Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain - Test, Action-Adventure, 360, PlayStation3, PC, PlayStation4, XboxOne
Damals bei Akte X saß ich schon vor dem Beginn der nächsten Episode gespannt vor dem Fernseher. Würde die nächste Folge endlich den roten Faden weiter spinnen? Mir endlich neue Einblicke in die finsteren Pläne des Rauchers gewähren oder Fox Mulder endlich eine heiße Spur bescheren, die ihm dem Geheimnis um seine entführte Schwester einen Schritt näher bringen könnte? Oder würden die beiden FBI-Agenten wieder einen weiteren mysteriösen Fall lösen müssen, der in sich geschlossen ist und für die große Verschwörungsgeschichte im Hintergrund keine Relevanz besitzt?
TV-Format statt Kinoleinwand
Ganz ähnlich fühlte ich mich beim Spielen von Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain, das von Hideo Kojima nach dem großartigen und gewohnt cineastisch inszenierten Einstieg im Stil einer TV-Serie konzipiert wurde. Dabei spielt es hier teilweise nicht einmal eine Rolle, in welcher Reihenfolge die einzelnen Episoden gespielt werden, die sich auf
zahlreiche Haupt- und Nebenmissionen verteilen. Nur an bestimmten Punkten müssen erst bestimmte Aufträge abgearbeitet werden, damit es in der Geschichte weitergehen kann, die sich – ganz grob gesagt – um den Wiederaufbau von Snakes "Armee ohne Nation" sowie die Rache an dem mysteriösen Skull Face und dessen XOF-Truppe dreht. Richtig: Das waren die Schergen, die im Prolog Metal Gear Solid 5: Ground Zeroes unter dem Deckmantel einer Routine-Inspektion Snakes Hauptquartier attackierten. Und auch Big Boss fiel dem hinterhältigen Überraschungsangriff fast zum Opfer. Im grandiosen Einstieg von The Phantom Pain kämpft sich der Elite-Soldat allerdings ins Leben zurück und erwacht nach einem neunjährigen Koma in einem Krankenhaus auf Zypern, noch immer gezeichnet von den schweren Verletzungen, die neben Granatsplittern im gesamten Körper auch den Verlust seines linken Arms zur Folge hatten. Das Timing hätte kaum besser sein können: Kaum ist der Veteran wieder halbwegs auf den Beinen, trachten ihm tödliche Killer schon wieder nach dem Leben und es folgt eine dramatische Flucht aus dem Krankenbett, die aufgrund der schonungslosen Darstellung und Inszenierung des folgenden Massakers bereits für das eine oder andere mulmige Gefühl in der Magengegend sorgt. Gerade in dieser ersten Spielstunde zieht Kojima alle Register, um mich als Spieler zu packen - angefangen beim ersten Augenblinzeln über das gequälte Schleppen durch die Krankenhaus-Korridore bis hin zur rasanten Fluchtsequenz auf dem Rücken eines Pferdes am Ende des Prologs.Die große Freiheit?
Im Idealfall schleicht man sich von hinten heran, nimmt die Soldaten in den Schwitzkasten und startet noch ein kleines Verhör, bevor man sie ohnmächtig würgt oder ihnen in der brachialen Variante die Kehle durchschneidet. Zwar geben die Schergen nicht immer nützliche Informationen preis, doch hin und wieder erfährt man z.B. die Standorte anderer Wachen, Munitionsdepots oder nützlicher Ressourcen sowie Baupläne, die man zur Weiterentwicklung der eigenen Mother Base und Gadgets benötigt. Voraussetzung ist allerdings, dass man die Befragten überhaupt versteht. Aus diesem Grund muss man erst Dolmetscher verschiedener Sprachen retten und diese für das eigene Personal rekrutieren, bevor der belauschte Funkverkehr oder Verhöre in Echtzeit übersetzt werden können. Im Serienkontext erscheint die Rettung des ersten Übersetzers jedoch überflüssig: Wurde Snake im dritten Teil nicht von Sokolov für seine ausgezeichneten Kenntnisse der russischen Sprache gelobt? In Afghanistan scheint davon plötzlich nichts mehr übrig zu sein. Aber egal, denn die Idee an sich ist klasse, zunächst kein Wort zu verstehen und erst durch die Rettungsmaßnahmen eine Übersetzung angeboten zu bekommen, zumal "Sprache" auch ein zentrales Thema innerhalb der Geschichte darstellt.
