Disney Infinity 3.0: Play Without Limits - Test, Action-Adventure, 360, Android, PlayStation4, PlayStation3, XboxOne, Wii_U, iPad, PC
Einige erinnern sich vielleicht noch an Foto-Montagen, die im Internet kursierten, nachdem Disney Lucasfilm übernommen hat. Ein Todesstern mit Micky-Maus-Ohren gehörte ebenso dazu wie Micky mit Darth-Vader-Maske und ähnliche Spielereien. Alles Zeichen dafür, dass die Star-Wars-Puristen die Sorge hatten, der Megakonzern würde nicht besonders fürsorglich mit dem SciFi-Kult umgehen. Mittlerweile fährt der Hype-Zug auf Volldampf. Mit J.J.Abrams am Ruder steigt die Vorfreude auf Episode 7. Und es wäre auch vollkommen unlogisch, wenn Disney Interactive dieses Jahr das steigende Star-Wars-Fieber nicht genutzt hätte, um Abenteuer mit Luke Skywalker, Boba Fett oder Meister Yoda zum Kern von Disney Infinity 3.0 zu machen - wie wir es im Test letztes Jahr bereits hofften.
Zwangsläufige Entwicklung
In der exklusiven Special Edition der PS4-Fassung ist neben Figuren von Luke Skywalker, Leia Organa und Boba Fett (!) zusätzlich noch das Spielset "Rise Against The Empire" enthalten, das sich um Geschehnisse der Episoden 4 bis 6 dreht. Puristen wird dabei sicherlich stören, dass sich die Autoren sowohl hier als auch bei Twilight of the Republic einige Freiheiten herausnehmen und die Geschichte immer wieder abändern. Dabei wird die Story aber nicht bis zur Unkenntlichkeit entstellt – das Ganze passiert respektvoll. So ist bei der Einstiegssequenz von Episode 4 Prinzessin Leia nicht allein, sondern wird bereits von den Robotern sowie Luke, Han Solo und Chewbacca begleitet, die entsprechend kommentieren oder eingreifen. Doch trotz dieser mitunter befremdlichen Dramaturgie wird die Essenz der Filme ebenso erfasst und für die jüngere Zielgruppe aufbereitet wie bestimmte Schlüsselszenen. Auch hier
muss man nicht auf den Ritt durch das Asteroidenfeld mit dem Millenium Falcon, den Angriff auf den Todesstern oder die Verteidigung der Basis auf Hoth samt AT-ATs verzichten. Nur alles ein bisschen anders. Rise Against The Empire wird übrigens im Oktober als separates Set (ohne Boba Fett) veröffentlicht und wird dann auch auf anderen Systemen zur Verfügung stehen.Eine neue Hoffnung – mal etwas anders
Sehr gelungen ist die audiovisuelle Umsetzung der Lizenz. Zwar muss man sowohl im englischen Original als auch in der ordentlichen deutschen Lokalisierung auf Originalsprecher verzichten. Doch die Darsteller hinter dem Mikrofon liefern einen sauberen Job ab, was angesichts von Verpflichtungen wie z.B. Martin Keßler (u.a. Nicolas Cage) als Boba Fett nicht überrascht. Und im Englischen klingen viele sogar sehr ähnlich wie die Originale. Schade ist allerdings, dass die deutsche Tonabmischung immer wieder zu Aussetzern neigt. Die bekannten Kompositionen von John Williams sowie die krachenden Soundeffekte, angefangen von den markanten Tie-Fightern bis hin zu Lichtschwert und Laserfeuer, geben sich keine Blöße und sorgen vom Start weg für einen massiven Atmosphäre-Bonus. Doch die deutsche Sprachausgabe wird immer wieder unsauber und mit wechselnden Lautstärke-Pegeln darunter gemischt. Schade, denn in der englischen Version gibt es diese Probleme nicht.
Doch egal, in welchem Spielset man sich herumtreibt: Mechanisch bleibt sich Disney Infinity treu – im Guten wie im Schlechten. Man findet die bekannten Elemente aus Levelerforschung, Hüpfen und Kampf, die aber immerhin durch Flüge im All oder über die Planetenoberfläche abgerundet werden. Schade, dass es im Weltraum keine freie Routenwahl gibt - hier ist man "beinahe" auf Schienen unterwegs: Das Spiel leitet einen, man kann nur ausweichen, aber die Richtung nicht beeinflussen. Durch zahlreiche geskriptete Events, die man im Übrigen auch bei den Aufgaben "am Boden" zu sehen bekommt, wird die Spannung trotzdem hoch gehalten. Es gibt zahlreiche Missionen, die jedoch meist auf Hol- und Bringdienste sowie Kämpfe gegen die imperialen Truppen bzw. General Grievou'‘ Roboter oder Darth Mauls Handlanger hinauslaufen. Ausnahmen wie die Toy Story 3 entliehenen Aufgaben, in denen man z.B. auf Tatooine Gebäude bauen muss, die wiederum neue Missionen freischalten, finden sich zu selten. Auch die zahlreichen Herausforderungen, die man entweder solo oder mit einem zweiten Spieler in Angriff nehmen kann, sind bekannt: Checkpunkt-Rennen gehören z.B. dazu und auch die obligatorischen Jagden nach Bällen mit unterschiedlichen Punkte-Belohnungen unter Zeitdruck gehören zu dem, was man in Disney Infinity zu lieben und hassen gelernt hat.
