InCell - Test, Adventure, Mac, iPad, PC, OculusRift, Android, iPhone, HTCVive, VirtualReality

InCell
16.12.2015, Jan Wöbbeking

Test: InCell

Virenjagd im Mikrokosmos

Die Reise durch Körper ist zurück: Bereits Mitte der Neunziger sollte der Rail-Shooter Microcosm den Verkauf von CD-Konsolen ankurbeln – das Steam-Rennspiel InCell interpretiert das Thema heutzutage für VR-Headsets. Ein faszinierendes Wettrennen gegen Viren oder nur ein Minispiel ohne Substanz?

Wie der Name bereits andeutet, geht die Miniaturisierung diesmal noch ein Stückchen weiter, denn der VR-Trip von Entwickler Nival führt durch das Innere einer Zelle. Wir haben uns zum Spielen das DK2 von Oculus Rift übergestülpt – wer möchte, kann aber auch konventionell auf dem Monitor und mit einem 360-Controller spielen. Als Teilnehmer eines Experiments begibt sich der Spieler ins Innere dieser kleinsten Einheit des Lebens, die von einem gefährlichen Virus bedroht wird. Das Ziel ist einfach: Erreiche den Zellkern, bevor der Virus ihn zerstören kann. Präsentation und Spielprinzip erinnern an N2O auf der PSOne oder Scorcher auf Saturn und PC: Man düst auf der Außenseite einer kreisrunden Bahn entlang und versucht, den Krankheitserreger abzuhängen. Um VR-Neulinge nicht zu überfordern, ist der Ablauf so einfach wie möglich gehalten. Man kann weder schießen noch Gas geben – stattdessen rauscht man durch Beschleunigungsfelder und weicht rotierenden Barrieren aus.

Reise in den Patienten

Alles so schön bunt hier!
Das mag ziemlich fade klingen, ist dank der hübschen Präsentation und der immersiven Umsetzung aber eine Weile lang recht unterhaltsam. Vor allem in den ersten Minuten habe ich mich immer wieder staunend umgesehen, um die bunten, teils leuchtenden Innereien der Zelle zu begutachten. Die Entwickler haben sich den realen Aufbau als Vorbild genommen, ihn für das Spieldesign aber ein wenig angepasst und verschönert. Am angenehmsten funktioniert die Steuerung per Kopf-Tracking der Oculus-Rift-Kamera. Mit „normalen“ Bewegungen sehe ich mich um, damit ich die Kurven auf der sich schlängelnden Bahn früh genug entdecke; gelenkt wird per Kopfneigung. Ich weiß nicht warum, aber das sanfte Hin- und Herwiegen des Kopfes fühlt sich erstaunlich natürlich an und schlägt mir nicht auf den Magen.

Ganz anders verhält es sich bei der alternativen Steuerung per Analogstick oder Tastatur: Selbst wenn ich nur sehr behutsam lenke, sorgen die zu plötzlichen und ruckartigen Bewegungen sofort für ein ungutes Kribbeln im Magen, auf das ich schon nach wenigen Sekunden keine Lust mehr hatte. Die Kopfsteuerung hat übrigens ebenfalls einen Nachteil: Wer länger als eine halbe Stunde am Stück spielt, kann am nächsten Tag mit Muskelkater oder einem dezent verspannten Nacken rechnen.

Köpfchen ist besser als Daumen

Auf der "Streckenkarte" lernt man in kurzen Sätzen, welche Funktionen die Organellen in realen Zellen erfüllen. Die gelben Bienenstöcke z.B. sorgen für die Honigversorgung.
Um die nur vier kurzen Welten mit je einer Hand voll Levels etwas abwechslungsreicher zu gestalten, kann man auf der Strecke noch Protein-Symbole aufsammeln, mit dem sich die Geschwindigkeit der Spieler-Kapsel, des Virus und einige anderer Statuswerte aufmöbeln bzw. abschwächen lassen. Die Änderungen nehmen aber kaum spürbaren Einfluss auf den Spielablauf. Ab und zu stoße ich außerdem ein paar Energiekügelchen in die passende Richtung, um Barrieren aus dem Weg zu räumen. Auf dem Weg zum Zellkern kann man sich außerdem ähnlich wie bei Outrun für unterschiedlich knifflige Abzweigungen entscheiden. Die technische Umsetzung der Kulisse ist den Entwicklern gut gelungen: Auf einer GTX 770 lief alles stets so flüssig, wie das Virtual-Reality-Erlebnis es erfordert. Trotz der geringen Auflösung des DK2 hatte ich nicht den Eindruck, die Bildschirme direkt vor den Augen zu haben – stattdessen fühlte ich mich tatsächlich wie vor der rundlichen Frontscheibe meiner „Rennkapsel“.

