The Talos Principle - Test, Logik & Kreativität, iPad, PlayStation4, Switch, XboxOne, iPhone, PC

The Talos Principle
15.10.2015, Jörg Luibl

Test: The Talos Principle

Deluxe Edition für Genießer

Das war letztes Jahr ein klasse Weihnachtsgeschenk von Croteam: "The Talos Principle (ab 4,35€ bei GP_logo_black_rgb kaufen)" sorgte auf dem Rechner für kreatives Knobeln à la Portal inklusive philosophischer Rahmenhandlung und drei Enden - satte 88% war uns die anspruchsvolle Reise wert, die zum Experimentieren und Nachdenken anregte. Jetzt haben die Kroaten die "Deluxe Edition" auf der PS4 veröffentlicht, die neben dem Hauptspiel auch die Erweiterung "Road to Gehanna" enthält. Wie uns das Paket gefällt, klärt der Test.

Auf der PlayStation 4 habt ihr die Wahl, ob ihr mit dem Hauptspiel "The Talos Principle" oder der Erweiterung "Road to Gehanna" starten wollt. Aber Vorsicht: Letztere richtet sich an erfahrene Spieler und schon das erste Rätsel dürfte den Kopf zum Qualmen bringen: Wie soll man bloß gleichzeitig die blauen und roten Laser aktivieren und einen davon über Mauern hinweg ins Ziel bringen, damit sich in gefühlten zwei Kilometer Entfernung endlich der Schalter auflädt und das Gatter öffnet? Die wollen doch nicht etwa, dass ich die Kiste mit den beide Sprungschanzen...oh doch, das wollen sie. Um es kurz machen: Die vier zusätzlichen Episoden haben es in sich und werden euch bis tief in die Nacht beschäftigen, zumal auch die Geschichte um Uriel_Kopie (1) und Elohim fortgeführt wird - über saubere Texte an Terminals oder in stimmungsvoller deutscher Sprachausgabe.

Im Visier der Laserwachen

In "The Talos Principle" löst man Rätsel und bekommt dafür Tetris-ähnliche Steine, die wiederum weitere Gebiete öffnen. (PS4)
Uriel_Kopie (1)? Elohim? Terminals? Vergesst Gehenna und startet als Einsteiger auf jeden Fall das Hauptspiel, denn dann könnt ihr ohne Unterstriche gemütlich in die Geschichte abtauchen und mit leichten Aufgaben in Egosicht beginnen. Die mediterrane Idylle wurde nahezu identisch auf PlayStation 4 übertragen. Die Grillen zirpen, die Abendsonne leuchtet. Aber irgendwo zwischen den verwitterten Kalksteinruinen schweben Wachroboter, die einen in null Komma nichts wegbrutzeln. Sobald man in ihre Nähe kommt, fächern ihre roten Laser auf und tasten die Gegend ab. Es gibt hier keine Waffen, also schnell hinter einer Säule oder einer Statue verstecken! Da ist man zumindest kurzfristig sicher und kann mit etwas Timing ihre festen Patrouillenwege für eine Umgehung ausnutzen.

So idyllisch die antike Kulisse in „The Talos Principle“ auch wirkt und so weise die Stimme des mysteriösen Erzählers zu Beginn klingt: Man muss ganz schön aufpassen, wenn man durch die Anlagen spaziert oder spurtet. Aber keine Bange, der Spielrhythmus ist eher entspannend als frustrierend: Falls man mal im Laser stirbt, ist das nicht weiter tragisch, denn es wird an den Anfang des jeweiligen Parcours zurückgespult. Und weil alles angenehm offen angelegt ist, kann man auch mal eine alternative Route probieren.

Der Apparat soll in die Luft? Auf der Kiste? Jup. Ein Blick auf das erste Rätsel in "Road to Gehenna": Nur erfahrene Spieler sollten mit der Erweiterung starten, die gleich mehrere Mechanismen kombiniert. (PS4)
Jedenfalls hat man genug Zeit, über die kryptischen Computertexte, die religiösen Anspielungen und den philosophischen Sinn des Ganzen zu grübeln. Kaum hackt man einige Befehle in die seltsam altmodischen Terminals, fragt man sich: Wem gehört die Stimme, die sich „Elohim“ und mich „Mein Kind“ nennt? Einem Gott? Wer hat das eigentlich alles gebaut? Wieso hat man so komische Kunststoffhände? Ist man etwa ein Roboter? Und falls ja: Warum kann man sich menschliche Gedanken machen? Fragen über Fragen. Wer sich auf die Story mit ihren drei Enden einlässt, wird angenehm anspruchsvoll und kreativ unterhalten. Im Gegensatz zu den endlosen Monologen eines The Old City, wird man hier viel mehr zum Mitdenken animiert.