Bekannte Variationen
Gleichgültige Aufwertung
Aber: Selbst dieses Manko kann der Star-Wars-Bonus immer wieder kaschieren. Natürlich ärgere ich mich, wenn der Bosskampf als vermeintlicher Höhepunkt zu schnell und zu einfach beendet ist. Doch dann sehe ich wie auf Geonosis sowohl am Himmel als auch am Boden die Armeen um die Vorherrschaft kämpfen oder wie die Pendel-Raumschiffe am dicht beflogenen Himmel über Coruscant ihre Bahnen ziehen und der Ärger wird massiv eingedämmt. Und man darf dabei auch nicht vergessen, dass die meisten Lego-Spiele der letzten Jahre ebenfalls nicht mit Anforderungsprofil, sondern mit Spielspaß glänzten. Und in diesem Bereich muss sich Infinity 3.0 nicht verstecken.
Die Spielsets sind allerdings nur die eine Seite der Disney-Infinity-Medaille. Die andere ist die so genannte Toybox. Was seinerzeit in Toy Story 3 als "kleiner" Zusatz-Spielmodus begann, ist in den letzten Jahren zu einem potenten Editor gereift, der in der aktuellen Version noch mehr Möglichkeiten zur Verfügung stellt, um Welten zu bauen. Noch mehr Optionen, um sie mit interaktiven Funktionen zu versehen. Mehr hier, mehr da, mehr von allem. Dabei bleibt allerdings wieder einmal die Übersicht auf der Strecke. Es gibt so viel zu tun, so viel zu verbauen, dass selbst das "Schnellmenü" nicht reicht, um alles adäquat zugänglich zu machen. Und sobald physikalische oder interaktive Abhängigkeiten („Was soll dieser Schalter an welcher Stelle bewirken?“) hinzukommen, sind jüngere Weltenbauer überfordert. Andererseits: Wenn man irgendwann mal herausgefunden hat, wie der Hase läuft und sich schließlich Buzz Lightyear und Boba Fett in einem futuristischen Fußball-Match duellieren, zaubert sich ein Lächeln auf die Lippen.
Aufgewertete Toy Box
Der Super-Sidekick und das Domizil
Zudem kann man über Aktionen und Geschenke die rudimentären Fähigkeiten bzw. den Freundschaftsgrad der Figur beeinflussen, so dass man zumindest in Ansätzen eine Art Beziehung zu dem virtuellen Freund aufbaut, der mehr ist als nur ein Haustier. Selbstverständlich gibt es auch wieder die Option, eine eigene Immobilie einzurichten, wobei auch hier nur der eigenen Fantasie sowie gewissen technischen Beschränkungen Grenzen gesetzt werden. Sprich: Man kann auch nach Abschluss der jeweiligen Spielsets viel Zeit mit Disney Infinity 3.0 verbringen.
Mittlerweile konnten wir nicht nur einen ausgedehnten Blick auf die Version für Xbox One werfen, sondern auch Zeit mit dem ebenfalls zum Start erhältlichen Playset zum Film "Alles steht Kopf" (Inside Out) sowie der im Oktober erscheinenden Erweiterung "Toybox Takeover" verbringen. Einziger nennenswerter Unterschied der Fassung für die Microsoft-Konsole sind die im Vergleich zur PS4 höheren Ladezeiten. Hinsichtlich Bildrate, aber auch in Bezug auf die mitunter unsaubere deutsche Tonabmischung gibt es keinerlei Differenzen. Doch die spürbar längeren Wartepausen könnten bei der angepeilten Zielgruppe durchaus hin und wieder für Ungeduld sorgen - vor allem, wenn sie bei einem Freund/einer Freundin mit PS4 gesehen haben, dass es durchaus schneller gehen kann.
Aktualisierung vom 3. September 2015
Die Xbox-One-Version: "Sind wir bald da?"
