Divinity: Original Sin - Test, Rollenspiel, Mac, PlayStation4, PC, XboxOne, Linux

Divinity: Original Sin
27.10.2015, Benjamin Schmädig

Test: Divinity: Original Sin

Starkes Abenteuer für Gamepad-Helden

Werner und Fraunhilde haben's leicht: Entspannt strecken sie die betrunkene Stadtwache nieder, ihre Fähigkeiten mähen eine Reihe grüner Dumpfbacken nieder und mit lockeren Sprüchen schicken sie Untote ins... wo auch immer die hingehen. Scarlett und Roderick tun sich dagegen schwer. Sie benötigen all ihre Finesse, um selbst kleine Wegelagerer zu besiegen. Sterben sie, ist ihr Abenteuer vorbei. Endgültig. Drei neue Schwierigkeitsgrade der Enhanced Edition erlauben dieses ganz neue Erleben von Divinity: Original Sin (ab 29,99€ bei kaufen). Und wie unser Test zeigt, sind das längst nicht die einzigen Neuerungen des überarbeiteten Rollenspiels.

Die Enhanced Edition ist kein neues Spiel. In ihr steckt noch immer die gleiche Geschichte um das drohende Ende einer Welt, das gleiche Spiel um knifflige Entscheidungen und ein Abenteuer, dessen Helden eine große Freiheit genießen. Eine große Freiheit beim Kombinieren vielleicht zusammengehöriger Gegenstände zum Herstellen einzigartiger Ausrüstung, Freiheit bei Entscheidungen über Leben und Tod und natürlich beim freien Erkunden einer mit spielerischen Möglichkeiten gespickten Welt.

Werner und Fraunhilde

Stoßen Werner, Fraunhilde, oder welche Namen die Quellenjäger auch tragen mögen, auf Gegner, greifen sie nacheinander an, wirken Quellmagie oder bewegen sich in den Rücken ihrer Feinde, um größeren Schaden anzurichten. Die umfassende Physik ist das hervorstechende Merkmal dieser Rundentaktik, denn ein Feuerzauber entflammt Giftgas, während Eis Pfützen gefrieren lässt – unser ausführlicher Test beschriebt das Kampfsystem und alles Wichtige, das auch die Neuauflage betrifft.

Und hinzugekommen sind eben drei Schwierigkeitsgrade, mit denen sich Sesselpupser entweder auf die Erzählung, Rätsel und Unterhaltungen mit den Bewohnern Rivellons konzentrieren oder neben all dem auch besonders anspruchsvolle Rundentaktik erleben. War das ursprüngliche Original Sin schon kein Zuckerschlecken, so können

Roderick und Scarlett - oder wie sie auch heißen mögen - bestreiten das Abenteuer gemeinsam.
Abenteurer jetzt noch gerissenere Kreaturen bekämpfen, die ihnen noch dazu in größerer Anzahl auf den Pelz rücken. Todesmutige wählen zudem den "Ehrenmodus", in dem es lediglich einen Spielstand gibt, der sofort überschrieben wird, sobald ein Held das Zeitliche segnet – eine sinnvolle Ergänzung! Mir ist diese Variante allerdings zu viel. Schade, dass es den Ehrenmodus ausschließlich in Verbindung mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad gibt.

Schlendern oder schwere Arbeit?

So genieße ich eben „nur“ den gestiegenen Anspruch des Taktikermodus', bei dem es unabkömmlich ist, die komplette Umgebung mit ihren Öllachen und Fallen zu nutzen, starke Ausrüstung herzustellen, alle Zauber einzusetzen, das Stellungsspiel zu perfektionieren sowie stets genügend Tränke zum Heilen und Stärken unterschiedlicher Werte mitzuführen. Larian hat sich angeschaut , mit welchen Tricks Spieler auf YouTube ihre Gegner besiegen – der "Taktikermodus" ist eine freundliche Kriegserklärung an all diese Spieler.

