F1 2015 - Test, Rennspiel, PC, PlayStation4, XboxOne

F1 2015
10.07.2015, Michael Krosta

Test: F1 2015

Formel Minus

Mit F1 2015 (ab 9,94€ bei kaufen) feiert die Königsklasse des Motorsports endlich ihre längst überfällige Premiere auf PS4 und Xbox One, nachdem Codemasters im letzten Jahr lediglich auf den alten Systemen und dem PC die neuen V6-Turbomotoren flüstern ließ. Können die Briten die zusätzlichen Hardware-PS sinnvoll nutzen oder werden die technischen Fortschritte mit inhaltlichen Rückschritten teuer bezahlt?

Keine Frage: F1 2015 ist in vielen Bereichen das beste Videospiel rund um den Rennzirkus der FIA, das man bisher auf einem Xbox- oder PlayStation-System erleben durfte. Vor allem hinsichtlich der Technik macht die Serie im Vergleich zu den letzten Ausflügen auf die 360 und PS3 einen gewaltigen Schritt nach vorne. Zusätzlich zu den aufwändiger modellierten Boliden erfreut vor allem die deutlich höhere Bildrate und das damit verbundene Geschwindigkeitsgefühl das Rennfahrerherz: Bewegte man sich technisch auf den alten Konsolen zuletzt hart am erträglichen Limit, fährt man hier endlich in Regionen von 60fps vor. Allerdings kann die neue Engine eine superflüssige Darstellung je nach Strecke sowie Verkehr nicht konstant gewährleisten und muss mitunter auf die vertikale Synchronisation verzichten, um die gewünschte Performance aufrecht zu erhalten. Doch trotz Tearing und vereinzelten Pop-ups ist F1 2015 die visuell beeindruckendste Umsetzung des Motorsports, die Codemasters bisher auf Konsolen hervorgebracht hat.

Formel Eins für die neue Generation

Das dynamische Wettersystem kann wieder für Überraschungen sorgen.
Und auch bei der von Grund auf neu gestalteten Fahrphysik geben sich die Briten keine Blöße, obwohl die Unterschiede zum Vorgänger geringer ausfallen als erwartet und die sensible, kaum anpassbare Controller-Steuerung eine gewisse Eingewöhnung erfordert. Mit der Zeit lernt man die schnellen Reaktionszeiten, die Möglichkeiten zu präzisen Lenkbewegungen und nicht zuletzt die ausgezeichneten Vibrationseffekte zu schätzen, die am One-Controller dank dessen Impulse-Trigger noch einen Tick intensiver ausfallen als bei Sonys DualShock4. Anders dagegen meine Lenkrad-Erfahrung: So schön es auch ist, dass mein Fanatec CSR wie schon bei Project Cars an der PS4 funktioniert und mir im Gegensatz zum Controller auch Feineinstellungen erlaubt werden, verhindert das schwache sowie extrem mäßig umgesetzt Force Feedback, dass sich am Lenkrad ein richtiger Fahrspaß entfalten kann. Unabhängig von der gewählten Steuerungsmethode gefällt mir, wie gut die Charakteristiken der neuen Turbo-Motoren umgesetzt wurden, die bei niedrigen Drehzahlen bekanntlich ein sehr hohes Drehmoment vorweisen. Entsprechend erweist es sich gerade bei Kurvenausfahrten als Herausforderung, diese Power durch einen gefühlvollen Umgang mit dem Gaspedal unter Kontrolle zu behalten. Sollte das dynamische Wettersystem die Strecken in glitschige Regenpisten verwandeln, ist bei der anschließenden Rutschpartie nicht nur ein glückliches Händchen beim Reifenpoker, sondern noch mehr Feingefühl hinter dem Steuer nötig. Dazu gesellt sich der Reifenverschleiß, der sich nicht länger deaktivieren lässt, sondern mittlerweile zwingend zum F1-Erlebnis dazu gehört. Genau wie in der Realität sind auch hier die „Reifenflüsterer“ von Vorteil, die intelligent fahren und versuchen, ihre Pneus zu schonen. Nicht zu vergessen das manuelle Managen der Motorleistung in drei Stufen, um die mitgeführte Benzinmenge taktisch clever zu verblasen.  