Playset zu Alles steht Kopf: Erfrischendes Jump&Run
Ebenfalls gut: Alles steht Kopf ist für ein Infinity-Set erstaunlich anspruchsvoll. Die Abschnitte sind mitunter stark verschachtelt, das Zeitlimit für eine Bestwertung ist angenehm knapp, so dass man sich gewaltig anstrengen muss, wenn man alle Ziele, alle Schalterrätsel und alle Geheimnisse im ersten Durchlauf lösen möchte. Sehr schön: Man spielt mit den fünf bekannten Figuren, muss aber nicht zwangsläufig alle besitzen. Freude und Wut werden mit dem Spielstein im Set geliefert, die anderen drei kann man bei bestimmten Figuren als "Kostüm" auswählen und temporär deren Spezialfähigkeiten nutzen, auf die die Abschnitte oder bestimmte Geheimnisse abgestimmt wurden.
Trotz des Star-Wars-Hypes und der zweifellos gelungenen Atmosphäre, die bei "Alles im Kopf" nicht derart hoch ist, bevorzuge ich das auch hinsichtlich des Leveldesigns ab und zu an LittleBig Planet erinnernde Hüpf-Abenteuer gegenüber den Ausflügen auf Tattoine, Hoth, Coruscant & Co.
Die übernommene Spielzeugkiste
Fazit
Muss man unbedingt Fan von Star Wars sein, um Spaß mit Disney Infinity 3.0 zu haben? Nicht zwangsläufig, aber es hilft ungemein. Denn mit der wuchtigen Atmosphäre, die durch den Einsatz von Original-Musik sowie -Soundeffekten und guten Sprechern im Zusammenspiel mit der comichaften, aber detailreichen Kulisse aufgebaut wird, lassen sich einige Mankos leichter verschmerzen. Dass die Geschichten zugunsten einer homogeneren Koop-Erfahrung umgeschrieben wurde, wird Star-Wars-Puristen zwar auf die Palme bringen, hat mich aber nicht so sehr gestört wie die schlechte Tonabmischung der deutschen Sprecher oder der über weiter Strecken immer noch zu niedrige Schwierigkeitsgrad. Der liegt zwar etwas höher als bei den Marvel-Helden des letzten Jahres, doch bedingt durch das weiterhin redundante Missionsdesign, das zu sehr auf Hol-und-Bringdienste in verschiedenen Variationen sowie Kampf setzt, werden auch jüngere Spieler selten gefordert. Immerhin: Die Auseinandersetzungen werden sowohl am Boden als auch in der Luft und im All gekonnt inszeniert. Der geheime Star von Infinity 3.0 ist ohnehin wieder die Spielzeugkiste, die auch nach Abschluss der Playset-Kampagne(n) immer wieder ans Pad lockt. Der Editor ist mächtiger als je zuvor, wobei jüngere Weltenbauer angesichts der zur Verfügung stehenden Optionen und möglichen Interaktionen überfordert werden. Doch auf die warten in der Toybox auch noch weitere Herausforderungen, zahlreiche Geheimnisse, ein eigenes kleines Domizil sowie ein liebenswerter Sidekick, der einen im Kampf und beim Bau unterstützt. Disney Infinity 3.0 ist in nahezu jeder Hinsicht ein ordentlicher Fortschritt im Vergleich zum letzten Jahr und trotz der Probleme mit dem Schwierigkeitsgrad gelungene Unterhaltung für die ganze Familie.
[Anm. d. Red.: Zum Test stand die Special Edition für PS4 mit den beiden Star-Wars-Playsets zur Verfügung. Die Wertung bezieht sich nur auf das Starter-Set mit zwei Figuren sowie der Spielwelt „Twilight Of The Republic“. Die Wertung für die Xbox-One-Version sowie Eindrücke des Playsets „Alles im Kopf (Inside Out) werden zeitnah nachgereicht.]
Pro
- Figuren sind cool designt und hochwertig verarbeitet
- haufenweise Missionen...
- Weltraumkämpfe werden klasse inszeniert...
- jede Figur mit eigenem Fähigkeitenbaum...
- sehr gute Star-Wars-Atmosphäre
- Original-Musik und -Soundeffekte
- Gefechte werden ansehnlich inszeniert
- stimmungsvolle Kulisse mit Anleihen bei der Clone-Wars-Serie
- ordentliche Lokalisierung
- mächtiger Editor (Toybox)
- viel zu entdecken (Toybox)
- sehr gute Tutorials (Toybox)
- Herausforderungen, die den Namen verdienen (Toybox)
- "alte" Figuren und Bonusmünzen können verwendet werden (Toybox)
- Sidekick als Kampf- und Bauhilfe sowie als virtueller Freund (Toybox)
Kontra
- niedrig angesetzter Schwierigkeitsgrad
- ... die allerdings zu häufig nur "Hol-und-Bring" bzw. Kämpfe bieten
- ... laufen allerdings auf Schienen ab
- ... die jedoch kaum Einfluss auf das Spielgefühl haben
- Story der Filme und Clone Wars wurde modifiziert (betrifft auch Playset "Rise Against The Empire")
- deutsche Sprachausgabe unsauber abgemischt
- Editor nicht immer einfach zu bedienen (Toybox)
- höhere Ladezeiten (One)