Nützliche Verhöre
Warum bin ich hier?
Von Rettern, Auftragskillern und Saboteuren
In der Vergangenheit durchbrachen die Bosskämpfe die Routine und markierten mit außergewöhnlichen Design-Ideen oft fantastische Höhepunkte innerhalb der Schleich-Action – man denke nur an den legendären Kampf gegen Psycho Mantis, The Fear oder andere schillernde Persönlichkeiten des Metal-Gear-Universums. Verglichen mit diesen glorreichen Momenten enttäuscht der fünfte Teil: Zum einen muss man sich hier nur sehr selten außergewöhnlichen Gegnern stellen und zum anderen hält sich deren Auswahl in Grenzen. So trifft man im Verlauf der Geschichte gleich mehrmals auf die mysteriöse Skull Unit mit Borg-Anleihen oder den brennenden Mann, wobei deren Schwachstellen meist schnell durchschaut sind und die Kämpfe längst nicht mehr so kreativ oder gar fordernd ausfallen, wie es in der Vergangenheit der Fall war (Stichwort: Controller-Wechsel). Auch die erste Begegnung mit Quiet, der extrem luftig bekleideten Scharfschützin, ist im Kern nur ein aufgewärmtes Duell, wie man es in der Vergangenheit schon spannender mit The End und Sniper Wolf erlebt hat. Das ist bedauerlich, war Metal Gear doch immer für seine außergewöhnlichen Bosskämpfe bekannt, von deren Qualität und Anspruch man hier trotz guter Inszenierung und interessanter Ansätze weit entfernt ist. Nein, es ist nicht schlecht, was Kojima und sein Team hier servieren – vor allem die Begegnungen mit dem neuen und stylischen Mech haben es in sich. Aber von einem Metal Gear erwartet man als Fan und aufgrund der bisherigen Tradition einfach etwas mehr als das, was letztlich geboten wird.
Täglich grüßt das Schädeltier
Mein eigenes Hauptquartier
Und so empfinde ich die optionalen Sammelaufgaben hier durchaus als sinnvoll, weil ich weiß, dass mir das Pflücken jeder einzelnen Heilpflanze oder das Einsacken von Materialien einen Mehrwert bringt. Später kann ich mit einem verbesserten Ballonsystem neben Geschützen und Fahrzeugen sogar komplette Container mit wertvollen Ressourcen extrahieren. Schön auch, dass man das Personalmanagement automatisch regeln kann oder sich auf Wunsch selbst um die Verteilung jedes einzelnen Rekruten in die entsprechenden Abteilungen kümmern kann. Später entsendet man außerdem wieder eigene Einheiten in Kampfgebiete – vergleichbar mit den Gilden-Aufträgen in Assassin's Creed – und nutzt zunehmend wertvolle Informationen der Aufklärung. Wer will, kann sich sogar als Künstler versuchen und mit den zahlreichen freischaltbaren Emblemen sowie anderen grafischen Elementen ein eigenes Logo basteln und seine Basis visuell anpassen.
Gigantische Auswahl
Wer lieber schleicht, wird allerdings schnell feststellen, dass man abseits der schallgedämpften Betäubungspistole gar nicht so viel Zeug benötigt, zumal auch der optionale Reflex-Modus ein gutes Sicherheitsnetz darstellt, falls man entdeckt wird und den Späher noch rechtzeitig in Zeitlupe ausschalten kann, bevor er Alarm auslösen kann. Doch sobald die Sirenen heulen und der Feind ständig Verstärkung für die Hetzjagd anfordert, die bis zum Anrücken von Panzern und Kampfhubschraubern reichen kann, legt man die Pistole schnell zur Seite und greift doch lieber zu MG und Panzerfaust – oder hofft darauf, so lange in einem Versteck auszuharren, bis sich die Aufregung wieder etwas gelegt hat. Gerade diese Möglichkeit, den Spielverlauf nach eigenen Wünschen gestalten und anpassen zu können, stellt eine gewaltige Stärke in diesem Teil dar.
