Beyond: Two Souls - Test, Adventure, PC, PlayStation3, PlayStation4
Egal ob God of War, The Last of Us, Uncharted oder Journey - man kann mittlerweile so viele Highlights der PlayStation 3 in polierter Variante auf der PlayStation 4 spielen, dass sich Sonys Konsole fast abwärtskompatibel anfühlt. Und für Februar 2016 ist bereits eine "Quantic Dream Collection" angekündigt, in der Heavy Rain und Beyond: Two Souls auf Disc enthalten sind. Aber schon jetzt kann man das letzte Abenteuer der Franzosen digital für 29,99 Euro im PlayStation Network erwerben. Wenn man die etwas über 40 Gigabyte geladen hat und den Einstieg spielt, wirkt dieses "alte" Spiel aus dem Jahr 2013 technisch so stark wie ein gerade angekündigter Exklusivtitel von Sony.
Im Zeitalter der Umsetzungen
Chronologie statt Chaos im Drehbuch
Auf der PlayStation 4 darf man endlich von Beginn an chronologisch vorgehen. Sprich: Man kann Jodie von der Kindheit an über all die Jahre und Konflikte hinweg bis hin zur Erwachsenen begleiten und erlebt die Story so etwas nachvollziehbarer und kann sich vielleicht auch besser in die Heldin hineinversetzen. Aber damit kann Quantic Dream all die Lücken in der Entwicklung nicht schließen, denn auch so fühlt sich das Abenteuer mitunter sehr sprunghaft an und man bleibt weiterhin mehr passiver Beobachter. Damit wurde der dramaturgische Kernkritikpunkt also nicht behoben - was man von einer Umsetzung natürlich nicht erwarten konnte. Für die ausführliche Analyse der Stärken und Schwächen verweise ich auf den Test des Originals. Man spürt also weiterhin zu wenig Konsequenzen nach seinen Entscheidungen; deutlich weniger als etwa in Heavy Rain. Trotzdem gibt es auf PlayStation 4 einen besseren Service: Die eigenen Aktionen werden am Ende eines Kapitels markiert und ähnlich wie in Telltales Episoden-Adventure Game of Thrones zeigt eine Statistik an, wie sich andere Spieler entschieden haben.
Etwas anspruchsvoller und um DLC erweitert
Aber warum hatte er das Actionfass dann überhaupt aufgemacht? Warum darf man seinen Verstand nicht in konsequentere Folgen einfließen lassen? Warum verliert Jodie gerade im letzten Drittel als Charakter immer mehr Konturen und mutiert fast zum Superhelden? Ihr persönliches Drama rückt vor dem pompösen Weltkonflikt in den Hintergrund und sie reiht sich in die Linie der Snakes und Fishers ein. Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber wenn ich an Clementine aus The Walking Dead oder Ellie aus The Last of Us denke, war meine emotionale Identifikation mit den weiblichen Charakteren dort intensiver. Trotzdem deutet auch dieses Beyond immer wieder die Potenziale an, die das Computerspiel als Medium noch vor sich hat - vor allem im Bereich des Storytellings. Auch wenn David Cage hier nicht begeistert und zu wenig einlöst, wird man in den neun Stunden mit all ihren Höhen und Tiefen solide unterhalten. Zwar gibt es auf PlayStation 4 auch den damals fünf Euro teuren DLC "Fortgeschrittene Experimente", aber der erweitert das Spielerlebnis nicht, sondern fügt lediglich Trainingsmissionen hinzu, die man in einer halben Stunde gemeistert hat. Wie man sich das Training vorzustellen hat, zeigt das Video.
Fazit
Es ist erstaunlich, wie gut dieses immerhin zwei Jahre alte PS3-Abenteuer auf der PlayStation 4 aussieht - hinsichtlich Mimik, Gestik und Beleuchtung könnte Beyond. Two Souls locker als frisch angekündigter Exklusivtitel auf der E3 2016 präsentiert werden. Quantic Dream wertet das Spielerlebnis zwar nicht entscheidend, aber spürbar auf - deshalb heben wir die Wertung auch leicht an. Immerhin gibt es neben grafischer Politur, akustischem Controller-Feedback, dem DLC mit seinen Trainings und etwas anspruchvolleren Kämpfen auch eine neue chronologische Reihenfolge. So wird aus der wirren eine nachvollziehbarere Erzählweise und man kann sich ohne die Sprünge besser mit Jodie identifizieren. Aber die Kernkritikpunkte bleiben bestehen, weshalb wir keine ganze Note anheben: Obwohl einige starke emotionale Momente vor tollen Kulissen inszeniert werden, gibt es zu viele Lücken in der Charakterentwicklung und vor allem zu wenig Konsequenzen nach Entscheidungen. Da verbringt man ein halbes Leben mit Jodie und ihren paranormalen Fähigkeiten, sieht sie leiden, kämpfen, weinen und lieben, aber man fühlt sich über weite Strecken nur wie ein Zuschauer - kein Vergleich zur emotionalen Anbindung an Clementine in Walking Dead oder Ellie in The Last of Us. Obwohl aufgrund des kooperativen Spiels mit dem Poltergeist gerade zu zweit einige unterhaltsame Situationen und unterm Strich ein solides Abenteuer entsteht, konnte David Cage seinen Stil mit diesem Beyond nicht weiter entwickeln. Trotzdem freue ich mich auf das nächste Projekt, denn diese Art der Regie hat noch viel Potenzial. Ich bin gespannt, ob man mit Detroit: Become Human wieder ein konsequenteres und offeneres Abenteuer entwickeln kann.
Pro
- auch chronologisch spielbar (PS4)
- inkl. DLC "Enhanced Experiments" (PS4)
- etwas anspruchsvollere Kämpfe (PS4)
- Lautsprecherfunktion des Controllers (PS4)
- beeindruckende Kulisse & Mimik in 1080p (PS4)
- interessante Mystery-Story
- starke schauspielerische Momente
- Mensch & Geist mit anderen Fähigkeiten
- nahezu fotorealistische Mimik
- einige freie situative Entscheidungen/Antworten
- abwechslungsreiche Situationen/Konflikte
- viele unterschiedliche Schauplätze
- sehr gute deutsche Lokalisierung
- stimmungsvolle Musikuntermalung
- kooperativ mit Gamepad/Mobiltelefon spielbar
- zwei Schwierigkeitsgrade
Kontra
- DLC bringt nur eine halbe Stunde Training (PS4)
- Jodies Entwicklung ist vorgegeben
- zu wenig Entscheidungen mit Konsequenzen
- spielerisch schwache Stealth-Action-Abschnitte
- einige unglaubwürdige und aufgesetzt wirkende Momente
- ständig gleiche Geist-Kämpfe & Aktionen
- kaum kreative oder anspruchsvolle Herausforderungen
- willkürlich wirkende Aktionsmöglichkeiten als Geist
- in vielen Situationen unrealistisches KI-Verhalten
- sehr enge, teilweise starre Kamera
- Probleme mit der Tonabmischung (laut/leise)
- keine koordinierten Aktionen als Duett