Kerbal Space Program - Test, Simulation, PlayStation5, PC, XboxOne, Mac, Wii_U, PlayStation4, XboxSeriesX

Kerbal Space Program
30.04.2015, Benjamin Schmädig

Test: Kerbal Space Program

Ein kleiner, grüner Schritt...

Die NASA hat es nun wirklich nicht leicht! Weltraumprogramme kosten ja nicht nur Geld, es müssen auch wissenschaftliche Grundlagen für einen Ausflug ins All geschaffen werden. Zu allem Überfluss sollte das Image stimmen: Ohne guten Ruf unterstützt bald niemand mehr die Sternenreise. So jedenfalls hat es mich Kerbal Space Program (ab 35,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) gelehrt. In einem großen Test muss ich jetzt zeigen, was ich gelernt habe.

Ein großer Test... das sind Reisen zum Mond, zu einem anderen Planeten, um die Sonne gar. Denn in Kerbal Space Program setze ich mich nicht in ein Raumschiff und fliege los. Zuvor muss ich das Raumschiff konstruieren – einschließlich seiner Trägerrakete, einer Landungskapsel und dem für die Rückkehr notwendigen Fallschirm.

Lange, gut dosierte Schübe

Beim anschließenden Flug staunt selbst ein physikalisch nicht korrektes, aber beeindruckendes Star Citizen nicht schlecht. Denn Gasgeben und Bremsen reicht hier nicht aus. Schon das Verlassen der Erdatmosphäre ist eine Wissenschaft für sich, von der Befreiung aus ihrem Gravitationsfeld ganz zu schweigen. Nur lange, gut dosierte Schübe verändern die Bahn eines wie auch immer gestalteten Flugkörpers. Dass dessen Steuerung trotzdem spielend leicht ist, gehört zu den Stärken dieses "Raumfahrt-Simulators".

Ach, und um die Erde geht es hier genau genommen gar nicht. Im Mittelpunkt steht Kerbin,  sein Trabant Mun sowie das komplette Sternensystem, dessen Zentralstern immerhin

Auf ins All! Ob mit diesem wuchtigen oder irgendeinem anderen Gefährt, spielt keine Rolle...
"Sonne" genannt wird. Der federführende Entwickler Felipe Falanghe macht es sich damit natürlich einfach, denn er muss nicht die Realität simulieren. Dass sein fiktiver Raum ein Abbild unseres Sonnensystems ist, steht aber außer Frage. Das Erlebnis stört es ohnehin in keiner Weise. Im Gegenteil: Es ist herrlich, in die staunenden grünen Gesichter der knuffigen Kerbaler zu blicken, wenn ihre Rakete im Weltall ankommt!

Fundgrube Straßengraben

Überhaupt zeichnet Falanghe ein erfrischend augenzwinkerndes Bild der Raumfahrt: Wichtige Bauteile wurden "im Straßengraben aufgelesen" und um zu beweisen, dass manche Kerbaler hohen Geschwindigkeiten mehr zugeneigt sind als andere, erhält man den Auftrag, sechs von ihnen mit individueller Reiseplanung durchs All zu kutschieren.

Kerbal Space Program ist eben nicht nur Raumschiffbau und -flug, sondern auch das Erforschen neuer Technologien, das Erarbeiten einer guten Reputation sowie das Beschaffen schnöden Mammons. Mit Letzterem wertet man z.B. die Startrampe auf, so dass größere Raketen abheben können. In den Werkshallen werden nach einem Ausbau komplexere Konstruktionen erstellt und ein erweitertes Verwaltungsgebäude erlaubt mehr Kampagnen zur Beschaffung wissenschaftlicher oder finanzieller Mittel.

Woher kommt eigentlich Wissenschaft?

Der erfolgreiche Abschluss einer Mission spült dabei Geld in die Kasse, vermehrt den abstrakten Wert "Wissenschaft" und erhöht das Ansehen, mit dem z.B. Spendenaktionen durchgeführt werden. Am wichtigsten ist Wissenschaft, weil davon neue Entwicklungsstufen bezahlt werden. Und nur die ermöglichen den Bau fortschrittlicher Komponenten, ohne die komplexe Flugapparate gar nicht realisierbar sind.

