Gnomoria - Test, Taktik & Strategie, Linux, Mac, PC

Gnomoria
18.04.2016, Benjamin Schmädig

Test: Gnomoria

Baumeister im Quadrat

Klötzchen abbauen, umwandeln und mit neuen Klötzchen Burgen bauen – wenn das nicht Minecraft ist! Dieser Schein trügt nicht lange, denn im Gegensatz zu Perssons Do-it-yourself-Baukasten aus der Ego-Perspektive dirigiert man in Gnomoria ähnlich wie bei Anno, Die Siedler oder Dwarf Fortress von oben herab. Nachdem das Spiel vor einigen Wochen seine lange Early-Access-Phase verließ, haben wir für einen Test fleißige Gnome zu Bauern und Baumeistern gemacht.

Warum das Wuseln der Gnome an Dwarf Fortress und Die Siedler erinnert? Weil die Wichte ähnlich wie die Zwerge und Menschen eigenständig handeln. Man gibt ihnen lediglich eine Anweisung, Felsen auszugraben, eine Mauer samt Tür zu errichten, ein Feld anzulegen oder eine Werkbank herzustellen und schon nehmen sich entsprechend begabte Gnome den Aufgaben an. Man kann die Berufe, genauer gesagt die Prioritäten, in denen alle Aufgaben ausgeführt werden, auch unabhängig der individuellen Fähigkeiten zuweisen. Das ist aber nur selten nötig oder gar praktisch.

Berufe und Begabungen

Vorgaben gibt es keine. Man hat alle Freiheiten, kann nach Belieben werkeln lassen. Sinnvoll ist es natürlich, das Überleben der Gnome zu sichern – immerhin fallen irgendwann Monster in das vom Zufall erstellte Spielfeld ein. Nur wer sein Gnomenland lieber ungestört verwaltet, stellt den Schwierigkeitsgrad auf „friedlich“. Damit die Gnome überleben, brauchen sie zwar auch dann Nahrung und Schlaf, das Leben ohne Feinde macht selbiges aber leichter.

Und inwiefern erinnert Gnomoria an Minecraft? Weil seine Protagonisten jeden einzelnen Stein ihrer aus Würfeln bestehenden und in große Tiefe reichenden Welt abbauen können. Sie schütteln Äpfel von Bäumen, ernten die

Wer komplexe Behausungen erschaffen will, muss den Gnomen nur die richtigen Befehle geben.
Früchte zuvor angelegter Acker, fällen und pflanzen Bäume, züchten Tiere und unterhalten so einen umfangreichen ökologischen Kreislauf.

Eigenbau

Aus Holz und geschürften Steinen erstellen sie schließlich Werkzeuge, woraus wiederum Wände, Böden und Dächer entstehen. Sie lagern Materialien, bis sie gebraucht werden – auch diese Flächen müssen markiert werden, im Idealfall lässt man zudem Kisten zur Vergrößerung der Lagerkapazität herstellen. Indirekt kontrolliert man also ein komplexes System aus Arbeitsabläufen und ähnlich wie in Minecraft ist das ungemein motivierend, wenn aus ausschließlich natürlichen Ressourcen gewaltige Behausungen oder Burgen entstehen!

Bis man dorthin kommt, dauert es allerdings unangenehm lange, denn eine Einführung gibt es nicht. Selbst eine Erklärung der grundlegendsten Funktionen fehlt. Und nicht nur das: Weil Zusammenhänge der Art "Welche Gegenstände kann ich mit welchem Material herstellen?" kaum beschrieben werden, erleben nicht nur Anfänger mitunter mehr müßige als unterhaltsame Stunden.

Was womit und wofür?

