Westerado: Double Barreled - Test, Action-Adventure, PC
Der namenlose Held, den man in Westerado: Double Barreled wahlweise mit Pad oder WASD-Steuerung durch die in vornehmlich Gelb-, Braun- und Orangetönen gehaltene 16Bit-Pixelkunst-Prärie jagt, hat einen denkbar schlechten Tag erwischt. Eigentlich wollte er nur dem Wunsch seiner Mutter folgen und seinem Bruder helfen, Büffel in den Pferch zu treiben. Doch eines der Viecher büxt aus. Er folgt ihm, kann es wieder einfangen und kehrt nach Hause zurück. Doch dort findet er einen Albtraum vor: Die Ranch steht in Flammen, die Mutter wurde getötet und der Bruder liegt im Sterben. Er fleht um den Gnadentod, nachdem er einem einen sechsschüssigen Revolver und einen Hut in die Hand gedrückt hat. Einen Schuss später macht man sich auf den Weg zum Onkel, der eine Ranch weiter wohnt.
Ein Scheißtag
Dazu gehört natürlich der Schauplatz. Es gibt für meinen Geschmack auf dem PC viel zu wenige Westernspiele. Sicher: Techland hat mit Call of Juarez ein paar ordentliche Abstecher in die Pionierzeit Amerikas abgeliefert. Doch ein Abenteuer von dem Kaliber eines Red Dead Redemption hat seinerzeit ebensowenig den Weg auf die Rechner gefunden wie der Vorgänger Red Dead Revolver. Auch Westerado kann in vielerlei Hinsicht keinen adäquaten Ersatz für Rockstars Wildwest-Epos bieten, dessen Fortsetzung hoffentlich bald (und dann auch für den PC) angekündigt wird. Die erbarmungslose Welt, die man erforscht, ist zwar ebenfalls offen,
aber weder so umfangreich noch so prächtig. Stimmungsvolle Bilder zeichnet die Pixelkulisse dennoch. In anderen Bereichen geht Westerado jedoch weiter als Red Dead - sogar weiter als Bioware sich jemals getraut hat. Konsequenzen wie hier und (im Rahmen der eingeschränkten Möglichkeiten) Entscheidungsfreiheit wie hier habe ich selten in einem Spiel erlebt.Red Dead Westerado?
In den Gesprächen, die man mit absolut jeder Figur führen kann, gibt es zwar keine große Themenvielfalt und die Dialogbäume sind überschaubar. Dafür jedoch kann man zu jedem Zeitpunkt im Gespräch die Waffe ziehen und so den Verlauf entscheidend beeinflussen. Denn je nachdem, wer einem gegenübersteht, wird die Flucht ergriffen, erhält man die Aufforderung, die Knarre wieder wegzustecken oder wird vom Gegenüber bedroht. Mitunter nimmt das Gespräch auch eine andere Richtung. Und es geht noch einen Schritt weiter: Spannt man den Hahn, können wiederum neue Gesprächspfade entstehen - aber natürlich auch eine niedrigere Toleranzschwelle des Dialogpartners. Damit ist jedoch nicht Schluss: Wenn man des Smalltalks überdrüssig wird oder einem die Sicherungen durchgehen, kann man auch jede Figur des Mordes an der Familie beschuldigen und den Abzug drücken!
Doch man muss nicht mal vorher einen Verdachtsmoment hegen oder einfach nur die Geduld verlieren. Wenn man möchte, kann man jede Figur, die einem begegnet, aus heiterem Himmel abschießen - muss dann aber mit den Konsequenzen leben. Und nur selten sind die so glimpflich wie beim eigenen Onkel, der nach seinem gewaltsamen Tod durch den namenlosen Helden als Geist weiter beratend zur Seite steht. Figuren, die Aufträge hätten, die einen dem Ziel näherbringen, können aus der Welt entfernt werden und stehen dann natürlich nicht mehr zur Verfügung. Nimmt man den Bob-Marley-Song als Vorbild und erschießt den lokalen Gesetzeshüter Nummer 1 kann man keine Kopfgelder mehr einstreichen und hat es dementsprechend schwer, sich genügend Geld für neue Ausrüstung in Form von Schießprügeln oder Hüten zu verdienen. Und wer im Stadtzentrum oder im Saloon wild um sich ballert, braucht gar nicht erst versuchen, sich hier wieder blicken zu lassen: Sobald man sein Gesicht zeigt, ziehen die übrigen Bewohner ihre Knarren. Wenn man will, kann man übrigens auf Dauertod schalten, ansonsten verliert man die Hälfte seines mitgeführten Geldes und wacht am letzten Kontrollpunkt wieder auf. Doch Vorsicht: Die Gesinnung der Bevölkerung bleibt auch nach dem Ableben des Helden aktiv.
Auf die harte Tour?
Subtiler Humor
Fazit
Ist Westerado ein Read Dead Redemption mit Retro-Kulisse? Ja und Nein! Das Westernfeeling erzeugen die meist orange und braun gehaltenen 16-Bit-Pixel zusammen mit der stimmungsvollen Musik ebenso gut wie die Multi-Millionen-Dollar-Produktion von Rockstar Games. Allerdings kann es die actionreiche Mörder-Suche in Sachen Umfang nicht mit John Marstens offener Welt aufnehmen. Hier ist alles deutlich kleiner, überschaubarer und beschaulicher. Wo man allerdings punktet und selbst frühe Bioware-Meilensteine hinter sich lässt, ist der Bereich "Entscheidungen und Konsequenzen". Man hat zahlreiche Möglichkeiten, die interessanten (allerdings nicht vertonten) Gespräche zu beeinflussen. Und wenn man will, kann man ausnahmslos jede Figur der Westerado-Welt nicht nur bedrohen, sondern auch des Mordes an der Familie beschuldigen oder hemmungslos abschießen. Allerdings muss man dann auch mit entsprechenden Folgen leben und kann z.B. keine Kopfgelder mehr einlösen, wenn man den zuständigen Gesetzeshüter über den Haufen knallt. Schade ist allerdings, dass ein erneuter Anlauf des nur wenige Stunden dauernden Wildwest-Abenteuers nur wegen der Konsequenz-Experimente lohnt - die Missionen abseits der Kopfgelder sowie des Hauptverdächtigen werden leider nicht zufällig generiert.
Pro
- Mischung aus Mörder-Mystery und Retro-Action
- stimmiges Westernfeeling im 16-Bit-Design
- klasse Musik
- sehr gut umgesetzte Konsequenzen (jeder kann erschossen werden)
- gut geschriebene Dialoge
- viele Anspielungen auf oder Verballhornung von Western-Mythen
- gute Steuerung, auch per Pad
Kontra
- Gebiete allesamt klein ausgefallen
- Dialogbäume mitunter sehr umfangsarm
- größtenteils vorhersehbare Kampf-KI
- nur auf Englisch