In der klassischen Karriere sind Geld und Ansehen sogar deaktiviert. Missionen gibt es dort nicht; man muss also aus eigenem Antrieb heraus wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen – durch das Sammeln von

... so lange man irgendwie hier ankommt.
Bodenproben etwa oder das Anfertigen von Berichten im Orbit eines Planeten. Nur in der zentralen Kampagne zählt das umfangreiche Verwalten aller Aspekte.

Wegweiser, ohne Hand im Rücken

Trotzdem ist diese Karriere ein gelungener Einstieg. Immerhin führen die optionalen Aufträge mit sanfter Hand durch die ersten Stunden, da sie zunächst einfache Ziele vorgeben. Mit fortschreitender technischer Entwicklung werden dann aufwändigere Missionen angeboten. Wenn einer der frühen Aufträge also das Erreichen einer Umlaufbahn um Kerbin vorgibt, ist es sinnvoll, diese Herausforderung anzunehmen: Das Erreichen des anspruchsvollen Ziels ist lukrativ und die gewonnen Erkenntnisse ermöglichen vielleicht schon im Anschluss die erste Reise um Mun.

Grundsätzlich gilt aber: Konstrukteure dürfen bauen, was das Herz begehrt. Sie dürfen erschaffen, was Werkshalle und Startrampe, Fantasie und Geldbörse hergeben. Sie fügen Treibstofftanks mit Triebwerken zusammen, montieren beides an der Trägerrakete, bringen Lichter an und erstellen irgendwann eine Landekapsel, dank der kleine Schritte eines Kerbalers zu großen Fußabdrücken werden. Aus diesem Grund engagieren sie

Schöpfungsgeschichte

Ein kleiner Schritt für einen Kerbaler...

Warum entstand Kerbal Space Program eigentlich bei einer Marketingfirma? Ganz einfach: Entwickler Felipe Falanghe wollte sein Unternehmen ursprünglich verlassen, um das Spiel zu kreieren. Seine Chefs fanden die Idee jedoch so gut, dass er das Projekt an seinem bisherigen Arbeitsplatz entwickeln durfte.schließlich eine Crew, bestehend aus Pilot, Wissenschaftler und Techniker. Mit steigender Erfahrung lernen die Astronauten, Verzeihung: Kerbonauten, irgendwann das Schiff selbst auszurichten, wertvollere Forschungsergebnisse zu erzielen und sogar schwere Schäden zu beheben.

Leider verbirgt sich im Bau allerdings manche Tücke, weil einige Teile auch aufgrund der etwas umständlichen Kamerasteuerung nicht genau dorthin wollen, wo es der Ingenieur gerne hätte. Gut, dass man jeden Schritt wie beim Bearbeiten eines Office-Dokuments zurücksetzen und wiederherstellen kann und dass Feineinstellungen ein nachträgliches Bearbeiten erlauben. Bei komplexen Objekten fummelt man hin und wieder aber zu lange.

Im Flug gelten ähnliche Einschränkungen; mich stört z.B. der häufige Wechsel zwischen der normalen Ansicht und dem Blick auf die Karte. Während diesem kann ich eine Raumkapsel nämlich nach wie vor steuern, mir stehen aber nicht alle Funktionen zur Verfügung. Schade, dass man nicht wie in anderen Spielen vom direkten Blick auf das Schiff bis ans Ende des Sonnensystems zoomen darf. So könnte man zudem schneller zwischen verschiedenen Kerbal-Objekten hin und her schalten.

Wechselspiel statt cooler Zoom

Immerhin darf man eine Rakete ins All schießen, während ein anderes Modul gerade einen Trabanten anfliegt. Gleichzeitig umrunden künstliche Satelliten vielleicht Kerbin und andere Himmelskörper. Sogar der Bau von Raumbasen sowie Stationen auf fernen Planeten ist möglich. So weit bin ich aber noch gar nicht vorgedrungen. Ein Zeitraffer verhindert übrigens langweilige Wartezeiten im Orbit oder während eines Anflugs.

Kerbal Space Program unterstützt von Haus aus Modifikationen - zahlreiche wurden bereits veröffentlicht, u.a. zusätzliche Sternensysteme. Curse führt die Erweiterungen auf.