Ja, natürlich geht ihnen der Griff in den Rucksack dabei nicht ganz so schnell von der Hand wie im damaligen PC-Spiel! Trotzdem hat das belgische Studio um Swen Vincke die umfangreiche Bedienung mit ihren vielen Optionen, Inventarplätzen, Tagebucheinträgen und mehrschichtigen Möglichkeiten der Charakterentwicklung so hervorragend auf die Bedienung per Gamepad übertragen, dass ich das Abenteuer auf ganz neue Art entspannt genieße.

"Wo steckt denn gleich...?"

Dank wichtiger Einblendungen wirkt die durchaus komplexe Bedienung nie überladen, die Schriftgröße wurde an das Spielen am Fernseher angepasst und was mir besonders gut gefällt: Mit einem Druck auf den linken Analogstick schaltet man zwischen dem direkten Bewegen der aktiven Figur und dem Ziehen einer Art Mauszeiger um. So kann ich den Helden einen Weg vorgeben und mich trotzdem frei umsehen – mir sind solche Kleinigkeiten wichtig. Eine hervorragende Idee ist auch das Anzeigen aller Gegenstände der unmittelbaren Umgebung. Dadurch sucht man nie nach Pixeln, sondern wählt aus einer List einfach das gesuchte Objekt samt der gewünschten Aktion. Entwertet werden Rätsel dadurch nicht; Gegenstände sind lediglich besser erreichbar.

Klasse übrigens, dass Larian trotz des Anspruchs an Übersichtlichkeit und einfache Handhabung auf störende Blinklichter verzichtet! Anstatt auf künstliche Hilfen zu glotzen, sucht man hier im Tagebuch, wohin eine Quest führt

Und die PC-Version?

Die Spielstände der zwei Versionen sind allerdings nicht miteinander kompatibel. Dafür können PC-Spieler zwischen der neuen Gamepad-Steuerung und der klassischen mit Maus und Tastatur wählen.oder an welchem Ort eine wichtige Person wartet. Echte Wegweiser in der Umgebung helfen anschließend, den Weg zu finden.

Auch auf Windows sowie in einigen Wochen auf Linux und Mac gibt es die Enhanced Edition. Besitzer des Originals erhalten die Neuauflage kostenlos als separates Spiel.

Gut, dass Larian dieses Gefühl einer glaubhaften Umgebung bewahrt hat – ebenso gut, dass neue Sprachaufnahmen etlichen Figuren jetzt eine Stimme verleihen! Was auf dem Papier wie ein wünschenswerter, aber verzichtbarer Bonus klingt, verleiht der Spielwelt nämlich ein ganzes Stück mehr Atmosphäre. Sie wird lebendiger, wenn gute Stimmen den schrulligen, eitlen oder einfach nur schwerhörigen Charakteren mehr Persönlichkeit verleihen.

Für echte Pfadfinder

Die Autoren haben viele Zeilen zudem umgeschrieben, manche Zusammenhänge dadurch klarer hervorgehoben und der Geschichte nicht zuletzt ein neues Finale verpasst. Das ändert zwar wenig daran, dass Larian auch mit der Enhanced Edition nur seichte Fantasy mit einem klischeebeladenen Plot inszeniert. Die Änderungen verleihen dem umfangreichen Spielplatz aber ein wenig mehr Farbe.

Apropos: Grafisch hat sich in Rivellon wenig getan – zum Glück! Denn die Neuauflage gleicht dem ursprünglichen Original Sin beinahe aufs Haar, wurde um einige Effekte ergänzt und die inzwischen um 360 Grad drehbare Kamera zeigt einen etwas größeren Ausschnitt als im Original. Das ist angenehmer für die Augen und sorgt für ein wenig mehr Übersicht.

Dank weiterer Ergänzungen entdecken selbst gestandene Abenteurer außerdem kleine spielerische Überraschungen. Dazu zählen neue Fähigkeiten (einige sogar bei den von Larian vorgeschlagenen Start-Charakteren), das schnellere

Die beiden Helden können allerdings auch ganz verschiedene Wege einschlagen.
Herstellen neuer Gegenstände, etwas wertvollere Beute sowie die Möglichkeit in jeder Hand eine Waffe zu halten. Wer mit einhändigen Messern oder Schwertern kämpft, wird Zauberstäbe auf ganz neue Art schätzen lernen!

