Beyond: Two Souls - Test, Adventure, PC, PlayStation3, PlayStation4

Beyond: Two Souls
02.12.2015, Jörg Luibl

Test: Beyond: Two Souls

Paranormal auf PlayStation 4

Beyond: Two Souls (ab 17,91€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) inszenierte vor zwei Jahren auf PlayStation 3 ein technisch beeindruckendes Abenteuer. Aber trotz einiger starker emotionaler Momente und sehr guter Inszenierung fühlte man sich mehr wie ein Zuschauer statt Entscheider. David Cage entwickelte seinen Designstil mit spürbaren Konsequenzen nach Heavy Rain nicht weiter. Was Quantic Dream auf der PlayStation 4 geändert hat und warum es die Wertung anheben kann, erläutert der Test.

Egal ob God of War, The Last of Us, Uncharted oder Journey - man kann mittlerweile so viele Highlights der PlayStation 3 in polierter Variante auf der PlayStation 4 spielen, dass sich Sonys Konsole fast abwärtskompatibel anfühlt. Und für Februar 2016 ist bereits eine "Quantic Dream Collection" angekündigt, in der Heavy Rain und Beyond: Two Souls auf Disc enthalten sind. Aber schon jetzt kann man das letzte Abenteuer der Franzosen digital für 29,99 Euro im PlayStation Network erwerben. Wenn man die etwas über 40 Gigabyte geladen hat und den Einstieg spielt, wirkt dieses "alte" Spiel aus dem Jahr 2013 technisch so stark wie ein gerade angekündigter Exklusivtitel von Sony.

Im Zeitalter der Umsetzungen

Ihr habt gleich zu Beginn die Wahl, ob ihr das Abenteuer im Original oder in der neuen chronologischen Reihenfolge erleben wollt. 
Das schon damals überaus ansehnliche Beyond: Two Souls wurde grafisch und akustisch aufgewertet. Natürlich spielt man jetzt in einer Auflösung von 1080p und die Entwickler haben die Gelegenheit genutzt, um hinsichtlich der Beleuchtung sowie Schatten nachzubessern. Zwar gibt es hier mal Kanten und dort einen groben Übergang, aber hinsichtlich Mimik, Gestik und der Beleuchtung serviert Quantic Dream immer noch ausgezeichnete Qualität. Schön ist, dass jetzt auch die Lautsprecher des Controllers genutzt werden, wenn man "Aiden" steuert. Zur Erinnerung: In der Rolle der übersinnlich begabten Jodie Holmes erlebt man die Geschichte mit diesem Geistwesen - entweder alleine oder mit einem Partner, so dass ein kooperatives Erlebnis möglich ist. Falls ihr zu zweit spielen solltet, was jederzeit mit Gamepad oder sogar Mobiltelefon möglich ist, sollte der weniger erfahrene Spieler Aiden übernehmen.

Leider kann man die Entwicklung von Jodie oder kommende Situationen nicht anhand der ausgespielten Macht beeinflussen. Sprich: Sie ist als Charakter vorgezeichnet, egal ob ich die Menschen um mich herum mit meinem übersinnlichen Freund tyrannisiere, massakriere oder sie in Ruhe lasse.
Viel interessanter ist, dass Quantic Dream auf PlayStation 4 neben der chaotischen Erzählweise jetzt auch die Möglichkeit anbietet, das Abenteuer in zeitlicher Reihenfolge anzugehen. Im Original wird die Geschichte ja nicht chronologisch erzählt, sondern über 26 Kapitel so wirr miteinander verwoben, dass man auf einem Flickenteppich aus Schauplätzen und Altersstufen unterwegs ist - mal als Erwachsene, dann wieder als Kind oder als Teenager. Das führt dazu, dass man sich manchmal schwer mit Jodie identifizieren kann, weil man sie plötzlich als Erwachsene spielte, ohne ihr Erwachsenwerden erlebt zu haben. Außerdem verstärkt dieses Springen das Gefühl, dass man trotz großer situativer Freiheit an den Schauplätzen gar keinen Einfluss auf die Entwicklung die Charakters hat.

