Deponia Doomsday - Test, Adventure, XboxOneX, PlayStation4, Linux, Switch, XboxOne, PlayStation4Pro, Mac, PC
Puuh, was für ein Trip! Nachdem ich Deponia Doomsday (ab 1,75€ bei kaufen) gerade abgeschlossen habe, muss ich mich erst einmal sammeln, tief durchatmen und ein paar Bilder aus dem frühen Spielverlauf betrachten, um mir noch einmal alte Details zu Beginn ins Gedächtnis zu rufen. Aus dem frühen Kapitel, bevor Jan „Poki“ Müller-Michaelis seine Helden in Unmengen wilder Zeitstrudel stürzt, welche den Lauf der Geschichte immer wieder umschreiben. Offenbar diente diesmal auch der Klassiker Day of the Tentacle als inspirationsquelle. Gefühlt ist es schon eine Ewigkeit her, seit ich mit Rufus in sein neues Adventure gestartet bin. Kein Wunder: Mit rund 20 Stunden Spielzeit fällt es sogar noch üppiger aus als die umfangreichen Vorgänger. Allzu viel will ich natürlich nicht ausplaudern - aber sogar Daedalic erwähnt im Trailer, dass manch ein Fan offenbar nicht ganz zufrieden mit dem Ausgang war. Also bekommt Rufus eine weitere Chance.
Adventure XXL
Den stets fokussierten Egomanen kann das aber nicht schocken, schließlich hat er wieder einmal vor, aus der Einöde seines Schrottplaneten in die paradiesische Utopie von Elysium zu fliehen, zusammen mit seiner cholerischen Freundin Toni. Bislang waren all seine Bastelversuche von ähnlich viel Erfolg gekrönt wie die von Wily E. Coyote - aber wen kümmert’s. Auf dem Weg zu seiner Liebsten trifft er auch auf eine mögliche Erklärung für allerlei seltsame Ungereimtheiten: Der angereiste Zeit-Wissenschaftler Mc Chronicle sucht im Ort mit Hilfe einer albernen Sanduhr-Angel nach Zeit-Anomalien.
Alles nur ein Traum?
Bienengift, Rasierer und allerlei Steampunk-Gerümpel
Aber zurück zum Anfang: Zum Glück lässt sich die Zeitmaschine des unsicheren Mc Chronicle zum Beheben von Missgeschicken missbrauchen. Ein Dreh an der Kurbel, schon verschwimmt das Bild, es macht „Wiku-wiku-wiku“ und Rufus wacht erneut im Ballon auf, um von seinen wirren Träumen zu erzählen. Falls ich etwas letztes Mal noch nicht lösen konnte oder falsch gemacht habe, besteht dann die Chance, es anders zu machen – so ähnlich wie im Kinofilm „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Mit einem technischen Trick bekomme ich z.B. den notorischen Trinker Tuck dazu, sich wie Rufus an vergangene Durchgänge zu erinnern (natürlich nicht ohne zahlreiche Anspielungen auf alkoholbedingten Gedächtnisverlust), so dass er bei der Jagd auf den rosa Elefanten helfen kann. Die stetigen Wiederholungen sind mir zunächst noch richtig auf die Nerven gegangen. Oft wusste ich nicht, ob ich sämtliche Gegenstände und Rätsel noch einmal abklappern sollte, oder ob nach dem nächsten Dreh an der Kurbel eh alles für die Katz gewesen sein würde. Bei späteren Durchgängen schrumpften aber zum Glück die Möglichkeiten, so dass ich meist auf die richtige Fährte geführt wurde.
Zurück auf Anfang
Als Rufus und sein neuer Gefährte Mc Chronicle schließlich in der sagenumwobenen Oberschichten-Welt Eylsium landen, sieht es dort ganz anders aus als erwartet. Irgendjemand hat offenbar ein gewaltiges Chaos angerichtet, also kann Rufus sich nur noch mit im Sterben röchelnden Angestellten und der trotz allem noch blendend gelaunten Service-Blume Ronny unterhalten. Dieser mechanische Avatar des Zentralcomputers ist ein echtes Highlight unter den ohnehin herrlich durchgeknallten Figuren. Nachdem Rufus erst einmal an seiner Festplatte herumgepfuscht hat, durchlebt er eine erstaunliche Persönlichkeitsveränderung. Seine kleine Musical-Ballade im Angesicht des Chaos ist ebenfalls einfach nur großartig!
Elysium sah auch schon mal heiler aus...
