Sorcerer King - Test, Taktik & Strategie, PC

Sorcerer King
13.08.2015, Jörg Luibl

Test: Sorcerer King

Big Bösewicht is watching you...

Die Entwickler von Stardock haben eine traditionsreiche Vergangenheit, was Eroberungen im großen Stil betrifft: Mit Galactic Civilizations und Sins of a Solar Empire haben sie sich nicht nur der Science-Fiction gewidmet, sondern mit Elemental: War of Magic sowie Fallen Enchantress auch der Fantasy. Mit Schwert und Magie bekommt ihr es auch in Sorcerer King zu tun - allerdings weicht die Spielmechanik dabei kreativ von klassischer 4X-Strategie ab.

Okay, das musste irgendwann passieren: Der Sorcerer King hat sich bisher nur misstrauisch über meine Expansion geäußert, aber jetzt greift er an. Seine Feldherren Aegethon und Vetrar ziehen über die Karte. Erst hat er nur in kleinen Trupps blaue Kristalle zerstört oder Kundschafter vernichtet, jetzt hat er tatsächlich meine erste Stadt mit einer großen Armee geschliffen. Sie ist nach schwacher Gegenwehr einfach so vom Erdboden verschwunden - ein einsamer Pionierwagen wartet auf Befehle. Weil sie in meinem Zentrum lag, steht der Feind mit seinen lila Schergen jetzt nicht irgendwo an der Grenze, sondern mittendrin in meinem Reich. Wenn ich die Karte ganz weit rauszoome, kann ich mein strategisches Problem auf der vergilbten Übersicht erkennen, die Straßen und Orte aus der Draufsicht anzeigt. Hätte ich diese Schergen früher attackieren sollen? Oh ja, aber ich fühlte mich noch zu schwach für den offenen Krieg.

Krieg vor der Haustür

Welcher Anführer darf es sein? Sechs Charaktere stehen zur Wahl, mit eigenen Helden und Zaubern.
Und dann hätte ich seine kleinen Geschenke an Mana & Co nicht mehr annehmen und mich nicht besser vorbereiten können. Immerhin habe ich etwas vorgebeugt und die Abwehrtürme nicht nur mehrfach verstärkt, sondern sie wie ein Netz angelegt, so dass sich ihre Reichweiten überschneiden und Feinde mehrfach aus der Distanz treffen - das hält zumindest das dämonische Kroppzeug auf. Aber die Defensive ist auf Dauer keine Lösung: Denn wenn der mächtige Sorcerer King alle 24 blauen Kristalle zerstört, wird diese Welt untergehen. Wie viele davon bei mir intakt sind? Noch vier. Ich kann die Apokalypse nur aufhalten, wenn ich seine beiden Feldherren besiege, ihnen die beiden Schlüssel abnehme, das Schattentor öffne und damit den Weg zur finalen Schlacht freimache. Sind meine Helden schon weit genug? Haben meine Truppen genug Schlagkraft? Habe ich als Souverän ausreichend Mana und wichtige Zauber?

Auf der Weltkarte baut man u.a. Städte, Türme und Minen. Außerdem kann man Tavernen für kleine Quests besuchen. Grenzen zeigen an, zu welchem Territorium das Gebiet gehört.
Sorcerer King hat mich vor allem in den ersten Partien sehr gut unterhalten. Nicht nur aufgrund seines süffisanten Untertons in den Texten, sondern weil es sich erfrischend anders spielt - fast so, als würde man bei seinen Zügen ständig von einem Dungeon Keeper beobachtet. Denn im Hintergrund agiert der schon zu Beginn mächtige "Sorcerer King" als trügerische Kraft mit Zuckerbrot und Peitsche: Man weiß, dass man diesen Bösewicht letztlich besiegen muss, aber dennoch bietet er einem mitunter seine Hilfe in Form von Truppen, Zaubern, Administratoren oder Rohstoffen an. Nimmt man sie an? Oder brüskiert man den Tyrannen? Jeder klitzekleine Vorteil bringt das eigene Reich letztlich der Vernichtung näher, symbolisiert durch eine brennende Leiste, die auf den Tag des Jüngsten Gerichts zuhält - und Vorsicht: pro vernichtetem Kristall brennt sie schneller ab!

Zuckerbrot und Peitsche...