Die Steuerung trägt ihren Teil dazu bei, denn Gnomoria gehört nicht zu den auf altmodisch getrimmten modernen Spielen. Es ist vielmehr so sperrig, als wäre es tatsächlich vor 15 oder 20 Jahren erschienen. So schaltet die Kamera ohne Schwenk starr zwischen vier Ansichten um und anstatt vor der Linse liegende Ebenen, etwa beim Blick in einen Felsen, durchsichtig zu machen, sieht man stets nur die aktuell gewählte und einige tieferliegende Ebenen. Hinzu kommt, dass die Gnome nicht animiert sind, also wie starre Pappaufsteller herumlaufen. Was sie gerade

Sieht übersichtlicher aus, als es ist: Das stufenweise Heben und Senken der Kamera erschwert auch für erfahrene Spieler die Übersicht.
machen, erkennt man deshalb nicht auf den ersten Blick. Das alles erschwert die Übersicht und ist in Verbindung mit den winzigen Menüs selbst dann noch umständlich, wenn man längst daran gewöhnt ist.

Hinzu kommen kleine technische Fehler, mit denen man die Tastaturbelegung z.B. nicht mehr einstellen kann oder eine Wegfindung, die schon mal dafür sorgt, dass Bergarbeiter einen Graben so ausheben, dass sie irgendwann hilflos auf einem Podest in der Mitte der Vertiefung stehen. Cool ist, dass  man Gerüste aufstellen kann, damit die Gnome höher gelegene Mauern erreichen. Dennoch kann gerade der Bau komplexer Gebäude unnötig aufreibend sein.

Wer eine Grube gräbt...

Auch die bei maximaler Ausdehnung noch recht überschaubare Kartengröße sorgt dafür, dass Gnomoria nie sein ganzes Potential ausreizt. Dabei ist genau das im Grunde enorm hoch – das verdeutlichen schon die zahlreiche Starteinstellungen, mit denen man sowohl die Wesenszüge der vom Zufall erstellten Umgebung als auch Eckdaten zu Schwierigkeit, vorhandenen Gegnertypen und weiteren Eigenschaften wählen darf. Das Spiel unterstützt außerdem Modifikationen. Vielleicht gelingt es findigen Fans ja irgendwann, den  motivierenden Klötzchenbau bequemer und umfangreicher zu gestalten.

Fazit

Es kostet eine gehörige Portion Sitzfleisch dazu, alle wichtigen Besonderheiten dieser komplexen Aufbaustrategie überhaupt kennenzulernen – weniger als in dem scharf an der Tabellenkalkulation vorbei schrammenden Dwarf Fortress, aber deutlich mehr als in Minecraft, Anno oder Die Siedler. Kleine technische Probleme stören zudem den Spielfluss und auch die umständliche Steuerung begleitet Gnomführer Zeit ihrer Amtszeit. Das alles ist ärgerlich, aber wenn man erst mal damit begonnen hat, Produktionswege zu erstellen, Material abzubauen und architektonisch Unmögliches Wirklichkeit werden zu lassen, sieht man darüber hinweg. Es gibt einige richtig gute Momente: Wenn automatische Fallen Gegner aufhalten, bevor Gnom-Soldaten sich mit frisch gebauten Waffen auf den Rest stürzen, und man beim Blick in mehrstöckige Höhlen dabei zusieht, wie die kleinen Wesen eigenständig bauen, kochen, lagern oder schlafen. Obwohl es nie für all seine ärgerlichen Macken entschädigt, übt Gnomoria dann einen unerhört großen Sog aus!

Pro

  • umfangreiche Simulation von Rohstoffen und Produktionsvorgängen
  • freier Abbau und offenes Konstruieren
  • Gnome agieren selbstständig entsprechend ihrer Fähigkeiten
  • nach Belieben händisches Zuweisen und Priorisieren von Aufgaben
  • zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten zu Spielbeginn
  • Mod-Unterstützung

Kontra

  • keine Einführung irgendeiner Form
  • wenige Erklärungen zu Verwendung von Gegenständen und benötigten Materialien
  • sehr umständliche Steuerung
  • Gnome finden manche Wege nicht und bauen sich mitunter selbst ein
  • fehlende Animationen erschweren Übersicht, auch aufgrund starrem Umschalten der Kamera
  • überschaubare Kartengröße, auch mit höchstmöglichen Maßen
  • mehrere kleine technische Fehler stören Spielfluss
  • ausschließlich englische Texte

Wertung

PC

Weniger komplexe Auslegung von Dwarf Fortress, die dank ihrer grafischen Darstellung und trotz Fehler im Spieldesign leichter zugänglich ist als ihr Vorbild.