Chronologie statt Chaos im Drehbuch

Auf der PlayStation 4 darf man endlich von Beginn an chronologisch vorgehen. Sprich: Man kann Jodie von der Kindheit an über all die Jahre und Konflikte hinweg bis hin zur Erwachsenen begleiten und erlebt die Story so etwas nachvollziehbarer und kann sich vielleicht auch besser in die Heldin hineinversetzen. Aber damit kann Quantic Dream all die Lücken in der Entwicklung nicht schließen, denn auch so fühlt sich das Abenteuer mitunter sehr sprunghaft an und man bleibt weiterhin mehr passiver Beobachter. Damit wurde der dramaturgische Kernkritikpunkt also nicht behoben - was man von einer Umsetzung natürlich nicht erwarten konnte. Für die ausführliche Analyse der Stärken und Schwächen verweise ich auf den Test des Originals. Man spürt also weiterhin zu wenig Konsequenzen nach seinen Entscheidungen; deutlich weniger als etwa in Heavy Rain. Trotzdem gibt es auf PlayStation 4 einen besseren Service: Die eigenen Aktionen werden am Ende eines Kapitels markiert und ähnlich wie in Telltales Episoden-Adventure Game of Thrones zeigt eine Statistik an, wie sich andere Spieler entschieden haben.

In der Rolle der übersinnlich begabten Jodie muss man mit einem seltsamen Geistwesen leben. Man weiß nur, dass es „Aiden“ heißt und über eine Art Nabelschnur mit ihr verbunden ist.
Was gibt es sonst noch an Änderungen? Quantic Dream hat die Kämpfe nach eigenen Angaben etwas fordernder gestaltet, wovon ich allerdings nur ansatzweise etwas bemerken konnte - Aiden wirkt immer noch zu mächtig. Vielleicht bemerke ich auch keinen größeren Anspruch, weil Quantic Dream auch die suboptimale Übersicht verbessert und damit die Steuerung vereinfacht hat. Sobald man zum Geistwesen wechselt, kann man gegen die anderen Geister kämpfen, indem man sie kurz per L1 fixiert und dann die Analogsticks auseinander bewegt. Knifflig war das Abenteuer ja selbst auf dem höheren der beiden Schwierigkeitsgrade nie, sondern eher „leicht“ und „sehr leicht“; vielleicht kann man auf PlayStation 4 von "leicht" und "normal" reden, was ja auch David Cage' Spielphilosophie entsprach: „Ich möchte nicht die Finger der Spieler fordern, sondern ihren Verstand.“

Etwas anspruchsvoller und um DLC erweitert

Aber warum hatte er das Actionfass dann überhaupt aufgemacht? Warum darf man seinen Verstand nicht in konsequentere Folgen einfließen lassen? Warum verliert Jodie gerade im letzten Drittel als Charakter immer mehr Konturen und mutiert fast zum Superhelden? Ihr persönliches Drama rückt vor dem pompösen Weltkonflikt in den Hintergrund und sie reiht sich in die Linie der Snakes und Fishers ein. Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber wenn ich an Clementine aus The Walking Dead oder Ellie aus The Last of Us denke, war meine emotionale Identifikation mit den weiblichen Charakteren dort intensiver. Trotzdem deutet auch dieses Beyond immer wieder die Potenziale an, die das Computerspiel als Medium noch vor sich hat - vor allem im Bereich des Storytellings. Auch wenn David Cage hier nicht begeistert und zu wenig einlöst, wird man in den neun Stunden mit all ihren Höhen und Tiefen solide unterhalten. Zwar gibt es auf PlayStation 4 auch den damals fünf Euro teuren DLC "Fortgeschrittene Experimente", aber der erweitert das Spielerlebnis nicht, sondern fügt lediglich Trainingsmissionen hinzu, die man in einer halben Stunde gemeistert hat. Wie man sich das Training vorzustellen hat, zeigt das Video.