In Tavernen kann man kleine Quests inklusive Multiple-Choice und moralischer Tendenz meistern - man kann z.B. gut oder böse handeln.
Vor allem in der frühen Aufbauphase freut man sich über einige Finessen und die Vielfalt samt Rollenspielflair en detail: Soldaten und Helden gewinnen an Erfahrung, man kann sie ausrüsten und sogar selbst Waffen und Rüstungen schmieden, um sie danach zu verzaubern - all das läuft intuitiv und hilft im Kampf. Die Helden haben zudem eigene Technologiebäume, die zwar nicht all zu verzweigt sind, aber interessante Fähigkeiten aktivieren. So wachsen sie einem ans Herz, zumal man in den Gefechten immer befürchten muss, dass die sorgsam entwickelten Helden sterben - dann sind sie für immer verloren.

Schön ist nicht nur, dass man im Stadt-Management abseits der Rohstoffplanung auch manuell Schwerpunkte setzen kann, um z.B. temporär mehr Mana zu bekommen. Hinzu kommt das territoriale Prinzip, das sichtbare Grenzen auch für neutrale Mächte anzeigt. Nur wenn man Monster- und Banditenlager vernichtet oder sein Gebiet über neue Türme und Städte ausweitet, kann man auch die darin enthaltenen Metall- und Kristallminen sowie Pferdeweiden bebauen, um Rohstoffe oder Ritter zu produzieren. Und auch die für den Spielsieg wichtigen blauen Kristalle lassen sich erst nutzen, wenn sie sich im eigenen Gebiet befinden - dann spenden sie wertvolles Mana, das einem unterstützende oder vernichtende Zauber sowohl auf der Karte als auch in der Schlacht ermöglicht. So kann man z.B. die Nahrung oder Produktion einer Stadt erhöhen, damit sie schneller wächst oder Gebäude bzw. Truppen baut. Oder man kann eine Armee einfrieren, damit sie etwas länger zum Ziel braucht. Das hätte mir vielleicht geholfen und meine Stadt gerettet!

Apropos Schlacht: Die finden zwar nur in relativ kleinen Arenen ohne Höhenunterschiede statt, aber dafür punkten die rundenbasierten Gefechte mit tollen Animationen, Truppenvielfalt sowie taktischen Finessen. Man hat nicht nur zig Nah- und Fernkämpfer, dazu berittene oder fliegende Einheiten und diverse Bestien zur Verfügung. Hinzu kommen universelle Zauber wie z.B. Nebel in den eigenen Reihen, der gegen Projektile schützt, sowie sehr interessante Fähigkeiten - cool ist z.B. das Wechseln der Plätze, das einen miesen Bogenschützen aus der hintersten Reihe mal schnell zwischen die eigenen Ritter teleportiert; autsch! Es gibt zig temporäre Stärkungen und Schwächungen, dazu weite Rundumschläge oder das Galoppieren oder Versengen durch ganze Reihen, wobei finale Hiebe auch wuchtig inszeniert werden.

Rundentaktik im flachen Gelände

Die Kampfarenen sind relativ klein, aber die Vielfalt an Truppen, Fähigkeiten und Zaubern überzeugt.
Je nachdem mit welchem der sechs Anführer man startet, hat man sowohl eine andere Grundtruppe mit einem Held als auch andere Zauberbücher zur Verfügung. Sehr schade ist allerdings, dass man die anderen rivalisierenden Völker nicht spielen kann, sondern nur als Feinde oder Verbündete kennen lernt. Sehr schön: Man kann diesen Anführer auch manuell zusammen basteln. Weitere Truppen kann man nicht nur in Kasernen rekrutieren, sondern auch über den Sorcerer King oder Verbündete per Handel bekommen oder zufällig über Quests anheuern. Die sind inklusive Multiple-Choice und moralischer Tendenz in kleine Geschichten verpackt, die Entscheidungen verlangen: Rettet man diesen komischen Fremden, der zwischen Leichen in einem Dorf steht und behauptet, nicht der Mörder zu sein? Hilft man den Bauern gegen die Banditen im Kampf oder bildet man sie aus? Zwar wiederholen sich einige Quests auf Dauer, aber sie sind kurz und knackig, dabei gut geschrieben und erlauben eher gutes als auch böses Spiel.

