen und ihn dann hinterrücks attackieren kann, möchte man nicht mehr zu den starren Haudrauf-Orgien anderer Hack&Slays zurückkehren.

Action-Rollenspiel? Action-Adventure? Beides!

Gleiches gilt für den Sprung, der im Kampf eingesetzt werden kann, um z.B. von Feinden platzierten Laserstrahlen auszuweichen. Doch ohne ihn bleiben auch zahlreiche Geheimnisse unentdeckt. Man sieht auf der Minikarte einen Raum oder ein Gebiet, das unerreichbar scheint? Dann sollte man schleunigst schauen, ob es nicht irgendwelche Mauern gibt, über die man sich (im Zweifelsfall auch per Wandsprung) katapultieren kann. Auch zum Überqueren von Abgründen ist der Sprung gut geeignet, so dass sich Victor Vran trotz der deutlich erkennbaren DNA mehr wie ein kampf-fokussiertes Action-Adventure spielt. Es bietet quasi Elemente aus zwei Welten, die hier gut zusammengeführt wurden.

Auch die Kampfmechanik kann überzeugen: Zwei Waffen kann man mit sich führen, jede verfügt über einen Standard-Angriff sowie zwei Spezial-Attacken, die sich nach Benutzung erst wieder aufladen müssen. Zusätzlich kann Victor noch mit Granaten um sich werfen oder aufladbare Dämonenkräfte entfesseln. Das klingt nicht nach besonders viel. Doch mit

Statt über Talentbäume kann man nur über die Ausrüstung Einfluss auf die Fähigkeiten nehmen. Die Charakter-Entwicklung ist streng vorgeschrieben.
vier unterschiedlichen Nahkampf- sowie drei zur Auswahl stehenden Projektil-Waffen und einem Dutzend Dämonenkräften wird für Abwechslung gesorgt. Bei Letzterem wird ein großes Spektrum möglicher Optionen aufgerufen, die von Verlangsamung der Gegner in einem bestimmten Radius über Schockwellen bis hin zu einem Berserker-Modus reichen, bei dem man 50 Prozent mehr Schaden anrichtet, aber auch anfälliger für gegnerische Angriffe wird. Selbstverständlich kann man jederzeit wechseln und sich so auf die Anfälligkeiten oder Resistenzen innerhalb der breit gefächerten sowie sehr abwechslungsreichen Feindesriege samt schön inszenierter mehrstufiger Bosse vorbereiten, die in nicht minder abwechslungsreichen Gebieten ihr Unwesen treibt. Die dreh-, aber nicht zoombare Kamera gibt sich dabei keine Blöße: Würde der Hauptdarsteller von Mauern etc. verdeckt, werden diese ausgeblendet. Während an der grundsätzlichen Technik nichts auszusetzen ist, bleibt das Artdesign blass. Wo Torchlight, Diablo und zuletzt auch Necores Van Helsing eigene, unverwechselbare Akzente setzen konnten, sind die Umgebungen hier zwar nett anzuschauen, aber auch meist gewöhnlich.

Gutes Kampfsystem, schwache Charakter-Entwicklung

Ebenfalls nicht schön ist, dass man zwar über das Ausrüsten von Waffen und Kräften Einfluss auf die Fähigkeiten Victor Vrans nehmen kann, aber ansonsten die Charakter-Entwickung vorgegeben ist. Es gibt keine Talentbäume, keine Optionen, um Kraft, Gewandtheit oder sonstige Eigenschaften zu steigern - nix. Die Verbesserungen der Figur sind vorbestimmt, wodurch sich Haemimont vermutlich das Balancing erleichtert, sich aber ansonsten keinen Gefallen getan hat. Zwar kann man zusätzlich aus drei Gegenstands-Optionen wählen und schließlich auch über Kostüme bestimmte Aspekte wie Dämonenkräfte, kritischen Schaden etc. fördern. Dennoch fühle ich mich als Spieler etwas übergangen. Denn vielleicht hätte ich mich statt für Lebenspunkte für kritischen Schaden entschieden - und hätte dann mit den Konsequenzen leben müssen. Andererseits erspart man sich dadurch auch jegliche Notwendigkeit, "umskillen" zu müssen. In den ersten Missionen gibt es dafür ohnehin kaum einen Grund. Man wird auf "Normal" nur selten gefordert.

Per Transmutation kann man Gegenstände verschmelzen und aufwerten.
Nach etwa drei bis vier Stunden zieht der Schwierigkeitsgrad spürbar an, es kommen deutlich mehr Gegner, die auch häufig von Champions begleitet werden, stärkeren Varianten, die auch mit Dämonenkräften hantieren können.

Zur Ehrenrettung der Charakterindividualierung muss erwähnt werden, dass man über die ebenfalls umfangreiche Auswahl an Tarotkarten Einfluss nehmen und z.B. Angriffsgeschwindigkeit, Rüstungswerte, kritische Trefferchancen und vieles mehr manipulieren kann. Da man anfangs nur über wenige Kartenplätze verfügt und der Wert aller eingesetzten Karten ein bestimmtes Maximum nicht übersteigen darf, kommt der Auswahl eine entscheidende Bedeutung zu. Zusammen mit der Waffenwahl kann man die Figur wenigstens rudimentär an präferierte Spielweisen (Distanz, Nahkampf, Fokus auf schnellen Einsatz von Dämonenfähigkeiten) anpassen. Und bei Bedarf kann man per Transmutation weitere Anpassungen vornehmen. Dahinter verbirgt sich ein universelles Handwerksystem, bei dem man nicht mehr benötigte Beute kombinieren und zu neuen Gegenständen (teils mit Änderung des Seltenheitsgrads) machen kann. Und davon ist nichts ausgenommen. Waffen, Tarotkarten, Kräfte: Alles lässt sich verschmelzen oder veredeln, man kann Waffen auch neue Eigenschaften spenden. Zwar gibt es bestimmte Regeln, die man beachten muss und jede Transmutation kostet Gold, doch die Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben, machen die schwache Auswahl bei den örtlichen Händlern mehr als wett.