In der Box tüftelt man am Setup und behält die Konkurrenz im Auge.
Trotzdem ist auch F1 2015 keine Hardcore-Simulation. Genau wie in den Jahren zuvor versuchen sich die Entwickler weiter an dem Spagat, die richtige Mischung aus Zugänglichkeit und Anspruch zu finden. Nutzt man alle Hilfen wie ABS, die volle Traktionskontrolle, Bremsassistent und Lenkunterstützung, fahren sich die Turbo-Monster quasi so zahm wie auf einer Carrerabahn. Schaltet man sie ab, wird man im Vergleich zu echten Simulationen zwar immer noch eine gewisse Gutmütigkeit beim Fahrverhalten feststellen, wird aber deutlich mehr gefordert. Der neue Spielmodus „Profisaison“, der von Codemasters und Publisher Bandai Namco gerne als herausragendes Merkmal für Hardcore-Spieler hervorgehoben wurde, erweist sich allerdings schnell als überflüssiger Blender. Warum? Weil er nichts bietet, was man nicht auch in der Standard-Saison mit ein paar Einstellungen realisieren kann. Denn auch dort kann ich die KI auf die höchste Stufe stellen, die Renndistanz auf 100 Prozent erhöhen, komplette Wochenenden inklusive Trainings- sowie Qualifikationsläufen ansetzen, nur manuelle Schaltvorgänge zulassen, die optionale Rückspulfunktion deaktivieren und mich selbst dazu zwingen, ausschließlich in der Cockpitansicht zu fahren. Warum macht man also so viel Wind um einen Modus, den man de facto eigentlich schon immer hatte? Es wäre freilich anders gewesen, wenn man der Profisaison eine erweiterte, stärker auf Realismus getrimmte Fahrphysik verpasst hätte, doch bekommt man hier exakt das gleiche Modell geboten wie in allen anderen Modi und auch die Boxenstopps laufen immer noch mit zu vielen Automatismen ab.    

Rennfahren für Jedermann

Alle anderen Modi? Nun ja: Viel wird abseits der Standard- und Profi-Saison nicht geboten, denn hinsichtlich des Inhalts hat Codemasters einen fetten Rotstift angesetzt. Am meisten dürften Spieler wohl den Karrieremodus vermissen, bei den man sich mit einem selbst erstellten Fahrer von kleinen Teams bis zu den Top-Rennställen hocharbeiten musste. Und auch die verkürzte Variante, die so genannte Saison-Challenge, fiel zusammen mit den Szenarien-Herausforderungen, der beliebten Koop-Weltmeisterschaft und Rennen am geteilten Bildschirm der Schere zum Opfer. Puh! Schon in der Vergangenheit haben die Entwickler gerne mal das eine oder andere Element innerhalb der F1-Reihe gestrichen, aber hier erreicht man eine neue Dimension und scheint sich nur noch auf ein rudimentäres Programm zu beschränken. Von den Classic-Inhalten, die bei F1 2013 noch viele Fans erfreuten, fehlt ebenfalls weiter jede Spur und die Integration der Saison 2014 wirkt im Vergleich mehr wie ein schwacher Trostpreis. Selbst das Safety Car bleibt hier in der Garage. Was bleibt dann eigentlich noch? Wie gesagt: Nicht mehr viel. Abseits der beiden Saison-Modi darf man sich lediglich noch in Einzel-Events, Online-Rennen (inkl. Meisterschaften) und ins Zeitfahren stürzen. Selbstverständlich kann man trotzdem einige Stunden ins Spiel investieren, zumal man im Kampf um die WM-Krone erneut mindestens 25 Prozent der Renndistanz absolvieren muss. Nimmt man auch noch Training und Qualifikation für jede Strecke dazu und tüftelt in der Box am idealen Setup fürs Fahrwerk, die Aerodynamic & Co, ist man sicher eine ganze Weile beschäftigt. Apropos: In der Garage darf man die Konkurrenz mittlerweile live an Monitoren dabei beobachten, wie sie ihre Runden drehen. Das Zeitfahren ist ebenfalls nett gemacht: Anstatt um

Die Fahrphysik bietet einen gelungenen Kompromiss aus Zugänglichkeit und Anspruch.
Medaillen zu kämpfen, werden dynamisch die Geisterwagen anderer Spieler als Gegner integriert, die auf einem ähnlichen Niveau fahren. Wer möchte, darf sogar das verwendete Setup seines Widersachers importieren, um sich ihm „mit gleichen Waffen“ zu stellen.