Und so steht es auch jedem frei, ob er lieber alleine loszieht oder einen Begleiter als Unterstützung mit auf seine Missionen nimmt. Steht am Anfang lediglich das Pferd zur Auswahl, mit dem man nicht nur schnell Distanzen überbrückt, sondern in seitlicher Haltung auch unbemerkt an Wachen vorbei reiten kann, gesellen sich bald weitere tierische, menschliche und mechanische Kumpanen hinzu, sofern man sie findet oder – im Fall von Quiet – am Leben lässt. Dabei hat jeder von ihnen spezielle Fähigkeiten, die sich z.T. sogar noch erweitern lassen. Erschnüffelt der Hund D-Dog zu Beginn lediglich Wachen und kann sie anfallen, wird er später mit einem Messer zwischen den Zähnen selbst zur tödlichen Waffe oder lenkt Wachen nach einem Bellen auf Befehl ab. Auch von der Basis kann man sich jederzeit unter die Arme greifen lassen, sei es durch Nachschub-Abwürfe, die Anforderung eines Kampfhubschraubers oder den Befehl für einen gezielten Artillerieschlag.
„Never walk alone“
Mit am meisten haben mich aber die weiten Wege gestört, die man oft auf dem Weg zum Ziel in der offenen Welt zurücklegen muss. Auf dem Rücken von D-Horse nimmt man das noch gerne in Kauf. Auch später, wenn man sich direkt zusammen mit Fahrzeugen absetzen lassen kann, ist das kein Problem. Doch möchte man möglichst früh mit der vierbeinigen Spürnase oder Quiet losziehen, erweisen sich die weiten Strecken per pedes als ähnlich zäh wie die Navigation zwischen den Plattformen der zunehmend größeren Mother Base.
Weite Wege
„Fortsetzung folgt“
Es hat gedauert, aber beim erneuten Durchspielen der zahlreichen Haupt- und Nebenmissionen habe ich mir bewusst Zeit gelassen – nicht nur bei der Bewältigung des zweiten Kapitels mit seinen durchaus knackigen Herausforderungen, sondern auch auf dem Weg dorthin. Anstatt wie auf dem Review-Event unter Druck möglichst schnell voran zu kommen, ging ich bei meiner Rückkehr nach Afghanistan und Afrika deutlich entspannter vor, hatte viel mehr Zeit zum Experimentieren und für die Erkundung der Spielwelt. Und ja: Ich habe es dann auch mitbekommen, dass sich Snakes Splitter im Gehirn negativ auf sein Sprachzentrum auswirken und er deshalb kein Russisch mehr versteht (...wie er es noch im dritten Teil getan hat). Wahrscheinlich ging diese Information bei meinem ersten Durchlauf unter, weil ich gleichzeitig noch einer Kassette gelauscht und / oder auch noch der iDroid irgendetwas dazwischen geplappert hat.
Der zweite Durchlauf
FOB, oh weh!
