Stellaris - Test, Taktik & Strategie, PC, XboxOneX, XboxSeriesX, Mac, Linux, PlayStation4, XboxOne

Stellaris
13.05.2016, Benjamin Schmädig

Test: Stellaris

Ein Sieg der Diplomatie?

Paradox Interactive (Europa Universalis, Hearts of Iron, Crusader Kings) hat die Vergangenheit längst aufgearbeitet – jetzt blickt das schwedische Studio in die Zukunft. Dabei macht Stellaris (ab 35,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) wenig anders als ähnliche Strategiespiele: Von den ersten Schritten ins All bis zum Kampf um die Vorherrschaft in der gesamten Galaxie führt man ein Volk durch militärische, gesellschaftliche, wissenschaftliche und diplomatische Entwicklungen. Mit einer Besonderheit hebt es sich allerdings von seinen Konkurrenten ab...

Wer in Galactic Civilizations 3, Master of Orion, Polaris Sector oder Star Ruler 2 die ersten Kolonisten auf einen fremden Planeten schickt, der weiß, dass ihm bald zahlreiche Völker den Platz im Universum streitig machen werden. Um Völkerverständigung geht es in der 4X-Strategie nur am Rande. Stattdessen kämpfen humanoide, pilzige, aquatische und sonstige Wesen mal mit politischem Druck, mal mit martialischen Mitteln um die größte Ausdehnung, fortschrittlichste Forschung oder stärkste Wirtschaft.

Runde, mach mal Pause!

Das ist in Stellaris nicht anders, auch wenn die futuristische Geschichte nicht im Rundentakt, sondern mit beliebiger Geschwindigkeit und jederzeit anhaltbar in Echtzeit vorbeizieht. Und noch etwas unterscheidet diese unendlichen Weiten von den meisten ihrer Parallelwelten: Wo dort vielleicht ein Dutzend Völker um historische Fußnoten ringen, sind es in Stellaris bis zu 40. Das Verwalten einzelner Planeten rückt deshalb in den Hintergrund – diplomatisches Schalten steht im Mittelpunkt.

Während Regierungsvertreter also die Entwicklung einzelner Planeten gemäß der geforderten Schwerpunkte (Energie, Material oder eine Optimierung auf Kriegswirtschaft) eigenständig vorantreiben, lässt man Forscher neue

Farbenfrohe Weiten: Diplomatisches Geschacher spielt in Stellaris eine zentrale Rolle.
Planetensysteme analysieren und Kolonisten neues Grenzland erschließen. Man vergrößert die Flotte, forscht, tauscht eigene Erkenntnisse gegen die Rohstoffe anderer Völker, schlägt Aufständische nieder und verteidigt sein Reich gegen mächtige Angreifer.

Seltsam nur, dass man die Rahmenbedingungen kaum verändern darf. Das Variieren zahlreicher Regler (Verteilung der Ressourcen und Planeten, Häufigkeit und Art besonderer Vorkommnisse, das An- oder Abschalten ganzer Spielinhalte) gehört in der 4X-Strategie eigentlich zum guten Ton – Stellaris erlaubt nicht einmal das Festlegen möglicher Siegbedingungen. Man kann unterschiedlich vielen Konkurrenten vom Start weg einen Vorteil einräumen sowie Größe und Art der Galaxie wählen. Nach der Entscheidung für einen von gerade mal drei Schwierigkeitsgraden war's das aber schon. Lediglich das Aktivieren des "Ironman", also des ständigen Fortführens ein und desselben Spielstandes, ist eine interessante Option.

Wie willst du siegen?

Dennoch ist vor allem das Fehlen unterschiedlicher Zielvorgaben ärgerlich. Ich bin selbst kein Fan des Siegs nach Punkten und halte es für unlogisch, dass andere Parteien ihre Niederlage anerkennen, sobald ein Gegner bestimmte

Von der Nahansicht einzelner Sternensysteme verabschiedet man sich bald.
Gebäude gebaut oder einen gewissen wissenschaftlichen Fortschritt erzielt hat. In Galactic Civilizations 3 oder Endless Space schalte ich solche Optionen deshalb ab. Stellaris lässt mir hingegen keine andere Wahl als die Galaxie mit Macht an mich zu reißen – das ist gerade nach der Einführung des diplomatischen Siegs in Star Ruler 2 sehr schade! Dabei räumt Stellaris doch gerade der Diplomatie einen so hohen Wert ein.

Und immerhin darf man das eigene sowie alle weiteren zentralen Völker umbenennen, in ihren Eigenschaften grundlegend verändern sowie eine komplett neue Art erstellen, wahlweise mit zufälligen Charakteristiken.