Das Sparpaket

Und online? Dort vermisst man vor allem die Koop-WM und bekommt ansonsten das Standard-Aufgebot aus automatischem Matchmaking und privaten Lobbys. Immerhin darf man weiterhin ganze Meisterschaften über das PSN sowie Xbox Live austragen und in privaten Sitzungen zahlreiche Einstellungen vornehmen, darunter die Einschränkung von Hilfen oder die Gleichstellung aller Teams, damit man auch in einem Lotus oder einem McLaren Honda konkurrenzfähig ist. Bisher konnten wir uns mangels Servern und Spielern noch kein Bild darüber machen, wie gut sich die Onlinerennen technisch schlagen. Wir werden deshalb in den nächsten Tagen noch ein paar Testrunden über die Internetleitung drehen und die Wertung gegebenenfalls anpassen, falls sich die Online-Duelle für bis zu 16 Fahrer als lagverseuchte Katastrophe entpuppen sollten. Doch selbst wenn sich die Mehrspieler-Rennen in Topform präsentieren sollten, würde es angesichts der schmerzhaften Kürzungen wertungstechnisch nicht weiter nach oben gehen.

Wie in der Realität dominiert Mercedes auch im Spiel die Formel Eins.
Die KI zählte schon immer zu den Problemkindern bei Codemasters – nicht nur innerhalb der F1-Reihe, sondern auch in anderen Rennspielen von Grid bis Dirt. Leider hält man weiter am viel zu aggressiven Auftreten der Akteure fest. Das ist per se gar nicht schlecht, denn die anderen Fahrer setzen den Spieler nicht nur ordentlich unter Druck, sondern verteidigen auch kämpferisch ihre Linie und erschweren dadurch das Überholen. Ja, solch intensiv geführte Duelle sind gut und spannend – im Rennsport wird nicht mit Samthandschuhen gekämpft! Allerdings ist mir die KI hier zu sehr auf Krawall gebürstet und hält weiter drauf, obwohl es cleverer (und sinnvoller) wäre, auch mal zurückzuziehen – vor allem, wenn der Spieler vor einer Kurve eindeutig vorne liegt. Die Folge: Ständig wird man von Konkurrenten abgeschossen, denn schon kleine Berührungen führen meist zu katastrophalen Konsequenzen. Ein Glück, dass man mittlerweile unendlich oft auf die Rückspulfunktion zurückgreifen kann, um nicht nur eigene Fahrfehler, sondern auch die rüden Attacken der KI ungeschehen zu machen.

Kämpferisch, aber unfair

Gleichzeitig wird deutlich, dass Codemasters auch beim Schadensmodell nicht die erhofften Fortschritte gemacht hat: Obwohl manche Unfälle sogar einen Totalschaden nach sich ziehen, lassen sich viele Beschädigungen (sowie fragwürdige Nicht-Beschädigungen) nicht nachvollziehen und auch visuell machen die Kratzer, Beulen und (kaum) abfallende Teile nicht viel mehr her als in der vergangenen Generation. Ähnlich inkonsequent präsentiert sich das Strafsystem, das auf der einen Seite extrem penibel agiert, auf der anderen Seite bei vielen Abkürzungen oder Kollisionen beide Augen zudrückt. Positiv ist lediglich, dass man unfaire Überholmanöver innerhalb eines Zeitlimits wieder rückgängig machen kann und neben dem Spieler auch KI-Piloten mit Strafen belegt werden, auch wenn gerne Ersterem der schwarze Peter von den Stewards zugeschoben wird.

Eine schönes und von mir oft gewünschtes Element ist der erweiterte Boxenfunk, denn die Ingenieure informieren nicht länger nur automatisch über das laufende Renngeschehen, sondern reagieren hier auch auf konkrete Nachfragen zum Wagenzustand, Abständen oder den Wetteraussichten. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Hat man eine PlayStation-Kamera oder Kinect an die Konsole angeschlossen, fordert man per Sprachbefehl die gewünschten Infos an – klasse! Zudem analysiert die Box den Fahrstil und gibt z.B. Tipps, wenn man etwa die Bremsbalance verändern sollte. Und auch über den Reifenzustand halten mich die Jungs regelmäßig auf dem Laufenden – gut so, denn die bekannte Statusbox der Vorgänger gibt es hier leider nicht mehr. Der Renndirektor ist ebenfalls eine Sache für sich: Zwar soll er eigentlich sämtliche Vorfälle eines Rennens dokumentieren, kommt dieser Aufgabe aber nicht immer nach. So wunderte ich mich z.B., irgendwann nur noch 17 statt der üblichen 18 Autos im Feld zu sehen, doch lieferte mir ein Blick in den Renndirektor keine Informationen darüber, wann und weshalb Hamilton sein Auto plötzlich abstellen musste. Schön dagegen, dass man hier mehr Wert darauf gelegt hat, das Flair abseits des Cockpits besser einzufangen: Die Piloten jubeln nicht länger nur unter ihren Helmen im Parc-Fermé,

Jetzt wird's rutschig!
sondern feiern ausgelassen mit Champagnerduschen auf dem Podest, musikalisch stilecht begleitet von der  Ouvertüre aus der Oper Carmen. Zwar können die 3D-Modelle qualitativ nicht mit denen anderer Top-Sportspiele mithalten, doch ist es schön, Vettel, Hamilton & Co auch mal unter ihren Helmen im Spiel zu sehen.

