Crypt of the NecroDancer - Test, Musik & Party, Mac, XboxOne, PlayStation4, PS_Vita, PC

Crypt of the NecroDancer
22.04.2015, Mathias Oertel

Test: Crypt of the NecroDancer

Rhythmus im Dungeon

Selten hat ein Early-Access-Titel auf Steam im Vorfeld für so viel Begeisterung gesorgt wie Crypt of the Necrodancer. Über 2300 positiven User-Beurteilungen stehen schlappe 21 negative gegenüber. Doch nicht nur die Spieler überschütten das ungewöhnliche Projekt mit Lobeshymnen - diverse Festival-Preise scheinen ebenfalls eine deutliche Sprache zu sprechen. Der Test verrät, was hinter dem ungewöhnlichen Indie-Titel steckt.

Zu Dungeon Crawlern kann ich einfach nicht nein sagen - und es muss auch nicht immer das Kaliber eines Diablo, Torchlight & Co sein. Und für Musik- bzw. Rhythmusspiele habe ich ohnehin immer Zeit. Insofern war es zwangsläufig, dass ich irgendwann auf Crypt of the Necrodancer (CN) stoßen würde, das endlich seine Early-Access-Phase verlässt. Denn das Projekt des unter dem Namen Brace Yourself Games agierenden Kanadiers Ryan Clark verbindet diese beiden Genre. Doch damit nicht genug: Er reichert die auf den ersten Blick merkwürdig scheinende Verbindung zusätzlich mit Elementen an, die man derzeit mit dem Mode-Schlagwort "Roguelike" kategorisieren und in eine Schublade packen kann: Permanenter Tod, zufällig generierte Level und Gegner-Anhäufung sowie ebenso zufällig ausgeschüttete Gegenstände als Beute oder kaufbare Ware bei Händlern.

Dungeon-Ballett

Es sieht aus wie ein altbackener Dungeon-Crawler, doch hinter dem Necrodancer verbirgt sich ein sehr unterhaltsamer Echtzeit-Puzzler.
Das Konzept ist denkbar einfach: In der Rolle der zwielichtigen Cadence muss man Gewölbe im Rhythmus der Musik durchqueren. Schritt für Schritt, nach rechts oder links, nach oben oder unten. Verliert man bei den vertikalen oder horizontalen Bewegungen, die aus der Vogelperspektive in einem stimmigen 16-Bit-Pixelstil gezeigt werden, den Takt, geht im besten Fall nur der Gold-Multiplikator flöten. Im schlimmsten Fall kollidiert man mit einem der zahlreichen Feinde, die ebenfalls dem Rhythmus folgen und unaufhörlich ihre Wege gehen. Das wiederum hat einen teilweisen Verlust der knappen Lebensenergie zur Verfügung. Sind alle Herzen weg, geht es wieder zurück in die Lobby - und alle Gegenstände, die man gekauft bzw. gefunden hat, sind weg. Alle Waffen, alle Rüstungen. Alles. Weg.

Dabei braucht man allerdings keine Illusionen haben, dass es sich hier um eine Art "Kloppmist" mit musikalischem Hintergrund handelt. Stattdessen schlummert hinter der bunten, bei jedem Start zufällig generierten Fassade ein taktischer Echtzeit-Puzzler, der einem klaren Regelwerk folgt. Jeder Gegner folgt einemvorgegebenen Bewegungsmuster und Takt. Manche Figuren bewegen sich bei jedem Schlag. Manche lassen zwischen jeder Bewegung einen Takt Pause, andere wiederum bewegen sich nur bei jedem vierten Beat. Die eigene Figur nimmt nur Schaden, wenn sie und der Gegner mit ihrer Bewegung auf dem gleichen Feld landen - und natürlich bei besonderen Distanzangriffen von End- oder Zwischenbossen wie den fiesen Drachen. Befinden sich die Heldin und der

Death Metal ist einer der vier gnadenlosen Bosse in den kaum Fehler verzeihenden Rhythmus-Dungeons.
jeweilige Feind auf angrenzenden Feldern, wird mit der entsprechenden Pfeiltaste keine Bewegung, sondern ein Hieb mit der Waffe ausgeführt. Je nach Durchschlagskraft der ausgerüsteten Waffe, ihrer Reichweite sowie der Lebensenergie der Feinde sind mitunter mehrere Schläge nötig, die man wiederum sorgsam mit den eigenen Bewegungen sowie denen der Gegner koordinieren muss.  

