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NBA 2K16
05.10.2015, Jörg Luibl

Test: NBA 2K16

Harlem sucht den Superstar

Neue Stars sind im Anflug: Während sich Dirk Nowitzki langsam verabschiedet, gehört Dennis Schröder die Zukunft – zumindest was deutsche Basketballhoffnungen betrifft. Immerhin ziert der in Braunschweig geborene Point Guard der Atlanta Hawks nach knapp zwei Jahren in der amerikanischen Profiliga das hiesige Cover von NBA 2K16 (ab 5,89€ bei kaufen). Was für eine Karriere! Die soll dank der Regie von Spike Lee auch im Spiel faszinieren. Ob das gelingt? Und können die Entwickler von 2K Sports erneut unter dem Korb begeistern? Mehr dazu im Test.

Ich habe mich richtig gefreut, als 2K Sports die Zusammenarbeit mit Spike Lee ankündigte. Was würde der Macher von Filmen wie "Do The Right Thing", "Jungle Fever" oder "Malcolm X" aus der Karriere in NBA 2K16 herausholen? Um es kurz zu machen: Eine streng lineare Schnulze voller Übertreibungen und Widersprüche. Ja, der familiäre Ansatz ist lobenswert. Ja, es gibt einige Highlights (hier im Video), wenn der Zickenkrieg zwischen Schwester und Frau entbrennt, wenn Berater Dom Pagnoti seinen GTA-Italo-Auftritt hat oder wenn der Vereinsbesitzer den sorgsamen Vater mimt, bevor er plötzlich ausflippt - das ist schauspielerisch klasse. Aber nach knapp fünf Stunden war ich sehr froh, dass sich der 58-jährige

Spike Lee führt für die ersten knapp fünf Stunden der Karriere Regie. Dafür wurden echte Schauspieler engagiert und per Motion-Capturing integriert.
Regisseur und sein Motion-Capturing-Ensemble verabschiedeten, damit ich endlich die richtige Karriere spielen kann. Dem "American Dream" dieses Filmvorspiels fehlt einfach die nachvollziehbare Entwicklung und vor allem Freiheit der Entscheidung.

Livin' Da Dream

Man beginnt in den Sozialbauten Harlems als junges Talent bei den "Midtown Bulldogs" mit dem vollkommen bescheuerten Namen „Frequency Vibrations“ - von der schwarzen Familie und dem Freund auch noch „Freq“ genannt. Trotzdem spielt man mit einem Charakter, den man ansonsten sehr frei im Editor erstellen kann. Ich fühlte mich mit meinem weißen 2-Meter-plus-X-Center samt Vollbart in der Familie von normalem Wuchs samt Zwillingsschwester (!) „Cee Cee“ und Hip-Hop-Kumpel „Vic van Lier“ zwar liebevoll behandelt, aber wie ein außerirdischer Freak – denn jede Gestik, jeder Spruch sowie der Slang im Allgemeinen sind natürlich auf dieses Milieu abgestimmt. Als mein Hüne den groovigen Familientanz mit Hüftschwung aufführte, sah er aus wie ein Neanderthaler auf Speed.

Aus Harlem nach Kalifornien: Die ganze Familie freut sich darüber, dass Sohnemann "Frequency Vibrations" bald für das College in Los Angeles aufläuft! Einen Zusammenschnitt von Szenen aus der Karriere findet ihr in diesem Video.
Spike Lee kann man nicht den Vorwurf machen, dass der selbst erstellte Asiate, Hispano oder Weiße dort vielleicht wie ein Fremdkörper wirkt - auch damit hätte die Karriere richtig cool werden können! Aber selbst wenn man mit einem Schwarzen loslegt, wird die Regie zwar immer wieder auf unheimlich wichtige berufliche und private Entscheidungen zugespitzt, so dass man regelrecht mitfiebert und endlich bestimmen will, ob man diesen großmäuligen Italo-Berater überhaupt engagiert, ob man das vierjährige Studium auf dem College noch zu Ende bringt oder ins kalte Profiwasser springt, ob man seinem alten Kumpel treu bleibt oder ihn schasst – aber all diese wichtigen Entscheidungen kann man gar nicht treffen. Wie enttäuschend!

Dramatische Konflikte, keine Entscheidungen

Man schaut bloß einem Film zu, während man zwischendurch etwas Basketball spielt; von der Highschool in der kleinen Turnhalle über vier Spiele am College sowie acht Spiele als NBA-Rookie. Hier verpassen es die Entwickler übrigens, clevere Trainings, Taktik und Spielzugübungen für Einsteiger einzubauen.