Die Geschwindigkeit bleibt eher gemächlich - vor allem, wenn man gerade Fast Racing Neo gespielt hat.
Die sphärische Synthie-Musik und die unaufgeregte Präsentation sorgen für beruhigende Unterhaltung, das Drumherum könnte allerdings ruhig deutlich üppiger ausfallen. Von ein paar Textfenstern und schnippischen Kommentaren des Computers abgesehen ist der Trip in keinen erzählerischen Rahmen eingebunden. Außerdem können die biologischen Fachbegriffe der Stoffwechselfunktionen zunächst für Verwirrung sorgen, da das Spiel nur auf Englisch verfügbar ist. Des Weiteren kam es manchmal zu Bugs in den Menüanzeigen oder beim automatischen Speichern, so dass ich einige Levels unverschuldet mehrmals angehen musste. Weltweite Bestenlisten, Geister oder andere Multiplayer-Möglichkeiten fehlen – mittlerweile wurden aber immerhin einige (schnell erreichte) Steam-Errungenschaften nachgeliefert.

Entspannte Präsentation

Fazit

Als Minigame oder Konzept-Demo für VR wäre InCell durchaus überzeugend, als komplettes Spiel bleibt es mir aber zu minimalistisch. Es war durchaus faszinierend, rund zwei Stunden lang in die mikroskopisch kleine Körperwelt einzutauchen und die Ideallinie auf der sich schlängelnden Röhre zu erwischen – zumal auch der mittlere Schwierigkeitsgrad gut dosiert wurde. Die hübsch designte und sehr sauber animierte Welt ist vor allem zu Beginn ein Blickfang und auch der sphärische Soundtrack sorgt für einen entspannenden Ausflug. Sobald die erste Faszination verflogen ist, stellt sich durch den Mangel an Abwechslung aber Ernüchterung ein, denn spielmechanisch kratzen die Rennen nur an der Oberfläche. Ich verstehe, dass VR-Neulinge nicht überfordert werden sollen, aber mit kleinen Gadgets hätte man die Wettrennen gegen den Virus deutlich spannender gestalten können. Auch die Steuerung wirkt noch nicht optimal: Das Lenken per Kopfneigung funktioniert zwar prima, nach einer halbstündigen Session wird es aber anstrengend für den Nacken. Die zu ruckartige Controller-Steuerung schlägt dagegen schnell auf den Magen. Auch kleine Bugs funken noch dazwischen. Als unkomplizierter Einstieg in die VR-Welt lohnt sich der bunte Ausflug allemal - das Potenzial seines neuen Mediums nutzt er aber noch nicht.

Pro

  • entspannende Reise durch den Körper
  • faszinierend surrealer, leuchtender Organismus
  • Spielprinzip passt gut zu VR
  • gelungene sanfte Kopfneigungs-Steuerung
  • entspannter Synthie-Soundtrack...
  • sachte Bewegungen
  • grafisch sauber und nicht sonderlich hardwarehungrig

Kontra

  • Ablauf sehr minimalistisch gehalten
  • ruckartige (alternative) Controller-Steuerung verursacht Übelkeit
  • Kopfsteuerung in langen Sessions anstrengend für den Nacken
  • ...allerdings nur zwei Musikstücke
  • gelegentliche Bugs beim Speichern und in Menüs
  • nur rund zwei Stunden kurz
  • Upgrades nehmen kaum Einfluss auf den Spielablauf
  • zu wenig grafische Abwechslung
  • englische Fachbegriffe verwirren mitunter

Wertung

PC

Entspannender und hübsch designter Kurztrip durch den menschlichen Mikrokosmos, der spielmechanisch aber viel zu minimalistisch bleibt.

OculusRift

Entspannender und hübsch designter Kurztrip durch den menschlichen Mikrokosmos, der spielmechanisch aber viel zu minimalistisch bleibt.

VirtualReality

Entspannender und hübsch designter Kurztrip durch den menschlichen Mikrokosmos, der spielmechanisch aber viel zu minimalistisch bleibt.