Klare Regeln

Dieses Konzept klingt anfangs verwirrend, geht einem aber unglaublich schnell in Fleisch und Blut über. Und ab diesem Moment wird Crypt of the Necrodancer zu einem mitunter anspruchsvollen Bewegungs-Puzzle, dem man sich nicht entziehen kann. Wenn diverse unterschiedliche Gegnertypen auf einen zukommen, ist ein kühler Kopf und Kenntnis der Bewegungsschemata zwingend notwendig, da man sich sonst verdammt schnell in der Lobby wiederfindet. Auch den Fallen (die auch die Feinde in Mitleidenschaft ziehen) sollte Bedeutung geschenkt werden. Und nicht zuletzt kann man sich mit seiner Schaufel auch durch bestimmte Wände graben. Teils aus taktischen Gründen, weil eine abgebaute Wand als Taktfüller genutzt werden kann, bis der nächste Feind neben einem steht, ohne den Multiplikator zu verlieren. Teils, weil sich dahinter Verstecke oder Diamanten befinden können, die neben Gold als zweite Währung dienen. Erforschung der Umgebung und Sammeln werden belohnt.

Allerdings muss man sich bewusst sein, dass die Besitztümer nur kurzzeitig für Freude sorgen. Das Gold, das man für erledigte Gegner erhält, bleibt beim Ableben komplett im Dungeon und sollte daher bei den herrlich zu den schmissigen Melodien mitsingenden Händlern für die dort angebotene Ausrüstung ausgegeben werden. Diese kann aber ebenfalls nicht den Dungeon verlassen. Dies ist einzig den gesammelten Diamanten vorbehalten, die man in der Lobby bei verschiedenen Figuren ausgeben kann, um mitunter kostspielige Spielerweiterungen freizuschalten. Dazu gehören z.B. mehr Lebensenergie-Herzen oder neue Gegenstände, die man dann im Dungeon entweder in Kisten findet oder bei Händlern erstehen darf. Aber auch die Trainings-Möglichkeiten gegen die diversen Mini- und Endbosse sind nur gegen die Kohlenstoff-Modifkation möglich. Die Bewegungsmuster der Standard-Kontrahenten lassen sich kostenlos studieren, damit man beim nächsten Durchlauf für alles gewappnet ist.

Wie gewonnen so zerronnen

Man kann für jeden Abschnitt eigene Musiken importieren.
Vier Zonen mit jeweils drei prall gefüllten Abschnitten sowie einem aus einem Quartett zufällig ausgewählten Endboss warten auf mutige Dungeon-Tänzer. Und danach ist die Herausforderung noch nicht vorbei. Insgesamt zehn Figuren kann man jeweils durch die Abschnitte führen, wobei sich die Charaktere dank kreativer Modifikatoren allesamt sehr unterschiedlich spielen. Dem Barden z.B. ist der Rhythmus vollkommen egal. Erst bewegt er sich, dann die Gegner, wobei diese nach wie vor an ihre Taktvorgabe gebunden sind und z.B. erst nach jeder zweiten oder vierten eigenen Bewegung gehen. So wird aus dem Echtzeit-Puzzle eine rundenbasierte Höhlenerforschung mit einem noch taktischeren Fokus. Der grimmige Eli hingegen hat unendlich Bomben zur Verfügung, die er auch Richtung Gegner kicken kann, so dass man abermals gezwungen wird, seine Spielweise anzupassen.  Der Mönch hingegen darf kein Gold berühren, kann sich aber beim Dungeon-Händler etwas gratis aussuchen. Dove wiederum kann die Gegner nicht töten.

Mitunter ist es nicht einfach, einen kühlen Kopf zu bewahren, um den Feinden im Takt bleibend den Garaus zu machen.
Dass die Level hinsichtlich Befüllung und Layout bei jedem neuen Anlauf zufällig ausgewürfelt werden, sorgt nicht nur für Freude. Denn während einerseits bei jedem Start ein neues Erlebnis gewährleistet wird, ist man neben seinen Fähigkeiten sehr stark vom Glück abhängig, wenn man überleben möchte. Hat man gleich im ersten Abschnitt den Drachen mit seinem Distanzangriff und exorbitanten Lebenspunkten als Torwächter und nicht den tumben Minotauren, der ständig gegen die Wand stürmt, wird es schwer, die nächste Stufe zu erreichen. Vor allem, wenn die Schatztruhen keine ordentlichen Waffen ausspucken und man beim Händler für sein schwer verdientes Gold nur einen Kompass, eine Fackel sowie eine verbesserte Schaufel bekommt. Das führt zwangsläufig zu Frust - der einen allerdings nicht lange vom nächsten Versuch abhält. Denn in den meisten Fällen liegt das Scheitern nicht an schlechtem Spieldesign, sondern den eigenen Unzulänglichkeiten. Doch wenn alles zusammenpasst, man von ein wenig vom Inventar-Glück begünstigt wird und in einen rhythmischen Fluss kommt, entsteht bei Crypt of the Necrodancer ein kleines Stück Spielemagie. Das ist auch den ins Ohr gehenden Melodien zu verdanken, die aus der Feder von Danny Baranowsky stammen, der schon Super Meat Boy oder The Binding of Isaac musikalisch veredelte. Und wer wider Erwarten rein gar nichts mit der akustischen Untermalung anfangen kann, wobei man für jeden Abschnitt auch jeweils zwei Remixe aktivieren kann, der importiert kurzerhand seine eigenen Songs. Das Auslesen der Schläge pro Minute funktioniert dabei ganz passabel. Es kann allerdings bei Songs, deren Tempo variiert, wie z.B. Queens Bohemian Rhapsody zu Problemen kommen.