Die gewinnt spätestens dann an Wert, wenn der Einflussbereich des eigenen Imperiums an die Ausläufer anderer Reiche stößt. Charaktereigenschaften und Ideologien sowie die Spannungen beim Teilen derselben Grenze und andere Faktoren bestimmen dann über das Auftreten der Kontrahenten. Man kann Botschaften errichten, um die Beziehungen zu verbessern oder Mitstreiter zu Rivalen erklären. Selbstverständlich darf man auch Bündnisse eingehen, um im Kriegsfall Unterstützung zu erhalten.

Verantwortung als Teil des Ganzen

Interessanterweise wütet man selbst als Mitglied einer starken Föderation aber nicht wild im All, denn jede Kriegserklärung muss von allen Partnern unterzeichnet werden. Verweigert auch nur eine die Zustimmung, bleibt der bewaffnete Konflikt aus; man könnte dann nicht einmal Schiffe in das Gebiet des gewünschten Gegners fliegen. Dazu müsste ein Vertrag über einen Grenzöffnung für militärischen oder zivilen Verkehr ausgehandelt werden, wofür man zunächst die Beziehungen mit dem unliebsamen Nachbarn zu verbessern hätte. Und schon macht man gute Mine zum bösen Spiel, wenn die freundlichen Sklaventreiber von nebenan mal wieder ihre Flotte aufrüsten...

Allzu umfangreich ist dabei weder der diplomatische Handlungsspielraum noch sind die Kontrahenten als Charakterköpfe erkennbar. Dazu sieht man viel zu offensichtlich, wie Stellaris lediglich Zahlenwerte gegeneinander abwägt. Die Mitstreiter tun sich weder durch markante oder gar überraschende Aktionen hervor noch hört man sie

Wer jetzt kichert, kennt sich mit gutem Zeichentrick aus.
reden, sieht sie in kurzen Videos oder anderswo. Sie bieten zwar selbstständig neue Abkommen an, tauschen aber fast immer nur ein Zugeständnis gegen das gleiche der Gegenseite. Sie bieten nicht von sich aus etwa Rohstoffe im Austausch für den Zugang zu Raumstationen eines anderen Imperiums an.

Geschacher und Zahlenspiele

Initiiert man derartige Angebote hingegen selbst, sind manche Punkte aufgrund der politischen Lage oder ideologischer Unterschiede generell nicht verhandelbar, unterm Strich schiebt man aber lediglich unterschiedliche Laufzeiten und verschieden hohe Zahlungen umher, bis der Verhandlungspartner gerade so zustimmt. Eine kleine Unsicherheit, durch die man vorsichtshalber mehr Zugeständnisse macht, als man eigentlich opfern möchte, gibt es nicht. Nach einem Scheitern könnte man ohnehin sofort den nächsten Versuch starten.

Die komplette Galaxieeroberung ist etwas zu offensichtlich eine grafische Tabellenkalkulation. Tatsächlich erinnert das Spiel in seiner unterkühlten – und durchaus eleganten – Schlichtheit an Endless Space. Mehr noch: Paradox verzichtet komplett auf einführende Filme oder kurze Einspieler zu besonderen Vorkommnissen, wie dem Entdecken

Welchen Einfluss nimmt der Einfluss?

All das wäre weniger auffällig, würden die diplomatischen Wechselspiele nicht so zentral im Vordergrund stehen. Dank der Spielanlage fällt das solide, aber auch oberflächliche Geschacher deutlicher ins Gewicht als in ähnlichen Titeln.

Ein wichtiger Bestandteil bei der Entwicklung des Imperiums ist Einfluss - neben einer Währung, Baumaterialien sowie verschiedenen wissenschaftlichen Rohstoffen eine der wichtigen Ressourcen. Man erhält ihn automatisch, kann die Zufuhr durch den Ausbau des Heimatplaneten und politische Aktionen aber beschleunigen.

Einfluss dient als Zahlungsmittel für Wissenschaftler, die bestimmte Forschungszweige stärken, und Admiräle zum Erhöhen von Flottenwerten. Er wird außerdem fällig, wenn man durch einen Erlass z.B. die ethnische Vielfalt erhöht und den Wunschkandidaten der bevorstehenden Wahl zum Regenten unterstützt.

So dient Einfluss vor allem der Personalisierung: Durch überlegten Einsatz der Ressource entsteht ein Imperium mit individuellen Eigenschaften.einer Anomalie, und zeigt in Weltraumschlachten recht klobige Raumschiffe in unspektakulären Gefechten: Selbst zwischen riesigen Flotten bringen lediglich ein paar bunte Laser Farbe ins Spiel.