Treuer Freund oder Karriere? Zu den schauspielerischen Highlights gehört der Konflikt mit dem Vereinsbesitzer - leider darf man nichts mitentscheiden.
Immerhin darf man zwei Dinge bestimmen: Auf welches College man geht und welches NBA-Team-Angebot man annimmt. In diesen Momenten zeigt die Karriere wiederum ihre Stärken, wenn sich die jeweiligen Vereine mit ihren Agenten persönlich vorstellen, ihre Ziele und Pläne darlegen - das ist cool! Auch die biografischen Rückblicke sind gelungen, wenn die Mutter einen als Kind beschreibt, und den Namen immerhin erklärt, oder der Kumpel von alten Zeiten berichtet. Auch wie die Familie auf die erste Verpflichtung reagiert, wie sie dabei auf den jeweiligen Ort etc. eingeht, ist toll. Aber obwohl das Drehbuch durchaus die richtigen Themen und Konflikte anspricht, lässt es viel auf dem Weg von der Highschool über das College bis zum NBA-Rookie liegen. Warum spielt der Jugendtrainer z.B. als Mentor gar keine Rolle? Warum kann man in der Jugendzeit als Power Forward, Point Guard etc. nicht wenigstens rudimentäre Fähigkeiten in dem Bereich erwerben? Warum gibt es kein Trainerfeedback nach schlechten Leistungen, obwohl diese in den Ladezeiten erwähnt werden? Es gibt im kompletten Einstieg nicht mal eine Halbzeitansprache! Auch deshalb fühlt sich das filmische Engagement von Spike Lee manchmal wie ein Fremdkörper an.

Schauspielerische Highlights, fehlende Entwicklung

Nach der UCLA geht es als Power Forward in die Rookie-Saison bei den Washington Wizards.
Hinzu kommen einige plumpe Übergänge sowie Widersprüche im Drehbuch: Die eigene Ehefrau fällt quasi vom Himmel; man hat gar keine Wahl, ob man mit dem Kumpel einen draufmachen oder trainieren will, trotzdem kommt man angeblich zu spät zum Training. Viel wichtiger ist, dass die Glaubwürdigkeit der Karriere fehlt: Man wird einfach viel zu früh hochgejubelt - nicht nur von der eigenen Familie, was aber noch verständlich wäre, sondern auch vom Vereinsinhaber. Und das, obwohl man als Rookie mit einer alles andere als berauschenden Gesamtwertung von 58% startet, dazu keinerlei Fähigkeiten, Plaketten oder zumindest erhöhte Attribute besitzt, die das eigene Talent irgendwie unterstreichen würden, während andere Rookies bei über 70% auf dem Feld stehen. Selbst wenn man in seinem ersten Jahr richtig schlechte Spiele macht, suggeriert einem das Drehbuch samt Umfeld, dass man schon der Größte ist. Außerdem vermisst man abseits der Familie jegliche sportliche Persönlichkeiten im Team, also Rivalen oder etablierte Stars, die sich um den Rookie kümmern, oder zu denen man sich so oder so verhalten kann - das gab es noch in NBA 2K15 und das hätte gerade hier viele Potenziale eröffnet, man hätte sich aktiv beweisen und erstmal Respekt und Spielzeit verdienen müssen.

Bei aller Kritik an der Frühphase der Karriere: Das ist innerhalb des Sportspielgenres immer noch im Ansatz überaus lobenswert und im Vergleich zu dem, was an schrecklich sterilen Modi im virtuellen Fußball angeboten wird, angenehm ambitioniert! Zumal die Karriere nach den fünf Stunden ja erst richtig startet, denn hat man Highschool, College und Rookie-Zeit hinter sich, spielt man endlich eine komplette Saison – und erst damit startet die "richtige" Karriere. Hier gibt es auch wieder Interviews in Presskonferenzen, in denen man meist aus zwei Antworten wählen kann. Hier bekommt man individuelle Anweisungen und Ziele vom Trainer wie z.B. das aggressive Decken oder Würfe aus dem Post (wenn auch nicht regelmäßig), hier gibt es in jedem Spiel gesprochene Halbzeitansprachen vom Coach, dazu wird der Man of the Match präsentiert und diskutiert - selbst ohne Spike Lee wäre das schon zwei Klassen mehr Qualität als im Fußball. Außerdem kann man endlich wieder freier entscheiden.

