Order of Battle: Pacific - Test, Taktik & Strategie, PC

Order of Battle: Pacific
08.06.2015, Jörg Luibl

Test: Order of Battle: Pacific

Materialschlacht im Pazifik

The Aristocrats haben Großes vor: Die ab 1941 im Pazifik tobenden Gefechte zwischen Amerikanern und Japanern sollen den Auftakt für eine Reihe rundenstrategischer Wargames bilden, die man für Slitherine entwickelt. Satte 500 Einheiten kommen zu Lande, zu Wasser und in der Luft zum Einsatz - das klingt nach einer XXL-Materialschlacht. Ob Order of Battle: Pacific nicht nur mit Masse, sondern auch Klasse auftrumpfen kann, klärt der Test.

In der Kampagne durchläuft man zunächst ein „Boot Camp“, das einen nur mit grundlegenden taktischen Mechaniken sowie der Steuerung vertraut macht. Wer Rundengefechte à la Panzer Corps. kennt oder ein Faible für Wargames hat, wird sich auf den Hexfeldern mit dem gediegenen Miniaturflair schnell zuhause fühlen. Die Kulisse ist durchaus edel, es rumst im Gefecht gut aus den Boxen, aber auf dem Rechner ist natürlich viel mehr möglich. Man kann weder richtig nah an seine Einheiten zoomen noch gibt es vielfältige Animationen, sondern eher hüftsteife Drehungen, aber dafür einige interessante inhaltliche Aspekte hinsichtlich Versorgung, Territorium & Co.

Von Pearl Harbor bis Tokio

Ihr könnt die Kampagne auf Seiten der Amerikaner oder Japaner spielen.
Die mit mickrigen Briefings recht spröde inszenierte Kampagne kann man auf Seiten der Japaner unter „Imperial Japan“ oder Amerikaner unter „Pacific Allies“ in fünf Stufen spielen. In beiden Fällen beginnt der Krieg mit dem Angriff auf Pearl Harbor 1941, der bis ins Jahr 1946 geführt werden kann. Dabei versucht man sich zwar größtenteils an historische Fakten zu halten, was Kriegsverlauf, Gefechtsorte, Waffengattungen sowie Verbündete betrifft, aber im Finale ist z.B. auch die fiktive Eroberung Tokios durch die USA oder Australiens durch das japanische Kaiserreich möglich.

Das hört sich vielleicht nach groß angelegter und offener Strategie an, aber man plant leider nicht als General den kompletten Krieg im Pazifik, indem man seine Flotte, die Luftwaffe sowie das Heer inklusive Nachschub frei in allen Krisenregionen managt - es gibt also kein Hauptquartier mit Reißbrett und man trifft keinerlei überregionale Entscheidungen. Es geht auf beiden Seiten vielmehr um eine streng lineare Aneinanderreihung von einzelnen Schlachten mit klaren Haupt- und Nebenzielen, die zwar durchaus taktisch

Die Küsten sind taktisch wichtig: Man kann vom Meer aus angriefen und mit Amphibienfahrzeugen landen, um sich Brückenköpfe zu schaffen.
anspruchsvoll designt sind, aber kaum Freiraum für militärische Entwicklung lassen.

Die Auswahl der separaten Szenarios ist zudem sehr schwach, denn man bekommt nochmal alles einzeln serviert, was man schon aus Tutorial und Kampagne kennt – hier hätte man wesentlich kreativer sein können, indem man offenere militärhistorische Herausforderungen anbietet. Gut, dass man eigene Szenarien über den Editor erstellen und mit bis zu vier Leuten per Hotseat oder online spielen kann.

Das Prinzip von Territorium, Kontrollzonen sowie Versorgung ist gelungen. Je nach Gelände manövrieren und kämpfen Truppen anders. Sie brauchen z.B. mehr Zeit für Flussübergänge und sind dort auch verwundbarer. Pioniere können zudem Brücken sprengen oder welche errichten – schade ist allerdings, dass diese Kommandos so selten notwendig sind. Durchbrüche, Rückzüge oder Umschließungen wirken fast vorgegeben; erreicht wird das meist durch plumpe Übermacht. Und weil diese schnell klar wird, entsteht ein recht zähes Ringen auf dem Weg zu den Zielen. Das ist nicht immer so, aber man fühlt sich von der Regie etwas gegängelt. Wichtig ist der Gebrauch der maritimen und über Land verfügbarenTransportfähigkeiten, um seine Truppen schnell voranzubringen; es gibt übrigens auch Schienen.

