Wolfenstein: The Old Blood - Test, Shooter, PC, XboxOne, PlayStation4
Verdammt. Ich brauche diese Akte! Denn sie ist der Schlüssel, um den Verlauf dieses elenden Krieges doch noch zu verändern und zu verhindern, dass das Regime um General Totenkopf mit seiner überlegenen Technologie die freie Welt unterjocht. Problem: Zwischen mir und meinem Ziel stehen nicht nur der psychopathische Hundenarr Rudi Jäger mit seinem Mech-Köter Greta sowie die besessene Wein-Liebhaberin Helga von Schabbs, sondern auch gefühlt tausende von treuen Regime-Soldaten. Also bleibt mir als US-Held B.J. Blazkowicz wieder nur eine Wahl: Ich packe mein durchschlagendes Waffenarsenal von der schallgedämpften Pistole über Maschinen- und Scharfschützengewehr bis hin zur fetzigen Schrotflinte oder dem krassen Schockhammer, der mit ungeheurer Wucht alles abräumt, was sich vor den Lauf bewegt. Führt man ausgewählte Knarren dann noch beidhändig im Akimbo-Style oder schnappt sich eines der Geschütze, wird aus den Schusswechseln endgültig ein Metzelfest deluxe. Mit ähnlich starken Argumenten überzeugt auch die auf den ersten Blick harmlos wirkende Kampfpistole, die quasi den Granatwerfer ersetzt und einen herrlichen Kollateralschaden anrichtet. Und falls doch mal die Kugeln ausgehen sollte, was angesichts der
großzügigen Verteilung von Munitionskisten oder Leichenfledderei eher die Ausnahme bilden dürfte, zieht man den Fieslingen einfach mit dem Stahlrohr eins über den Schädel, das sich auch hervorragend als Kletterhilfe oder zum Aufhebeln von Türen missbrauchen lässt.Akte X
Schon in Wolfenstein: The New Order bestand das Fußvolk des Regimes nicht gerade aus Intelligenzbestien, sondern nahm die Rolle des Kanonenfutters oft dankbar an. Daran ändert sich auch im Prequel nicht viel: Zwar suchen die Gegner durchaus Deckung, wechseln ihre Position und sorgen mit zielsicheren Granatwürfen für Druck, doch sind sie in erster Linie nur dann wirklich gefährlich, wenn sie nach einem ausgelösten Alarm in Massen auftreten oder von dicken Panzerrüstungen geschützt werden. Oft hat man wie schon im Vorgänger die Wahl, ob man lieber den Schleichweg mit übermächtigen Nahkampf-Angriffen wagt, um heimlich die per Entfernungsanzeige markierten Kommandanten auszuschalten oder sofort das Feuer eröffnet. Und wieder ist es schön zu sehen, dass das Leveldesign neben geheimen Bereichen erneut viele alternative Routen anbietet, um das Ziel zu erreichen.
Dumm, aber gefährlich
Trotzdem geht es beim Kampf gegen das Regime weiterhin hart zur Sache: Es werden Gliedmaßen abgetrennt, Körper regelrecht zerfetzt und in Nahkämpfen mit etwas holprigen Animationen Stahlrohre in Schädel gebohrt – das ist definitiv kein Spiel für Zartbesaitete. Und auch bei Folterszenen nimmt man sich nicht zurück, schafft es aber dennoch, das blutige Metzel-Fest hin und wieder mit einer Prise Humor zu würzen, die wesentlich besser in den Spielverlauf eingebettet wurde und weniger aufgesetzt wirkt als im Vorgänger. Wenn sich Antagonist Rudi Jäger nach dem schweißtreibenden Bosskampf mit dem Kultspruch „Mein Leben“ verabschiedet, muss man einfach genauso schmunzeln wie bei Blazkowiczs Verhör auf die Frage nach seinem Kontaktmann. Apropos Bosskampf: Zwar gibt es deutlich weniger Begegnungen mit XXL-Gegnern als in New Order, doch vor allem das spektakuläre Finale ist trotzder auftretenden Glitches mit eingefrorenen Gegnern großartig designt und schafft eine tolle Überleitung zum großen Bruder. Nicht zu vergessen die insgesamt neun Retro-Abschnitte im Design von Wolfenstein 3D, die mit ihren großen Maps und dem klassischen Midi-Gedüdel den Nostalgiefaktor in die Höhe treiben.
Hart...und trotzdem amüsant
Die alten Schwächen
Fazit
Für Wolfenstein: The Old Blood hat Machine Games die besten Elemente aus New Order genommen, überflüssigen Ballast über Bord geworfen und so einen durchgestyltes Prequel erschaffen, das mich mit der aufs Wesentliche komprimierten Kampagne, den abwechslungsreichen Schauplätzen und der stringenteren Regie deutlich besser unterhalten hat als der große Bruder. Deshalb sehe ich diese eigenständige Erweiterung trotz vieler Parallelen zum Vorgänger auch weniger als ein „More of the same“, sondern viel mehr als ein „Best of“ der Reihe, die nach dem zähen Einstieg schließlich mit guten Tempowechseln sowie der richtigen Mischung aus knallharter Action und Humor punktet. Schade nur, dass man sich nicht auch von Altlasten wie der nervigen Sammelmechanik auf Knopfdruck verabschiedet, die Waffensounds stärker aufgepeppt und den Schwierigkeitsgrad im Kampf gegen die Wellen von KI-Deppen nicht besser ausbalanciert hat. Trotzdem entschädigen das tolle Finale, die witzigen Retro-Alpträume und die gelungene Überleitung zu New Order für den einen oder anderen zähen Moment innerhalb der aufregenden Jagd nach der begehrten Akte.
Pro
- Oldschool-Spieldesign
- abwechslungsreiche, meist schick designte Schauplätze
- häufige Wahlmöglichkeit zwischen Schleich- und Actionweg
- ordentlicher Umfang (ca. 8-10 Stunden)
- gelungener Soundtrack...
- durchweg flüssige Darstellung (60fps)
- einfallsreiches Gegner- und Artdesign
- eigener Spielstil beeinflusst Vorteile (Perks)
- cooles Waffenarsenal, inkl. Akimbo-Style
- Umgebung teilweise zerstörbar
- nostalgische Retro-Bonusabschnitte
- überwiegend gut besetzte deutsche Sprecher
- flotte, präzise Steuerung
- oft alternative Routen / Möglichkeiten / Verstecke im Leveldesign
- klasse Finale und gute Überleitung zu New Order
Kontra
- manuelles Aufsammeln nervt gewaltig
- KI agiert nicht sonderlich helle
- eintöniger Einstieg
- technische Schwächen und Glitches (Figuren, Texturen, Kollisionsabfrage)
- ...aber oft kurze Schleifen und abrupte Abbrüche
- Schwierigkeitsgrad schwankt stark
- extrem mächtige Nahkampf-Angriffe
- dünne Waffensounds
- teilweise holprige Animationen (z.B. bei Nahkampf-Überwältigungen)
- keine englische Tonspur enthalten