Dead Synchronicity: Tomorrow Comes Today - Test, Adventure, Linux, Mac, iPad, XboxOne, PlayStation4, PC, Switch
Als erzählerischen Kniff für die rätselhafte Zukunft haben sich die Entwickler für die altbekannte Amnesie entschieden. Michael wacht mit Gedächtnisverlust in dem ihm unbekannten Flüchtlingslager auf. Im klassischen Adventure-Stil versucht er, seiner Vergangenheit und einer geheimnisvollen Seuche auf den Grund zu gehen. Im Gegensatz zu „Gelöschten“ wie Michael müssen sich die siechenden „Zerflossenen“ mit viel tragischeren Symptomen herumschlagen: Seit dem Unglück leiden immer mehr Lagerbewohner unter Verwirrtheit und wilden Visionen, bis sie schließlich im Endstadium ein bestialischer Tod ereilt. Auch der Sohn von Michaels Retter und Gastgeber ist offenbar betroffen. Die Erkrankung soll aber unter allen Umständen vor Lagerspitzeln und fiesen Einsatzkräften geheim gehalten werden – denn wenn sie Wind davon bekommen, wird der Kranke ohne Umschweife in ein „Krankenhaus“ verschleppt, aus dem noch nie jemand zurückgekehrt ist. Aus Dankbarkeit für seine Rettung begibt sich Michael also auf den Weg in die zerstörte Stadt, um ein Heilmittel zu beschaffen – und nebenbei vielleicht Hinweise auf seine frühere Existenz vor der „großen Welle“ zu finden. Zwischendurch leidet er immer wieder unter kurzen Flashbacks, die ihn für ein paar Sekunden in die Vergangenheit der jeweiligen Szene versetzen. Wenn er wegdämmert, hört er außerdem die vertrauten Worte einer Frau, die ihn anfleht, aufzuwachen.
Das Elend nach der „großen Welle“
Was ich dem Comic-Stil aber zugestehen muss, ist, dass er die Trostlosigkeit des Szenarios passend einfängt. Jedes Fleckchen der Welt strahlt Hoffnungslosigkeit aus – ob ich nun durch das müllverseuchte Lager oder die mit Trümmern, Leichen und Blutflecken übersäte Stadt wate. Auch der finstere Soundtrack der Indie-Rockband Kovalski trägt seinen Teil zur Stimmung bei; im Ohr geblieben ist mir aber keines der Stücke.
Hoffnungslosigkeit in Spielform
Eine meiner „notwendigen Sünden“ ist, dass ich das Gesicht eines toten Priesters mit Säure übergieße und es hinterher mit einer Glasscherbe noch weiter entstelle. Danach stopfe ich der Leiche eine Waffe in die Hand, eine alte Visitenkarte in die Tasche und präsentiere sie den Lagerwachen. Meine Gräueltat hat Erfolg: Die Wachen halten ihn für den Mörder an ihrem Kollegen. Ich habe den wahren, noch jungen Täter geschützt, der sonst an der Exekutionsmauer gelandet wäre. Solche Rätsel wirken zwar im Nachhinein logisch. Vorher ist es oft aber gar nicht so einfach, darauf zu kommen, dass ich z.B. an einem ganz anderen Ort eine Glasscherbe und die Säure finden muss, um sie anderswo für eine Verstümmelungsaktion einzusetzen. Ab und zu kommentiert Michael zwar gesammelte Gegenstände und Möglichkeiten - im Gegensatz zu hauseigenen Daedalic-Titeln gibt es aber zu wenige in die Handlung eingewobene Hinweise. Ab und zu kam es also durchaus vor, dassich eine Weile ratlos durch die Gegend gelaufen bin, was durch die trostlose Stimmung noch deprimierender wirkte als in anderen Spielen. Warum brüllt Michael z.B. nicht einfach durch die Tür oder macht anderweitig Lärm, als er die Hilfe vom in der Hütte sitzenden Hank benötigt. Stattdessen muss ich anderswo umständlich Werkzeuge suchen, Fässer stapeln und das hoch hängende Stromkabel kappen. Erst dann wird "der Jäger" auf mich aufmerksam und kommt heraus. Ich glaube kaum, dass die Musik aus seinen Miniboxen mich derart effektiv übertönen können.
Gesichts-Chirurgie der finsteren Art
Gebrochene Persönlichkeiten
Fazit
Wenn ihr euch mal wieder richtig schön deprimiert fühlen wollt, ist Dead Synchronicity euer Spiel: Von unmenschlicher Machtausübung im Lager über die katastrophalen Seuchenfolgen bis hin zum tristen Zeichenstil und den düster-surrealen Flashbacks strahlt fast alles am Adventure eine schreckliche Trost- und Hoffnungslosigkeit aus. Für ein spielbares Drama ist das eigentlich eine gute Voraussetzung, zumal die Welt von ungewöhnlichen, meist traumatisierten Persönlichkeiten bevölkert wird, die interessante Fragen aufwerfen. Die Fictiorama-Studios schaffen es aber leider nicht, das Potenzial zu nutzen. Die Geschichte zieht sich einfach nur wie ein zähflüssiger Horrortrip – ohne Hoffnung, dramaturgische Höhepunkte oder Tempowechsel, welche die postapokalyptische Erkundungsreise spannender hätten gestalten können. Auch die Balance der Rätsel liegt nicht immer auf dem von Daedalic gewohnten Niveau: Mitunter sind zu wenige Hinweise in die Dialoge eingewoben. Wer ein Faible für erbarmungslos finstere Spiele hat, bekommt aber trotzdem ein befriedigendes Adventure in einem ungewöhnlich surrealen Endzeit-Szenario.
Pro
- unverbrauchtes surreales Endzeit-Szenario
- bedrückende Atmosphäre wird gut eingefangen
- gelungene deutsche Synchro
- interessante Charaktere
Kontra
- kaum Abwechslung oder dramaturgische Höhepunkte
- einige Rätsel schwer nachvollziehbar
- hässlich kantige und detailarme Figuren
- minimalistische Animationen