Gelände und Versorgung

Vor dem Start einer Schlacht kann man weitere Truppen kaufen und platzieren.
Egal wo man schippert, fährt oder landet greift das gute System der Kontrollzonen: Auch Schiffe verfügen über einen Radius, den Gegner nur unter hohen Bewegungskosten durchfahren können – so lassen sich nicht nur auf hoher See effiziente Blockaden errichten, sondern auch Brückenköpfe sichern. Man kann den dynamisch wechselnden Grenzverlauf samt keilartiger Vorstöße oder Enklaven immer an einer farbigen Linie erkennen. Und die ist wichtig, denn sie zeigt auch mögliche Einkesselungen oder von der Versorgung abgeschnittene Truppen an.

Nur wenn die gerade am Strand gelandete Truppe freien Rückraum zur Küste mit verpflegenden Schiffen hat, kann sie z.B. auch effizient kämpfen und repariert werden – eine gute Idee! Ansonsten liefern Städte im Landesinneren die nötigen Ressourcen. Ob die Versorgung ausreicht, woher sie kommt und wieviel Truppen überhaupt benötigen, kann man sich bequem anzeigen lassen. Mit roten Zahlen markierte Defizite sollte man vermeiden, denn diese unterversorgten Einheiten verlieren an Bewegung und vor allem die wichtige Effizienz.

Einheiten besitzen eine numerische Stärke sowie die so genannte Effizienz, die quasi die Moral sowie Ermüdung repräsentiert. Dieser Wert kann durch Erfahrung gesteigert werden, aber wird durch oben erwähnte Unterversorgung, unzugängliches Gelände oder Artilleriebeschuss temporär gesenkt. Das wirkt sich zwar nicht negativ in der Defensive aus, was etwas inkonsequent ist, aber dafür sehr stark in der Offensive. Sprich: Die demoralisierte Truppe verliert an Schlagkraft. Jede Einheit verfügt über zwei Informationstafeln, auf denen einmal zehn und einmal satte achtzehn Werte wie Bewegungspunkte, Eingrabungsbonus, Reichweite, Schaden gegen Flieger, Soldaten oder Fahrzeuge, die Effizienz etc. mit kleinen Symbolen gekennzeichnet sind.

Einheiten mit Stärke und Effizienz

Schiffe spielen eine große Rolle: es gibt Zerstörer, Flugzeugträger, U-Boote etc.
Ob man einen Feind trifft, zeigt die Schadensprognose an; je höher die Differenz zu eigenen Gunsten desto besser. Man kann also auf Anhieb erkennen, ob man besser nicht attackiert. Dieses System ist also weitgehend ein guter Gradmesser für die weitere Planung, denn jede Einheit darf sich nur einmal bewegen und attackieren. Leider gibt es auch einige sehr unglaubwürdige Trefferermittlungen: Wenn die Artillerie mehrmals mal so gar keinen Schaden an den Bodentruppen verursacht, dann sieht das komisch aus.

Hinzu kommt, dass die KI abseits der strengen Skripte nicht immer glaubwürdig agiert. Schön ist zwar, dass sich nahezu aufgeriebene Einheiten auch automatisch zurückziehen. Aber es kommt (auch auf amerikanischer Seite) immer wieder zu überflüssigen Harakiri-Aktionen und auf dem dritten Schwierigkeitsgrad werden Flankierungen nicht immer clever genutzt. Dafür führt die KI wiederum Lande-Operationen ordentlich aus, indem sie vom Meer aus Küstenabschnitte sichert und erobert.

