Wolfenstein: The Old Blood - Test, Shooter, PC, XboxOne, PlayStation4

Wolfenstein: The Old Blood
08.05.2015, Michael Krosta

Test: Wolfenstein: The Old Blood

Angetreten, B.J. Blazkowicz!

Mit Wolfenstein: The Old Blood (ab 11,90€ bei kaufen) kehren Bethesda und Machine Games zur alternativen Zeitlinie im Zweiten Weltkrieg zurück und schicken B.J. Blazkowicz in der Vorgeschichte zu The New Order erneut in den Kampf gegen die Schergen des Faschisten-Regimes. Ist die eigenständig lauffähige Erweiterung eine willkommene Ergänzung oder hätte man sich die Shooter-Zugabe besser gespart?

Verdammt. Ich brauche diese Akte! Denn sie ist der Schlüssel, um den Verlauf dieses elenden Krieges doch noch zu verändern und zu verhindern, dass das Regime um General Totenkopf mit seiner überlegenen Technologie die freie Welt unterjocht. Problem: Zwischen mir und meinem Ziel stehen nicht nur der psychopathische Hundenarr Rudi Jäger mit seinem Mech-Köter Greta sowie die besessene Wein-Liebhaberin Helga von Schabbs, sondern auch gefühlt tausende von treuen Regime-Soldaten. Also bleibt mir als US-Held B.J. Blazkowicz wieder nur eine Wahl: Ich packe mein durchschlagendes Waffenarsenal von der schallgedämpften Pistole über Maschinen- und Scharfschützengewehr bis hin zur fetzigen Schrotflinte oder dem krassen Schockhammer, der mit ungeheurer Wucht alles abräumt, was sich vor den Lauf bewegt. Führt man ausgewählte Knarren dann noch beidhändig im Akimbo-Style oder schnappt sich eines der Geschütze, wird aus den Schusswechseln endgültig ein Metzelfest deluxe. Mit ähnlich starken Argumenten überzeugt auch die auf den ersten Blick harmlos wirkende Kampfpistole, die quasi den Granatwerfer ersetzt und einen herrlichen Kollateralschaden anrichtet. Und falls doch mal die Kugeln ausgehen sollte, was angesichts der

Manche Wiedersacher sind stark gepanzert, haben aber dennoch ihre Schwachstellen: Schießt man diesem geschützten Kameraden von hinten auf den Tank, wird er umgehend von einer Explosion zerfetzt, die auch Standard-Gegner ausschalten kann.
großzügigen Verteilung von Munitionskisten oder Leichenfledderei eher die Ausnahme bilden dürfte, zieht man den Fieslingen einfach mit dem Stahlrohr eins über den Schädel, das sich auch hervorragend als Kletterhilfe oder zum Aufhebeln von Türen missbrauchen lässt.

Akte X

Schon in Wolfenstein: The New Order bestand das Fußvolk des Regimes nicht gerade aus Intelligenzbestien, sondern nahm die Rolle des Kanonenfutters oft dankbar an. Daran ändert sich auch im Prequel nicht viel: Zwar suchen die Gegner durchaus Deckung, wechseln ihre Position und sorgen mit zielsicheren Granatwürfen für Druck, doch sind sie in erster Linie nur dann wirklich gefährlich, wenn sie nach einem ausgelösten Alarm in Massen auftreten oder von dicken Panzerrüstungen geschützt werden. Oft hat man wie schon im Vorgänger die Wahl, ob man lieber den Schleichweg mit übermächtigen Nahkampf-Angriffen wagt, um heimlich die per Entfernungsanzeige markierten Kommandanten auszuschalten oder sofort das Feuer eröffnet. Und wieder ist es schön zu sehen, dass das Leveldesign neben geheimen Bereichen erneut viele alternative Routen anbietet, um das Ziel zu erreichen.

