Deadpool - Test, Arcade-Action, 360, PlayStation3, PC, PlayStation4, XboxOne
Man kann Deadpool, mit bürgerlichem Namen Wade Winston Wilson, einiges attestieren: Bescheidenheit ist nicht seine Stärke. Subtiles Verhalten ist ihm ebenso fremd. Gleiches gilt für den Begriff "Normal". Er ist unsterblich. Er redet mit sich selbst, unterhält sich mit zwei Stimmen in seinem Kopf, spricht auch den Spieler vor dem Bildschirm mal direkt an oder nimmt auf die Pad-Aktionen Bezug. Und er ist der Hauptdarsteller in seinem Spiel, das er zusammen mit den High Noon Studios entwickelt, mit denen er zu Beginn telefoniert. Zwar hat er keine Lust, das Drehbuch zu lesen und bringt auch ad hoc Änderungen ein, aber hey: Er ist der Star, richtig? Dementsprechend wird ihn auch nicht interessieren, dass für die Portierung auf die aktuellen Systeme die Iron Galaxy Studios verantwortlich sind, die bereits mit der Borderlands Handsome Collection Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt haben.
Löcher in der vierten Wand
Witz über Inhalt
Hinsichtlich der Mechanik ist das Spiel viel gewöhnlicher - und wurde in dieser Hinsicht seit seiner Premiere vor zwei Jahren auch nicht verfeinert. Mit einer konzeptionell gut durchdachten Mischung aus Nah- und Fernkampf sowie Gebietserforschung liegt Deadpool irgendwo zwischen Devil May Cry, Bayonetta, God of War und Castlevania – Lords of Shadow. Hinsichtlich Kampfsystem, Kollisionsabfrage etc. leistet sich High Moon auch keine groben Schnitzer, doch angesichts des Kalibers der Konkurrenz ist es wenig überraschend, dass man in keinem Bereich Bemerkens- oder Erinnerungswertes abliefert. Das soll nicht bedeuten, dass die Kämpfe schwach sind. Sie sind solide und herrlich brachial inszeniert. Doch die Übergänge zwischen Nah- und Fernkampf sind mitunter etwas brüchig, der Wechsel z.B. von Doppelkatana zu Doppelpistole ist nicht so flüssig wie man es sich wünschen würde. Auch das Durchschalten zwischen den einzelnen Waffen geht nicht nahtlos vonstatten, Komboverknüpfungen, etwa von Katana zu Hammer (natürlich auch doppelt) oder zu den Sais, werden nicht unterstützt. Dadurch beraubt sich Deadpool einer zusätzlichen Dynamik, die die Kämpfe aufwerten würde.
Solide Mechanik
Zusätzlich darf man an einigen Stellen versuchen, seine Gegner schleichend zu erreichen, um ihnen dann mit einem spektakulären Finisher den Garaus zu machen. Die übrige Zeit zwischen den Gags und Zwischensequenzen verbringt man mit Gebietserforschung. Dabei wird
man ähnlich Ninja Gaidens Ryu Hayabusa mit Doppel- und Wandsprüngen zumindest rudimentär gefordert, sich die linearen, aber dennoch zum Stöbern einladenden Abschnitte etwas genauer anzuschauen. Denn nicht nur Munition liegt überall verstreut, es gibt auch immer wieder kleine Deadpool-Symbole zu entdecken, die zusätzliche Erfahrungspunkte spendieren.Solide Technik 2.0
Das muss als Stöber-Motivation ausreichen. Denn obwohl man auf Unreal-Technologie setzt, sind die Kulissen wie im Original nur selten einladend, wurden aber für Xbox One und PS4 aufpoliert, ohne jedoch wirklich zeitgemäß zu wirken. Ähnlich wie das Kampfsystem hinterlassen die Schauplätze einen soliden Eindruck und leisten sich nur beim Justieren der Kamera und gelegentlichen Clipping-Problemen Aussetzer. Die Animationen gehen ebenfalls größtenteils in Ordnung, wobei Deadpool als Protagonist einen wesentlich besseren und detaillierteren Eindruck hinterlässt als viele seiner Opfer.
Fazit
Deadpool hat vor zwei Jahren keinen Innovationspreis gewonnen und ist auch auf One und PS4 kein Kandidat für die engere Auswahl in diesem Bereich. Der spielerische Kern mit seiner Mischung aus Nah- und Fernkampf, Figurenupgrades sowie einer Prise hüpfender Gebietserforschung ist so herkömmlich wie ein Pfannkuchen, aber stilsicher sowie mitunter sehr blutig inszeniert. Und kurz dazu: Nach etwa sechs bis sieben Stunden hat man den Abspann erreicht. Doch dank des unglaublich charismatischen Protagonisten mutiert das Schnetzel-Abenteuer zu einem wahnwitzigen Höllenritt, der nichts für Feingeister oder Anhänger subtiler Anspielungen ist. Der gelegentlich pubertäre, aber immer zielsicher gesetzte sowie ab und an im positiven Sinne die Grenzen des guten Geschmacks übersteigende Humor trifft subtil wie ein Vorschlaghammer, kann einige der inhaltlichen Schwachpunkte kaschieren und macht aus Deadpool ein Erlebnis. Die schizophrenen Gespräche, die der Held mit sich selbst (und dem Spieler) führt, die unglaublich coole Zeichnung von Tod (als Figur), die Anspielungen auf Filme und Popkultur im Allgemeinen, das Öffnen der so genannten "Vierten Wand": Die High Moon Studios lassen ihrer Fantasie freien Lauf - und das zahlt sich aus. Während sie das Medium "Spiel" so ernst wie nötig nehmen und so dafür sorgen, dass die Zeit zwischen den unzähligen Pointen adäquat überbrückt wird, verlieren sie beim Star, seinen Aktionen sowie seinem Verhalten jegliche Hemmungen: Man nimmt weder sich noch Deadpool ernst und feuert aus allen Humor-Rohren. Natürlich kann man beklagen, dass die Kulisse stark schwankende Qualität zeigt. Oder dass die Übergänge zwischen Nah- und Fernkampf nicht so flüssig sind wie bei DmC oder Bayonetta. Doch das war mir irgendwann egal. So häufig und herzhaft wie hier habe ich schon lange nicht mehr gelacht – genauer gesagt: seit Deadpool auf der 360 oder PS3!
Pro
- geläuterter Antiheld mit Persönlichkeitsstörung als Hauptcharakter
- klasse Humor
- famose englische Sprachausgabe
- eingängige Steuerung
- zahlreiche Upgrade-Optionen
- solide Inszenierung
- brachiale Auseinandersetzungen
Kontra
- gelegentlich Trial & Error
- kurzes Vergnügen
- Wechsel zwischen Nah
- und Fernkampf nicht immer harmonisch
- gelegentlich Kameraprobleme
- Kulisse schwankt zwischen passabel und biederem Durchschnitt