KI und Flankierungen

Die Missionen sind nicht offen, sondern von Skripten und Übermacht so designt, dass man kaum militärische Manöverfreiheit hat.
Apropos Flankierungen: Wer den Feind von zwei Seiten attackiert oder Artillerie im Hinterland hat, bekommt wertvolle Boni, die auch farblich angezeigt werden. Schade ist allerdings, dass sich diese Überzahl und Feuerunterstützung nicht so drastisch erhöhen lässt, dass sie sich schneller fatal auswirkt und zu sofort aufgeriebener Truppe bzw. Kapitulation führt.

Sehr gut ist wiederum, dass man sich über Schere-Stein-Papier hinaus Gedanken machen sollte, welche Einheit z.B. verschanzte Verteidiger zuerst attackiert – da empfehlen sich jene mit Sturmangriff-Fähigkeit, bevor man mit regulären Truppen nachsetzt. Soldaten verschanzen sich übrigens automatisch, wenn sie nicht bewegt werden – je länger sie verharren, desto höher der so geschaffene Defensivwert.

Sturmtruppen und Torpedoschaden

Hinzu kommen lobenswerte Details: Das 37-mm-Geschütz lässt sich manuell senken, um auch im Nahkampf einsatzbereit zu sein. Ich kann Sonar zur Aufklärung aktivieren, Radar nutzen, Flugzeuge auftanken, gezielt Minen legen und Torpedos abfeuern. Abseits von Bewegung und Attacke gibt es also noch einiges an taktisch sinnvollem Mikromanagement, zumal der Nebel des Kriegs mit der Aufklärung nicht sofort, sondern in mehreren Stufen schwindet.

Das System der „Requisition Points“ sowie Heilung überzeugt mich nicht, weil es mir zu beliebig ist: Mit diesen Punkten kann ich z.B. weitere Einheiten kaufen, um sie im nächsten Zug zu platzieren. Ich bekomme sie zum einen automatisch, zum anderen wenn ich meine Ziele erreiche. Hinzu kommen Befehlspunkte, die das Einheitenlimit separat für Land, See und Luft festlegen.

Panzer shoppen und Veteranen beleben

Es ist zwar schön, dass man erfahrene Einheiten („Kerntruppen“) in die nächste Schlacht übernehmen kann, aber die Wiederbelebung wirkt komplett unrealistisch. Eine Einheit mit drei Sternen wurde vernichtet? Kein Problem: Man kann sie vom Friedhof zurückkaufen – inklusive voller Stärke und fünf Prozent ihrer Erfahrung. Sehr beliebig wirkt auch das “Heilen“ der Truppen, denn ich kann verwundete Einheiten einfach anklicken, um sie mit frischen Truppen oder Veteranen zu verstärken. Ich kann sie auch zu einer anderen Gattung aufrüsten. Zur Ehren- und Balancerettung muss man allerdings festhalten: Man hat nicht endlos Punkte zur Verfügung, sondern so wenige, dass man damit gut haushalten muss.

Welche Spezialisiertung darf es sein? Vorsicht: Die andere ist futsch...
Wer das Shopmenü öffnet, wird von 14 Truppentypen auf der linken Seite überrollt: Soldaten, Aufklärer, Panzer, Artillerie, Jäger, Bomber, Schlachtschiffe, Flugzeugträger und U-Boote. Klicke ich auf einen Typ, bekomme ich meist noch eine Auswahl innerhalb der Waffengattung wie am Boden etwa Infanterie, Schwere Infanterie, Marines oder Pioniere. Letztere kosten z.B. 60, der Panzer M3 Stuart schon 95, ein B-17-Bomber  satte 300 und ein Schlachtschiff wie die BB North Carolina 320 Punkte.

Fünf von zwanzig Spezialisierungen könnt ihr im Laufe der Kampagne freischalten, wobei ihr immer die Wahl zwischen zwei Boni habt – aber Vorsicht: der andere ist dann futsch. Gleich zu Beginn könnt ihr z.B. die „Field Medics“ aktivieren, die mit ihrem Jeep unterwegs sind und unbewegte Truppen heilen. Später müsst ihr zwischen fortschrittlichen Panzern oder Flugzeugen wählen.  Hinzu kommen drei Arten von freischaltbaren Befehlshabern: Generäle, Admiräle und Fliegerasse, die man Elite-Truppen zuweisen kann, um ihre defensiven sowie offensiven Werte weiter zu steigern. Das ist aber letztlich eher ein netter Nebeneffekt als Charakterentwicklung mit eigenen Offizieren.

