Star Ruler 2 - Test, Taktik & Strategie, Linux, PC

Star Ruler 2
10.05.2016, Benjamin Schmädig

Test: Star Ruler 2

Neue politische Stärke

Gelegentlich frage ich mich, ob ich Star Ruler 2 zu niedrig bewertet habe. Denn obwohl mir das große Galactic Civilizations 3 besser gefallen hat, zieht es mich eher zur einzigartigen Diplomatie und dem umfangreichen Ausbau einer Infrastruktur des "kleinen" Herausforderers. Mit der Erweiterung Wake of the Heralds habe ich deshalb – ursprünglich nicht einmal für diesen Test – mal wieder einen Blick riskiert.

Was war denn das Besondere an Star Ruler 2? Das coole Stampfen dieses einen Soundtrack-Stücks zählte dazu, die übersichtliche Steuerung – vor allem aber waren es diplomatische Möglichkeiten, die über das schnöde Erkaufen politischer Gefallen hinausgingen. Stattdessen investierte man die wie in anderen Spielen erwirtschaftete Ressource "Einfluss" in Verhandlungskarten, um diese in zahlreichen Abstimmungen einzusetzen. Jedes Volk konnte eine solche Wahl selbst starten, um z.B. die Forschung im gesamten Universum zu beschleunigen oder ganze Planeten zu annektieren.

Dynamisches Tauziehen

Befürworter und Gegner legten daraufhin verschieden starke Stimmrechte ein und konnten aufgrund vorheriger Ereignisse auf andere Fraktionen Druck ausüben. Diese Dynamik, ein echtes Tauziehen um Gefallen und Macht, war

Im- und Exporte ermöglichen Wachstum.
nicht nur vor einem guten Jahr einzigartig – das ist es bis heute. Und darauf baut die Erweiterung natürlich auf: U.a. bringt sie neue Karten ins Spiel, die den Machtkampf vielseitiger gestalten, und sie führt den Vorsitzenden des galaktischen Senats ein.

Nur der Führer des Senats darf dabei ganz bestimmte Karten spielen. Als ich etwa einen feindlichen Planeten übernehmen wollte, habe ich dem entsprechenden Volk einfach das Stimmrecht entzogen. Das hat viel Einfluss gekostet – gelohnt hat es sich allemal! Die für mich wichtigste Neuerung ist aber der endlich mögliche diplomatische Sieg, den ausschließlich der Führer des Senats erzielen kann. Wen das nicht interessiert, der baut natürlich weiter einfach seine Streitmacht aus. Für politische Strategen spielt das Vergrößern des Einflussbereichs jetzt aber eine größere Rolle als im "nackten"

Mit der Erweiterung Wake of the Heralds veröffentlichte Blind Mind Studios übrigens auch ein Update, das Star Ruler 2 um Einstellungen erweitert, mit denen man verschiedene Eigenschaften der Gegner zu Beginn einer Partie festlegen kann. Kleine grafische Neuerungen verfeinern zudem die Darstellung von Planeten und Sternen.
Hauptspiel – schon allein deshalb, weil sie mit genügend Einfluss den aktuellen Vorsitz durch eine Neuwahl absetzen können.

"Ruhe im Saal!"

Wer die politische Spitze lieber mit militärischen Mitteln entmachtet, dürfte sich darüber freuen, dass die Flaggschiffe der Flotte mit Wake of the Heralds an Erfahrung gewinnen: An je mehr Gefechten sie teilnehmen, desto stärker werden sie. In der Wissenschaft kommen zudem Projekte hinzu, die an verdeckten Stellen der Forschungsbäume auftauchen und den Bau besonders mächtiger Technologien bzw. effektiver Gebäude ermöglichen. Und in einem neuen Modus in einer neuen Galaxie spielen die Völker nicht gegeneinander, sondern müssen sich gegen in Wellen angreifende Feinde verteidigen. Allzu angetan bin ich von diesem "Invasion" zwar nicht, als gelungene Abwechslung habe ich eine Partie aber gerne gespielt.

Weil nicht jeder Terrakin der gleiche ist

Viel entscheidender ist eine Neuerung, die jedem Volk anfangs eine von zwölf Eigenschaften verleiht – weitere können im Austausch gegen Einfluss hinzugefügt werden. Diese besonderen Merkmale beschleunigen Wirtschaftswachstum oder Forschung, stärken die Kampfkraft der Flotte und mehr: Bis zu fünf Vorteile erhält man durch eine der "Attitüden" – je nachdem, welche Bedingungen für den Ausbau der Eigenschaft man bereits erfüllt hat. Man entwickelt sein Volk also individueller als im Hauptspiel.

Und natürlich gibt es mit den titelgebenden Boten (Heralds) sowie den Ersten zwei komplett neue Völker – neu, weil sie sich zum Teil grundlegend von den anderen Fraktionen unterscheiden. Die Ersten siedeln etwa nicht auf Planeten,

Siedler auf dem Weg zu neuen Horizonten.
sondern errichten lediglich Gebäude, die automatisch Ressourcen schürfen. Jeder auf diese Art eingenommene Planet von Beginn an voll entwickelt ist, so dass man seine Ressourcen von Beginn an nutzen kann, erfordert das Lenken der Ersten ein intensiveres Eingreifen und verlagert dadurch den Schwerpunkt des Spiels.

Die Siedler als Vorboten

Die Herolde siedeln hingegen ganz von selbst, man kann Planeten im Normalfall also nicht gezielt für diesen Zweck ansteuern. Interessant: Bei der Wahl des Volks weist das Spiel daraufhin, diese Spielweise sei Anfängern nicht empfohlen – dabei empfand ich das automatische Siedeln zumindest für meinen Wiedereinsteig als ausgesprochen erholsam. Denn während man mit den Ressourcen Vorlieb nehmen muss, die die Siedler aussuchen, kann man sich voll und ganz darauf konzentrieren, die Notwendigkeiten der Infrastruktur kennenzulernen.

Fazit

Denn das ist nicht nur eine der großen Stärken – es gehört nach wie vor auch zu den auffallendsten Schwächen dieser Weltraumeroberung: Das Anlegen zahlloser unverzichtbarer Im- und Exportwege ist im späteren Verlauf dermaßen undurchsichtig, dass es alle anderen Vorgänge stark aufhält. U.a. deshalb wurde mir beim erneuten langen Spielen von Star Ruler 2 auch klar, weshalb das Hauptspiel trotz seiner hervorragenden Ansätze kein sehr gutes ist. Und dafür ist manches auch mit Wake of the Heralds noch zu starr und umständlich. Die Erweiterung wertet die 4X-Strategie aber spürbar auf; vor allem die Möglichkeit eines diplomatischen Siegs empfinde ich als gelungene Neuerung. Dass nicht jedes Volk auf diese Art gewinnt, sondern nur über den Vorsitz des Senats dahin gelangen kann, macht die Option nur interessanter, weil sie das ohnehin starke politische System stärkt. Die zusätzlichen, frei wählbaren und ausbaubaren Besonderheiten aller Völker verleihen ihnen zudem eine größere Individualität. Daher lege ich Star Ruler 2 trotz seiner Schwächen, aber ganz besonders im Zusammenspiel mit seiner ersten Erweiterung nach wie vor jedem ans Herz, der auf der Suche nach einzigartigen Machtspielen in den unendlichen Weiten ist!

Einschätzung: gut

Wertung

PC

Durchdachte Erweiterung, die die Weltraumeroberung behutsam ergänzt.