Song of the Deep - Test, Action-Adventure, PC, PlayStation4, XboxOne

Song of the Deep
28.07.2016, Jörg Luibl

Test: Song of the Deep

Märchenhafte Tauchfahrt

Spyro, Ratchet & Clank, Resistance, Sunset Overdrive - das liest sich ganz gut für ein Studio. Umso neugieriger wird man, wenn sich Insomniac Games mal an ein kleineres Spiel wagt, das sich klassischer Labyrintherkundung unter Wasser widmet. Song of the Deep (ab 31,99€ bei kaufen) ist das erste Spiel des GameStop-Labels "GameTrust" - nur bei diesem Händler gibt es also die Boxversion. Aber es ist für knapp 15 Euro auch digital auf PC, PS4 und Xbox One erschienen. Lohnt sich der Abstecher in die Tiefsee?

Die kleine Marryn ist verzweifelt, denn ihr Vater ist im Meer verschollen. Aber die Zwölfjährige gibt ihn nicht auf, bastelt sich ein U-Boot namens "Nautilocerus" und macht sich voller Mut auf die Suche. Schon bald versinkt sie in einem riesigen Labyrinth voller alter Mythen und gefährlicher Monster...

Mädchen auf Odyssee

Klingt märchenhaft? Ist es auch. Man sollte sich aber nicht vom Einstieg täuschen lassen, der mit seinen Kinderbuchskizzen vielleicht etwas naiv anmutet. Song of the Deep ist ein Abenteuer, das sich viel Zeit lässt und im besten Sinne episch angelegt ist. Das ist kein Snack für schnelle Schatzsucher, sondern eine angenehm fordernde Reise, mit der man an die zwölf Stunden verbringen kann.

Marryn erkundet eine wunderschöne, aber auch gefährliche Unterwasserwelt.
Und natürlich ist das eine moderne Variante all jener klassischer Abenteuer wie Metroid, die einen bei der Erkundung fremder Welten stetig weitere Pfade öffnen und wachsen lassen - sowohl was die Fähigkeiten als auch die Erkenntnis betrifft. Marryn startet mit einem einfachen U-Boot, das sie (auf PC und Konsole) sehr präzise steuern sowie in Bereichen wie Schub, Torpedos oder Magnetkralle aufrüsten kann, während sie immer mehr Wissen über diese riesige Welt sammelt, die mal idyllisch, mal imposant, mal unheimlich sein kann.

Metroid Prime unter Wasser

Ach, so etwas habt ihr schon häufig gespielt? Ja, aber diesmal präsentiert kein unerfahrenes Studio seine Variante eines Klassikers, sondern Insomniac Games. Daran konnte bis vor ein paar Tagen allerdings noch zweifeln, denn das Spiel ruckelte unverschämt - aber Patch 1.03 sorgt für saubere Tauchgänge. Und die Qualität dieses Entwicklers spürt man inhaltlich mit jeder Stunde, die man mit Marryn tiefer taucht, wenn man in angenem offenen und verzweigten Arealen gegen Strömungen, Quallen und Anglerfische ankämhpft. Man zwängt sich hier nicht durch ein enges Korsett aus Grotten und Höhlen, sondern darf frei navigieren. Dabei entdeckt man früher oder später auch eines der vielen kleinen Geheimnisse, die dieses Spiel so charmant machen.

Die englischsprachige Erzählerin leitet auch Bosskämpfe wie gegen diese Riesenspinne stimmungsvoll ein. Auf Wunsch gibt es deutsche Untertitel.
Ich meine all die subtilen und clever integrierten Spielmechaniken. Dazu gehören Kleinigkeiten wie etwa die korrekte Mahlzeit für eine Muschel zu finden, damit sie auch ihren Schatz ausspuckt.  Oder der langsam gehobene Arm eines Skeletts, der einem den Weg weisen soll. Noch faszinierender sind z.B. die Auswirkungen von Berührung oder Licht: Richte ich meinen Suchscheinwerfer auf Quallen oder kleine Schalentiere, bewegen sich Erstere scheu weg, während Letztere erst dann ihr Geheimnis offenbaren, wenn sie sich auch alle auf einen Suchstreich verstecken - das sieht übrigens sehr witzig aus.

Subtile Spielmechaniken

Manchmal hilft es auch, andere leuchtende Wesen zu begleiten, damit man in ihrem Schatten bestimmte Zonen überhaupt erreichen kann, oder einem über Algen illuminierten Pfad zu folgen, der bei jeder korrekten Berührung heller erstrahlt. Man wird ein wenig an den "Sense of Wonder" in Flower oder Journey erinnert, wenn man in einem Schwung über den Boden düsen muss, damit alle kleinen Bewohner den Kopf einziehen - das sind tolle Momente, wenn man tatsächlich belohnt wird, weil man einfach intuitiv experimentiert hat!