Auf der Suche nach Antworten

Mit der Zeit sammelt man nicht einfach immer mehr Hinweise, die sich aus E-Mails, Botschaften auf Wänden, Usereinträgen oder mythologischen Fragmenten zusammensetzen – es ergeben sich mit der Stimme und dem Computer in Form des „Milton Library Assistant“ auch zwei erzählerische Ebenen, die scheinbar konkurrieren, was richtig neugierig macht. Auch deshalb, weil sie einen direkt ansprechen oder zum Interagieren auffordern: Die göttliche Stimme etwa warnt davor, den großen Turm zu betreten. Wenn man es dennoch tut, wird über die menschliche Neugier sinniert und wenn man den

An den Computerterminals bekommt man nicht nur Informationen, sondern muss auch philosophische Fragen beantworten. (PS4)
Turm verlässt, wird der Besuch mit einem strengen "Wo bist du gewesen, Kind?" kommentiert - sehr schön. Die Terminals wiederum stellen des Öfteren philosophische Fragen, die man beantworten muss - etwa, ob man die Freiheit des Menschen maximal auslegen sollte oder inwiefern man zwischen Mensch und Tier als Persönlichkeiten unterscheidet. Und all das wird scheinbar protokolliert.

Schade ist allerdings, dass es keine direkten Wechselbeziehung zwischen Story und Rätseln gibt, also keine verborgenen Hinweise in Texten, die man dann im Gelände  nutzen könnte. Man muss den unheimlich interessanten, von Tom Jubert (Faster Than Light, The Swapper) entworfenen erzählerischen Hintergrund also nicht unbedingt durchschauen oder ergründen.

Man kann ganz ohne Philosophie einfach aktiv in den labyrinthischen Gärten knobeln. Und da warten im Hauptspiel über 100 Rätsel aller Art, die weit über ein dutzend Stunden beschäftigen. Das Prinzip ist auf den ersten Blick ganz einfach: Man muss die geschützten Steine sammeln, die mit ihren Formen an Tetris erinnern und wie Schlüssel funktionieren. Erst wenn man genug davon hat, kann man sie an Toren einsetzen, um sie in einem kleinen Puzzle so anzuordnen, dass sie es komplett ausfüllen. Dann öffnet sich der Weg dahinter. Schön ist die erwähnte Offenheit, so dass es kaum Sackgassen

Erbeutete Steine puzzelt man an diesen Schaltern zusammen, dann öffnet sich ein Tor. (PS4)
gibt, zumal man immer mehr Gelände freischaltet. Der Weg zum nächsten Stein ist also das Ziel – und die werden von futuristischen Wachen, Selbstschussanlagen und Barrieren geschützt.

Die Macht der Steine

Um diese auszuschalten kann man zu Beginn tragbare Lasergeräte einsetzen: Ihr Strahl deaktiviert z.B. die aggressiven Schweber und lässt Hindernisse verschwinden – allerdings sind sie nur einmal einsetzbar. Wie kann man denn dann mit nur zweien dieser Geräte drei blau glimmende Wände auflösen? Und wie soll man an drei dicht nebeneinander schwebenden Wachen vorbei, wo man doch nur ein Gerät hat, das eine einfrieren kann?

Warum warnt eine die Stimme davor, den Turm zu betreten? (PC)
Genau hier beginnt das Grübeln und Experimentieren. Dabei hilft es, sich das teilweise verschachtelte Gelände genau anzuschauen und auch mal entfernte Lücken oder Fenster zu nutzen. Zu Beginn sind die Steine sehr  leicht zu ergattern, aber es wird mit der Zeit immer kniffliger – und teilweise unheimlich schwer. Aber manchmal hilft auch das Einfache: Zwei Geräte direkt nebeneinander, um das andere schnell zu greifen, bevor eine Barriere da ist. Man kann schwebende Roboter z.B. rein physikalisch blockieren, um ihre Routen zu stoppen. Ab und zu ist auch Hand-Auge-Koordination gefragt, wenn man schnell ausweichen oder aus dem Radius der Wachroboter verschwinden muss. Allerdings gibt es keine ausufernde Akrobatik; man kann lediglich rennen, springen oder mal Leitern nutzen.

Kombination aus Logik & Physik

Die Abwechslung entsteht durch immer mehr Geräte und physikalische Möglichkeiten, die man freischalten kann. Neben den Lasergeräten kommen weitere Hilfsmittel, Energien, Schlüssel und auch blockierende oder manipulierende

"Road to Gehenna" bereichert diese Deluxe Edition um vier Episoden komplexe Knobelei.
Elemente hinzu, so dass man irgendwann nicht mehr nur einfach, mehrfach oder in Schleife aktiviert und deaktiviert, sondern auch Strahlen über mehrere Stationen kombiniert, Objekte verschiebt, Gewichte einsetzt - und all das natürlich clever kombinieren muss. Es macht Spaß, sich durch die Areale zu tüfteln und immer mehr der Steine zu ergattern, zumal auch seltene Sterne hinzu kommen, die noch vertrackter zu erreichen sind. Was man von ihnen hat? Nur mit ihnen schaltet man das dritte Ende frei.

Technisch und akustisch sollte man auch auf PlayStation 4 nicht zu viel erwarten: Obwohl die Kulisse ansehnlich ist und mit einigen architektonischen Hinguckern punktet, erreicht sie en detail nur solides Niveau - vor allem, wenn man sich dem Wasser oder Bäumen nähert. Auch die soliden Soundeffekte und die Musik fallen nicht mit besonderer Klasse auf.

Fazit

Ehre wem Ehre gebührt: Ich habe "The Talos Principle" schon letztes Jahr auf dem Rechner verschlungen und das Rätselspiel in rein englischer Lokalisierung mit satten 88% bewertet. Jetzt ist komplette deutsche Sprachausgabe dabei und vor allem die Erweiterung "Road to Gehenna" enthalten, die den Kopf nochmal so richtig zum Qualmen bringt. Zwar macht die Kulisse auf PlayStation 4 keine Sprünge, aber dieses Paket ist Platin wert. Freut euch auf anspruchsvolle Knobelei à la Portal und eine interessante Geschichte, die das Menschsein thematisiert. Das Spiel von Croteam macht nicht nur angesichts der vielfältigen Rätsel neugierig, die einem hinsichtlich Timing und Kombinationsgabe alles abverlangen. Auch aufgrund der Story rund um künstliche Intelligenz, die nicht nur zum Nach-, sondern zum Mitdenken angeregt: Das eigene Handeln wird kommentiert und man muss in philosophischen Fragen auch Stellung beziehen. Schade ist nur, dass die beiden hoch interessanten erzählerische Ebenen nicht noch besser in das Lösen der Aufgaben integriert wurden. Aber auch so wird man mit drei möglichen Enden sowie einem Sammelsurium an cleveren Logik- und Physikaufgaben über mehr als fünfzehn Stunden ausgezeichnet unterhalten.

Pro

  • anpsruchsvolle, vielfältige & logische Rätsel
  • interessante Hintergrundstory & Philosophie
  • Erzähler reagiert auf eigene Aktionen
  • Umfragen verlangen Stellungnahme
  • antike Kulisse mit SciFi-Elementen
  • mehr Fähigkeiten/Geräte freischalten
  • keine Sackgassen, kein Speicherfrust
  • etwas Stealth-Flair und Hand-Auge-Koordination
  • Tagebuch archiviert Notiten & Co
  • drei mögliche Enden
  • sehr gute deutsche Texte und Sprachausgabe
  • inklusive Add-On "Road to Gehenna"

Kontra

  • Rätsel und Storytelling werden zu stark getrennt
  • akustisch und musikalisch dröge
  • grafisch en detail nur solide
  • Bildratenprobleme

Wertung

PlayStation4

Ehre wem Ehre gebührt: "The Talos Principle" war schon sehr gut - zusammen mit der Erweiterung "Road to Gehenna" ist das ein ausgezeichnetes Rätselabenteuer!