Darüber hinaus bin ich bei der weiteren Offline-Erkundung auf Dinge gestoßen, die mich gestört haben. So räumte ich im Rahmen einer Hauptmission eine Basis komplett mit der Betäubungspistole leer, holte jeden einzelnen Soldaten mit den Fulton-Ballons raus und verließ zu Fuß mit meinem Ziel das Missionsgebiet. Nach dem Einblenden der Statistiken dann die Überraschung: Zurück in der Spielwelt, am gleichen Ort, habe ich plötzlich einen Truck im Rücken und werde umgehend von Gegnern entdeckt. Der war doch vorher nicht da? Also sprinte ich zurück in die Basis, um dort Unterschlupf zu finden – immerhin hatte ich sie eine Minute zuvor erobert. Doch schon folgte die nächste Überraschung, denn die Wachtürme, Höfe und Gebäude waren schon wieder komplett mit Feinden besetzt. Sowas schmerzt einfach und trägt nicht gerade zur Motivation bei, die Stützpunkte zu erobern. Auch wenn Far Cry 3 viel falsch macht: Hinsichtlich der Stützpunkte hätte ich mir eine ähnliche Mechanik gewünscht wie in Ubisofts Open-World-Shooter. Wie cool wäre es gewesen, wenn man z.B. den Mudschaheddin die eroberten Basen überlassen könnte? Dann bekäme man sie wenigstens abseits vereinzelter Geiselrettungen auch mal zu sehen, anstatt überwiegend auf Tonbändern oder in Gesprächen von ihnen zu hören. Hätte man zusätzlich auch noch dynamische Kämpfe um diese Basen zwischen den Gotteskriegern und den russischen Besatzern inszeniert, hätte
man im Spiel sogar direkt Zeuge dieses Krieges werden können, der hier gefühlt nirgends stattfindet. Das hat Kojima doch schon im Einstieg von Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots hinbekommen, als man mit Snake zwischen die Fronten von Rebellen und Söldnern geriet. Warum denn nicht hier, wo es sich ebenfalls angeboten hätte?Die Tücken der offenen Welt
Und auch hinsichtlich der Spielmechanik wäre noch mehr drin gewesen – Stichpunkt: Schlösserknacken. Hier sind genreverwandte Titel wie Splinter Cell oder andere Open-World-Abenteuer wie Dying Light immer noch weiter, da dort etwas mehr gefordert wird, als einfach nur einen Knopf gedrückt zu halten. Dabei hätte man das Element so schön mit den erweiterbaren Fähigkeiten der Armprothese verknüpfen können, wonach sich manche Schlösser z.B. erst ab einer bestimmten Stufe hätten knacken lassen. Gleichzeitig hätte ein solches System noch stärker dazu motiviert, bekannte Gebiete erneut aufzusuchen – vergleichbar mit den Schlüsselkarten in Metal Gear Solid, mit denen man erst nach und nach Zugang zu bestimmten Räumen bekam.
Technisch hinterlässt die Verkaufsfassung einen besseren Eindruck als die Version, die ich bei Konami spielen durfte. Liegt es am Feinschliff? Oder war der Fernseher in Frankfurt einfach nur mies eingestellt und ich musste zu dicht am Bildschirm sitzen? Wie dem auch sei: Das Dithering, das mich beim Review-Event an der PS4 noch massiv gestört hatte, habe ich beim erneuten Spielen mit der Verkaufsversion kaum noch bemerkt. Selbst an der Xbox One ist das Bild trotz der reduzierten Auflösung erstaunlich sauber, doch hat die Bildrate auf der Microsoft-Konsole etwas häufiger mit kleinen Einbrüchen zu kämpfen als auf der PS4. Am besten schlägt sich technisch die PC-Version, die mit entsprechendem Equipment eine Auflösung von bis zu 4K erlaubt. Die künstliche Beschränkung der Darstellung auf maximal 60 Bilder pro Sekunde stößt dagegen etwas sauer auf. Wie sich die offene Welt auf PS3 und Xbox 360 schlägt, können wir mangels Test-Fassungen leider nicht beurteilen. Die Performance von Ground Zeroes auf den alten Systemen dürfte aber ein guter Richtwert sein, an dem man sich orientieren kann, auch wenn die Areale hier deutlich größer ausfallen und die betagte Hardware noch mehr fordern dürfte.
Verbesserte Darstellung
Große Momente, viel Recycling
Leider legt Kojima seinen Fans aber einige Steine in den Weg, um die gelungene Weiterentwicklung der Geschichte zu erleben. Denn bevor man storyrelevante Missionen in Angriff nehmen kann oder die nächste Zwischensequenz die Handlung voran treibt, muss man zwischendurch sowohl Nebenaufträge abschließen als auch bereits bekannte Hauptmissionen in einem höheren Schwierigkeitsgrad meistern. Das kann durchaus für einige Frustmomente sorgen, wenn man z.B. kurz vor dem Abschluss einer längeren Schleicherei doch noch entdeckt wird und daraufhin wieder ganz von vorne anfangen muss. Zudem wird die Geduld auf eine harte Probe gestellt: Wer will schon alte oder unwichtige Aufträge abklappern, wenn man eigentlich wissen will, wie es mit mit Snake, Miller, Ocelot, Huey und der mitunter etwas zu peinlich in Szene gesetzten Quiet weitergeht?
Chaotische Missionsstruktur
Zum anderen zeigt es mir erneut, dass das Episodenformat in dieser Form, wie es Kojima anlegt, einfach nicht funktioniert. Es war von Anfang an ärgerlich, dass man schon im Vorspann jeder Episode erfährt, welche Figuren, Gegner oder Vehikel auftreten werden. Dadurch verpufft schon im Vorfeld das Überraschungsmoment, wenn etwa die gefürchtete Skull-Unit auftaucht. Aber durch diese chaotische Struktur geht der Sinn endgültig verloren, der schon unter den unglücklichen Unterbrechungen à la „Fortsetzung folgt“ arg gelitten hat. Es kann doch nicht sein, dass ich plötzlich den Ingenieur von Snakes Armprothese, den ich bereits am Anfang des Spiels gerettet habe, jetzt erneut unter schwierigeren Bedingungen aus der Geiselhaft befreien muss, um danach wieder in der Hauptgeschichte voran zu kommen. Das ergibt einfach hinten und vorne keinen Sinn. Selbst einem Bosskampf kann man sich in diesen Recycle-Missionen wieder stellen. Alternativ klappert man weiter Nebenmissionen ab, die hinsichtlich Abwechslung weiter zu wünschen übrig lassen.
Es wäre sicher cleverer gewesen, diese Wiederholungen in ein separates Menü auszulagern, anstatt sie unpassend zwischen die wirklichen Hauptmissionen zu quetschen und ihnen gleichzeitig den Charakter eines Schlosses zu verpassen, das man erst aufwändig knacken muss. Im Idealfall hätte man Spielern sogar von Anfang an die Wahl gegeben, in welchem Schwierigkeitsgrad oder unter welchen Voraussetzungen sie die einzelnen Missionen in Angriff nehmen wollen – vergleichbar mit Ground Zeroes.
Warum keine Auslagerung?
Nur was wäre ohne diese nervigen Hürden oder das alternative Abklappern der Nebenmissionen noch vom zweiten Kapitel übrig geblieben? Nicht mehr viel. Und so beschleicht mich das Gefühl, dass seitens Kojima Productions ursprünglich noch viel mehr geplant war, Konami aber irgendwann den Stecker zog und deshalb das Recycling der alten Missionen als Lückenfüller herhalten musste. Dafür spricht auch, dass die 51. Mission nicht mehr umgesetzt wurde, sondern nur in Form eines Videos im Bonusmaterial der Collector's Edition den Blick auf ein Ende erlaubt, das in meinen Augen wesentlich runder wirkt und den Kreis zu kommenden Ereignissen des Metal-Gear-Universums zufriedenstellender schließt. Zwar ist die im Spiel enthaltene Endsequenz durchaus gelungen und emotional
inszeniert, lässt aber einige Fragen offen, die leider in der nicht mehr umgesetzte Mission beantwortet werden. Hinzu kommt, dass das Finale spielerisch einen faden Beigeschmack hinterlässt und mit der Flut an Gegnerwellen etwas ideenlos wirkt. Anspruchsvoll ist Snakes letzter Einsatz durchaus, aber von einem Metal Gear hätte ich einen spektakuläreren Endkampf erwartet, der mehr in der Tradition der Serie steht (Stichwort: Metal Gear). Und so werde ich das Gefühl nicht los, dass für das zweite Kapitel nicht nur mehr möglich gewesen wäre, sondern ursprünglich auch viel mehr geplant war. In dieser Form wirkt es ein wenig unfertig und aus der Not heraus zusammengeschustert. Sind das vielleicht die befürchteten Auswirkungen des Konflikts zwischen Konami und Kojima?Fazit
Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain ist eine Enttäuschung auf hohem Niveau. Zwar überzeugt Snakes erster Schleicheinsatz in einer offenen Welt durch enorme spielerische Freiheiten, die gelungene Einbindung der Mother Base, nützliche Begleiter und einen gigantischen Umfang, doch dem Missionsdesign und den wenigen, dazu noch kargen Schauplätzen mangelt es auf Dauer an Abwechslung. Und wo ist der große Krieg? Was ist mit den Mudschaheddin? Wo sind die Zivilisten? Gerade in Afghanistan hat man zu oft das Gefühl, es als einsamer Schleich-Rambo alleine mit der russischen Armee aufzunehmen.Vor allem enttäuscht der fünfte Teil dort, wo Metal Gear sonst glänzte: Die Story ist zumindest im ersten Kapitel kaum der Rede wert und die wenigen Bosskämpfe sind meist weit von der Qualität entfernt, die man sonst mit der Reihe verbindet. Erst im zweiten Kapitel fährt Kojima Stück für Stück die starken