Tales of Zestiria - Test, Rollenspiel, PlayStation4, PC, PlayStation3

Tales of Zestiria
03.11.2015, Jens Bischoff

Test: Tales of Zestiria

PS4-Debüt der Rollenspielsaga

Zum 20-jährigen Jubiläum der Tales-Serie spendiert Bandai Namco erstmals auch der PlayStation 4 eine Umsetzung der Rollenspielsaga. Ob Tales of Zestiria (ab 4,48€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) einen gebührenden Einstand hinlegt, klärt der Test.

Sorey und Mikleo führen ein behütetes Leben im abgelegenen Elysia, der Heimat der geisterhaften Seraphim. Die beiden kennen sich von klein auf und obwohl Sorey von Menschen abstammt, sind Mikleo und die anderen Seraphim zu seiner Familie geworden. Doch während Sorey die Seraphim nicht nur spürt, sondern auch sieht und hört, sind sie für andere Menschen gänzlich stumm und unsichtbar. Auch für die in den nahen Ruinen verunglückte Alisha scheint Retter Sorey der einzige, Selbstgespräche führende Bewohner Elysias zu sein.

Ärger im Paradies

Trotz Soreys Neugier drängen die Seraphim jedoch darauf, dass die ungewollte Besucherin so schnell wie möglich wieder verschwindet. Doch kaum abgereist tritt ein noch weit ungebetenerer Gast auf den Plan und Sorey erkennt, in welche Gefahr er Alisha entlassen hat. Zusammen mit Mikleo verlässt er die Seraphim und findet in der Welt der Menschen seine wahre Bestimmung: Er wird als nächster Hirte, einer Art wiederkehrender Messias gefeiert, der mit den Geistern in Kontakt steht und das Böse aus der Welt vertreiben wird.

Und tatsächlich: Sorey scheint eine einzigartige Begabung zu haben, mit der er besondere Seraphim an sich binden kann, um als Hellions bekannte Manifestationen des Bösen aufzuspüren und zu läutern. Eine eigentlich hehre Aufgabe. Doch für sein Handeln erntet er nicht nur Dank. Konfliktparteien beginnen um seine Gunst zu buhlen, Machtkämpfe entbrennen, Intrigen werden gesponnen, Ängste geschürt und dunkle Mächte nehmen argwöhnisch Kenntnis vom Auftauchen des neuen Erlösers und seiner stetig wachsenden Anhängerschaft...

Mit maximal vier seraphischen und zwei menschlichen Mitgliedern bleibt die Truppe trotz wechselnder Besetzung überschaubar. Wie in Tales of Xillia können die Charaktere im Kampf Verbindungen miteinander eingehen - allerdings nur zwischen Menschen und Seraphim.

Sorey und Mikleo kennen sich von klein auf und lieben es alte Ruinen zu erkunden.
Dabei sollte man sowohl die Elementarzugehörigkeit der Begleiter als auch deren individuelle Fähigkeiten beachten. Dieses Mal kann man sogar noch einen Schritt weitergehen und zwei Charaktere vorübergehend fusionieren lassen, wodurch sie Zugriff auf weitere Fähigkeiten erhalten. Zudem ergänzen bzw. verstärken sich die Talente und Eigenschaften der Fusionierten.

Mit vereinten Kräften

Fans der auch dieses Mal wieder integrierten Koop-Funktion werden die Fusionen allerdings mit gemischten Gefühlen sehen, da man vor allem zu dritt oder zu viert noch öfter als sonst nichts zu tun hat. Dafür wird neuerdings direkt dort gekämpft, wo man mit umherstreifenden Gegnern in Berührung kommt - inklusive sich zusammenrottender Gegner sowie vorteilhafter Überraschungsangriffe mit Waffe oder Zauberkraft. Auch die Unterteilung der Angriffe in so genannte Kriegs-Artes, verborgene Artes und seraphische Artes, die sich ähnlich einem Schere-Stein-Papier-Prinzip ausstechen, ist neu. Mystische Artes als besonders verheerende Spezialangriffe sind aber natürlich auch wieder mit von der Partie und in fusionierter Form noch zerstörerischer.

Grundsätzlich laufen die Echtzeitgefechte jedoch ab wie eh und je: Man übernimmt die Kontrolle über einen Charakter seiner Wahl, den man jederzeit wechseln kann und dirigiert diesen manuell oder halbautomatisch übers Schlachtfeld. Vollautomatische Auseinandersetzungen sind ebenfalls möglich. Zudem kann man seinen Gefährten Gruppenanweisungen wie Ausschwärmen, in die Defensive gehen oder gemeinsam ein Ziel fokussieren geben sowie ihre KI-Muster nach Belieben anpassen.