Wie genau die aggressiven Biester in die Welt der Menschen geraten sind, verrate ich natürlich nicht. Jedenfalls tauchen sie immer wieder in den Zeitebenen auf, in die auch Rufus hineinplatzt. Oft muss ich diverse Voraussetzungen in einer Zeitlinie verändern, um später ans Ziel zu kommen. Eine eingepflanzte Bohne z.B. sorgt nach einer Zeitreise dafür, dass eine Ranke gewachsen ist, die zum nächsten Portal führt. Manchmal steckt Rufus sogar einfach seine Hand durch ein Portal in die Vergangenheit, um z.B. einen spitzen Ring zu mopsen oder eine Zeitmaschine zu manipulieren. In solchen Momenten befinden sich glücklicherweise nur wichtige Objekte in Reichweite, so dass ich nie lang suchen musste. Trotzdem ergeben sich durch die zeitlich und räumlich verschachtelten Puzzles viele angenehm knackige Kopfnüsse. Dabei laufen sich schon mal mehrere Rufusse über den Weg und auch andere Figuren tauchen gleich mehrfach auf.
Flucht vor den Fewlocks
Leider haben die Zeit-Implikationen auch ihre Schattenseiten. Kurz vorm Finale z.B. musste ich nicht nur um die Ecke denken, um bizarre Gegenstände zu basteln, sondern das auch noch unter argem Zeitdruck. Nach Fehlversuchen plumpste ich zwar prompt wieder aus dem Zeitloch und konnte erneut loslegen, trotzdem wirkte die Sequenz ein wenig happig. Ein Schwachpunkt sind außerdem mal wieder die typischen Minispiele der Reihe. Weder der Shooter im elysianischen Bällebad noch eine Art Portal-Surfen oder andere Actionsequenzen steuern sich intuitiv. Auch die wenigen ausgelagerten Puzzles sind entweder zu leicht oder einfach so öde designt wie eine Abwandlung von Tic-Tac-Toe. Zum Glück lassen sich all diese Extra-Einlagen aber einfach überspringen. In manche Exemplare wie dem Rollenspiel-Trip mit Party ins Spiegel-Labyrinth sind immerhin lustige Anspielungen an alte Dungeon-Crawler versteckt.
Schattenseiten der Manipulation
Klassisches Knobeln
Fazit
Schön, dass Rufus noch einmal zurückgekehrt ist, um seine Umwelt zu terrorisieren: Die Mischung aus Selbstüberschätzung und technischem Unvermögen macht die zerstörerische Reise wieder zu einem wilden Ritt, der diesmal sogar mit durchgeknallten Zeit-Tricks aufgepeppt wird. Meist sorgt die Vermengung des typischen Kombinations-Wahnsinn mit verschiedenen Zeitebenen für bizarre Momente und angenehm knifflige Rätsel. Manchmal überspannen die Entwickler den Bogen allerdings, z.B. mit übertriebener Hektik oder wenn man wie am Murmeltiertag zum x-ten Mal unmotiviert eine Szene abklappern muss. Der Trip gestaltet sich aber weitgehend sehr unterhaltsam, denn Pokis Humor Humor ist mal wieder eine Klasse für sich! In fast jedes noch so kleine Detail ist unheimlich viel Hingabe geflossen - und das, obwohl man mit rund 20 Stunden ungefähr zehnmal so lang beschäftigt ist wie in einer Telltale-Episode. Das Adventure sprüht nur so vor albernen Figuren, schlagfertigen Pointen und lustigen Anspielungen. Lediglich das Ende wirkt nach all dem Tohuwabohu etwas abrupt und seltsam. Sei’s drum: Wer klassisch, knifflig und durchgeknallt rätseln will, wird mit Deponia Doomsday noch einmal richtig gut bedient, bevor sich Jan Müller-Michaelis (diesmal wirklich?) einem neuen Projekt zuwendet.
Pro
- herrlich bizarrer Humor
- Unmengen schlagfertiger Kommentare
- hochgradig egoistischer Held
- liebenswert verschrobene Zeitreisende
- wahnwitzige Zeitverstrickungen
- abwechslungsreiche Schauplätze
- viele knifflige Rätsel mit verdrehter Hirnakrobatik
- üppige 20 Stunden lang
- geschickt in Dialoge eingeflochtene Hinweise
- kranke Musikeinlagen
- praktische Inventaröffnung per Mausrad
Kontra
- einige Zeitreise
- und Zeitdruck-Rätsel sind übertrieben versponnen und knifflig
- vielfache Wiederholungen gleicher Szenen mitunter ermüdend, vor allem zu Beginn
- alternative Geschichte nicht immer zufriedenstellend
- fade (überspringbare) Minispiele
- Figuren nur einfach animiert