MODifizierbar

Trotz der kleinen Ärgernisse fliegen sich die Flugkörper aber meist fantastisch. Das liegt nicht nur an der überschaubaren Steuerung, die auf umständliche Tastenkombinationen oder Joystick-Akrobatik verzichtet:  Mit wenigen Eingaben erreichen Raketen einen Orbit und ändern ihre Umlaufbahn. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Richtungsangaben und Schubeinstellungen. Immerhin – so viel Physik muss sein – verlangsamt sich die Geschwindigkeit eines Objekts im luftleeren Raum nicht beim Einschalten einer Bremse, sondern durch das Beschleunigen entgegen der Flugrichtung.

Am Ziel? Noch lange nicht! Aber solche Momente sind die Mühe wert.


Beim Beschleunigen stehenbleiben

Ein Tastendruck löst Triebwerksstufen in frei planbarer Reihenfolge vom Rumpf, ein Mausklick erlaubt das Erstellen wissenschaftlicher Berichte. Konzepte wie Apoapsis und Periapsis werden spielend erklärt und als wichtige Größen einer Umrundung (es sind deren höchster und ihr niedrigster Punkt) grafisch dargestellt. Es macht einfach Spaß, auf Grundlage realistischer Berechnungen durch den Schatten eines Planeten zu schweben, ohne trockene Mathematik auszuführen!

Doch nicht alle Vorgänge und Zusammenhänge werden so gut erklärt, dazu zählen selbst profane Aktionen wie das automatische Verfassen eines einfachen Berichts - ganz ohne Hilfestellungen auf Reddit & Co. sowie manches YouTube-Video werden daher die Wenigsten zurechtkommen.

Fazit

Es gibt heute eine Menge Spiele, die kreatives Konstruieren mit praktischen Zielen verbinden: das große Minecraft, aber auch Infinifactory, Space Engineers oder Besiege. Keines davon verleiht dem freien Schaffen allerdings einen so umfangreichen wirtschaftlichen Rahmen wie es Kerbal Space Program tut. Je nach gewählten Einstellungen kann es nämlich kinderleicht oder angenehm fordernd sein, ausreichend Ressourcen für die Fortführung des Programms zu beschaffen. Wie ein Flugkörper aussieht, liegt zwar immer in der Hand seines Konstrukteurs, gemäß dem aktuellen Forschungsstand müssen Raketenbauer aber ganz unterschiedliche Lösungen für verschiedene Probleme finden. Ärgerlich, dass die Einführung Lücken aufweist und das Hinzufügen mancher Bauteile kniffliger ist als es sein sollte. Einmal im All, genießen die Ingenieure der zugänglichen Weltraumsimulation aber faszinierende Erlebnisse. Als meine Rakete erstmals die Atmosphäre verließ, habe ich jedenfalls genauso gestaunt wie der knuffige Pilot mit seinem breiten, ansteckenden Lächeln. Hobbyastronauten sollten auf diesen Kreativbaukasten nicht verzichten!

Pro

  • spielerisch vereinfachter, aber glaubwürdiger Weltraumflug
  • umfangreicher Bau praktischer oder fantasievoller Flugkörper
  • offenes Spiel: jederzeit freies Setzen aller Ziele
  • angenehm komplexer Ausbau von Forschung, Basis und Ressourcen in mehreren Schwierigkeitsstufen
  • optionale Missionen bringen wichtige Ressourcen und dienen als behutsame Wegweiser
  • Starts können jederzeit und beliebig oft wiederholt werden
  • verschiedene Karrierearten und zahlreiche Optionen vor Karrierestart
  • augenzwinkernde Beschreibungen vieler Module und Aufträge
  • offizielle Unterstützung von Modifikationen

Kontra

  • Schwächen bei Kamera und Steuerung während Konstruktion und Flug
  • manches wird nicht gut erklärt
  • mitunter helfen nur Foren, YouTube & Co.
  • zufällig erstellte Missionen können unsinnige Aufgaben stellen
  • keine deutschen Texte

Wertung

PC

Kerbal Space Program verbindet freies Konstruieren mit einer anspruchsvollen Kampagne. Hobbyastronauten sollten auf diesen Kreativbaukasten nicht verzichten!