Mario & Luigi: Paper Jam Bros. - Test, Rollenspiel, 3DS
Wie oft kann das von Prinzessin Peach geführte Pilz-Königreich eigentlich noch von Bowser heimgesucht werden? Sollten die Monarchin und ihre treue Gefolgschaft mitsamt Mario, ihrem Ritter in blauer Arbeitskluft, nicht aus der Vergangenheit gelernt haben? Oder anders herum: Wie oft kann man kreative Wege finden, um einen erneuten Angriff des riesigen Koopa-Königs zu motivieren? Im Falle von Alpha Dream, die seit der Premiere des von Mario & Luigi gemeinsam ausgefochtenen Action-Rollenspiels auf dem Game Boy Advance im Jahre 2003 beständig für die Serie verantwortlich zeichnen, kennt die Kreativität offensichtlich keine Grenzen.
Welten prallen aufeinander
Die Vermischung der bekannten Mario-&-Luigi-Welt mit der von Paper Mario ist ein sehr guter Kniff, um vor allem in späteren Arealen mit einem eigenwilligen, aber sehr gelungen Artdesign-Mix zu überzeugen. Anfänglich sieht alles so aus, wie man es im Königreich aus den anderen Teilen kennt: Idyllisch, bunt, plastisch. Doch man findet zunehmend Papier-Kulissen, Pappmaché-Bäume und Karton-Zäune. Ganz zu schweigen, von Gegnern und Freunden, die aus der Papierwelt-Stammen und die sich munter unter ihre dreidimensionalen Kollegen mischen, um dem Heldentrio zu helfen oder aber natürlich eins auszuwischen, wenn sie den beiden Bowsers folgen. Die haben übrigens sowohl Peach als auch Paper Peach abermals gefangen genommen - natürlich. Allerdings scheint Alpha Dream von Nintendo mit besonderen Rechten ausgestattet zu sein. Denn immer wieder kann man kleine ironische Seitenhiebe entdecken, u.a. die gesamte „Jungfrau-in-Nöten“-Situation der
Prinzessinnen. Wenn Peach beim Eintreffen von Bowser ihrer Papierschwester sagt, dass man jetzt wohl wieder einmal an diesem Punkt in der Geschichte angetroffen sei, trennt sie doch einiges von der hilflos nach ihrem Retter schreienden Regentin, die man gemeinhin in den Mario-Spielen antrifft.Bekannte Muster, neue Verführungen
Überhaupt spielt man hier immer wieder sehr sympathisch mit den Mythen und Legenden, die sich um den Klempner und seinen Bruder im Laufe der Zeit angehäuft haben, wobei vor allem die Figuren der gegensätzlichen Welten mit ihren Texten die Lacher auf ihrer Seite haben – zumal sich die Bösen auch gegenseitig aufs Korn nehmen und mit allen Mitteln um Dominanz gegenüber ihres dreidimensionalen bzw. platten Alter Egos kämpfen. Mechanisch bietet man ebenfalls einen angenehmen Mix aus alten und neuen Elementen, die allesamt um das Papierthema angereichert werden. Neben der Erforschung der Areale (teilweise im Stile eines Plattformers)sowie dem Entdecken von kleineren oder größeren Geheimnissen, die teilweise auch erst mit neuen Fähigkeiten aufzufinden sind, ist es vor allem das bewährte Kampfsystem, das mit Handhabung und Balance überzeugt. Nicht von ungefähr hat Obisidian für die Auseinandersetzungen in South Park: Der Stab der Wahrheit ein sehr ähnliches System eingesetzt. Das Geheimnis: Mit gutem Timing können jeder Angriff, nahezu jede Spezialattacke und jede Verteidigungsaktion aktiv verstärkt bzw. beeinflusst werden.
Der Sprungangriff kann mit einem Knopfdruck zur rechten Zeit zu einem Doppelsprung ausgebaut werden. Löst man den Hammerschlag auf dem Scheitelpunkt der Ausholbewegung aus, richtet man ebenfalls mehr Schaden an. Und wie viel Lebenspunkte man den Gegnern mit den Bruderattacken oder den Trio-Angriffen von Paper Mario abzieht, wird ebenfalls in kleinen Minispielen und Reaktionstests festgelegt, die von Anfang bis Ende mit Abwechslung punkten und stets aufs Neue fordern. Zusammen mit der Fähigkeit des Papierklempners, Klone von sich anzufertigen, die Schaden abfangen, aber dann auch nicht mehr für Angriffsverstärkung zur Verfügung stehen, bekommen die Kämpfe trotz aller bekannten Versatzstücke eine neue taktische Komponente. Und die wird vor allem bei den starken, meist mehrstufigen Bosskämpfen ausgespielt, bei denen der moderate Schwierigkeitsgrad mitunter gewaltig nach oben ausschlägt. Dabei bleibt es allerdings stets fair – eine weitere Qualität, die sich seit Jahr und Tag durch die Serie zieht.
