Grand Kingdom - Test, Taktik & Strategie, PS_Vita, PlayStation4

Grand Kingdom
30.06.2016, Jens Bischoff

Test: Grand Kingdom

Anime-Söldner machen mobil

Nachdem die angekündigte Veröffentlichung von Grand Knights History im Westen seinerzeit leider doch wieder abgesagt wurde, hat es Tomohiko Deguchis jüngstes Taktik-Rollenspiel Grand Kingdom (ab 25,29€ bei kaufen) dank NIS America dieses Mal bis nach Europa geschafft. Ob Anime-Strategen Grund zum Jubeln haben, verrät der Test.

Hundert Jahre nach dem Niedergang des Uldischen Imperiums wird noch immer um die Vorherrschaft im Fantasy-Reich Resonail gekämpft: Von Westen her versucht das Königreich Landerth seinen Einfluss auszuweiten, aus den südwestlichen Wäldern hält die Königin von Fiel dagegen, im Südosten begehren die vereinten Stämme von Valkyr auf und im Norden fallen die Zauberer Magions über das Land her. Und mittendrin befindet sich die autonome Gilde der Söldner, die einst von heimatlosen Kriegern gegründet und mittlerweile von allen vier kriegsführenden Nationen als neutrale Zone anerkannt wurde.

Ewiger Krieg

Von hier aus startet man als junger Söldnerführer in ein Abenteuer epischen Ausmaßes. Befehligt man anfangs noch einen kleinen unerfahrenen Haufen, dem lediglich einfache Hilfsdienste anvertraut werden, gilt es später mit verschiedenen Trupps an vorderster Front fanatische Machenschaften zu vereiteln, die ganz Resonail bedrohen.

Die Gilde fungiert während des gesamten Abenteuers als Dreh- und Angelpunkt.
Nebenbei kann man sich zudem an Einsätzen der vier verfeindeten Nationen beteiligen, um die Kriegskasse aufzubessern und sich einen Namen zu machen. Später können dann auch noch eigene Story-Kampagnen für alle vier Parteien absolviert werden.

Die questbasierte Handlung wird über eingebettete Dialog- und Ereignisszenen im Anime-Stil erzählt und hält trotz Rahmencharakters gut bei Laune. Eine deutsche Übersetzung gibt es leider nicht, dafür aber wahlweise englische Synchronsprecher oder japanischen Originalton. Zudem können jederzeit auch Quests ohne Story-Bezug angegangen werden - sei es, um zusätzliche Erfahrung zu sammeln, Beute zu machen oder Rohstoffe zu ernten. Letztere kommen vor allem beim Schmied, der Unterstützung nationaler Kriegsproduktionen oder Tauschgeschäften zum Einsatz.

Flexible Anime-Söldner

Wer seine Dienste als Söldner vorübergehend einer der vier Parteien vertraglich zusichert, kann nämlich nicht nur an deren Fronteinsätzen und Handelsmärkten teilnehmen, sondern auch ihre aktuellen Kriegsplanungen, Entwicklungsbestrebungen und Vertragsabschlüsse beeinflussen.

Die Rahmenhandlungen der insgesamt fünf Kampagnen werden über vertonte Dialog- und Ereigniseinspielungen im Anime-Stil erzählt.
Durch die Online-Anbindung können nämlich alle vertraglich gebundenen Spieler die nächsten Kriegsbestrebungen demokratisch mitbestimmen und die damit einhergehenden Produktionen aktiv unterstützen, um später auf dem Schlachtfeld davon zu profitieren.

Wer zu Beginn einer neuen Offensive erscheint, kann sogar über die Platzierung von Kriegsgeräten wie Ballisten, Kanonen oder Forts mitbestimmen. Während des Schlachtverlaufs kann ebenfalls über gewisse Ausrichtungen und Aktionen abgestimmt oder Hilfe geleistet werden. Direkten Kontakt zu anderen Spielern hat man allerdings nie. Jeder kämpft für sich und trifft nur auf von der KI gesteuerte Truppen anderer Söldnerführer. Selbst abseits der derzeitigen Kriegsschauplätze sind leider keine direkten Spielerduelle möglich.