Nach Spike Lee beginnt die echte Karriere

In der Karriere kann man seine Fanbasis auch über Kontakt zu etablierten Stars vergrößern.
Lobenswert ist zudem, dass die Regie jetzt keinen künstlichen Bruch zu dem Drehbuch von Spike Lee zeigt, sondern dass die Journalisten im Interview und sogar die drei Kommentatoren, darunter Shaquille "Shaq" O'Neal (u.a. LA Lakers) und Kenny "The Jet" Smith (u.a. Houston Rockets) in der Pre-Game-Show auf die Geschichte von Freq eingehen und über seine Zukunft diskutieren. Und das nicht nur einmal zur Übergabe, sondern auch später mit teilweise witzigen Diskussionen – als Kenny anmerkt, dass Freq sogar mehr Talent zeigen würde als Shaq, meint dieser düster wie Darth Vader: „I’m his father!“ Und auch sonst überzeugt das Trio vor und nach der Schlusssirene in den kurzen Diskussionen – da wird über unterbewertete Talente oder besondere Karrieren gesprochen und es macht trotz einiger Wiederholungen Spaß, vor allem den kleinen Frotzeleien zwischen Shaq & Co zuzuhören. Ist Tim Duncan einer der besten Power Forwards aller Zeiten? Shaq und
Was für eine Ehre: James Harden sucht das Pläuschchen vor dem Spiel mit dem Talent aus Sacramento.
The Jet zoffen sich köstlich. Nimmt man dann hinzu, wie professionell die Live-Spiele eingeleitet und kommentiert werden, muss man der Präsentation einfach Respekt zollen.

Das Besondere an der Karriere ist, dass man über einen Kalender jeden Tag managen muss - die sind kostbar, denn es reiht sich Spieltag an Spieltag, so dass kaum Zeit bleibt. Man bekommt nicht nur E-Mails von seinem Berater, sondern auch Feedback über die sozialen Medien und kann selbst in Kontakt mit aktiven NBA-Stars treten, um so etwas an ihrem Ruhm sowie Fans zu partizipieren und Kleinigkeiten wie Plaketten (Sonderfähigkeiten), Moves, Trikots, Fanzuwachs etc. freizuschalten. Man hat an freien Tagen also die Wahl, ob man mit Tim Duncan die Haustiermesse besucht, damit man vielleicht die Plakette "Freundlichkeit" bekommt, einen Sponsorentermin wahrnimmt, der Münzen (virtuelle Währung) einbringt, oder aktiv mit seinem Team trainiert.

Training, Sponsoren oder Promi-Netzwerk?

Es gibt "Live-Training" mit diversen Übungen, die Sßa machen, aber leider nur temporär Attribute steigern.
Letzteres wird durchaus motivierend inszeniert: Wenn man in die Halle kommt, sorgt der Trainer nach ein paar freien Würfen mit einem strengen Pfiff für Disziplin und sagt die Übungen an – darunter z.B. normale Sprints, Dreierwürfe, das Aufposten mit drei Kollegen im Wechsel oder Dribblings durch einen schmalen Korridor - alles gar nicht so einfach zu meistern. Hinzu kommen sogar Reaktionstests an Wänden. Und wer einfach so mehrere Körbe hintereinander macht, bekommt ebenfalls Boni. Schade ist allerdings, dass man seine Attribute damit im Erfolgsfall nur temporär, aber nicht permament steigern kann. 2K Sports setzt also weiter auf den Zukauf über Münzen.

Widerspruch: Obwohl man nur Ersatzspieler und schlechtester Dreierschütze ist, soll man in der Crunchtime bei 75:78 für den Gegner Verantwortung übernehmen.
Trotzdem ziehen sich die Widersprüche des Einstiegs auch durch diese Karriere - vor allem die Diskrepanz zwischen tatsächlichen Fähigkeiten und dem sportlichen Hype um Freq: Ich finde es ja cool, dass James Harden vor einem Ligaspiel mit mir quatscht und einen kleinen Wettbewerb ankündigt - aber warum sollte sich der Führungsspieler der Houston Rockets mit einem Power Forward abgeben, der nicht mal zur Starting Five der Sacramento Kings gehört? Warum schnappt er sich nicht den eigentlich Star, nämlich Demarcus Cousins, der wesentlich mehr Punkte, Assists und Rebounds verzeichnet? Diese Widersprüche tauchen auch in der Auszeit auf, wenn die Trainer in knappen Spielen im kleinen Kreis eine engagierte Ansprache halten und plötzlich auf Freq deuten, der die Verantwortung übernehmen soll: "You are our leader out there!"  Nicht nur, dass er Einwechselspieler ist, er soll bei einem Stand von 75:78 für den Gegner auch den Dreier übernehmen. Und zwar als Power Forward mit einem Wert von etwas über 30% - also als schlechtester Dreierschütze des gesamten Teams. Arghs, Regie und Realität beißen sich!

