Stories: The Path Of Destinies - Test, Rollenspiel, PC, PlayStation4, XboxOne
Wenn man als tapferer Rebell nach etwa vier Stunden die erste von vier Wahrheiten entdeckt hat, nimmt dieses märchenhaft inszenierte Abenteuer richtig Fahrt auf. Man hat es nicht abgeschlossen, sondern lediglich einen Teil der Geschichte rund um eine bedrohte Fantasywelt voller Tierhelden entschlüsselt. Nicht nur, dass sich neue Wege, Waffen und Feinde erschließen, auch erzählerisch wird man mit Überraschungen geködert: Plötzlich bietet einem ein dämonisches Auge an, dass man Prinzessin Zenobia töten könnte. Es flüstert mir zu, lockt mit unendlicher Macht. Moment, ich habe sie doch im ersten Durchlauf geküsst, ich hatte doch ein Techtelmechtel mit ihr!
Soll ich die Prinzessin ermorden?
Entscheidungen mit Konsequenzen
Diese offene Struktur ist innerhalb der Action-Rollenspiele eine angenehme Bereicherung, denn sonst beschränken sich Storytelling-Experimente eher auf Adventure, Puzzler oder Erkundungstrips.
Der Kern der Spielmachanik besteht aus Kampf und Aufrüstung. In recht kleinen Arealen wird man meist von mehreren Feinden attackiert - es geht erst weiter, wenn man sie besiegt hat. Dabei kann man neben einfachen Attacken sowie Kombos auch Konter einleiten: So saust man schnell von Gegner zu Gegner, kann sie greifen und z.B. in andere Feinde oder über Abgründe werfen; all das ist intuitiv und erinnert ein wenig an den Flow aus Batman, ist aber wesentlich einfacher zu meistern. Wer besonders vielseitig kämpft, sammelt immerhin mehr Erfahrungspunkte. Nach einem Aufstieg darf man weitere Spezialmanöver freischalten: Mit dem Greifhaken zieht man böse Jungs aus der Distanz
heran, mit dem Turbonebel umkurvt man sie, kann die Zeit verlangsamen etc - es gibt an die zwanzig Manöver, die das Hauen und Stechen auflockern.Kampf mit Komboflow
Schön ist, dass die Entwicklung dieser Fähigkeiten an den Fund der Wahrheiten gekoppelt ist - sprich: Im ersten Durchlauf kann man lediglich unter sieben Manövern der ersten Stufe wählen, erst beim zweiten Mal sind auch die stärkeren Varianten zugänglich, so dass man erst jetzt den Schild der Feinde mit dem Greifhaken entwenden kann. Man lüftet also beim erneuten Spielen nicht nur Storygeheimnisse, sondern bereichert auch die Spielmechanik.
Was macht man mit all den Edelsteinen, Juwelen und Zutaten? Zum einen kann man neue Schwerter mit Elementarschaden schmieden oder vorhandene
aufrüsten. Das führt nicht nur zu weiteren Angriffstypen wie etwa Feuer, Wasser oder Wind, denn diese Klingen fungieren auch als Schlüssel. Immer wieder findet man versperrte Portale, die man nur mit dem passenden Schwert öffnen kann. Außerdem kann man den Handschuh mit den sehr seltenen Juwelen bestücken, die permanente Effekte wie z.B. erhöhte Resistenz gegen Zauber haben.Schwerter wie Schlüssel
Leider läuft die Erkundung der Spielwelt immer gleich und etwas zu komfortabel ab. Obwohl die Perspektive durchaus Schwindel erregende Höhe suggeriert, kann man weder klettern noch abstürzen, sondern nutzt automatische Plattformern oder Teleporter - die Vertikale spielt also keine Rolle. Außerdem kann man sich meist gefahrlos über den Greifhaken von Insel zu Insel beamen. Erst ab dem zweiten Durchlauf gibt es endlich mehr Gefahr, wenn man plötzlich wie in einem Plattformer z.B. Feuer spuckenden Fallen ausweichen und Barrieren mit gutem Timing umrunden muss. Zwar ist die Welt nicht sehr offen strukturiert, aber weil es immer irgendwo verschlossene