Gemeinsam getrennt

Und dann ist da eben die Möglichkeit, das komplette Abenteuer auf ein und demselben Sofa mit einem Partner zu erleben. Online und über eine LAN-Verbindung war das schon vor einem Jahr so – jetzt kann der Kumpel zu Besuch jederzeit den zweiten Helden samt dessen Begleiter übernehmen und später wieder aussteigen. Auch online darf man jederzeit einen Freund einladen, ein offenes Abenteuer starten oder anderen Partien einfach beitreten. Die Wechsel sind fließend und wie im Original dürfen sich beide Spieler frei am aktuellen Schauplatz (die Welt besteht aus etwa einer Hand voll weitläufiger Areale) bewegen.

Vielleicht wollen beide ja einfach nichts voneinander wissen – so wie meine eigensinnige Scarlett von ihrem gutherzigen Ritter Roderick. Vielleicht nutzen sie ihre spielerische Freiheit aber auch, um ein Pack gefährlicher Gegner zu umgehen und von zwei Seiten anzugreifen. Auch in der Neuauflage des Abenteuers ist vieles von dem möglich, was trickreichen Helden an langen Tagen so einfällt.

Fazit

In Divinity: Original Sin steckt eine Menge Herzblut! Das merkt man nicht nur dem Original an, das Larian Studios im vergangenen Jahr auf PC veröffentlichte und dessen offenes Spiel damals wie heute völlig unterschiedliche Herangehensweisen an zahlreichen Aufgaben ermöglicht. Man spürt es auch in der Neuauflage für PC und Konsolen, die sich so herrlich bequem spielen lässt, dass ich jeden Schritt wie beim ersten Mal genieße. Die seichte Fantasy, ihre herkömmliche Geschichte und einige fehlende Konsequenzen sind nach wie vor die größten Schwächen des amüsanten Abenteuers – als vollends vereinnahmend empfinde ich es daher nicht. Die Physik vor allem in der Rundentaktik, das freie Experimentieren beim Herstellen eigener Ausrüstung und die vielen Entscheidungen zwischen Moral und Pragmatik sind dafür große Stärken. Das Spielen vor einem Bildschirm, die eingängige Gamepad-Steuerung, etliche kleine Verbesserungen sowie die vielen vertonten Gespräche machen Divinity: Original Sin zwar nicht zu einem neuen Spiel. Die Enhanced Edition ist aber dessen umfangreichste und beste Version.

Pro

  • durchdachte Steuerung mit Gamepad
  • Ausrüsten von zwei Waffen
  • drei neue Schwierigkeitsgrade
  • viele kleine Verbesserungen
  • viele vertonte Charaktere beleben Spielwelt
  • Feuer, Wasser, Luft usw. reagieren auf verschiedene Art miteinander
  • etliche Kombinationsmöglichkeiten beim Herstellen eigener Ausrüstung
  • viele Aufgaben auf verschiedenen Wegen lösbar
  • fordernde Rundenkämpfe mit taktischem Stellungsspiel
  • spannender Mordfall baut interessantes Mysterium auf
  • vielschichtige Figuren zwingen zu moralischen Entscheidungen
  • Helden unterhalten sich über kleine und große Ereignisse
  • umfangreiche Charakterentwicklung mit vielen sinnvollen Fähigkeiten
  • keine automatische Zielmarkierung - Informationen in Büchern
  • gemeinsames Spiel vor einem Bildschirm oder online

Kontra

  • neuer Ehrenmodus (nur ein Spielstand) nur für höchsten Schwierigkeitsgrad
  • Figuren und Geschichte bedienen sich bei vielen Fantasyklischees
  • Erzählung dient vor allem dem Vermitteln von Informationen
  • Handhabung der Ausrüstung ist oft umständlich
  • Entscheidungen in Dialogen wirken sich erzählerisch kaum aus

Wertung

PlayStation4

Fantasievolles Rollenspiel mit großer spielerischer Freiheit und fordernder Rundentaktik - hervorragend für Konsolen überarbeitet.

XboxOne

Fantasievolles Rollenspiel mit großer spielerischer Freiheit und fordernder Rundentaktik - hervorragend für Konsolen überarbeitet.