Die Kampfhandlungen lassen sich wie gewohnt auch jederzeit pausieren, um in Ruhe taktische Anpassungen vorzunehmen, Ziele oder Ausrüstung zu wechseln, Gegenstände zu verwenden oder Fluchtversuche zu unternehmen. Darüber hinaus kann man auch Veränderungen an den bisher erworbenen Kampffertigkeiten vornehmen. Dazu zählen sowohl generelle Spielhilfen wie automatisches Abwehren oder Ausweichen als auch Sonderaktionen wie erweiterte Kombos oder reduzierte Energiekosten. Die Aktionsenergie für sämtliche Kampfmanöver sollte man jedenfalls ebenso im Auge behalten wie die Lebensenergie. Je voller, um so schneller regeneriert sie sich, wobei besonders häufig eingesetzte Attacken immer energieeffizienter werden.

Maßgeschneidertes Taktieren

Entsprechend gilt es je nach Gegner einen geeigneten Rhythmus zwischen Offensive und Defensive sowie möglichst effektive Kombostrukturen zu finden. Dank zuschaltbarer Hilfen und Automatisierungen sollten aber auch weniger erfahrene Spieler oder Grobmotoriker zurechtkommen. Zudem kann man jederzeit den Schwierigkeitsgrad anpassen. Selbst kostenpflichtige Booster-DLCs sind via PlayStation Store erhältlich. Mit manchen Feinheiten muss man sich auf niedrigeren Schwierigkeitsstufen aber erst gar nicht befassen. Trotzdem werden vor allem Neulinge zu Beginn mit Einzelheiten zum Kampfsystem regelrecht überhäuft, was den Einstieg nicht gerade einfach macht.

Erzählerisch gestaltet sich der Auftakt ebenfalls eher zäh. So richtig Fahrt nimmt die Story sogar erst im letzten Drittel auf. Davor steht eher das Erkunden der Spielwelt und Formen der leider recht schablonenhaften Gruppe im Mittelpunkt. Doch allein die vielen Grupprnplaudereien und Zankereien zwischen Edna und Mikleo machen das mehr als wett.

Die serientypischen Gruppenplaudereien fördern immer wieder interessante Ansichten zutage.
Die Schauplätze sind mitunter sehr weitläufig und halten neben speziellen Gegnern und Schätzen auch andere Zusatzziele bereit. So kann man immer wieder kleine Extraeinsätze absolvieren, Nebenschauplätze erkunden und auch Einfluss auf den Spielverlauf nehmen. Darüber hinaus können seltene Kräuter geerntet, alte Inschriften entziffert, putzige Hilfskräfte rekrutiert oder individuelle Herausforderungen bestritten werden.

Langes Vorglühen

Auch diverse Hindernisse gilt es zu überwinden - mal mit Waffengewalt, mal mit den Elementarkräften vertrauter Seraphim. Mit der Kraft der Silberflamme kann man z. B. Fackeln entzünden oder Barrieren des Bösen verbrennen, mit Windstößen über Abgründe schweben, mit der Gigantenkraft Felsen zerschmettern oder dem Spektralmantel vorübergehend unsichtbar werden. Rätselaufgaben stehen ebenfalls hin und wieder auf dem Programm. Für rauchende Köpfe sorgen die zwar kaum, eine willkommen Abwechslung stellen sie aber dennoch dar und manchmal ist es trotz praktischer Kartenfunktion gar nicht so leicht die Übersicht zu bewahren.

Die Reisewege können mitunter auch etwas lang sein. Fleißige Sammler und Kämpfer können allerdings verschiedene Regionen in die Hände fähiger Seraphim legen und so verschiedene Segnungen erlangen, die auch das Schnellreisen von Speicherpunkt zu Speicherpunkt erlauben. Auch Extras wie Gegneranzeigen, Heilungsboni, automatische Wiederbelebungen, wiederkehrende Schätze oder Ausrüstungsumwandlungen lassen sich so erwirken. Mit dem Modifizieren von Waffen und Rüstungen kann man sich sowieso stundenlang beschäftigen. Selbst beim Kauf sollte man nicht nur auf nackte Zahlenwerte, sondern auch auf innewohnende Kräfte achten.

Lukrative Extras

Ist ein hoher Abwehrwert wichtiger als eine schnelle Gesundheitsregenration, ein starker Angriff wichtiger als elementarer Zusatzschäden, die kritische Trefferquote wichtiger als der Schutz vor Statusbeeinträchtigungen? Mit solchen Fragen allein kann man sich schon sehr lang beschäftigen, doch es kommt auch darauf an, wie die damit verbundenen Fähigkeiten angeordnet sind. Denn je nach Position auf dem Talentbrett können noch weit wichtigere Effekte wie umfassende Wertesteigerungen, Spezialkräfte oder Immunitäten entfesselt werden. Da man die aber nicht nach Belieben manipulieren kann, muss man immer wieder experimentieren, Kompromisse eingehen, das Verschmelzen von Ausrüstung vorerst zurückstellen oder mit vorteilhaften Einflüssen auf Beutejagd gehen.