Mehr ist mehr

Auch die Gegenstände bei den Händlern werden bei jedem Betreten zufällig festgelegt - man benötigt etwas Glück.
Und wer jetzt immer noch nach Langzeitmotivation sucht: Wie wäre es denn mit einem Level Editor? Check! Einem lokalen Koop-Modus? Check! Ein Spieler steuert per Pfeiltasten, der zweite mit WASD - man kann jedoch auch neu konfigurieren oder Controller nutzen. Modding-Unterstützung? Check! Dank der ausgedehnten Early-Access-Phase und der frühzeitigen Entscheidung, Modifikationen seitens der Community zu fördern, kann man bereits jetzt auf beinahe 1500 Objekte im Steam Workshop zurückgreifen, wobei momentan ein Großteil von neuen Charakter-Skins gestellt wird. Link, Kirby, Phoenix Wright, Pikachu, Skullgirls-Figuren: Wer nicht mit den Standard-Charakteren spielen möchte, hat eine breit gefächerte Auswahl zur Verfügung.  Apropos Auswahl: Wer aus irgendwelchen Gründen auch immer eine Tanzmatte mit USB-Anschluss hat, kann diese hier verwenden - es gibt sogar einen speziellen Modus, in dem man mit einer verbesserten Ausrüstung an den Start geht und der leichter sein soll. Doch auch ohne Tanzmatte bin ich hier fast so häufig gestorben wie im regulären Modus. Macht aber nix. Das Scheitern macht richtig Laune.  Auf ein Neues...

Fazit

Auf den ersten Blick ist Crypt of the Necrodancer mit seiner Mischung aus Rhythmus-Spiel und Dungeon Crawler samt zufällig generierter Level und Dauertod ein wagemutiges Projekt. Auf den zweiten und dritten Blick ebenso. Doch der Wagemut, den Ryan Clark beim Konzept sowie der Umsetzung an den Tag legte, sorgt für ein unvergleichliches Spielgefühl. Schafft man es, in diesem leicht zu erlernenden, aber schwer zu meisternden Musikpuzzler den Überblick zu behalten und wird dazu ein wenig vom Gegenstandsglück begünstigt, entstehen wahrhaft magische Momente. Angetrieben von einem sofort ins Ohr gehenden Soundtrack wiegen selbst die bedingt durch die gnadenlose Zufälligkeit entstehenden Frustmomente nicht schwer - und sie halten auch nicht lange vor. Fordernd, vollgestopft mit bereits mitgelieferten Inhalten wie z.B. zehn sehr unterschiedlich spielbaren Figuren kehrt man gerne für einen "kurzen" Abstecher in die Gewölbe des Nekrotänzers zurück. Wieder und immer wieder. Abgerundet wird dieses bemerkenswerte Projekt von einem Musikimport samt größtenteils gut funktionierenden BPM-Erkennung sowie Modding-Unterstützung, die sich schon jetzt mit annähernd 1500 Objekten im Steam Workshop bemerkbar macht. Spiele wie dieses machen deutlich, dass die Indieszene hinsichtlich kreativer Impulse immer noch den Takt vorgibt. Mehr davon!

Pro

  • ungewöhnliches Puzzle-Konzept mit Mix aus Rhythmus-Spiel und Dungeon Crawler
  • treibender Soundtrack mit zwei Remix-Versionen
  • eigene Tracks importierbar
  • sympathische 16-Bit-Kulisse
  • interessante Bosskämpfe
  • unterstützt Modding/Steam Workshop
  • abwechslungsreiche Charakterauswahl, die unterschiedliche Herangehensweisen fordert
  • Leveleditor
  • zahlreiche Kontrollmethoden bis hin zur Tanzmatte

Kontra

  • zufällige Levelgenerierung kann für Frust sowie einen uneinheitlichen Schwierigkeitsgrad sorgen
  • mitunter Probleme bei der BPM-Erkennung eigener Songs

Wertung

PC

Sehr unterhaltsamer Rhythmus-Puzzler mit grandiosem Soundtrack, bei dem der gelegentlich durch die Zufälligkeit auftauchende Frust keine Chance hat.