Wie verhält man sich gegenüber den trügerischen Angeboten des Sorcerer King? Man hat immer die Wahl...
Was den Spielspaß auf lange Sicht merklich dämpft, ist zum einen das Gegnerverhalten auf der Karte: Man kann ja mit bis zu sechs Rivalen starten, darunter menschliche Fraktionen wie "Imperium" oder "Pariden", Zwerge und Riesen, aber auch Exoten mit Elementaren wie "The Ice Lords" oder "Ceresa's Legacy". Theoretisch konkurrieren sie alle um den Sieg, aber sie expandieren und erobern einfach nicht clever genug - während man selbst schon drei Städte gebaut hat, dümpelt der Nachbar manchmal noch mit einer Stadt vor sich hin und sichert nicht mal den wichtigen Kristall. Und seine Truppen? Wehren selbst Feinde nicht immer ab. Der Wert als Verbündeter? Sehr gering.

Lethargische KI und eingleisige Diplomatie

Auch die Diplomatie ist zu schnell eine Einbahnstraße: Es gibt die immer gleichen Handelsangebote und fast keine außenpolitischen Möglichkeiten oder Abkommen abseits von Bündnis oder Krieg. Der Weg zum Bündnis läuft ebenfalls nach Schema F, indem man in Multiple-Choice-Dialogen die charmante Antwort wählt und danach ein, zwei Aufgaben für die Fraktuon erledigt.

Man kann Verbündete wie die Zwerge gewinnen, indem man Aufgaben für sie erledigt.
Einigermaßen spannend ist immerhin, dass sich nach Erledigung nicht nur die eigene Bündnisleiste füllt, sondern auch der Einfluss des Sorcerer Kings auf jene Fraktion steigen kann - dann muss man sich sputen.

Zwar gibt es keinen Online-Modus, sondern nur einsehbare Ranglisten, aber dafür kann man das Spiel in zig Bereichen den eigenen Bedürfnissen anpassen: Es gibt fünf Schwiertigkeitsgrade und fünf Kartengrößen für knapp ein Dutzend möglicher Areale wie "Hidden Valley" oder "Archipelago". Man kann auch einen eigenen Startcharakter samt Name, Fähigkeiten und Truppen erstellen, falls die sechs vorgegebenen Anführer nicht gefallen. Außerdem lässt sich die Anzahl der wichtigen Kristalle sowie das Tempo der apokalyptischen Leiste anpassen.

Kein Multiplayer, aber zig Optionen für Solisten

Fazit

Sorcerer King hat mich vor allem in den ersten Partien sehr gut unterhalten, weil es sich erfrischend anders spielt - fast so, als würde man bei seinen Zügen ständig von einem Dungeon Keeper beobachtet. Denn im Hintergrund agiert der schon zu Beginn mächtige "Sorcerer King" als trügerische Kraft mit Zuckerbrot und Peitsche, Geschenken und Nadelstichen - kann man ihn besiegen, obwohl er die eigenen Aktionen kommentiert und alles beobachtet? Das ist endlich mal ein kreativer Impuls in der 4X-Strategie! Ansonsten geht es um Rohstoffe und Stadtausbau, Verbündete und Truppenmanagement, Monsterjagd und Heldenkarrieren sowie kleine Quests und Anekdoten, die neben den Eroberungen für etwas Rollenspielflair sorgen. Aber so humorvoll dieses kreative Vabanque-Spiel inszeniert wird, schwächelt Sorcerer King zum einen hinsichtlich des etwas faden Artdesigns und auf lange Sicht vor allem in den wichtigen Bereichen KI und Diplomatie. Unterm Strich kein grandioses, aber ein empfehlenswertes Strategiespiel!

Pro

  • kreative Spielidee mit ultimativem Gegner
  • Sorcerer King kommentiert, beobachtet und lockt
  • sechs Anführer-Charaktere zur Wahl
  • Techtree für Anführer und Helden
  • Gebiet erweitern, Kristalle beschützen
  • Helden ausrüsten, Waffen & Ausrüstung verzaubern
  • etwas Rollenspielflair durch kleine Quests
  • Truppen gewinnen Erfahrung, steigen auf
  • sehr schöne Animationen und Soundeffekte
  • fünf Kartengrößen, fünf Schwierigkeitsgrade
  • Online-Ranglisten
  • zig Optionen zum Feintuning
  • offen für Modifikationen

Kontra

  • sehr lethargische KI
  • kaum Möglichkeiten in der Diplomatie
  • Kämpfe und Dialoge wiederholen sich
  • nur ein Volk spielbar
  • Texte und Sprache komplett Englisch
  • kein Online-Modus
  • fades Artdesign

Wertung

PC

Sorcerer King spielt sich erfrischend anders - fast so, als würde man bei seinen Zügen ständig von einem Dungeon Keeper beobachtet.