Eine Frage der Kommunikation

Warum man aber ausgerechnet RTL-Kommentator Heiko Wasser verpflichtet hat, ist mir ein Rätsel: Schon im TV kann ich diese Drama-Queen und sein Geplapper nur schwer ertragen und ich hätte auch im Spiel gut auf ihn verzichten können. Immerhin labert er nur kurz vor und nach den Rennen ins Mikrofon und tischt dabei meistens die gleichen Sprüche auf – kein Wunder, denn wie in der Realität landet auch im Spiel meistens einer der beiden Mercedes-Piloten ganz oben auf dem Treppchen.

Fazit

F1 2015 hätte ein richtig guter Einstand für die Formel Eins auf den aktuellen Konsolen werden können: Dank ordentlich aufgebohrter Technik, zahlreichen individuellen Anpassungen und nicht zuletzt einer gelungenen Fahrphysik wäre sogar der Gold-Award im Bereich des Möglichen gewesen. Aber davon ist man hier trotz Fortschritten beim Fahrgefühl noch weiter entfernt als beim letztjährigen Vertreter, denn zum einen sind die massiven inhaltlichen Kürzungen eine Farce und zum anderen verhindern die Aggro-KI, das inkonsequente Strafsystem sowie das enttäuschende Schadensmodell den Sprung in höhere Wertungsregionen. F1 2015 beschränkt sich auf ein rudimentäres Motorsport-Paket, das zwar in seinen besten Momenten durchaus Fahr- und Rennspaß versprüht, insgesamt aber mehr wie eine halbfertige Basis wirkt, auf der Codemasters in den nächsten Jahren aufbauen will. 

Pro

  • alle offiziellen Teams, Fahrer und Strecken der Saison 2015 und 2014
  • gelungene, durchaus anspruchsvolle Fahrphysik...
  • zahlreiche Hilfen (ABS, Bremsassistent, Traktionskontrolle etc.)
  • kämpferische KI-Piloten...
  • überwiegend flüssige Bildrate und gutes Geschwindigkeitsgefühl
  • umfangreiche Setup-Optionen (schnell & detailliert)
  • dynamisches Wettersystem
  • Benzinverbrauch als taktische Komponente
  • Reifenverschleiß
  • (optionale) Rückspulfunktion
  • (optionales) Schadensmodell
  • anpassbare Rennwochenenden
  • interaktiver Boxenfunk
  • Live-Monitore in der Garage
  • eigener Rennkalender möglich
  • dynamische Bestenliste / Geisterwagen beim Zeitfahren
  • übersichtliche TV- und Cockpitansicht
  • sehr gute Vibrationseffekte (PS4) und Impulse-Trigger (X1)
  • Zugriff auf Spieler-Setups beim Zeitfahren
  • Zwischenspeichern jederzeit erlaubt
  • Siegerehrungen & Co mit komplett modellierten Fahrern
  • Replays von kompletten Rennen
  • Online-Rennen (Matchmaking private Lobbys)

Kontra

  • sehr inkonsequentes Strafsystem (Abkürzungen, Kollisionen)
  • ...aber auch im Profi-Modus keine echte Simulation
  • gestrichene Modi (Karriere, Szenarien, Online-Koop, Classic-Inhalte)
  • vorgeschriebene Mindestlänge bei Meisterschaftsläufen
  • ...die zu sehr mit der Brechstange agieren und unter Aussetzern leiden
  • Schadensmodell nicht immer nachvollziehbar und visuell enttäuschend
  • mangels manuellem KERS taktisch und fahrerisch anspruchsloser
  • viele Automatismen bei Boxenstopps
  • schwachbrüstige Klangkulisse
  • keine Telemetriedaten
  • lückenhafter Renndirektor
  • keine Rennen mehr am geteilten Bildschirm
  • Profisaison-Modus wirkt überflüssig
  • keine Info-/Statusbox im Rennen
  • kein Safety-Car
  • Heiko Wasser
  • enttäuschendes Force Feedback (Fanatec CSR)
  • vereinzeltes Tearing

Wertung

PlayStation4

Ein zufriedenstellender Einstand der Formel Eins auf der PS4, doch die kastrierten Inhalte und zu aggressive Konkurrenz verhindern einen Podestplatz.

XboxOne

Ein zufriedenstellender Einstand der Formel Eins auf der Xbox One, doch die kastrierten Inhalte und zu aggressive Konkurrenz verhindern einen Podestplatz.