Lethis: Path of Progress - Test, Taktik & Strategie, PC
Auf dem Dach des Cafés sitzt eine Katze und wedelt ruhig mit dem Schwanz. In saisonalen Abständen versammeln sich die Arbeiter auf den Feldern, um diese zu beackern, zu säen und zu ernten. Ein Steuereintreiber marschiert begleitet von einem Dampf betriebenen Haustier-Skorpion um die Häuser. Von Zeit zu Zeit fliegt eine Art Montgolfiere über die Stadt - an Bord Handelsgüter, um sie zu einer außerhalb des Kartenbereiches liegenden Nachbarstadt zu bringen. Und die Straßen pulsieren mit einem Strom von Transporteuren, die Rohstoffe und Produktionsgüter von A nach B und schließlich über C, D oder E bis zum Laden bringen, in dem sie feilgeboten werden. Die isometrische Kulisse, die in vier Stufen gedreht sowie stufenlos gezoomt werden kann, ist ständig in Bewegung. Der Wuselfaktor ist hoch wie zur Jahrtausendwende bei den Siedlern oder den zahlreichen Stadtaufbau-Spielen von Impressions (Caesar, Pharaoh, Cleopatra etc.), in deren Tradition man sich nach Entwicklerangaben sieht.
Wo ist Professor Layton?
Mechanisch hingegen hat man nicht so viel Sorgfalt walten lassen - obwohl man sich theoretisch an die Formel hält, die seinerzeit auch den antiken Städtebau von Impressions so interessant gemacht hat. Man muss Zellen ausweisen, in denen
die Bevölkerung wohnen kann und dann als Arbeitskraft zur Verfügung steht. Da der Platz begrenzt ist und man auch Parzellen für die Rohstoffgewinnung sowie weiterverarbeitende Betriebe beachten muss, sollte man die Bedürfnisse der Bevölkerung zufrieden stellen. Die reichen von Nahrungsvielfalt bis hin zu Zugang zu Alkohol, Wäschereien etc. Doch um diese Anforderungen zu befriedigen, muss man wiederum eine empfindliche Balance zwischen zur Verfügung stehenden Arbeitskräften und den entsprechenden Bedürfnissen herstellen, die sich schließlich auf über 20 Produktionsgüter erstrecken. Ansonsten gehen die Bürger so schnell, wie sie gekommen sind. Das Ergebnis: Die Betriebe arbeiten nur ineffizient oder gar nicht. Die Waren kommen nicht so schnell, wie sie benötigt werden. Die Bevölkerung wandert ab. Ein fieser Teufelskreislauf. Dass man zusätzlich auch noch darauf achten muss, sämtliche Gebäude von Angestellten der Stadt instand zu halten werden und natürlich auch seine Finanzen nicht außer Acht lassen darf, macht den Reiz heute genauso aus wie damals.Spröde Hilflosigkeit
Mit einem fünfteiligen Tutorial wird man auf die Anforderungen als Bürgermeister vorbereitet. Allerdings werden hier schon Defizite deutlich, die auch in der 26 Missionen umspannenden Kampagne ein ums andere Mal für unnötigen Frust sorgen. Die Benutzerführung z.B. ist suboptimal. Bis man sich an die Standorte der einzelnen Gebäudetypen etc. gewöhnt hat, klickt man sich wie wild durch die Menüs. Es gibt zwar kurze Hilfseinblendungen, wenn man über das entsprechende Symbol klickt, doch mit etwas mehr Gespür für Komfort auf Spielerseite hätte der zur Verfügung stehende Platz besser genutzt werden können, um z.B. entweder durch ein Mini-Symbol zu signalisieren, für was dieses oder jenes Gebäude jetzt gut ist. Oder aber um gleich einen Text darunter zu verankern. Auch die eigentlich zwecks besserer Übersicht zu- oder abschaltbaren Filter, um Warenkreisläufe, Abhängigkeiten, Bedürfnisse etc. anzeigen zu können, verwirren mehr als dass sie helfen. Ebenfalls problematisch: Häufig wird man auf bestehende oder neu auftauchende Probleme nicht hingewiesen. Man stellt nur fest, dass einem die Bürger weglaufen und hat keine Ahnung, wieso.
Aufbauspaß mit Trial-and-Error
Fazit
Ende der neunziger Jahre habe ich zig Stunden mit den antiken Städtebau-Spiele von Impressions verbracht. Dementsprechend habe ich mich auf Lethis gefreut, nachdem ich erste Videos von der Aufbau-Strategie gesehen habe. Und ich muss den Entwicklern ein Kompliment machen: Das Artdesign mit seinem charmanten Comic-Look, in dem man theoretisch ständig damit rechnet, dass Professor Layton um die Ecke schlendert, ist sehr gut gelungen. Die Animationen könnten zwar vielfältiger sein, doch unter dem Strich ist der Wuselfaktor hoch. Das Zuschauen macht Spaß – zumindest mehr als das Spielen. Dabei ist das Fundament sehr solide: Es gibt gut verzahnte Produktionskreisläufe, eine umfangreiche Kampagne und einen Sandkastenmodus, der allerdings keine eigenen Karten erlaubt. Dass sich der Unterhaltungswert dennoch in Grenzen hält, liegt zum einen an der kruden Benutzerführung, die mit Erklärungen geizt und einen bei Problemen im Unklaren lässt. Hat man die Zusammenhänge verinnerlicht, kann das Ausbaldowern der idealen Infrastruktur allerdings immer wieder an den Bildschirm locken – auch wenn man meist nur nach Schema F bauen kann. Unter dem Strich schafft es Lethis trotz interessanter Ansätze sowie eines exzellenten Artdesigns inhaltlich nicht, die Qualität der Klassiker zu erreichen.
Pro
- wunderschönes Cartoon-Artdesign
- gut verzahnte Zusammenhänge...
- behutsam eingesetzte Steampunk-Einflüsse
- moderne Interpretation des Caesar- bzw. Pharaoh-Prinzips
- drei Schwierigkeitsgrade
- zahlreiche Auf- und Ausbaustufen
- hoher Wuselfaktor
- über 20 Produktionsgüter, 40 Gebäudetypen
- umfangreiche Kampagne
- Sandkastenmodus
- stimmungsvoller Soundtrack
- hoher Wuselfaktor
- Karten mit bis zu 300x300 Feldern Größe
Kontra
- Tutorial lässt zu viele Fragen offen
- ... die aber nicht immer ersichtlich sind und unzureichend erklärt werden
- schwache Benutzerführung, kaum In-Game-Hilfen
- nur rudimentäre Hinweise auf Probleme
- trotz drei Geschwindigkeiten viel Leerlauf für den Spieler
- kein Tool zur Erstellung eigener Karten
- vorhersehbare Aufbau-Phasen