Egal ob man gerade eine Quest bestreitet oder an einer Schlacht teilnimmt, man ist in beiden Fällen auf einer Landkarte unterwegs, auf der man sich Zug um Zug von Ort zu Ort bewegt und bei Feindkontakt in einen ebenfalls rundenbasierten Kampf verwickelt wird. Bei der Routenplanung hat man freie Hand, muss während Quests aber auch mal Hindernisse umgehen oder aus dem Weg räumen und Zuglimits einhalten. Zudem trifft man gelegentlich auf Händler oder Banden, auf die ein Kopfgeld ausgesetzt ist, kann Schatzkisten bergen oder Rohstoffe sammeln und allerlei Zufallsereignisse erleben.

Zug um Zug

Bei Kriegseinsätzen geht es hingegen primär darum, eigene Befestigungsanalgen zu beschützen und zu verstärken und die des Feindes dem Erdboden gleich zu machen. Unterstützt wird man dabei in der Regel vom Feuer in der Nähe befindlicher Geschützstellungen, deren Wirkungsbereiche auf der Karte einsehbar sind. Doch auch der Feind nutzt meist entsprechende Stellungen. Potentielle Gegner bewegen sich auch hier sichtbar übers Spielfeld, allerdings ohne auf eigene Züge zu warten wie bei Quests.

Bei Quest- und Kriegseinsätzen bewegt man sich zugweise über die Landkarte.
Darüber hinaus gibt es auch keine festgelegten Ziele, sondern jeder entscheidet selbst, wo und wie er in den vom Ausgang unzähliger Einzelkämpfe bestimmten Schlachtverlauf eingreift.

Erfolgt die Bewegung des eigenen Söldnertrupps über die Landkarte aus der Vogelperspektive, werden die Kämpfe aus der Seitenansicht bestritten. Ein Trupp besteht dabei aus maximal vier eigenen Söldnern, deren Kampfpositionen von einer zuvor festgelegten Offensiv- bzw. Defensivformation abhängig sind. Welche der beiden Verwendung findet, hängt von der Art des Einsatzes ab. Verteidigende Truppen haben den Vorteil mehr Umgebungsobjekte wie Schutzwälle, Fallen oder Versorgungskisten nutzen zu können. Am eigentlichen Kampfverlauf ändert das aber nichts.

Auf in die Schlacht

Sind die Positionen eingenommen, können die teilnehmenden Söldner der eingeblendeten Zugfolge entsprechend agieren. Auf insgesamt drei Bahnen kann man sich auf den Gegner zu bewegen und bei passendem Abstand einen Angriff starten. Dazu stehen einem je nach Charakterklasse knapp ein Dutzend unterschiedliche Waffengattungen zur Verfügung: Während zauberkundige Einheiten Stäbe, Folianten oder Totenschädel nutzen, geht es im Nahkampf mit Schwertern, Schilden, Dolchen, Lanzen oder Hämmern zur Sache, während Distanzschützen auf Flinten, Wurfflaschen, Fassbomben oder Pfeil und Bogen setzen.

Im Formationsmenü lassen sich individuelle Offensiv- und Defensivaufstellungen inklusive Objektplatzierungen festlegen.
Mit dem gleich zwei Truppenplätze belegenden Drachenmagier ist sogar eine berittene Einheit am Start.

Was man mit den einzelnen Einheiten unternehmen kann, hängt von den zugeteilten Fertigkeiten sowie den zur Verfügung stehenden Bewegungs- und Aktionsreserven ab. Maximal sechs Plätze stehen jedem Charakter zur freien Belegung mit aktiven Kampffertigkeiten zur Verfügung, weitere vier für passive Fähigkeiten. Welche man erlernt, hängt von der gewählten Charakterklasse ab, wobei nicht jeder Krieger, Magier oder Bogenschütze automatisch die gleichen Fertigkeiten lernt. Wer mit der Vergabe nicht zufrieden ist, kann sein Repertoire aber auch mit Lehrbüchern erweitern. Manche davon können gekauft oder gefunden werden, während andere von erfahrenen Besitzern der entsprechenden Fertigkeiten selbst geschrieben werden müssen.

Überhaupt gibt es viele motivierende Möglichkeiten, die bis zu sechs Söldnertrupps den eigenen Vorstellungen gemäß zu formen. Zunächst heuert man einen Neuling mit möglichst vielversprechenden Eigenschaften an, verpasst ihm ein gefälliges Erscheinungsbild und investiert in Stärke, Technik, Agilität oder Konstitution. Je höher der Rang des Charakterwerts, desto schneller kann dieser wachsen. Danach teilt man den Neuling einem Trupp zu, lässt ihn Kämpfe bestreiten, weitere Fertigkeiten erlernen und baut seine Stärken immer weiter aus.

