In Between - Test, Adventure, Switch, iPhone, PC, Wii_U, iPad, XboxOne, PlayStation4

In Between
16.09.2015, Jan Wöbbeking

Test: In Between

Nachdenkliche Rätsel

Wie geht man mit dem bevorstehenden unausweichlichen Tod um? Mit den Konsequenzen, die Freunden und Bekannten bevorstehen? Diese Frage stellt sich der krebskranke Protagonist des Puzzle-Plattformers In Between (ab 9,59€ bei GP_logo_black_rgb kaufen): Während der Spieler sich den Kopf über Schwerkraft, Deckenlauf und Drehmechaniken zerbricht, grübelt sein Alter Ego über seine Gefühle und die Situation nach. Gelingt es, die beiden Ebenen zu verknüpfen?

Das Spielprinzip erinnert an das von Lazy Raiders: Mit dem linken Stick kann der Protagonist ein wenig nach rechts oder links laufen. Statt zu springen, plumpst er lediglich von Abhängen – natürlich möglichst ohne in den zahlreichen Stacheln zu landen – ein Kontakt mit ihnen, einem pulsierenden Blob sowie anderen Gefahren schickt ihn sofort zurück an den Anfang des Levels. Um trotzdem durch die verwinkelten Labyrinthe zu gelangen, kann ich mit dem rechten Stick die Schwerkraft ändern. Ein Druck nach rechts und schon düse ich an die entsprechende Wand, so dass ich plötzlich an der Seite des Bildschirms oder an der Decke stehe. Dazu kommen einige themenspezifische Mechaniken. Jede Welt des klassischen Plattform-Knoblers führt eine neue Facette der Gefühle und Strategien ein, die dem Helden auf seinem letzten Weg begegnen: Früher fürchtete er sich z.B. vor der Dunkelheit und muss nun auch im Spiel der alten Phobie ins Auge blicken – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Immer wieder drehe ich mich beim Lauf über die Plattformen um und schaue zur automatisch scrollenden finsteren Nebelwand, die mich sonst wie in Nihilumbra verschlucken würde.

Balanceakt zwischen Wänden und Welten

Gerade als die Hauptfigur eine Familie aufgebaut und einige Rätsel des Lebens entschlüsselt hat, soll Schluss sein?
Anderswo verfolgen mich rot pulsierende Kreise, welche Wut oder auch Neid auf die längere Lebenszeit der anderen symbolisieren. Als Vorbild dient das Modell der "Fünf Sterbephasen“ der Forscherin Elisabeth Kübler-Ross , das die psychologischen Vorgänge im Zusammenhang mit dem nahenden Tod in fünf Phasen zusammenfasst: Verleugnen, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Natürlich gibt es große individuelle Unterschiede, aber aus ihren Gesprächen mit Probanden fasste sie wiederkehrende und aufeinander folgende Verhaltensmuster in diesem Modell zusammen, welches Entwickler gentlymad aus Trier in Spielform interpretiert hat.

Die Verknüpfung von Spieldesign und den Gedanken des Protagonisten ist den Entwicklern sehr unaufdringlich gelungen und regt zum Nachdenken an. Während ich mich durch die kniffligen Puzzles arbeite, sinniert im Hintergrund der angenehm sonore deutsche Sprecher aus der Ich-Perspektive über die Implikationen seines bevorstehenden Todes: „Ich hatte mir so viel für diese Familie vorgenommen. Und jetzt war ich das Problem.“ Immer wieder bricht der Hintergrund auf und es gibt Rückblenden zu sehen. Obwohl die Zeichnungen nicht immer stilsicher wirken, untermalen sie die Gedankengänge auf stimmungsvolle Weise. Mal geht es um den Tod nahe stehender Personen, anderswo um Kindheits-Erlebnisse. Als er noch jung war, hasste mein Alter Ego es z.B., dass sein Vater alles in sich hineinfraß, statt auch mal berechtigterweise loszupoltern, wenn sein Sohn etwas ausgefressen hatte. Wie sich im Spielverlauf herausstellt, hat er die Verhaltensweise aber übernommen: Seiner schwangeren Ehefrau gegenüber verschweigt er zunächst seine Krankheit und die damit verbundenen Schmerzen, um sie nicht übermäßig zu belasten.