Im Gegenzug bereichern kleine Ereignisse das im besten Sinne entspannte Verwalten des bald riesigen Imperiums. Nach dem Entdecken einer Zivilisation im Inneren eines Planeten habe ich mich mit den Mitbewohnern etwa auf ein gemeinsames Zusammenleben geeinigt, anstatt sie gewaltsam zu vertreiben. Diese Möglichkeit stand mir aufgrund der Besonderheiten meines Volkes zur Verfügung. Als die "Kellerwesen" beim Ausbau ihrer Höhlen allerdings schwere Erdbeben verursachten, musste ich ihnen eine Entschuldigung abringen, um die gute Stimmung meiner eigenen Bevölkerung zu wahren. Und irgendwann flüchteten einige der Unterirdischen schließlich ans Tageslicht: Hätte ich ihnen Asyl gewähren oder sie abweisen sollen?

"Hallo, da unten!"

Interessant ist auch das Beobachten junger Völker, die noch nicht zu den Sternen aufgebrochen sind. Die kann man nämlich erforschen, geht bei größerem Forschungseinsatz aber das Risiko ein entdeckt zu werden. Vielleicht ist man aber gar nicht nur an Wissenschaft interessiert. Vielleicht beschleunigt man die Entwicklung der einfachen Technologie des Volkes, um später verdeckte Agenten in Regierungskreise schleust und sich so den Planeten einzuverleiben. Denn nur kolonisierte Weltraumreisende können Mitglieder der galaktischen Imperien sein.

Nicht zuletzt hat man die Möglichkeit anderen Parteien ein Protektorat anzubieten sowie schwache Völker oder im Krieg besiegte als Vasallen dem eigenen Reich einzugliedern – oder sich im Notfall selbst auf diese Art zu ergeben. Durch einen erneuten Krieg könnte man sich später losreißen.

Und dann gibt es noch Siedler, die gerne ihren eigenen Staat ausrufen würden. Die sammeln fernab der Heimatwelt Stimmen gegen die Staatsgewalt, beschädigen Gebäude oder erkämpfen sich gar ihre Unabhängigkeit. In einer gütigen Minute gewährt man Revoluzzern einfach die Selbstständigkeit. In einer weniger wohlmeinenden wirkt man ihrem Treiben mit einer teuren Medienkampagne entgegen oder besticht für eine hohe Summe die Rädelsführer.

Viele der interessanten kleinen Geschichten unterscheiden sich auf den ersten Blick zwar nicht von den unbedeutende Mitteilungen zum Wegklicken, machen den Weg zum Herrscher über die Galaxie aber unterhaltsam. Die notwendigen Handgriffe für die Entwicklung der Planeten kommen dem Verfolgen der großen Expansionspolitik dabei nicht in den Weg, denn die meisten Planeten weist man Sektoren zu, in denen sie automatisch aufgebaut werden. Nur die Heimatwelt muss man eigenhändig verwalten.

Sektoren statt Städtebau

Dort bereitet man vulkanische, verwachsene oder giftige Gebiete auf die Bebauung vor und errichtet man Produktionsstätten über entsprechenden Ressourcen. Anders als in Galactic Civilizations 3 achtet man dabei kaum auf benachbarte Boni – es ist gut, dass man die vielen Baustellen und Upgrades einer Verwaltung übergeben kann,

Die Aufnahme wirkt spektakulärer als die meisten Gefechte in Bewegung.
die zuverlässig Baustoffe herstellt, Energie zur Verfügung stellt, die Wirtschaft auf Kriegszeiten einstellt oder hauptsächlich die Forschung vorantreibt. So entfällt die zeitraubende Wiederholung recht gewöhnlichen Mikromanagements.

Auch beim Erforschen neuer Gebäude, Technologien und sonstiger Fortschritte verliert man sich nicht in Kleinigkeiten, denn anstatt zahlreiche Verzweigungen langer Forschungswege zu studieren, wählt man auf drei parallelen Forschungswegen jeweils ein Projekt aus etwa einer Hand voll Möglichkeiten. Diese hängen vom Zufall sowie dem Entwicklungsstand ab und erlauben ein individuelles Wachstum, ohne in Sackgassen zu führen.

4X-LEGO

Auf ähnlich elegante Weise erstellt man mithilfe der neuen Erkenntnisse neue Schiffe, falls man deren Ausbau nicht der Automatik überlassen möchte. Die vereint Forschungsergebnisse zwar zuverlässig in herkömmlichen Blaupausen, kreiert aber keine ausschließlich Schilde zerstörenden Kreuzer, denen komplett mit Raketen bestückte Schlachtschiffe folgen. Solche Flotten erhält man, indem man die gewünschten Chassis zu einem Rumpf zusammenfügt, die gewünschten Waffen einsetzt und den Rest vom Programm ausfüllen lässt – oder umgekehrt.

Es sind die kleinen Geschichten, die die Entwicklung vom ersten Schritt auf einem fremden Planeten zur interplanetaren Supermacht interessant machen.