Entweder oder…

Fazit

500 Einheitentypen zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Dazu 20 Spezialisierungen und zwei separate Kampagnen auf Seiten der Amerikaner sowie Japaner. Ja, Order of Battle hat viel zu bieten, zumal sich Gelände sowie Versorgung sehr gut auf die Effizienz der Truppen auswirken und so einige taktische Finessen anbieten. Die wirken sich vor allem mit Freunden oder online aus, denn die Kampagne spielt sich recht zäh und vor allem streng linear – Durchbrüche, Rückzüge oder Umschließungen fühlen sich aufgrund plumper Übermacht fast wie vorgegeben an. Es gibt keine freie übergeordnete Generalsebene und ich habe auch im Gelände nicht immer das Gefühl, dass ich die taktische Situation über clevere Befehlsführung öffnen könnte. Im Vergleich zu eleganten Wargames wie Battle of the Bulge oder Desert Fox, die mich wie einen Schachspieler immer aufs Neue fordern, wirken die üppigen, aber auch etwas spröde inszenierten Gefechte im Pazifik trotz kreativer Ansätze wie eine schwerfällige Materialschlacht.

Pro

  • umfangreiche Rundentaktik im Pazifik
  • Kampagne der Amerikaner oder Japaner
  • fiktive Kriegsergebniosse möglich
  • 500 Einheitentypen zu Land, Wasser & Luft
  • gute Gelände- und Versorgungseffekte
  • erfahrene Einheiten übernehmen
  • zwanzig Spezialisierungen
  • fünf Schwierigkeitsgrade
  • umfangreicher Editor
  • Multiplayer (Hotseat für bis zu vier oder online)

Kontra

  • schwache Inszenierung der Kampagne
  • Rekrutierungspunkte sorgen für Beliebigkeit
  • kaum militärische Überraschungen
  • Missionen fühlen sich sehr linear an
  • keine freie Planung auf Generalsebene
  • einige unglaubwürdige Trefferwirkungen
  • steife Animationen

Wertung

PC

Üppige, hinsichtlich der Versorgung kreative, aber etwas zähe und sehr linear inszenierte Materialschlacht zu Lande, zu Wasser und in der Luft.

Kommentare
Brian the Fist

Ich habe es mir auf der Xbox besorgt. Ist der Panzercorps/ Panzer General Reihe sehr ähnlich.
- Performance Xbox Series X ist unterirdisch (sehr lange Ladezeiten/ KI Züge dauern echt lange). Wurde bereits gepatcht und wird langsam besser.
- Reiner Single Player, MP & Editor fehlen auf der Xbox.
- Interface echt mäßig (da hätte man sich ein Beispiel an Sudden Strike nehmen sollen).
- Missionsbriefings sehr trocken, nur das nötigste.
- Spielregeln muß man sich ebenfalls selber erarbeiten. Wenig Erklärung. Eine Tutorial Mission nach der noch Fragen offen bleiben.

ABER - es macht SÜCHTIG. Gemütlich vom Wohnzimmersessel auf dem Fernseher Hexfeld General spielen und immer zu sagen "nur noch eine Runde" ist klasse. Die vielen verschiedenen
Einheiten, Versorgungssystem und Mitnahme und Entwicklung von Kerntruppen über die Kampagnendauer ist, wie im Test beschrieben, sehr motivierend.
Bei der Xbox ist eine umfangreiche Kampagne "Blitzkrieg" dabei und es stehen eine sehr große Auswahl an Szenarios über kostenpflichtige DLC zur Verfügung. Ich hätte mir zwar eine Umsetzung der Panzercorps Reihe gewünscht aber Order of War ist trotz der Defizite ein guter Ersatz.

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren