Verdun - Test, Shooter, PlayStation5, XboxOne, Mac, PlayStation4, Linux, PC
Im virtuellen Zweiten Weltkrieg wurde schon fast jede Kampfhandlung mit amerikanischer Beteiligung nachgestellt. Da sich bislang aber nur wenige Titel mit dem Fronterlebnis des Ersten Weltkrieges beschäftigt haben, wollte der holländische Entwickler BlackMill Games Abhilfe schaffen. In Steams Early-Access-Programm liefern sich die Teilnehmer schon seit über einem Jahr verbissene Scharmützel an der Westfront, mittlerweile ist die finale Version erhältlich. Allzu viel verändert hat sich beim Umfang nicht mehr: Auf lediglich sechs Karten entlang der Frontlinie darf man sich ins Getümmel stürzen. Auch die Zahl von nur zwei Modi wirkt mickrig: Das Deathmatch taugt eigentlich nur zur Gewöhnung an Waffen, Maps und Spielmechanik - oder für ein paar unkomplizierte Duelle zwischendurch. Der wahre Krieg spielt sich dagegen im Hauptmodus „Frontlinien“ ab, auf Schlachtfeldern in Flandern, Artois, der Picardie, Aisne, in den Vogesen oder den Argonnen.
Stiefkind der kriegerischen Spielgeschichte
Je nach Bewaffnung und Funktion in meinem Trupp muss ich geschickt mit meinem Team zusammenarbeiten, um meinem Unteroffizier z.B. Gasangriffe oder Artillerieschläge zu ermöglichen. Mit dem Maschinengewehr 1914 „Lewis“ oder dem deutschen Gegenstück mit dem bekannten Titel „08/15“ mähe ich heranstürmende Angreifer nieder oder gebe meinen Mitspielern Deckung. Sobald ich das Sperrfeuer eröffne, verschwimmt die Sicht der Feinde wie in Battlefield 4 und meine Kameraden können zu einer günstigeren Stellung vorrücken. Bleiben wir dabei im Radius des Truppführers und befolgen seine Anweisungen, regnet es Bonus-Punkte. Außerdem markiert der Chef des vierköpfigen Squads immer wieder mit dem Fernglas Positionen, zu denen wir vorrücken sollen. Per Text-Chat oder Ruf seines Soldaten gibt er kurze Anweisungen: „Der linke Eingang zum Graben ist nicht vernünftig bewacht – hin da!“ Je nach Squad dienen die Mitspieler auch als mobiler Spawn-Punkt. Wie und wo genau erklärt übrigens der ausführliche Steam-Guide, den man zwischendurch immer wieder mal konsultieren sollte.
Verbissenes Tauziehen
Der Begriff „Ausräuchern“ ist hier übrigens durchaus wörtlich gemeint: Wenn sich gelblicher Nebel ausbreitet, sollte ich möglichst schnell meine Gasmaske überstülpen, weil ich sonst je nach eingesetztem Giftstoff binnen weniger Sekunden sterbe. Das Gas erweist sich beim Vorrücken und Überrennen auch als effektive Tarnung. Rund 16 Schusswaffen kommen in den Gefechten zum Einsatz, darunter das Fusil Mle 1907-15 "Berthier", das Gewehr 98, der Karabiner 98AZ sowie einige Pistolen und Granaten. Bei manchen lädt man die Projektile einzeln nach, andere brauchen gleich ein komplett frisches Magazin. Die Todbringer lassen sich mit verdienten Karrierepunkten erweitern: An engen Biegungen kann ein Bayonett-Aufsatz nützlich sein – allerdings nur, wenn ich meinen Gegner dort überrasche. Stehe ich ihm direkt gegenüber, ist es fast immer effektiver, abzudrücken - schließlich bringt hier fast jeder Treffer den sofortigen Tod. Auch Zielfernrohre lassen sich freischalten und aufsetzen. Je nach Trupp und Klasse sind aber nur eine Hand voll Kombinationen möglich, die auch im Krieg Sinn ergeben hätten. Als Squads stehen auf der deutschen Seite z.B. Alpenjäger, Landser und Stoßtruppen zur Wahl, bei der Entente heißen sie Canadiens, Chasseur Alpins, Poilus und Tommies.
Giftgasattacke
Die Rückzüge vor den Gegenangriffen laufen ebenfalls zu hektisch ab. Wenn wir den gegnerischen Schützengraben nicht einnehmen konnten, musste ich oft Hals über Kopf in weniger als einer halben Minute zurück rennen, um nicht im neu entstandenen Feindesgebiet exekutiert zu werden. Flüchtete ich zu überstürzt, endete der Sprint aber oft mit einer feindlichen Kugel im Rücken. Auch der Netzcode wirkt nicht durchgehend sauber: Immer wieder sind mir ein paar Mitspieler aufgefallen, die ruckartig über das Schlachtfeld zuckelten. Oder ein Gegner hatte mich schon getötet, obwohl wir uns noch gar nicht richtig gegenüber standen und ich bereits blitzschnell abgedrückt hatte. Wer möchte, kann übrigens auch private Server erstellen, z.B. für Clan-Kämpfe.
Deserteure werden sofort erschossen!
Schön auch, dass die Ballistik der Projektile eine (realistisch kleine) Rolle spielt und ich beim Anlegen manchmal dementsprechend vorausdenken muss. Der Sound von Waffen und Artilleriefeuer klingt zwar lange nicht so wuchtig wie bei DICE, trotzdem verströmt die Soundkulisse Schlachtfeldatmosphäre und sorgt durch ihre räumliche Abmischung dafür, dass sich die Schüsse ordentlich orten lassen. Musik gibt es nur im Menü: Dann düdeln einige zur Epoche passenden Balladen auf dem dumpf knacksenden Plattenspieler.
Nicht hübsch, aber authentisch
Fazit
Verdun ist eine willkommene Abwechslung im Bereich der Mehrspieler-Shooter: Die Spielregeln fangen die Stimmung der verbissenen Grabenkämpfe im Ersten Weltkrieg geschickt ein und bieten einen gelungenen Kompromiss aus Realismus und spielerischem Unterbau, bei dem Zusammenarbeit stark belohnt wird. So kann man z.B. wie in Call of Duty & Co auf Dauer einige Waffen, Aufsätze und Gadgets freischalten, in punkto Aussehen und Handling bleiben die Entwickler aber erfreulich nah am realen Vorbild. Sicher, auf Dauer wird das ständige Tauziehen etwas zu zäh und trist, weil die wenigen Modi und Schlachtfelder nicht genügend Abwechslung bieten. Auch Grafik und Netzcode bleiben ein ganze Ecke hinter der Konkurrenz zurück. Trotzdem ist BlackMill Games eine eigene Interpretation des Kriegsspiels gelungen.
Pro
- verbissene Grabenkämpfe mit glaubwürdigen Schusswechseln
- realistisch nachgebildeter Frontverlauf
- authentisch eingefangene Weltkriegsstimmung
- Spielregeln passen gut zum Thema
- Trupps und Waffen orientieren sich stark an echten Vorbildern
- realistisches Waffenverhalten und Nachladen
- Teamspiel wird massiv belohnt
Kontra
- zwei Modi und sechs Schlachtfelder in der Pampa bieten kaum Abwechslung
- technisch schwache Umsetzung mit unscharfen Texturen, schlichter Beleuchtung und hölzernen Animationen
- kaum Physik oder wuchtige Zerstörung
- gelegentliche Lags und seltene Bildrateneinbrüche
- lieblose Präsentation und nur Text-Infos über Hintergründe
- übertrieben strikte Regeln gegen das Übertreten von Map-Grenzen