Die Balance aus Learning-by-doing und schnöder Freischaltung stimmt also immer noch nicht: 2K Sports lässt einen am langen Arm verhungern, wenn man die virtuelle Währung nicht kaufen, sondern selbst erspielen will. Immerhin gibt es sechs Kategorien wie Athlet, Spielmacher oder Verteidigung, mit denen man in jeweils zwanzig Stufen verknüpfte Fähigkeiten verbessern kann. Nur wer z.B. in Inside-Scorer investiert, kann seinen Hakenwurf im Post von mickrigen 53 steigern. In der

Alles jubelt nach der dramatischen Etappe im Spike-Lee-Stil, aber jetzt beginnt die Karriere erst richtig.
ersten Saison startet man mit lediglich 1200 bis 1500 Münzen, die bei Inside-Scorer für drei Stufen und eine Steigerung auf 57 für diesen Wurf reichen. Das ist nix! Wer sich als Athlet auf das Miximum entwickeln will, muss knapp 35.000 Münzen investieren. Wer alle sechs Attribute ausreizen will, muss weit über 200.000 Münzen einrechnen.

Viel Talent, aber wenig Münzen

In meinem ersten Vertrag nach dem Rookie-Jahr mit den Sacramento Kings konnte ich gerade mal 300 Münzen Auflaufprämie pro Spiel klar machen, dazu jeweils Boni für gute Mitspieler- sowie Trainerwertungen und den eingestellten Schwierigkeitsgrad, außerdem für erfolgreiche Körbe oder besondere Leistungen, so dass ich nur mit einer absoluten Top-Leistung vielleicht mal an den 1000 Münzen kratzte, während ich im Schnitt gerade mal 400 bis 500 bekam, weil man natürlich noch kein Starter ist, sondern ein kleines Kontingent an zehn bis fünfzehn Minuten zur Verfügung hat.  Damit das klar ist: Natürlich ist es gut, dass der Fortschritt in der Karriere nicht sprunghaft ist. Es ist sogar motivierend, dass man weiß, dass man einen langen Weg vor sich hat, denn so kann fast Rollenspielatmosphäre aufkommen - zumal man auf dem Platz irgendwann merkt, dass sich Attribute verbessert haben. Und ja, es gibt sehr viele Möglichkeiten, all diese Münzen auch abseits

Kann sich "Freq" nach dem Rookie-Jahr bei den Sacramento Kings durchsetzen? Man spielt zunächst nicht in der Starting Five, sondern je nach Vertrag zwischen neun und vierzehn Minuten.
der Karriere zu erspielen. Aber man fühlt sich gerade  zu Beginn mit seinem Gesamtwert künstlich kleingehalten, weil das ganze Umfeld schon über den kommenden Top-Star spricht.

Da hätten wenigstens Schlüsselfähigkeiten schon ein gehobenes Niveau haben müssen. Noch besser, aber weniger lukrativ für 2K Sports, wäre das Fallout-System: Man verbessert permanent das, was man auch im Spiel oder nach Ansage des Trainers erfolgreich anwendet! Dafür sind immerhin Ansätze da, wie etwa bei den dreistufigen Plaketten (Sonderfähigkeiten): Nur weil ich im Spiel sehr oft den Fadeaway-Jumpshot eingesetzt habe, bekam ich die Plakette "Fade-Ass", die ich in drei Stufen von Bronze über Silber bis Gold entwickeln konnte, um die Wahrscheinlichkeit der Treffer mit diesem Move zu erhöhen. Zwar geht das auch über Münzen, aber parallel durch eine kleine Leiste erfolgreicher Anwendungen im Spiel.