Nachdenkliche Metaphern

Jetzt nur keine falsche Bewegung: Hier wird eine Kiste mehrfach um die Ecke und durch Schwerkraftumkehrer bugsiert.
Auch Wut wird angesprochen – sie zeigt sich hier in rot glühenden, umher wabernden Kreisen, die sich aber mit Schaltern in andere Bahnen lenken lassen. Oder ich muss ähnlich wie in Super Mario 3D World gleichzeitigt einem Doppelgänger steuern. Auch die Schwerkraft umkehrende Felder sind dabei: Manchmal bugsiere ich eine Kiste eine ganze Weile lang durchs mit Fallen gespickte Labyrinth, um sie auf einen Schalter zu befördern.

Eine Reihe Mechaniken wurden schön miteinander vermischt, doch leider hapert es am Feinschliff: Die meisten Levels wurden derart mit Fallen und Stacheln vollgestopft, dass jeder Fehltritt sofort zum Tod führt und ich manche Levels daher Dutzende Male angehen musste. Ich habe nichts gegen einen kniffligen Schwierigkeitsgrad, aber hier ist einfach zu viel Trial & Error nötig.

Tausend Tode

Die Kulissen wirken oft karg, werden aber von stimmungsvoll animierten Rückblenden aufgelockert.
Da es weder Speicherpunkte, noch eine Energieanzeige gibt, wird es bereits in der dritten Welt oft ziemlich mühsam. Selbst, wenn ich bereits einige Rätsel bereits gelöst habe, muss ich mich wieder und wieder hindurch arbeiten, um zurück an den Punkt des Scheiterns zu gelangen. Erschwert wird der Balanceakt durch die rein digitale Steuerung – seltsamerweise darf man auf dem 360-Controller aber trotzdem nur mit dem Analogstick steuern. Statt sich also langsam an gefährliche Stacheln anzupirschen, kommt es manchmal zu unverschuldeten Toden. Erfreulicherweise darf man pro Welt ein paar nervige Levels links liegen lassen und schaltet schon vorher den nächsten Bereich frei.

Fazit

In Between schafft es deutlich besser als Disorder, das ernste Thema um Krankheit, Tod und Verlust in spielbarer Form anzusprechen. Vor allem die Metaphern sind auf gelungene Weise mit den Spielmechaniken verknüpft. Die Ideen sind zwar nicht völlig neu, vermischen die Schwerkraft- und Drehmechaniken aber so, dass es sich frisch anfühlt. Wie bei manch anderem ambitionierten kleinen Rätsel-Plattformer hapert es aber an handwerklichem Feinschliff. Zu dicht platzierte Fallen, das Fehlen von Speicherpunkten und viel Trial & Error gestalten spätere Levels oft mühsam. Immer wieder saß ich fluchend vorm Rechner, weil ich einen Level Dutzende Male angehen musste oder dank der zu empfindlichen Digitalsteuerung in den Stacheln landete. Trotz vieler Frustmomente  bereue ich es aber nicht, mich durch die nachdenkliche Welt geknobelt zu haben: Der Erzähler spricht mit seiner unaufdringlichen Art schließlich Themen an, die man sonst in der Hektik des Alltags gerne beiseiteschiebt.

Pro

  • variantenreiche Puzzles und Ideen...
  • gelungen mit dem Spieldesign verwobene Metaphern
  • professioneller Erzähler bringt die Gedanken gut herüber
  • stimmungsvoll wabernder Synthie-Soundtrack...
  • unkonventionelle Aufarbeitung des Themas stößt Gedanken an

Kontra

  • ...die Rätsel besitzen aber zu wenig Feinschliff
  • oft mühsam wegen viel Trial & Error und fehlender Speicherpunkte
  • Zeichnungen wirken mitunter zu schlicht und amateurhaft
  • ...Musikstücke laufen aber einfach nacheinander durch
  • Steuerung in kniffligen Momenten zu unpräzise

Wertung

PC

In Between verknüpft das ernste Thema gelungen mit Rätsel-Mechaniken, leidet aber unter mangelndem Feinschliff.