Geschütze auf, fesselt endlich wieder mit einer spannenden Handlung, weckt Emotionen aus dem Tiefschlaf und zwingt mich auch spielerisch zu Aktionen, die sich teilweise nur schwer verdauen lassen. Mit dem Zwang zum Absolvieren von recycelten Missionen und / oder redundanten Nebenaufträgen werden allerdings zu viele überflüssige Steine in den Weg gelegt, bis man das zweite und wesentlich bessere Finale genießen darf, das leider immer noch Fragen offen lässt. So entsteht der Eindruck, als wäre eigentlich noch mehr geplant gewesen und das zweite Kapitel eher notdürftig für die Streckung der Spielzeit zusammengeschustert worden. Trotzdem war es für den Test richtig, nochmal in Ruhe von vorne anzufangen und das zweite Kapitel mit in die Wertung einzubeziehen, denn dafür ist es für das Gesamtbild und das abschließende Urteil einfach zu relevant (bei Konami war man übrigens der Auffassung, dass das Abschließen des ersten Kapitels für die Wertungsfindung ausreichen sollte). Insgesamt hinterlässt Snakes und Kojimas Abschied jetzt einen runderen Eindruck, der mich zufriedener stellt als zuvor. Am Ende wird die Enttäuschung trotzdem nicht so leicht ausradiert wie „A Game by Hideo Kojima“ auf dem Cover: The Phantom Pain ist zwar ein mechanisch großartiges und unglaublich motivierendes Schleichspiel, dessen größte Stärke in der Freiheit bei der Infiltration der großen Areale liegt. Doch das häufig ideenlose Missionsdesign setzt zusammen mit der Geschichte zu selten die starken Impulse, die man mit Metal Gear verbindet und erwartet.
Zweites Fazit von Jörg Luibl, 10. September 2015:
Ich spiele jeden Abend einen Einsatz. Der Kampfhubschrauber ist wie ein zweites Zuhause und seitdem D-Dog dabei ist, macht das Infiltrieren gleich doppelt so viel Spaß. Der Hund ist mir so ans Herz gewachsen, dass ich meine streng nicht tödliche Taktik in einem Blutrausch über den Haufen warf, als er angeschossen wurde – scheiß auf den Alarm, Granaten raus und Feuer frei! Ich habe schon einige geniale Momente erlebt, in denen das Schleichen im offenen Gelände für enorme situative Spannung mit glaubwürdigen Eskalationen sorgen konnte. Und die Offenheit der Missionen ist so klasse, dass wir in den letzten Tagen immer wieder über andere Erlebnisse diskutieren konnten. Weil ich die Reihe wie Michael seit ihren innovativen Anfängen liebe, fallen die Defizite allerdings deutlich auf. Hideo Kojima hat sehr viel versprochen, wollte das Thema Gewalt und Krieg auf intensive Art anpacken, aber er kann mit seiner neuen Art der Regie nur bedingt einlösen. Ja, es gibt Höhepunkte, die unter die Haut gehen, aber auch so viel Leerlauf und vertane Chancen vor allem in der Charakterzeichnung. Denn wo man sonst einem filmischen roten Faden und faszinierenden Figuren folgen konnte, zerfransen nicht nur die Episoden die Story, sondern sie schwanken in ihrer erzählerischen Qualität so stark, dass es über zu weite Strecken regelrecht belanglos und emotionslos wird. Warum sind mir dutzende Geiseln meist egal, aber der Hund nicht? Die Motherbase ist mit ihren spezialisierten Bauten und Forschungen eine tolle Idee à la XCOM, aber sie wird im wahrsten Sinne des Wortes lang(weilig) sowie steril inszeniert - man kann nicht gezielt und vor allem sinnvoll mit wichtigen Personen interagieren und so wirken sie manchmal wie Fremdkörper. Kämpfe brechen aus? Nichts ist zu sehen, keiner zu sprechen. Was meine anfängliche Faszination noch empfindlicher dämpfte war das Fehlen der Fratze des Krieges: die Welt ist so groß, aber man sieht weder Flüchtende noch findet man Lager der Rebellen, es gibt weder Gefechte mit Russen noch Frauen oder Kinder – es gibt abseits einer Mission keinerlei Zwischenfälle. Diese künstlichen Brüche im Spieldesign und die Widersprüche innerhalb der Dramaturgie kosten letztlich den Award. Metal Gear Solid 5 ist zwar nicht der letzte Geniestreich von Kojima unter Konamiflagge, aber ein richtig gutes Schleich-Abenteuer, das einen selbst nach dreißig, vierzig Stunden noch mit seiner Liebe zum Detail sowie neuen Spielelementen motiviert.