Ihr könnt auch online mit eurem Charakter aus der Karriere im Streetball für eine von drei Fraktionen antreten.
Schade ist, dass 2K Sports einem nicht wenigstens mehr Startmünzen oder andere Boni wie diese Plaketten gewährt, wenn man den Vorgänger und dort auch die Karriere gespielt hat - da hat EA einen besseren Service für Käufer früherer Spiele. Es ist also unterm Strich ärgerlich, dass man bei einem Vollpreisspiel noch so eine virtuelle Währung als mächtigen Mechanismus integrieren muss, der letztlich all jene klar bevorteilt, die sie einfach mit Bargeld kaufen. Und was es alles an Schnickschnack ab 750 bis 1000 Münzen gibt: Karten, Kleidung, Tattoos, Schmuck, Sneakers, T-Shirts, ja sogar Körbe, Bretter, Ringe und Wände für die eigene Basketballhalle, die man im Hauptmenü der Karriere betreten kann - NBA2K16 ist das größte digitale Kaufhaus, dass es im virtuellen Sport gibt. Apropos: 5000 Münzen kosten 1,99 Euro; 200.000 Münzen kosten 49,99 Euro. Dass sich andere für Pay-to-win entscheiden merkt man zwar nicht in der Karriere, aber spätestens online in MyPark, wenn man schon wenige Tage nach Spielstart gepimpte Superhelden im Gesamtwert von 99 (!) im Streetball auftauchen. Immerhin kann man auch hier Münzen verdienen, wenn man auf dem Platz gute Leistungen zeigt und für eine der drei Fraktionen Siege einfährt. Außerdem kann man so auch langsam im Rang aufsteigen. Sehr schön werden übrigens auch die drei Kulissen inszeniert, von kalifornisch sonnig bis metallisch düster.

Jetzt habe ich die Karriere und das Münzsystem stark kritisiert. Aber man darf nicht vergessen, was auf dem Platz passiert: Ist man einmal in der Arena, geht nicht nur hinsichtlich der Stimmung die Post ab. Man erlebt einen unheimlich authentisch anmutenden, dazu überaus eleganten Basketball, der im Vergleich zum Vorjahr nochmal gereift ist. NBA 2K16 ist einfach ein Traum, wenn das Spiel endlich startet und man diese Vielfalt an Bewegungen auf und abseits des Platzes sieht. Die Kulisse wirkt lebendiger denn je, denn es gibt viele neue Reaktionen unter den Zuschauern, die jetzt noch individueller wirken. Hinzu kommen emotionale Reaktionen bei Mitspielern und auch Trainern, die bei einem Turnover z.B. böse fluchen. Zwar kann es mitunter zu Rucklern und auch Clipping-Fehlern in Zeitlupen kommen, aber Ambiente, Präsentation und Fankulisse sind unterm Strich eine Klasse für sich - es macht richtig Spaß, die Boxen aufzudrehen, man fühlt sich mittendrin. Und zwar sowohl auf Xbox One als auch auf PS4.

Lebendiger denn je

Selbst wenn man auf der Ersatzbank sitzt, macht das Zuschauen Spaß: Die Präsentation ist klasse!
2K Sports hat nicht nur Spike Lee engagiert, sondern auch an der Spieldynamik sowie Intelligenz gefeilt. Der Basketball ist jetzt noch physikalischer, also körperbetonter. Das geht so weit, dass man gar keine Chance hat, sich gegen ein Kraftpaket wie LeBron James durchzusetzen, wenn der erstmal Fahrt aufgenommen hat - man prallt als kleiner Spielmacher ab wie ein Kind. Das führt zu teilweise sehr natürlichen Kollisionen und Taumelbewegungen. Auch der Verlust an Tempo bei Richtungswechseln ist deutlicher zu spüren: Gerade mit schweren Centern kann man nicht mal eben vom gegnerischen Korb zum Spurt zurück ansetzen, zumal auch die Ausdauer eine Rolle spielt. Man muss seine Kräfte gut dosieren.

NBA 2K16 hat zwar sporadische Bildratenprobleme, aber wird bis ins Publikum brillant inszeniert.
Je nach der Wichtigkeit der Partie können sich zudem Verhaltensweisen in der Offensive und Defensive einzelner KI-Spieler ändern: Es ist also nicht nur so, dass im Kollektiv je nach Spielstand andere taktische Maßnahmen wie Manndeckung oder Doppeln greifen. So wird man plötzlich von einem Spieler deutlich aggressiver verteidigt oder beobachtet wesentlich mehr Risiko bei den Dreiern in der Offensive. Zu diesen Fortschritten gehört auch, dass sich die Laufwege der Offensiv-KI insofern verbessert haben, dass sich die eigenen Leute von alleine und entsprechend ihrer Wurffähigkeiten besser postieren – bis hin zu Szenen, wo sie einen Lauf abbrechen, weil am Ziel kein Raum ist. Diese Skripte haben zwar auch Nachteile, weil das manchmal zu automatisiert wirkt, aber wer sich mit einem Team und dessen Taktik identifizieren will, kann so noch authentischer in die Welt des Basketballs abtauchen.