Das U-Boot kann in vielen Bereichen aufgewertet werden.
Die Geschichte wird an wichtigen Stellen von einer charismatischen Sprecherin, auf Wunsch mit deutschen Untertiteln, vorgetragen. Irgendwann trifft Marryn z.B. auf die Artefakte der "Fomori". Hier werden für die Story keltische Mythen wie jene von den dämonischen "Fomoire" (ein altes irisches Wort, vermutlich mit "Meer" verwandt), die laut Sage als erste Wesen die grüne Insel eroberten, mit dem Flair von Abenteuer-Geschichten à la Jules Verne und Steampunk. Es gibt also Monster und Maschinen, versunkene Mythen und Städte, Sagenfiguren und Torpedos.

Steampunk und Mythologie

Viel wichtiger als der erzählerische Hintergrund ist in diesem Fall aber die wunderschöne Kulisse: Das kleine U-Boot sieht aus wie ein goldener Pinsel, der sich je nach Schub mal sanft, mal wuchtig durch ein Unterwasser-Gemälde malt. Überall blubbert, leuchtet oder schwimmt etwas. Während man im Vordergrund mit seiner Kralle  vielleicht einen Hebel aktiviert, gleiten im Hintergrund majestätisch ein paar Wale vorbei - die Tiefenwirkung ist toll und Insomniac bildet das Meer in seiner vollen Pracht ab.

Und das Beste ist: Erst nach drei Stunden und einem spannenden Bosskampf, in dem man das Dach einer Riesenspinne zum Einstürzen bringen muss, nimmt dieses Abenteuer erst richtig Fahrt auf. Warum? Weil sich erst jetzt nicht nur die Größe der Karte andeutet, wenn man herauszoomt und staunt, dass man tatsächlich ein Zwerg in einem Labyrinth ist, sondern weil Marryn das U-Boot erstmals tauchend verlassen kann. Schon vorher konnte man viele geheime Wege finden, aber jetzt ergeben sich nochmal deutlich mehr Möglichkeiten - auch was die Spielmechanik betrifft.

Nach drei Stunden geht es richtig los

Die Unterwasserwelt ist riesig und frei erkundbar. Teleporter helfen dabei, große Distanzen zu überwinden.
Nicht nur, dass Marry natürlich in schmalere Spalten passt und so ganz neue Höhlen erkunden kann - was übrigens nochmal den Blick für die Kulisse schärft, denn das Mädchen ist einfach so winzig, dass man alles um sie herum genauer beobachtet. Ab jetzt kann das U-Boot z.B. auch ein Eisengitter per Hebel oben halten, während sie umher taucht und vielleicht den wichtigen Fomori-Kopf findet. Den kann sie per Knopfdruck transportieren, denn er passt sicher auf eine Statue, die in kompletter Gestalt wiederum ein altes Tor öffnet, vor dem man vor zwei Stunden noch verzweifelte - endlich, es geht weiter!

Aber nicht nur die Trennung oder Kooperation von Schiff und Kapitän erweitert in dieser Phase die Möglichkeiten: Erst jetzt kann Marryn neben ihren Blitz-, vielleicht auch Feuer- oder Eis-Torpedos abfeuern, um damit enstprechende Barrieren zu zerstören. Diese Geschosse helfen natürlich auch gegen Monster, denn so muss man nicht in den Krallen-Nahkampf gehen.

Zwischen Blitz, Eis und Feuer

Auch wenn nichts passiert, machen die Tauchgänge richtig Spaß: Die Kulisse überzeugt mit ihrer Tiefenwirkung und das Artdesign schöpft beim Thema Meer aus dem Vollen.
Hat man dazu noch die Ausweichrolle aktiviert, ergeben sich actionreiche, angenehm kontrollierbare und zumindest im Ansatz taktische Gefechte - man weicht aus, stößt rechtzeitig zu oder schießt. Während man die meisten Quallen und Anglerfische recht leicht besiegt, weil die Kralle zu mächtig ist, muss man bei riesigen Krebsen die frontale Attacke abwarten, sie dann umkreisen und hinten treffen. Etwas mehr Feinde dieser anspruchsvollen Art sowie gezielte Konter fehlen dem Abenteuer gerade in den finsteren Bereichen, wo man mit seinen Torpedos nahezu blind alles aus dem Weg räumen kann.

Dass man es nicht zu leicht hat, liegt wiederum an einigen fiesen Fallen und Fesselzonen, die man meiden sollte. Stirbt man, ist das aufgrund der fair verteilten Speicherpunkte, die auch die Gesundheit voll aufladen, kein Problem. Man kann seine Lebensdauer übrigens erhöhen, indem man weitere Rumpfteile findet - Zeldas Herzen lassen grüßen. Außerdem kann man all die Schätze, die es in niedriger Zahl als Monsterbeute und richtig wertvoll in geheimen Arealen als Diamanten oder Seepferdchen gibt, in seine Ausrüstung investieren, um Kralle, Schub & Co weiter zu entwicklen. Sehr cool: Irgendwann kann man das selbst verschossene Feuertorpedo schnell mit der Kralle einfangen, um sich einen Rundumschutz zu erschaffen, der einen wie ein Meteor umkreist.