Wo man was wie am besten findet, wird glücklicherweise oft in sich automatisch füllenden Enzyklopädien vermerkt. Auch Spieltipps, Ereignischroniken und andere Aufzeichnungen lassen sich so immer wieder nachschlagen. Fleiß und Beharrlichkeit zahlen sich aber in vielen Dingen aus - von steigenden Beutequoten und Effekten zugeteilter Titel über Vergünstigungen beim Verschmelzen besonders oft getragener Ausrüstung bis hin zu Stammkundenboni in Läden und Tavernen.

Nur nicht schlapp machen

Stärkende Speisen können wie üblich aber auch unterwegs zubereitet werden. Neben individuellen Kochkünsten verfügen die einzelnen Gruppenmitglieder auch noch über andere Talente, die sie nebenbei einsetzen oder kollektiv steigern können.

Die weitläufigen Schauplätze laden immer wieder zu Erkundungen und Beutestreifzügen ein.
Egal, ob bei der Suche nach Schätzen, beim Verarzten von Wunden oder beim Anlocken spezieller Gegner - die frei zuteilbaren Hilfsdienste der Gefährten sind immer wieder goldwert. Wer will, kann auch das Erscheinungsbild seiner Truppe maßgeblich beeinflussen. Kostümierungen sind sowohl im Spiel selbst als auch als DLC erhältlich.

Sogar die Tonspur lässt sich dieses Mal wieder frei bestimmen. Ob japanischer Originalton oder englische Synchro - die Entscheidung liegt nach den beiden Tales-of-Xillia-Episoden endlich wieder beim Spieler. Allerdings muss man sich vor jedem Spielstart für eine Sprachfassung entscheiden und kann die auch erst wieder beim nächsten Bootvorgang ändern. Auf deutsche Untertitel muss ebenso wenig verzichtet werden, auch wenn deren Qualität teils zu wünschen übrig lässt. Auch technisch merkt man Tales of Zestiria seinen PS3-Usprung deutlich an: Bildrate, Texturen, Kantenglättung und Pop-Ups hätte man sicher noch deutlich verbessern können. Die bei Ufotable entstandenen Anime-Einspielungen machen hingegen richtig Laune und am Umfang gibt trotz ein paar unnötiger Längen auch nichts zu kritteln.

Fazit

Nach dem letztjährigen Tales-of-Xillia-2-Aufguss bietet Tales of Zestiria wieder ein komplett neues Anime-Abenteuer, in dem man als so genannter Hirte gegen Manifestationen des Bösen ankämpft. Spielerisch bleibt man seinen Wurzeln auch dieses Mal treu, versucht aber mit neuen Angriffskategorien und Charakterfusionen ein wenig frischen Wind in die nach wie vor facettenreichen Echtzeitkämpfe zu bringen. Wer diese gern zusammen mit bis zu drei Freunden bestreitet, kann dies nach wie vor tun, muss allerdings damit rechnen, noch öfters als sonst zum bloßen Zuschauen verurteilt zu sein. Dafür kann man endlich wieder frei zwischen englischer Synchro und japanischem Originalton wählen; deutsche Untertitel gibt's obendrein - sogar während der Kämpfe. Technisch werden bei der PS4-Premiere der Traditionssaga jedoch keine Bäume ausgerissen. Die riesige Spielwelt und motivierende Charakterpflege machen das aber gekonnt wett. Es gibt wie immer viel zu entdecken, sammeln und experimentieren. Das Verstärken der Ausrüstung ist fast schon eine Wissenschaft für sich. Dank jederzeit anpassbarem Schwierigkeitsgrad kommen aber auch Anfänger und Neueinsteiger auf ihre Kosten, obwohl der Einstieg wie so oft eher zäh und sperrig daherkommt. Rollenspielfans sollten sich davon aber nicht abschrecken lassen und die späte Blüte um so mehr genießen.

Pro

  • riesige Spielwelt
  • monumentale Story
  • facettenreiche Echtzeitkämpfe
  • individuelle Charakteranpassungen
  • dynamisches Gruppenmanagement
  • vielschichtiges Crafting-System
  • motivierende Upgrade- & Sammelreize
  • praktische Regionshilfen & Leitfäden
  • jederzeit anpassbarer Schwierigkeitsgrad
  • zweisprachige Tonspur

Kontra

  • angestaubte Technik
  • mitunter zäher Spielverlauf
  • eingeschränkte Koop-Tauglichkeit

Wertung

PlayStation4

Monumentales Anime-Rollenspiel in bewährter Tales-Manier, das etwas spät in die Gänge kommt.