Es gibt zig Aktionen für Defensive, Offensive & Co, aber man kann sie nicht aktiv trainieren, nur in einer Liste aufrufen.
Womit ich nicht zufrieden bin: Die fehlende Präzision bei der einfachen Bewegung mit dem Ball. Angeblich hat man ja ein System eingebaut, das genau kalkuliert, wie und wann die Spieler mit ihren Füße den Boden berühren. Warum ist es dann so schwammig, an der Linie entlang zu dribbeln? Kaum bewegt man den Stick zu stark, landet man im Aus. Außerdem gibt es immer noch dämliche KI-Fehler, wenn sie den Ball falsch zurückpassen oder die Shotclock überschreiten.

Was ich nicht verstehe: Da verändern und ergänzen die Entwickler eine Spielmechanik, die so ausgefeilt ist, dass sich jede Kleinigkeit auf dem Platz auswirkt, aber sie lassen mich all das nicht trainieren. Wer komplett neu einsteigen will, der hat es richtig schwer, denn die wenigen Trainings-Videos von echten NBA-Profis sind recht oberflächlich, weil man das Gezeigte nicht aktiv üben kann und teilweise wichtige Aspekte fehlen. Videos zum Aufposten oder Verteidigen fehlen komplett.

Üben, üben, üben

Man kann zwar Spiele üben und frei in der Halle loslegen, aber man kann eben nicht jeden Move erlernen, indem er von einem Mitspieler vorgemacht und dann nachgeahmt werden muss. Man kann weder die Pick&Roll-Mechanik über L1 noch das neue Verteidigen über L2 angehen. Dabei ist es sehr wichtig, dass man das versteht: Denn man kann L2 nur leicht oder ganz durchdrücken, um agggressiv und nah am Mann, aber dann auch recht unbeweglich zu verteidigen; man kann

Leider gibt es diese gezielten Übungen nur in der Karriere. Selbst dort kann man siech das Training nicht aussuchen, um z.B. Würfe aus dem Post heraus zu machen, denn es wird wie diese Dreier oben im Bild zufällig angeboten.
auch ohne den Schulterknopf sehr agil nach hinten absichern oder vertikale Wege zumachen. Man kann sich nicht einmal die Befehle und Stick-Kombos in der Arena einblenden lassen, um in Ruhe die Steuerung zu verinnerlichen, sondern muss schnöde Listen aufrufen. Immerhin: Man kann jeden Spielzug jedes Vereins anzeigen und nachspielen, so dass man genau weiß, wie sich die Washington Wizards bewegen und postieren.

Aber warum streicht man den Trainingskomfort mit Praxisübungen, den es in früheren NBA 2K gab? So wird es nicht nur Einsteigern sehr schwer gemacht, all die Finessen dieser wunderbaren Sportsimulation zu verinnerlichen. Auch Veteranen müssen sich in Trial & Error gedulden, um die frischen Manöver in die Praxis umzusetzen. Zwar hat sich bei den grundlegenden Bewegungen und Aktionen auf den ersten Blick nichts getan, auch das duale Wurfsystem über Knopf oder Stick bleibt mit seiner Timingleiste unter dem Spieler erhalten.

Aber auf den zweiten Blick gibt es z.B. vier mögliche Richtungen bei den Size-ups, also dem Vorspiel der klasse animierten Dribblings, das man über R2 einleitet und dann mit dem rechten Stick in zig Drehungen und Finten überleitet; es gibt mehr Optionen beim Passen über drei Tasten: Neben dem Alley-Oop sowie dem Boden- gibt es einen Flair- sowie einen Lob-Pass. Letzterer eignet sich, um weiter hinten stehende und vor allem größere Spieler sicherer anzuspielen. Man kann per X, per Iconanzeige oder über den rechten Stick plus R1 frei passen. Sehr effizient sind zudem das Cut&Pass