Fazit

Es ist erstaunlich, wie gut dieses immerhin zwei Jahre alte PS3-Abenteuer auf der PlayStation 4 aussieht - hinsichtlich Mimik, Gestik und Beleuchtung könnte Beyond. Two Souls locker als frisch angekündigter Exklusivtitel auf der E3 2016 präsentiert werden. Quantic Dream wertet das Spielerlebnis zwar nicht entscheidend, aber spürbar auf - deshalb heben wir die Wertung auch leicht an. Immerhin gibt es neben grafischer Politur, akustischem Controller-Feedback, dem DLC mit seinen Trainings und etwas anspruchvolleren Kämpfen auch eine neue chronologische Reihenfolge. So wird aus der wirren eine nachvollziehbarere Erzählweise und man kann sich ohne die Sprünge besser mit Jodie identifizieren. Aber die Kernkritikpunkte bleiben bestehen, weshalb wir keine ganze Note anheben: Obwohl einige starke emotionale Momente vor tollen Kulissen inszeniert werden, gibt es zu viele Lücken in der Charakterentwicklung und vor allem zu wenig Konsequenzen nach Entscheidungen. Da verbringt man ein halbes Leben mit Jodie und ihren paranormalen Fähigkeiten, sieht sie leiden, kämpfen, weinen und lieben, aber man fühlt sich über weite Strecken nur wie ein Zuschauer - kein Vergleich zur emotionalen Anbindung an Clementine in Walking Dead oder Ellie in The Last of Us. Obwohl aufgrund des kooperativen Spiels mit dem Poltergeist gerade zu zweit einige unterhaltsame Situationen und unterm Strich ein solides Abenteuer entsteht, konnte David Cage seinen Stil mit diesem Beyond nicht weiter entwickeln. Trotzdem freue ich mich auf das nächste Projekt, denn diese Art der Regie hat noch viel Potenzial. Ich bin gespannt, ob man mit Detroit: Become Human wieder ein konsequenteres und offeneres Abenteuer entwickeln kann.

Pro

  • auch chronologisch spielbar (PS4)
  • inkl. DLC "Enhanced Experiments" (PS4)
  • etwas anspruchsvollere Kämpfe (PS4)
  • Lautsprecherfunktion des Controllers (PS4)
  • beeindruckende Kulisse & Mimik in 1080p (PS4)
  • interessante Mystery-Story
  • starke schauspielerische Momente
  • Mensch & Geist mit anderen Fähigkeiten
  • nahezu fotorealistische Mimik
  • einige freie situative Entscheidungen/Antworten
  • abwechslungsreiche Situationen/Konflikte
  • viele unterschiedliche Schauplätze
  • sehr gute deutsche Lokalisierung
  • stimmungsvolle Musikuntermalung
  • kooperativ mit Gamepad/Mobiltelefon spielbar
  • zwei Schwierigkeitsgrade

Kontra

  • DLC bringt nur eine halbe Stunde Training (PS4)
  • Jodies Entwicklung ist vorgegeben
  • zu wenig Entscheidungen mit Konsequenzen
  • spielerisch schwache Stealth-Action-Abschnitte
  • einige unglaubwürdige und aufgesetzt wirkende Momente
  • ständig gleiche Geist-Kämpfe & Aktionen
  • kaum kreative oder anspruchsvolle Herausforderungen
  • willkürlich wirkende Aktionsmöglichkeiten als Geist
  • in vielen Situationen unrealistisches KI-Verhalten
  • sehr enge, teilweise starre Kamera
  • Probleme mit der Tonabmischung (laut/leise)
  • keine koordinierten Aktionen als Duett

Wertung

PlayStation4

Quantic Dream wertet das Spielerlebnis von Beyond: Two Souls auf PlayStation 4 zwar nicht entscheidend, aber spürbar auf.