Dumm, aber gefährlich

In den Außenarealen zeigt sich die Engine von ihrer besten Seite.
Hin und wieder werden die Angriffswellen geskriptet – und gerade in diesen Momenten übertreibt man es manchmal mit den Gegnermassen, die pausenlos von allen Seiten heran stürmen und dem Spieler kaum Zeit zum Durchatmen lassen. Gerade dieser sprunghaften Anstieg des Schwierigkeitsgrades kann für frustige Momente sorgen, doch dank fairer Checkpunkte wagt man schnell einen neuen Versuch. Auch wenn es der etwas eintönige Einstieg mit immer gleichen Gängen und Gegnern noch nicht vermuten lässt, überzeugt die acht bis zehn Stunden lange Kampagne insgesamt mit einer angenehmen Mischung aus krachender Action, spannendem Schleichen und ruhigen Passagen. Auf redundante Besorgungsaufträge oder das fummelige Hantieren mit dem Laser-Schneider aus dem Vorgänger wurde hier verzichtet – gute so! Stattdessen konzentriert man sich auf das Wesentliche und liefert eine durchgestylte Shooter-Achterbahnfahrt ab, die vom Nazi-Zombie auf dem Friedhof bis zum Saufgelage in der Nazi-Kneipe kein Klischee auslässt und auch hinsichtlich der abwechslungsreichen Schauplätze wie unterirdischen Ausgrabungen, wackeligen Seilbahnen oder Burggemäuern überzeugt. Vor allem in den sehenswerten Außenarealen mit ihren wunderschönen Panoramen und idyllischen Dörfern präsentiert sich die id Tech Engine von ihrer besten Seite, auch wenn es bei genauem Hinsehen weiterhin Probleme mit schwachen Texturen und Kantenbildung gibt. Im Gegenzug profitieren selbst die beiden Konsolen von einer butterweiche Darstellung sowie der flotten und präzisen Steuerung, die auch schon den Vorgänger ausgezeichnet hat. Zudem wirkt die Regie wesentlich stringenter und schwankt nicht länger orientierungslos zwischen Klamauk, Peinlichkeiten und schonungsloser Darstellung.

Trotzdem geht es beim Kampf gegen das Regime weiterhin hart zur Sache: Es werden Gliedmaßen abgetrennt, Körper regelrecht zerfetzt und in Nahkämpfen mit etwas holprigen Animationen Stahlrohre in Schädel gebohrt – das ist definitiv kein Spiel für Zartbesaitete. Und auch bei Folterszenen nimmt man sich nicht zurück, schafft es aber dennoch, das blutige Metzel-Fest hin und wieder mit einer Prise Humor zu würzen, die wesentlich besser in den Spielverlauf eingebettet wurde und weniger aufgesetzt wirkt als im Vorgänger. Wenn sich Antagonist Rudi Jäger nach dem schweißtreibenden Bosskampf mit dem Kultspruch „Mein Leben“ verabschiedet, muss man einfach genauso schmunzeln wie bei Blazkowiczs Verhör auf die Frage nach seinem Kontaktmann. Apropos Bosskampf: Zwar gibt es deutlich weniger Begegnungen mit XXL-Gegnern als in New Order, doch vor allem das spektakuläre Finale ist trotzder auftretenden Glitches mit eingefrorenen Gegnern großartig designt und schafft eine tolle Überleitung zum großen Bruder. Nicht zu vergessen die insgesamt neun Retro-Abschnitte im Design von Wolfenstein 3D, die mit ihren großen Maps und dem klassischen Midi-Gedüdel den Nostalgiefaktor in die Höhe treiben.                   