Helden nach Maß

Ab einer bestimmten Stufe kann man ihn sogar nochmals auf Level eins zurücksetzen und als Belohnung den Rang gewisser Charakterwerte steigern, um diese im Anschluss noch schneller und höher anwachsen zu lassen. Pflicht ist das allerdings nicht. Wer will, kann auch ganz ohne solche Klassen-Upgrades einen schlagkräftigen Veteranentrupp zusammenstellen, der den meisten Konkurrenten lange Zeit überlegen sein wird, auch wenn die Luft am Ende der Leiter ohne diese Extra-Boosts natürlich immer dünner wird.

Es gibt viele Möglichkeiten auf die Entwicklung seiner Charaktere Einfluss zu nehmen.
Oft sind eine gute Ausrüstung und Gruppenzusammensetzung aber ohnehin viel wichtiger als maximierte Einzelwerte.

In den Kämpfen kommt es ebenfalls auf weit mehr an. So gibt es Waffen und Angriffe, die gegen bestimmte Gegner besonders effektiv sind. Zudem spielt es eine Rolle von wo man seinen Gegner angreift oder welche Objekte auf dem Schlachtfeld platziert wurden. Neben Fallen und Hindernissen, lassen sich auch Fahnen hissen, die beide Seiten vor gewissen Statusbeeinträchtigungen schützen, keine Abwehrhaltungen zulassen, regelmäßig Schaden verursachen und vieles mehr. Darüber hinaus können Kristalle aufgestellt werden, in deren Nähe man besondere Kräfte entfaltet, während Versorgungskisten zusätzliche Heilungen bereithalten.

Geschick und Taktik

Des Weiteren ist oft auch Geschick gefragt, wenn es um die manuelle Ausführung vieler Kampfaktionen geht. Da müssen Nahkampf-Kombos gut getimt, Trefferbereiche für Zauber und Fernangriffe richtig erwischt sowie Ab- und Aufprallverhalten von Wurfgeschossen und Figuren genau abgeschätzt werden. Während das Bewegen der Söldner trotz fieser Fallen und Hinterhalte eher gemütlich verläuft (es gibt sogar eine begrenzte Undo-Funktion), sind beim Ausführen der Angriffe nämlich auch mal schnelle Reaktionen gefragt und fatale Kollateralschäden möglich.

In den rundenbasierten Kämpfen ist neben taktischer Planung immer wieder auch Geschick und Timing gefragt, um Schadenswirkungen zu maximieren.
Fällt ein Drache um oder holt ein Lanzenkrieger zum Rundumschlag aus, tut das nahen Verbündeten meist auch weh.

Manche Objekte können sogar erklommen werden, um Schüssen mehr Wucht zu verleihen, während andere wiederum hochexplosiv sind. Mit speziellen Punkten lassen sich sogar tödliche Unterstützungsangriffe oder Rettungen in letzter Sekunde aktivieren. Zudem können sich manche Gegner tarnen, andere besonders zerstörerische, aber auch unterbrechbare Aufladeangriffe initiieren. Angesichts 17 spielbarer Charakterklassen und einer Vielzahl an Waffen, Fertigkeiten und Umgebungsobjekten kommt so schnell jedenfalls keine Langeweile auf den Schlachtfeldern auf. Nur die Kampfansicht ist nicht immer optimal und konfrontiert einen gelegentlich mit Aktionen außerhalb des Sichtbereichs. Und auch die aktivierbare Beschleunigungsfunktion, wenn der Gegner am Zug ist, könnte ruhig noch flottere Einstellungen erlauben.

Bei der Präsentation gibt es hingegen nicht viel zu meckern, die handgemalten Figuren und Hintergründe versprühen charmantes Anime-Flair. Vor allem die Animationen wissen zu gefallen - da sieht man sogar beim Sterben immer wieder gern zu. Schön ist auch, dass Figuren, die sich bei Dialogen an den Spieler richten, einen tatsächlich auch direkt ansehen, obwohl man die meiste Zeit nur stiller Beobachter ist. Nach jeder Rückkehr zur Söldnergilde, bekommt man zudem einen kurzen Statusbericht und praktische Tipps, die immer wieder für Aha-Erlebnisse sorgen.

Charmanter Look

Auch sonst gibt es viele nette Details, wie ausrüstbare Navigationshilfen oder individuell anpassbare Spielkegel, Banner und Kampfsprüche. Wer sich für eine der Nationen besonders verdient macht, wird sogar in Abenteuern anderer Spieler von Barden besungen. Wer es konkreter mag, kann sich aber auch in Online-Ranglisten verewigen, frühere Kriegsverläufe einsehen oder anderen Spielern folgen.