Eine Taktik weist man der Flotte übrigens nicht zu; entweder greift sie an, wehrt sich nur oder flieht. Das nur der Vollständigkeit halber, nicht als Kritik.

Weniger elegant gelingt Paradox die Steuerung dieses Schiffe Versenkens, Grenzen Verschiebens, Ressourcen Hamsterns und politischen Drahtseillaufs. Das funktioniert im Wesentlichen zwar tadellos und bietet über eine Schnellauswahl jederzeit Zugriff auf alle wichtigen Menüs. Einige Handgriffe sind allerdings umständlich, andere nicht schnell genug erreichbar. Manche Fenster sind außerdem zu klein, ohne dass man die Größe ändern dürfte, was besonders beim Durchforsten der langen Liste diplomatischer Partner zu unnötig langem Mausrad-Streicheln führt.

Kleine Fenster und zu dicht dran

Völlig unsinnig ist sogar das Umschalten auf die Nahansicht eines Sterns mitsamt seinen Planeten, wenn man die Kamera lediglich zur Position eines gewählten Objekts bringen möchte. Zu allem Überfluss wechselt man in Stellaris per Tastendruck zwischen diesem Zoom und der fast durchgehend verwendeten Galaxiekarte, anstatt die Kamera per Mausrad nah genug heran oder weit genug weg zu fahren – die automatische Detailansicht stört also den normalen Ablauf und die Übersicht.

Fazit

Das Besondere ist der Blick von hoch oben: nicht auf einzelne Planeten, sondern auf gesamte Imperien. Während der Ausbau zahlreicher Kolonien weitgehend automatisiert verläuft, stehen politische Zusammenhänge, Verträge und Verhandlungen im Vordergrund – und diese Dimension erfasst Stellaris ausgesprochen gut. Hinter dem Errichten von Botschaften, dem Ausrufen von Rivalen und dem Aufbau von Allianzen ist zwar allzu offensichtlich die Tabellenkalkulation erkennbar, weil abseits kleiner Portraits weder kurze Filme noch ein Blick ins Gesicht der Konkurrenten die vielen Texte auflockern. Das Aushandeln wirtschaftlicher oder diplomatischer Vorteile erschöpft sich zudem im Zurechtschieben benötigter Ressourcen, die Steuerung enthält kleine Stolpersteine und die Optionen zum individuellen Anpassen einer neuen Partie sind erschreckend überschaubar. Wer sich vom gemütlich fließenden Farbklecks seines expandierenden Reichs aber in Ruhe tragen lässt, beeinflusst in kleinen Geschichten das Schicksal mancher Wesen, die im Kampf um die Galaxie gar keine Rolle spielen. Man stellt ein ganzes Volk im Detail auf Forschung oder Wirtschaft ein, passt die eigene Flotte mit wenigen Handgriffen an die Schwächen des Gegners an, gliedert Vasallen an und manipuliert die Wahl des kommenden Regenten, um dessen Spezialitäten auszunutzen. Ein galaktischer Wurf ist Paradox mit diesem ersten Schritt in die unendlichen Weiten noch nicht gelungen – ein richtig guter allemal!

Pro

  • detailliertes Erstellen eigener Völker...
  • zahlreiche Völker einschließlich Vasallen und kaum entwickelter Arten
  • automatische Regierungen großer Sektoren erleichtern Verwaltung
  • viele Möglichkeiten, Entwicklung des Volks individuell zu beeinflussen
  • kleine Ereignisketten mit unterschiedlichen Eingriffsmöglichkeiten je nach Eigenschaften des eigenen Volks
  • übersichtliche Forschung mit vielen Optionen
  • umfangreicher Ausbau der Planeten
  • Einstellen von alternden Forschern, Admiralen und Regenten für unterschiedliche Vorteile
  • wahlweise kinderleichtes Entwerfen neuer Raumschiffe
  • optionaler Ironman-Modus (ein durchgehend geführter Spielstand)
  • Unterstützung von Modifikationen per Steam-Workshop
  • gute Einführung durch optionale Hinweise und Übungen

Kontra

  • aber wenige andere Einstellungsmöglichkeiten bei Spielstart
  • nur zwei sich spielerisch kaum unterscheidende Siegbedingungen
  • grundsätzlich gute Steuerung ist mitunter umständlich und unlogisch
  • kein visueller Einblick in diplomatische, militärische oder andere Vorgänge zwischen anderen Imperien
  • viele sich wiederholende Textfenster statt wirklich besonderer Ereignisse
  • starre Rechenschieber-Diplomatie mit Konkurrenten ohne politisches Gesicht
  • kaum Einstellungsmöglichkeiten für Grafik, Menüs und Steuerung
  • viele unpassende deutsche Übersetzungen

Wertung

PC

Umfassende und gute, in mancher Hinsicht aber oberflächliche 4X-Strategie.