Bereiche oder auch kleine Abzweigungen gibt, fühlt man sich zumindest nicht wie in einem linearen Schlauch.Man fühlt sich angesichts der Luftschiffthematik natürlich ein wenig an Skies of Arcadia erinnert. Reynardo betritt auch einige fliegende Boote, aber erkundet eher zu "Lande" all die Wälder, Schneegebiete, Wüsten und Katakomben. Die Kulisse wirkt in ihren Pastelltönen manchmal etwas zu bunt und lässt en detail etwa Fußspuren im Sand oder auch mal davon huschende Tiere vermissen, bietet aber einige sehr stimmungsvolle Areale. Außerdem lebt sie von der Sicht auf die vielen Inseln und Plateaus im Hintergrund. Schade ist, dass man die Kamera weder drehen noch zoomen kann. Das größte Manko auf der technischen Ebene ist, dass das von der Unreal Engine 4 befeuerte Spiel trotz dieser Beschränkungen nicht komplett flüssig läuft: Die Bildwiederholrate hat immer wieder zu kämpfen.
Fazit
Stories: The Path of Destinies ist ein charmantes Action-Rollenspiel, das von seinem charismatischen Sprecher und vor allem seiner offenen Erzählweise lebt. Man fühlt sich wie in einem interaktiven Märchenbuch, bei dem man an den Kapitelenden den weiteren Verlauf bestimmt. Diese Entscheidungen erhöhen den Wiederspielwert, zumal man nach einem Durchlauf lediglich eine von vier Wahrheiten gefunden hat - und die können böse überraschen! Man bleibt auch deshalb neugierig, weil man beim zweiten Mal vielleicht neue Gebiete erkundet sowie Spezialmanöver lernen kann - das Entwicklungssystem ist quasi an den Storyfortschritt gekoppelt. Allerdings nutzt sich der immer gleiche Mix aus Kampf, Aufrüstung und Portalöffnung spätestens beim dritten oder vierten Anlauf ab. Man vermisst mehr Gegnertypen sowie Anspruch. Rätsel gibt es nur ansatzweise, man muss lediglich mal Fallen ausweichen. Die häufigen Kämpfe erinnern mit ihren intuitiven Kontern und Griffen angenehm an Batman, sind aber auf lange Sicht zu einfach zu meistern. Schade ist zudem, dass man die in recht kleine Areale aufgeteilte, aber märchenhaft inszenierte Spielwelt, nicht ganz ruckelfrei und lediglich bei statischer Kamera erkunden kann. Ein kurzweiliges Abenteuer, das weniger den God-of-War-Fan als vielmehr den Liebhaber kleiner Geschichten unterhalten wird, der zwischendurch ein bisschen hauen und stechen will.
Pro
- ebenso charmanter wie süffisanter Erzähler
- Erzähler reagiert auch auf kleine AKtionen
- offenes Storytelling mit Überraschungen
- Entscheidungen mit Konsequenzen
- ab dem 2. Durchlauf mehr Fallen & Gefahr
- idyllisch inszenierte Inselwelten
- märchenhaftes Artdesign mit tierischen Figuren
- intuitiver Kombo-Konter-Flow in den Kämpfen
- mehr Erfahrungspunkte für vielseitige Manöver
- Entwicklung von sieben Spezialmanövern
- hoher Wiederspielwert (neue Gebiete & Storydetails)
- angenehme Musikuntermalung
- weitgehend gut übersetzte deutsche Texte
Kontra
- läuft nicht immer flüssig
- Kampf ist etwas zu einfach
- nur wenig Gegnertypen
- recht kleine Areale, kaum Rätsel oder Interaktion
- Spielmechanik & Erkundung nutzen sich auf Dauer ab
- Kamera nicht frei dreh
- oder zoombar
- nur deutsche Untertitel, kein Sprecher