Power & Revolution - Test, Taktik & Strategie, PC
Ronald Drump liegt in den Umfragen und Prognosen nur wenige Prozentpunkte vor mir. Nichts, was Sorge bereiten würde. Eine Diffamierungskampagne in der entscheidenden Phase vor dem Urnengang und schon sieht es anders aus. Dann noch bei entsprechenden Auftritten in der Öffentlichkeit die richtigen Themen ansprechen, Wahlkampfversprechen machen und bald sollte der Schlüssel zum Weißen Haus mir gehören. Also klicke ich mich durch die Menüs, treffe Entscheidungen, verteile Wahlkampfbudgets, lege für den Fall der Wahl grobe Budgets fest und hoffe, irgendwann die Auswirkungen in einem anderen Menü oder als kurze Einblendung über den Bildschirm huschen zu sehen. Ich treffe mich mit zahlreichen Personen aus Politik, Kultur, Gesundheit oder Wirtschaft und versuche, sie von meinen Ideen und Vorstellungen zu überzeugen. Die Umfragen werden positiver. Das Wahlergebnis wird dennoch knapp. Knapper, als ich es mir angesichts des investierten Kapitals gewünscht habe. Ich werde es wohl nicht mehr schaffen, bestimmte Gruppen auf meine Seite ziehen zu können. Nicht, weil ich sie nicht identifizieren kann oder mir die Argumente ausgehen. Sondern vielmehr, weil ich es partout nicht schaffe, in den unübersichtlichen Menüstrukturen dieses prinzipiell staubtrocken bis schlichtweg hässlich präsentierten Politik-Simulators auf Anhieb die richtigen Ziele zu finden.
Sieg der Demokratie?
Sieg der Übersichtlichkeit?
Bei militärischen Aktionen, die man natürlich mit entsprechenden Parlamentsmandaten, Budget usw. auch starten kann, ist der Probierfaktor noch höher, da die Kontrollen hier schrecklich unintuitiv sind. Wieso kann ich z.B. bereits im Tutorial die Panzer nicht einfach in die Stadt schicken, sondern muss sie erst daneben platzieren? Abgesehen davon, dass ich einen Ort in Afghanistan erst auf einem anderen Bildschirm in einer Suchmaschine finden musste, damit ich eine ungefähre Ahnung habe, ob ich die Truppen nach Norden oder Süden schicken muss. Nicht einmal hier hilft einem das Tutorial. Das Tutorial! Ich hoffe, dass die Ballung von Suchanfragen afghanischer Städte nicht zu irgendwelchen negativen Einträgen in meiner NSA-Akte führt... Nein, Power & Revolution macht es einem nicht leicht, sich mit den Inhalten anzufreunden. Dabei suggeriert es einem viele Möglichkeiten.
Sieg der Atmosphäre?
Doch wie schon seine Vorgänger scheitert auch dieser Politik-Simulator an seiner Ambition. Unter dem Strich sind die diplomatischen Optionen zwar relativ tief, aber nicht zahlreich genug, um das weltpolitische Klima nachhaltig beeinflussen zu können, ohne dass man irgendwann immer
auf Schema F zurückgreift. Die militärischen Möglichkeiten sind ebenso oberflächlich. Und so sehr ich es schätze, dass man von einer globalen Ansicht bis hin zu einer Stadtoberfläche zoomen kann, ist die höchste Zoomstufe nicht nur potthässlich, sondern wird darüber hinaus in Deutschland z.B. mit merkwürdigen Bahntrassen verschandelt, die auf irgendwelchen Säulen durch Land führen - hier kriegt man das Schaudern. Dazu gesellen sich eine technisch zwar meist saubere, inhaltlich jedoch vollkommen langweilige Sprachausgabe oder sich wiederholende Videosequenzen. Nicht zu vergessen: eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Bugs, die von Abstürzen bis hin zu nicht ladbaren Spielständen reicht, machen es einem zusätzlich schwer, sich als Diplomat, Terrorist oder sonstiger Machthaber zu versuchen. Dass komplexe Strategie nicht immer leicht zugänglich ist, zeigen auch viele Titel aus dem Portfolio von Paradox wie z.B. Europa Universalis 4. Doch gerade dort hätte sich das Team vom Politik-Simulator vielleicht auch inhaltlich Nachhilfe holen sollen, um seine Verzahnungen der unterschiedlichen Bereiche wie Diplomatie, Militär oder politischen Entscheidungen auf nationaler sowie internationaler Ebene zu optimieren.Fazit
Abgesehen davon, dass für die meisten Politik ohnehin ein sperriges Thema darstellt, macht Power & Revolution es einem nicht leicht. Wo das ähnliche Demokratie 3 mit einer cleveren, intuitiven Benutzerführung und nachvollziehbaren Zusammenhängen die Spieler ins Boot holt, schmeißt der Politik-Simulator 4 einen ohne Rettungsweste in von Raubfischen verseuchte Gewässer. Die Menüs sind nicht nur hässlich, sondern beinahe ohne Aussagekraft. Man muss immer wieder schauen, wo man sich befindet, nur um festzustellen, dass man gerade den falschen Reiter aufgeklappt hat. Da auch die Auswirkungen bestimmter Entscheidungen, Gesetzgebungen oder Verhandlungen nicht klar ersichtlich sind, lässt sich der taktische bzw. politische Tiefgang nur schwer austarieren. Man kann viel machen, im Rahmen der jeweiligen politischen Richtlinien der Staaten entscheiden und es werden einem plausible Ergebnisse vorgegaukelt - womit man ja eigentlich sehr lebensnah scheint. Doch als Spiel bleibt auch abseits der vollkommen spröden Kulisse vieles zu diffus. Hat dies oder jenes jetzt Auswirkungen? Welche im Detail? Zwar sind zwar realistische Landesgrenzen vorhanden und auch Infrastrukturen wirken in weiten Teilen der Welt des Politik-Simulators gut recherchiert. Auf der anderen Seite wiederum sind die imaginären Parteilandschaften einiger Länder wie z.B. Deutschland oder England zwar nicht vollkommen aus der Luft gegriffen, aber auch nicht immer korrekt kategorisiert. So muss man nicht nur Geduld, sondern auch eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen, wenn man die durchaus vorhandenen Tiefen von Power & Revolution ausloten und zumindest in Ansätzen so etwas wie unterhaltenden Spielspaß finden möchte.
Pro
- korrekte Landkarten-/Grenzzeichnung
- Karte mit zahlreiche Zoomstufen
- umfangreiche politische Einflussmöglichkeiten
- fast 20 Missionen (u.a. Revolution)
- teilweise aktuelle weltpolitische Bezüge
- größtenteils sauber recherchierte Statistiken bzw. Basiswerte
- nicht immer ernste Annäherung an die Thematik
- inklusive Politik-Quiz in mehreren Stufen
Kontra
- Bugs (Abstürze, Speicherdaten werden nicht geladen)
- hässliches Artdesign
- spartanische Präsentation
- trotz Tutorial unhandliche Bedienung
- schwache deutsche Sprachausgabe
- Zusammenhänge bzw. Folgen nicht immer ersichtlich
- schwache visuelle Umsetzung militärischer Aktionen
- gelegentlich unrealistische politische Grundsituationen
- schreckliche Höchstzoomstufe