Pro
- großartiger Einstieg
- überwiegend gelungene Steuerung sowie (Schleich- und Verhör-)Mechanik...
- meist aufmerksame KI...
- inhaltlich und emotional starkes zweites Kapitel...
- enorme spielerische Freiheiten
- iDroid als mobile Zentrale
- riesige Auswahl an Waffen, Zubehör & Gadgets
- gewaltiger Umfang
- motivierendes Basis-Management und Ausbau der Mother Base
- optionale Begleiter mit individuellen und erweiterbaren Fähigkeiten
- klasse inszenierte Zwischensequenzen
- rudimentäres Wirtschaftssystem
- detaillierter Charakter-Editor (wohl für MGO)
- sinnvolle Sammelaufgaben
- überwiegend gut besetzte Sprecher
- dynamisches Wettersystem
- zahlreiche visuelle Anpassungsmöglichkeiten und freispielbare Vorlagen (Logos, Basis)
- manueller sowie dynamischer Tag-/Nachtwechsel
- Gegner verändern ihre Ausrüstung und fordern Verstärkung an
- externe Aufträge für die eigene Armee
- viele (optionale) Hilfen wie Reflex-Modus oder Gegner-Markierungen
- nette Gags und Easter Eggs
- Hühner-Haube für Verzweifelte
- lizenzierte Songs aus den Achtzigern als Sammelobjekte
Kontra
- im Großteil enttäuschende Story und blasse Charaktere (vor allem Antagonist Skull Face)
- ...aber mitunter schlimme Fahrzeugsteuerung / Fahrzeugkamera
- ...mit vereinzelten Aussetzern
- ...das mit viel Recycling und aufgezwungenen Nebenaufgaben unnötig gestreckt wird
- extrem lange Laufwege (innerhalb Missionen und Basis)
- nur wenige Bosskämpfe mit kleiner Auswahl an ständig wiederkehrenden Gegnern
- repetitives Missionsdesign
- karge, abwechslungsarme und leblose Spielwelt (wo ist der Krieg?)
- fummeliges automatisches Deckungssystem
- nur zwei Einsatz-Schauplätze (Afghanistan, Afrika)
- übertrieben viele Audio-Logs und Story-Auslagerungen auf Kassette
- mitunter zu viele Stimmen gleichzeitig zu hören (Logs, iDroid, Dialoge, Funk)
- dramaturgisch unglückliche und sinnbefreite Unterbrechungen von Szenen
- künstlich eingeschränkte Missionsgebiete (...die man u.U. aus Versehen verlässt)
- mitunter sehr unglücklich platzierte Checkpunkte
- Stützpunkte werden unmittelbar nach Missionsende wieder aufgefüllt
- mitunter peinliche Quiet-Inszenierung
- durchschnittlicher Original-Soundtrack
- technische Schwächen (vereinzeltes Dithering, Pop-ups, grobe Schatten, vereinzelte Slowdowns)
- keine stabile Onlineverbindung / starke Netzwerkprobleme
- FOB-Missionen mangelt es an Variationen
- spielerisch ideenloses Finale und offene Fragen nach dem zweiten Ende