Spannend, taktisch, fordernd
So unterhaltsam und wie aus einem Guss sich Paper Jam Bros. auch präsentiert, gibt es hier und da trotz aller Neuerungen auch Abnutzungserscheinungen oder verbesserungswürdige Elemente, die man schon länger mit sich herumschleppt. So ist die Inszenierung zwar nach wie vor liebevoll, aber abseits der angesprochenen subtilen selbstironischen Anspielungen,
die an jüngeren Spielern unbeachtet vorbeiziehen dürften, sehr vorhersehbar. Andererseits birgt dies natürlich den Vorteil, dass auch Spieler, die mit Mario, Luigi, Peach und ihren Freunden bislang noch nicht so viel am Hut hatten, einen schnellen Zugang zum Spiel finden, ohne Grundkenntnisse haben zu müssen. Dieser Spagat scheint auch bei allen anderen Inhalten durch. Ob Kämpfe, Gebietserforschung, Minispiele, einfache Steuerung oder Umfang: Alles ist auf dem bekannt hohen Niveau und ideal geeignet, um auch neue Spieler in die liebevoll gestaltete Welt der beiden Klempner zu ziehen, die einen nicht mehr so schnell loslässt.Altlasten
Veteranen jedoch wird eher früher als später ein Gefühl der Vertrautheit beschleichen. Denn auch mit der Einbindung von Paper Mario und aller damit verbundenen Kampferweiterungen ändert sich nicht allzu viel – wobei es angenehme Ausnahmen wie die ersten Kämpfe gegen die Hammer-Brüder gibt, die dem Heldentrio sämtliche Fähigkeiten gestohlen haben und man sich erst nach und nach wieder alles aneignen muss. Auch die Rätsel- oder Geschicklichkeitseinlagen wirken in vielerlei Hinsicht bekannt. Und im Gegensatz zu den Bossen werden diese Elemente irgendwann zur Routine, da das für das Weiterkommen wichtige Einfangen von Toads z.B. überstrapaziert wird.
Fazit
Alpha Dream liefert gewohnt hohe Qualität ab. Wie schon bei den anderen Spielen der Serie bekommt man auch in Paper Jam Bros. eine ausgefeilte Mischung aus überschaubarer Gebietserforschung mit Plattform-Elementen auf der einen sowie spannenden rundenbasierten Kämpfen mit aktiven Momenten auf der anderen Seite. Das Artdesign vermischt die klassische Mario-und-Luigi-Welt mit Figuren und Versatzstücken der Paper-Mario-Serie und schafft so eine zauberhafte Kulisse, die zunehmend abstrakter wird. Allerdings können die neuen taktischen Elemente, die sich durch Paper Mario im Kampf ergeben, nicht verschleiern, dass die Klempner-Brüder in ihrem mittlerweile fünften Action-Rollenspiel für Veteranen nur wenige Überraschungen offenbaren - auch wenn sie mit Paper Mario einen zweidimensionalen Kollegen an ihrer Seite begrüßen. Mario, Mario und Luigi bewegen sich auf weitgehend bekanntem Terrain und schaffen es trotz interessanter Ansätze auch erzählerisch nicht, die Vertrautheit aufzubrechen. Die Rätsel sind ebenfalls wie bislang sehr simpel. Trotzdem inszeniert Nintendo sehr gute Unterhaltung, die es einem wirklich schwer macht, sich von dem Heldentrio und dem doppelten Bowser loszureißen.
Pro
- sympathische selbstironische Anspielungen...
- Rundenkämpfe mit aktiven Elementen
- liebevolles Artdesign, dass die Welten von Mario & Luigi und Paper Mario vermischt
- Paper Mario bringt zusätzliche taktische Komponente in die Auseinandersetzungen
- sehr gute Bosskämpfe
- ansprechender Umfang
- spannende Echtzeitkämpfe mit riesigen Pappfiguren
- einfache Steuerung
- Gebietserforschung mit Plattform-Elementen und zahlreichen Geheimnissen
Kontra
- ... aber unter dem Strich ist die Erzählung schwach und vorhersehbar
- überschaubares Rätselpotenzial
- für Veteranen nur wenig Überraschungen