Was hat es mit diesen versunkenen Artefaktenauf sich? Führen sie Marryn zu ihrem Vater?
Schade während der Routenplanung ist allerdings, dass man auf der Karte zwar blockierte Türen, aber nicht deren Art (Stein, Holz, Eis, Glas, Fomori etc.) erkennen kann. Das führt dazu, dass man des Öfteren enttäuscht zurücktuckert, weil man einfach noch nicht die Mittel dazu hat, die Blockade vor Ort zu öffnen - es gibt also auch einige Wegwiederholungen und vielleicht Sackgassengefühle.

Welche Tür braucht welchen Schlüssel?

Aber gehört das nicht zu einer Odyssey? Eben. Und ich finde es gut, dass Insomniac zwar auch Kinder mit diesem Abenteuer anspricht, aber diese nicht mit zig Hinweisen und Tipps unterfordern will. Wer seine Augen aufmacht und die Gegend beobachtet, wird auch einen Weg finden. Dabei geht es auch um physikalische Kleinigkeiten: Das schwere Fass sollte man auf die Druckplatte rollen, damit sich das Gatter öffnet; den schweren Stalagniten sollte man abschießen, damit der die eisenbewehrte Kiste unter sich zermalmt. Neben diesen vielen offensichtlichen Interaktionen gibt es tolle Wechselweirkungen, wenn man etwa Bomben durch Strömungen lotst oder andere Meeresfrüchte mit Tempo durch kleine Kanäle jagt, um an einen Schalter oder Schatz zu kommen. Trotzdem rätselt man selbst nach Stunden noch an anderer, scheinbar einfacher Stelle: Wie zur Hölle komme ich an dem Kugelfisch vorbei, der sich stachlig aufbläht?

Fazit

Diese Labyrintherkundung wird Stunde um Stunde besser und entwickelt eine ganz eigene Anziehungskraft. Song of the Deep ist eine ebenso märchenhafte wie malerische und angenehm fordernde Reise. Man fühlt sich in dem U-Boot wie in einem goldenen Pinsel, der je nach Schub mal sanft, mal wuchtig durch die Unterwasserwelt malt. Dabei bekämpft man Monster, nutzt Strömungen oder Gewichte, sondern experimentiert mit subtilen Spielmechaniken hinsichtlich Bewegung sowie Licht - in diesen magischen Momenten erinnert das Abenteuer ein wenig an Flower und Journey. Allerdings muss man einige Routen wiederholen, weil die Karte nicht optimal informiert, man vermisst etwas mehr Anspruch in den Kämpfen und es kann auch mal ein Sackgassengefühl entstehen. Aber Insomniac Games demonstrieren ihre Klasse nicht in einer kurzen Fingerübung für schnellen digitalen Umsatz. Sie inszenieren eine epische Odyssee über knapp ein dutzend Stunden, in der sich erzählerisch keltische Mythen und das moderne Abenteuerflair von Jules Verne treffen, während spielerisch mit jeder geöffneten Pforte und jeder neuen Fähigkeit ein Urahn namens Metroid winkt. Ein tolles Spiel für Kinder und Erwachsene!

(Zum Verkaufsstart hätten wir aufgrund der technischen Probleme deutlich abgewertet. Wir haben allerdings die Version 1.03 getestet, die z.B. auf PlayStation 4 keine Probleme mehr mit der Bildwiederholrate hat. Anm.d.Red.)

Pro

  • komplexe Labyrintherkundung
  • angenehm offene und große Areale
  • Story verknüpft keltische Mythen & Steampunk
  • wunderschöne, abwechslungsreiche Kulissen
  • tolle subtile Spielmechaniken (Bewegung, Licht etc.)
  • viele Geheimnisse und kreative Rätsel
  • U-Boot aufwerten (Rumpf, Schub, Kralle, Torpedos...)
  • coole Kombos: Torpedo Haken = Schutzmeteor
  • Bosskämpfe verlangen Timing und gutes Auge
  • sehr stimmungsvolle, an Areale angepasste Musik
  • sehr faire Speicherpunkte
  • drei Schwierigkeitsgrade
  • stimmungsvolle englische Sprecherin
  • deutsche Untertitel

Kontra

  • stilistisch karger, naiv anmutender Einstieg
  • normale Kämpfe auf Dauer etwas zu einfach
  • Karte zeigt nicht Art der Türen/Blockaden
  • einige Wegwiederholungen, ab und zu Sackgassengefühl
  • nur englische Sprachausgabe

Wertung

PC

Song of the Deep ist eine ebenso märchenhafte wie malerische und angenehm fordernde Labyrintherkundung mit subtilen Spielmechaniken.

PlayStation4

Song of the Deep ist eine ebenso märchenhafte wie malerische und angenehm fordernde Labyrintherkundung mit subtilen Spielmechaniken.

XboxOne

Song of the Deep ist eine ebenso märchenhafte wie malerische und angenehm fordernde Labyrintherkundung mit subtilen Spielmechaniken.