Die Hege und Pflege der individuell anpassbaren Söldner ist sehr motivierend.
Ein Duellmodus wäre hier sicher noch das Sahnehäubchen gewesen. Aber auch ohne wird man immer wieder vor spannende Herausforderungen gestellt.

Wer will oder keine Zeit für lange Kriegseinsätze hat, kann seine Söldnertrupps auch eigenständig an die Front schicken, wo sich andere Spieler dann mit ihnen messen können. Allerdings zieht man hier trotz anpassbarer KI und individuell zuteilbarer Aktionen gegen einen gleichstufigen Gegner in der Regel fast immer den Kürzeren, da die Optionen nicht dezidiert genug sind und die KI viel zu durchschaubar agiert. Optimierungen sind dank einsehbarer Kampfaufzeichnungen aber trotzdem möglich. Aber keine Sorge, auch für gescheiterte Einsätze gibt es Sold und Erfahrung.

Allzeit bereit

Zudem lassen sich Söldner von anderen Spielern in Abwesenheit ausleihen und umgekehrt, wodurch man bei Kriegseinsätzen bis zu sechs Charaktere gleichzeitig befehligen kann. Und obendrein erhält man nach seiner Rückkehr teils unerwartete Geldregen. Die Einkaufsmöglichkeiten in der Gilde sind allerdings begrenzt.

Beim Schmied kann man mit Rohstoffen und Bauplänen neue Ausrüstungsgegenstände anfertigen lassen.
Vor allem für höhere Stufen findet man passende Waffen und Rüstungen eher in den Hauptstädten der vier Nationen, wo man nicht nur Schmiedearbeiten in Auftrag geben, sondern je nach Kriegslage und Ruf auch wechselnde Warenangebot durchforsten kann.

Angelegte Ausrüstungsgegenstände lassen sich zudem mit Kleinoden bestücken, mit denen sich gezielt Angriffsarten verstärken, Abwehrkräfte erhöhen, Lernfähigkeiten beschleunigen oder Charakterwerte verbessern lassen. Auf dem Weg zur perfekten Kampftruppe gibt es jedenfalls viel zu tun und zu entdecken, da sich immer wieder neue Facetten und Kombinationen eröffnen. Und so lange die Online-Kriege toben, kann man sich immer wieder als Söldner in Resonail verdingen und an seinem Vermächtnis arbeiten.

Fazit

Grand Kingdom ist ein tolles Taktik-Rollenspiel, dessen erzählerischer Rahmen gewaltig, dessen facettenreiche Rundenschlachten unglaublich spritzig und dessen vielseitige Truppenverwaltung enorm motivierend ist. Zudem warten die malerischen Söldnerkämpfe mit einer interessanten Online-Anbindung auf, die allen Spielern kriegsorientierte Interaktions- und Entscheidungsmöglichkeiten bietet, ohne dabei in direktem Kontakt zu stehen. Doch auch ohne Mehrspielerduelle wird einem angesichts der vielen anderen Inhalte so schnell nicht langweilig. Man heuert immer wieder frische Rekruten an, legt neue Gruppen fest, bestreitet Einsatz um Einsatz, optimiert Fertigkeiten und Ausrüstung und klettert in der Söldner-Karriereleiter fortlaufend nach oben. Zudem gibt es jede Menge liebevoller Details und Facetten zu entdecken sowie immer wieder neue Herausforderungen zu meistern. Schade nur, dass man kein Geld in eine deutsche Lokalisierung investiert hat. Hobbystrategen, die das nicht weiter stört, sollten aber unbedingt zuschlagen, da ihnen sonst ein echter Leckerbissen durch die Lappen geht. Ich konnte meine Waffen jedenfalls nur schwer wieder zur Seite legen.

Pro

  • malerische Präsentation
  • facettenreiche Rundentaktik
  • vielseitiges Truppenmanagement
  • fünf Story-basierte Feldzüge
  • 17 spielbare Charakterklassen
  • motivierende Online-Anbindung

Kontra

  • keine deutsche Lokalisierung
  • nicht immer optimale Kampfansicht
  • keine direkten Mehrspielerduelle möglich

Wertung

PlayStation4

Tolles 2D-Taktik-Rollenspiel mit motivierender Online-Komponente.