Die virtuellen Stars sehen ihren Vorbildern verblüffend ähnlich: Hier Demarcus Cousins von den Sacramento Kings.
sowie der Dribble-Pitch als Manöver, weil sie auch abseits der einstudierten Spielzüge für Bewegung sorgen: Ersterer lässt einen Mitspieler zum Korb ziehen, wobei man das Zuspiel gut timen muss; Letzterer ruft einen Mitspieler, dem man den Ball auch aus einer statischen Situation an der Dreierlinie heraus direkt übergeben kann. man kann z.B. gezielt sehr hoch zuspielen; und auch das Aufposten hat sich etwas verändert, wenn ich mit dem Rücken zum Gegner am Korb stehe. Selbst die Defensive bietet erweiterte Möglichkeiten wie das gezielte Abfangen eines Passes in diesen  Post, und noch viel wichtiger, die zwei Stufen des direkten Verteidigens über L2: Ich kann diese Taste nur leicht oder voll durchdrücken, was sich auf die Nähe und Intensität auswirkt; ich kann Dribbelwege zumachen, indem ich sie schnell tänzelnd abschirme oder mich direkt in den Mann begeben, so dass ich natürlich selbst weniger beweglich bin. All diese Feinheiten machen NBA 2K16 zu einem unheimlich guten und komplexen Baskteballspiel, das aber wesentlich mehr Praxis verlangt als etwas FIFA 16 oder Pro Evolution Soccer 2016 - wer alles rausholen will, muss sich auch wesentlich besser mit der Taktik sowie den individuellen Stärken seines Teams auskennen als im virtuellen Fußball.

Ihr wollt gar keine Karriere spielen? Kein Problem, denn NBA 2K16 bietet zig Spielmodi, auf die ich allerdings im Rahmen dieses Tests nicht ausführlich eingehen kann, was z.B. die Entwicklung von Teams nach mehreren Saisons über Transfers betrifft. Zum einen kann man mit seinem Lieblingsverein nur eine Saison samt Play-offs spielen oder sich als Team-Manager versuchen, um jede Kleinigkeit inkl. Drafts & Co zu planen. Hinzu kommt ein Sammelkartenmodus, der nur auf den ersten Blick an "Ultimate Team" aus FIFA 16 erinnert, aber auf den zweiten Blick

Die Online-Liga macht richtig Spaß, der Netzcode ist solide.
deutlich ausgefeilter ist, was Präsentation, Teamaufbau und auch Langzeitmotivation betrifft. Schließlich ist da noch der bereits erwähnte Streetball in MyPark, der ebenfalls modernisiert wurde. Allerdings muss man dafür genauso online sein wie für das neue 2K Pro-AM: Dahinter verbirgt sich die erste weltweite 5-on-5-Liga, an der man mit dem Charakter aus der Karriere teilnehmen kann - der sollte dann aber auch entsprechend gut entwickelt sein.

Spielmodi ohne Ende

Es gibt zudem einen neuen Online Spielmodus mit zehn Ligen, von „Freshman“ für

Sehr schön: Vor dem Start bekommt man eine Einschätzung des Online-Gegners.
Einsteiger über „Junior College“ bis hin zu „Greatest of All Time“ für Experten, den ich neben der Karriere aktiv spiele. So findet man mit der Zeit sein Niveau sowie dazu passende Mitspieler. Innerhalb dieser Stufen muss man über zehn Spiele hinweg nicht nur eine bestimmte Zahl an Siegen sammeln, um irgendwann aufzusteigen, sondern kann auch speziellere Ziele und damit Trophäen erreichen. Und nicht nur das: So schaltet man auch die Möglichkeit frei, mit historischen Top-Teams vergangener Zeiten anzutreten – z.B. mit den Chicago Bulls von 1988 inklusive Jordan, Pippen & Co.  Aber aufgepasst: wer drei Spiele hintereinander verliert, steigt wieder ab!



Play Now Online

Schön ist, dass man vor einem Spiel eine kurze Einschätzung des Online-Gegners bekommt. Sowohl für seine Defensive als auch Offensive gibt es nicht nur Noten, sondern auch eine Liste mit häufigen Verhaltensweisen wie z.B. die Art des Passens oder welche Würfe er bevorzugt. Eine weitere gute Idee: Die spielbaren Vereine sind in drei Ränge eingeteilt, wobei Top-Teams wie die Golden State Warriors oder Cleveland Cavaliers  sowie natürlich die meisten freischaltbaren Oldschool-Teams, dem ersten Rang angehören. Sollte man diese nominell stärkeren Teams schlagen, bekommt man mehr Siege gutgeschrieben! Und jetzt der Pay-to-win-Dämpfer: Es gibt tatsächlich eine Option, Siege zu kaufen...oh Mann.

