Harvest Moon: Das verlorene Tal - Test, Simulation, 3DS
Brokkoli, Spinat, Brokkoli, Spinat. Immer das gleiche. Brokkoli, Spinat, Brokkoli, Spinat. Ich werde noch wahnsinnig! Brokkoli, Spinat, Brokkoli, Spin…zzzz…jetzt sind mir schon wieder die Augen zugefallen. Es ist schon bizarr: In den letzten acht Stunden habe ich tatsächlich mein Geld verdient, indem ich mich stupide vor detailarme Feld-Quadrate gestellt und aufs immer gleiche Knöpfchen gehämmert habe, um Feldfrüchte zu kultivieren. Was ich angebaut habe, könnt ihr euch sicher denken. Viel mehr als die zwei Gemüse-Arten hat Händler Sam zunächst nicht im Angebot. Erst nach ein paar Stunden kommen diverse Blumen und Erdbeeren dazu, später auch Obstbäume. Mit etwas Glück mutieren meine Pflanzen immerhin, so dass ich z.B. seltene „Weißbeeren“ ernten kann. Davon abgesehen herrscht aber ein Mangel an Vielfalt, der symptomatisch für den Rest des Spiels ist: Das junge japanische Studio Tabot hat es tatsächlich geschafft, den Einstieg von Harvest Moon: Das Verlorene Tal noch öder zu gestalten als in allen Ablegern zuvor. Höchstens das elendig in die Länge gezogene Innocent Life: A Futuristic Harvest Moon auf der PSP kann noch mithalten – und das will was heißen!
Brokkoli, Spinat, Brokkoli, Spinat
Die an der Quelle wohnende Gottheit steht wieder einmal im Mittelpunkt der Geschichte, die in minimalistischen Zwischensequenzen erzählt wird. Als Wanderer bin ich in einem verlassenen Tal gestrandet, in dem ewiger Winter herrscht. Indem ich Landwirtschaft treibe, wecke ich einige Erntewichtel auf, leite nach und nach den natürlichen Wetterverlauf der Jahreszeiten ein und bringe wieder Leben ins Tal. Die Wichtel lassen sich auch für kleine Hilfsarbeiten rekrutieren. Aufgrund ihrer mangelnden Arbeitsmoral bedeutet das zu Beginn aber noch mehr Arbeit als mal eben persönlich die Hacke zu schwingen.
Terraforming auf dem Bauernhof
Erst nach quälend langen acht Stunden Feldarbeit wuselten die ersten Tiere in meinem Stall herum. Die Interaktion mit ihnen sind erneut liebloser geworden: Ich darf meine Schützlinge nicht mal eigenhändig auf die Weide treiben. Wenn "Koo" und "Moo" grasen sollen, läute ich stattdessen eine Bimmel, damit der rote Vieh-Wichtel die Aufgabe übernimmt. Schaffe ich es vor Sonnenuntergang nicht rechtzeitig zur Glocke, hält er mir außerdem eine Standpauke, dass ich meine „Wi-wa-Wuscheltiere auf der Weide gelassen“ habe, „jetzt sind sie grummelig und brummelig“. Aha. Viel mehr als solche Verniedlichungen solltet ihr von den Dialogen übrigens nicht erwarten: Meist sondern die Bewohner nur schrecklich simple Monologe ab, die sogar die Stilblüten der Vorgänger unterbieten. Beispiel gefällig? „Wow! Deine Pflanzen sehen so schön aus! Hast du sie angepflanzt? Fantastisch!“ Sicher doch, fantastisch. Bitte gebt mir den Landwirtschafts-Simulator zurück – dort haben mich die hölzern durch den Trecker glitchenden Passanten wenigstens nicht mit derart stumpfem Smalltalk genervt! Ähnlich stupide fällt die Feldarbeit aus: Ob ich nun gieße, ernte oder dünge: Meist muss einfach nur den ewig gleichen Knopf drücken.
Lieblose Tierzucht
Lediglich Aktionen wie Terraforming, Schneeschippen oder Pflügen laufen über ein minimal komplexeres Menü ab. Die einzige Herausforderung besteht also darin, nicht im falschen Winkel vorm Feldquadrat oder einem Dorfbewohner zu stehen - was aufgrund der hakeligen Steuerung aber viel zu häufig passiert. Apropos Dorfbewohner: Sogar der einstmals idyllische Ort wurde diesmal wegrationalisiert. Er sorgte früher immer für eine erholsame Abwechslung zur Feldarbeit. Stattdessen wurden die Wanderer, Handwerker und andere Figuren offenbar aus ihren Wohnungen vertrieben und hängen ständig vor meinem Haus herum. Sogar Händler Sam belagert mein Heim ununterbrochen, da ich sein einziger Kunde bin – sehr glaubwürdig. Auch der Schmied wurde offenbar durch Mietwucher aus seiner Werkstatt vertrieben und streunt einfach im Steinbruch herum, um dort Baumaterialien für mich zu fertigen.
Gentrifizierung in der Spielewelt
Fazit
Wenn man sich beim Spielen von Harvest Moon nach der Abwechslung des Landwirtschafts-Simulators zurücksehnt, läuft etwas gewaltig falsch. „Wozu Aufwand in ein Bauernhofspiel stecken, wenn Gelegenheitsspieler sich mittlerweile mit Titeln wie Farmville zufrieden geben?“ – so lautete offenbar die Marschrichtung für diesen Serienableger. Die ehemals unterhaltsame Formel wurde derartig kaputtgespart, verwässert und in die Länge gezogen, dass sich der Alltag auf dem Feld mindestens genau so sehr nach Arbeit anfühlt wie reales Ackern. Ich will mich nicht beschweren – schließlich drücke ich lediglich Knöpfchen im Büro, statt in der prallen Sonne zu schwitzen. Trotzdem sieht meine Vorstellung von einem entspannenden Bauernhof-Abenteuer ganz, ganz anders aus. Nicht einmal das halbherzig eingebundene Terraforming kann die allgegenwärtige Monotonie aufwerten. Wer Lust auf einen idyllischen Mix aus Aufbauspiel und Lebenssimulation hat, sollte sich lieber einen Vorgänger besorgen oder darauf hoffen, dass Marvelous sein deutlich liebevoller gemachtes Story of Seasons doch noch nach Europa bringt.
Pro
- es lassen sich eigene Wasserläufe und Terassen anlegen
- Pflanzen können mutieren und neue Arten bilden
Kontra
- schrecklich fader, quälend langer Einstieg
- selbst für Genre-Verhältnisse zu viel stupide Fleißarbeit
- hässlich karges Polygon-Tal
- zu kleines Angebot an Feldfrüchten, Tieren, Blumen & Co.
- lethargische Musik wiederholt sich ständig
- kein Dorf mehr zu erforschen
- minimalistisch erzählte Geschichte
- dämliche Smalltalk-Dialoge
- etwas hakelige Steuerung
- Terraforming bietet kaum kreativen Freiraum
- Nebenmissionen sind völlig belanglose Hol
- und Bringedienste
- Ausdauer spielt kaum noch eine Rolle