Hart...und trotzdem amüsant

Nazi-Zombies? Langsam ist das Klischee ausgelutscht! Eine nette Variation in der zweiten Hälfte der Kampagne bilden sie aber trotzdem.
Bei all dem Lob darf man aber nicht vergessen, dass The Old Blood einige Schwächen des großen Bruders übernommen hat – allen voran die lästige Mechanik, Munition, Heilpakete und andere Gegenstände auf Knopfdruck einsammeln zu müssen anstatt einfach drüber hinweg zu laufen (...wie es übrigens bei den echten Retro-Shootern der Fall war). Auch die Tonabmischung ist mir trotz leichter Fortschritte vor allem bei den Waffen generell immer noch zu dünn, wenn man Schwergewichte wie Battlefield oder Call of Duty als Vergleich heranzieht. Immerhin hat man bei der Lautstärke der Sprache jetzt mehr Sorgfalt walten lassen: Bis auf wenige Ausnahmen gehen die Stimmen der gut besetzten deutschen Akteure nicht länger im Effektgewitter unter, sondern klingen laut und deutlich aus den Boxen. Der gute Soundtrack, der sowohl die Schleich- als auch Actionszenen passend untermalt, leidet allerdings unter zu kurzen Schleifen und bricht nach dem Ausschalten aller Gegner oft viel zu abrupt ab.

Die alten Schwächen

Fazit

Für Wolfenstein: The Old Blood hat Machine Games die besten Elemente aus New Order genommen, überflüssigen Ballast über Bord geworfen und so einen durchgestyltes Prequel erschaffen, das mich mit der aufs Wesentliche komprimierten Kampagne, den abwechslungsreichen Schauplätzen und der stringenteren Regie deutlich besser unterhalten hat als der große Bruder. Deshalb sehe ich diese eigenständige Erweiterung trotz vieler Parallelen zum Vorgänger auch weniger als ein „More of the same“, sondern viel mehr als ein „Best of“ der Reihe, die nach dem zähen Einstieg schließlich mit guten Tempowechseln sowie der richtigen Mischung aus knallharter Action und Humor punktet. Schade nur, dass man sich nicht auch von Altlasten wie der nervigen Sammelmechanik auf Knopfdruck verabschiedet, die Waffensounds stärker aufgepeppt und den Schwierigkeitsgrad im Kampf gegen die Wellen von KI-Deppen nicht besser ausbalanciert hat. Trotzdem entschädigen das tolle Finale, die witzigen Retro-Alpträume und die gelungene Überleitung zu New Order für den einen oder anderen zähen Moment innerhalb der aufregenden Jagd nach der begehrten Akte.  

Pro

  • Oldschool-Spieldesign
  • abwechslungsreiche, meist schick designte Schauplätze
  • häufige Wahlmöglichkeit zwischen Schleich- und Actionweg
  • ordentlicher Umfang (ca. 8-10 Stunden)
  • gelungener Soundtrack...
  • durchweg flüssige Darstellung (60fps)
  • einfallsreiches Gegner- und Artdesign
  • eigener Spielstil beeinflusst Vorteile (Perks)
  • cooles Waffenarsenal, inkl. Akimbo-Style
  • Umgebung teilweise zerstörbar
  • nostalgische Retro-Bonusabschnitte
  • überwiegend gut besetzte deutsche Sprecher
  • flotte, präzise Steuerung
  • oft alternative Routen / Möglichkeiten / Verstecke im Leveldesign
  • klasse Finale und gute Überleitung zu New Order

Kontra

  • manuelles Aufsammeln nervt gewaltig
  • KI agiert nicht sonderlich helle
  • eintöniger Einstieg
  • technische Schwächen und Glitches (Figuren, Texturen, Kollisionsabfrage)
  • ...aber oft kurze Schleifen und abrupte Abbrüche
  • Schwierigkeitsgrad schwankt stark
  • extrem mächtige Nahkampf-Angriffe
  • dünne Waffensounds
  • teilweise holprige Animationen (z.B. bei Nahkampf-Überwältigungen)
  • keine englische Tonspur enthalten

Wertung

PC

More of the same? Nein: Besser als das Hauptspiel! The Old Blood konzentriert sich auf das Wesentliche und übertrifft den großen Bruder.

PlayStation4

More of the same? Nein: Besser als das Hauptspiel! The Old Blood konzentriert sich auf das Wesentliche und übertrifft den großen Bruder.