Fazit

Wie kann man ein Spiel so für seine widersprüchliche Karriere, das blöde Münzensystem sowie das fehlende situative Training kritisieren und dann Gold geben? Weil NBA 2K16 trotz seiner Macken das Maß aller Dinge im Sportspielbereich bleibt. Auch wenn Spike Lee als Regisseur mit seiner linearen Schnulze enttäuscht, ist der "kleine" Film über fünf Stunden nur das Vorspiel der darauf folgenden Karriere, die für Wochen unterhält. Sie verlangt zwar aufgrund der mickrigen Startwerte viel Geduld und der Ausbau der Fähigkeiten wird über schnödes Freischalten von Attributen inszeniert, aber so detailliert und lebendig wie hier geht es in keinem anderen Sportspiel zu - egal ob Pre-Game-Show, Kommentare, Interviews, Tagesplanung, Trainerfeedback oder Zielerreichungen. Ist man erstmal in der Arena, ist einfach nur Gänsehaut pur angesagt: Dreht die Boxen auf, lehnt euch zurück und genießt die Crunchtime bei tosendem Publikum! Ihr bekommt  nicht nur eine brillante Kulisse, sondern vor allem spielerische Klasse: Dieses NBA 2K16 ist intelligenter, eleganter und körperbetonter als der Vorgänger - das Passen, Verteidigen und Werfen wirkt intuitiver und reifer. Es belohnt all jene, die die komplexe Spielmechanik meistern wollen mit spürbaren Ergebnissen in intensiven Duellen gegen eine aufmerksame KI oder Online-Gegner dank stabilem Netzcode. Hinzu kommen neben der Karriere zig Spielmodi inkl. Streetball, Sammelkarten, Saison, Franchise sowie erstmals eine weltweite Liga. Auch wenn 2K Sports für Platin zu viel liegen lässt, ist dieses Sportspiel in allen Bereichen eine Klasse besser als FIFA & Co. 

(Die PC-Wertung liefern wir nach. Anm.d.Red.)

Pro

  • Karriere mit schauspielerischen Höhepunkten
  • gute Überleitung vom Rookie zum Profi
  • tolle Kommentare von Shaq & Co
  • noch reifere Spielmechanik
  • Größe, Gewicht & Tempo wirken sich besser aus
  • neue Pass-, Dribbel- und Defense-Mechanismen
  • eigene aufrüstbare Basketballhalle
  • noch mehr Sprachausgabe in der Karriere
  • eigenes Gesicht einscannen für Karriere
  • Spielzüge für jeden Verein nachspielbar
  • zig Plaketten aka Sonderfähigkeiten
  • Karriere auch offline ohne virtuelle Währung spielbar
  • neu: Trainingsübungen in Karriere
  • neu: weltweites 5-on-5 Ligasystem 2K Pro-Am
  • sehr gutes Feedbacksystem
  • unheimlich stylische Präsentation
  • ausgezeichnete Animationen
  • etwas bessere Offensiv-KI beim Freilaufen
  • Video-Tutorials von NBA-Stars eingesprochen
  • Sammelkarten & Streetball, Franchise & Liga
  • 1vs1, sehr gute Online-Ligen mit Abstieg etc.
  • NBA-Ergebnisse mit Spielszenen
  • weitgehend stabiler Netzcode; gute Online-Modi
  • 25 Euroleague-Teams dabei
  • umfangreicher Sounddtrack
  • extreme Individualisierungen möglich
  • zig Optionen für Taktik und Spielsteuerung
  • Taktiken aktivieren über Touchpad (PS4)

Kontra

  • Spike Lee enttäuscht als Regisseur
  • extrem linearer Einstieg in Karriere
  • als "Weißer" wirkt man in Karriere wie Fremdkörper
  • Widersprüche in der Karriere (Top-Star vs. Realität)
  • wo sind Rivalitäten im Team geblieben?
  • etwas unpräzise Bewegungssteuerung
  • Halbzeitansprachen mit zu wenig Taktik
  • Spielzüge werden in Karriere nicht studiert
  • auch offline sporadische Bildratenprobleme
  • neue Spielfinessen nicht gut erklärt
  • viele Ladezeiten in der Karriere
  • Trainingsübungen sorgen nur für temporäre Attribut-Boosts
  • nur zwei dümmliche Stimmen in der Karriere
  • Video-Tutorials sind zu oberflächlich
  • Fähigkeiten nur freischalten, nicht aktiv verbessern
  • wo ist das Tutorial mit Training?
  • ab und zu Clippingfehler in Wiederholungen
  • nur englische Kommentare

Wertung

XboxOne

Auch wenn Spike Lee enttäuscht: NBA 2K16 bleibt das Maß aller Dinge im Sportspielbereich, was Kulisse, Karriere und Mechanik angeht.

PlayStation4

Auch wenn Spike Lee enttäuscht: NBA 2K16 bleibt das Maß aller Dinge im Sportspielbereich, was Kulisse, Karriere und Mechanik angeht.