Schicksalhaftes Handwerk

Man kann zu jedem entdeckten Level springen. Dennoch ist die Übersichtskarte ausbaufähig.
Allerdings wird auch schnell deutlich, dass man abseits der Anfangsphase, in der das Gold noch relativ knapp sein kann, keine monetären Probleme hat bzw. haben wird.  Dafür umso mehr mit der mitunter unübersichtlichen Inventardarstellung. Zwar wird die Beute in fünf Reiter (Waffen, Nahrung, Kräfte, Karten, Sonstiges) einsortiert, die sich auch über mehrere Seiten erstrecken können. Aber trotz der Option, nach Typ, Seltenheit und Preis sortieren zu können und sich (seit Version 2.0) auch Favoriten anzulegen, wirkt die Inventarführung nicht durchdacht. Mitunter überlagern die Infokästen weitere Waffen oder Karten, so dass ein schneller Vergleich unmöglich ist. Zwar kann man sich daran gewöhnen, doch den Komfort, den andere Action-Rollenspiele in diesem Bereich bieten, erreicht man nicht ganz. Und wo wir gerade bei Komfortfunktionen sind: Die Karte, über die man alle entdeckten Gebiete per Teleport erreichen kann, gibt einem zwar ein Gefühl für die Größe der Spielwelt, doch sie hakt in einem Punkt. Man kann einsehen, welche Gebiete noch geschlossen sind, doch welches Areal man betreten muss, um es zu entdecken, findet man nur durch Trial&Error hinaus. Die Ladezeiten sind zwar akzeptabel, doch wenn man X mal zwischen dem Schloss als Zentralverteiler und den jeweiligen Gebieten hin und her springt, zehrt das an den Nerven. Eine kurze Anzeige per Linie, welche Bereiche von wo aus angereist werden können, hätte den Stress gelindert.

Fazit

Ich mag es, wenn Entwickler ein Risiko eingehen und althergebrachte Mechaniken in Frage stellen. Insofern begrüße ich die Entscheidung von Haemimont, das klassische Hack&Slay mit simplen Mitteln wie einer Ausweichrolle, gebietsabhängigen Zusatzaufgaben sowie Sprungfähigkeit des Helden aufzuwerten. Nicht nur, dass die Kämpfe sowie die Gebietserforschung dadurch eine neue Dynamik gewinnen. Ein „simpler“ Dungeon Crawler bekommt so zunehmend den Charakter eines Action-Adventures, ohne jedoch seine Herkunft aus den Augen zu verlieren. Mit sieben Waffen samt eigenen Spezialangriffen sowie zwölf Dämonenfähigkeiten hat man ein reichhaltiges Zerstörungsarsenal zur Verfügung, während die Beuteausschüttung sorgsam austariert ist und den bekannten Motivationssog ausübt. Schade ist allerdings, dass die Charakterentwicklung streng vorgegeben ist und man nur über die Ausrüstung bzw. Boni gewährende Schicksalskarten eingreifen kann. Zudem hätten die sowohl im Englischen (Doug Cockle, aka Geralt von Rivia) als auch im Deutschen (Martin Keßler, Torsten Michaelis) sehr gut ausgewählten und über sich hinauswachsenden Sprecher eine bessere Story verdient. Oder zumindest eine interessante Inszenierung, während ein markantes Artdesign ebenfalls dazu beigetragen hätte, Victor Vran zu etwas Besonderem zu machen anstatt „nur“ zu einer guten Hack&Slay-Alternative, die eigentlich auch für Konsolen prädestiniert ist.

Pro

  • Ausweichrolle und Sprung werten das Hack&Slay-Prinzip auf
  • grandiose Sprecher (sowohl im Englischen als auch der lokalisierten Version)...
  • fünf Herausforderungen pro Karte/Gebiet, später je fünf weitere Elite-Herausforderungen
  • saubere Kulisse...
  • Pad bzw. "Action"-Steuerung sorgen für das Spielgefühl eines Action-Adventures
  • sieben Waffentypen mit je zwei Spezialangriffen
  • zwölf Dämonenkräfte
  • eingängiges Kampfsystem
  • Zuschalten von Modifikatoren
  • gut abgestimmte Beute-Ausschüttung
  • ordentliche, mehrstufige Bosskämpfe
  • Transmutation als weitreichendes universelles Handwerkssystem für Upgrades und Kombinationen
  • stimmungsvolle Musik, die mal an Diablo, dann wieder an Van Helsing erinnert
  • komfortables Teleportsystem
  • freischaltbare PvP-Arena sowie zufällig generierter Endlos-Dungeon für Solisten

Kontra

  • vorgegebene Charakterentwicklung
  • ... die Story ist allerdings bieder und wird unspektakulär erzählt
  • Inventaransicht noch nicht ausgereift
  • ... bei der das Artdesign aber generisch bleibt und keine Akzente setzen kann
  • Gebietsverbindungen auf Karte nicht ersichtlich
  • Währung schnell wertlos

Wertung

PC

Victor Vran lässt die Grenzen zwischen Hack&Slay und Action-Adventure verschwimmen. Noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn die Charakter-Entwicklung nicht vorgegeben wäre.