Alone With You - Test, Adventure, PS_Vita, PlayStation4, PC
Erst einmal durchatmen: Ich hatte beim Begriff „Sci-Fi Romance“ schon eine Art Rosamunde Pilcher im Weltraum befürchtet. Aber von Herzschmerz und kitschiger Romantik ist dieses Spiel weit entfernt – im Gegenteil: es beginnt wie ein knallhartes Survival-Abenteuer. Im Jahr 2064 ist man der einzige Überlebende auf einem dem Untergang geweihten Planeten, auf dem ein groß angelegtes Terraforming-Projekt scheinbar scheiterte. Vom Himmel regnet es Säure, die Erde bebt und es bleiben nur noch knapp vier Wochen bis zur Katastrophe. Wie soll man bloß entkommen?
Rosen, Herzschmerz und Gedichte…
Puristisches Adventure
Das ist kein Adventure für Knobelveteranen: Die Rätsel sind zunächst schrecklich einfach, weil man lediglich sammelt, aber entwickeln später zumindest etwas Anspruch, weil man etwas mehr suchen, auch mal kombinieren oder Codewörter finden muss. Mehr als „Use 3D-Photo with Terminal“ ist allerdings nicht drin und vor allem in den späteren Phasen hätte ich mir mehr Kreativität gewünscht als dass ich tatsächlich zwei- oder dreimal einfach die Gegend absuchen muss. Oder dass ich ein dreiteiliges Passwort so offensichtlich finden muss. Trotzdem sorgen die überraschenden und teilweise morbiden Entdeckungen in den Fluren für angenehmes detektivisches, in Ansätzen auch etwas gruseliges Abenteuerflair, zumal es auch mal versteckte Gänge gibt. Findet man diese nicht, kann auch schonmal etwas Leerlauf entstehen - einblendbare Hilfen gibt es nicht.
Es ist nicht nur ein cleverer Kniff der Regie, dass jeder dieser Charaktere auch ein Experte für einen Bereich war, den man unbedingt reparieren muss – so lernt man sie und ihre Arbeit schrittweise kennen. Man erfährt etwas über die Moral, die Machtverhältnisse sowie die Beziehungen innerhalb der Kolonie, in der es auch Eifersucht und Romanzen gab.
Gespräche mit Hologrammen
Hinzu kommt, dass man die Hologramme über die Gespräche nicht nur auf den neuesten Stand seiner Ermittlungen bringen, sondern auch Beziehungen zu ihnen aufbauen kann. Man hat es mit komplett unterschiedlichen Persönlichkeiten
zu tun, die man mit seinen Antworten loben, aufbauen, umschmeicheln oder brüskieren kann. Man kann sich bemühen, ihre Andenken in den Stationen zu finden und sie zu zeigen. Man kann es aber auch lassen und sich desinteressiert geben. All das kann zu anderen Gesprächsoptionen als auch einem anderen Ende führen.Hier zeigt sich allerdings auch ein Nachteil der Reduktion: Es gibt keine Übersicht oder ein Tagebuch, das die vielen Gespräche aufzeichnen würde, obwohl man angesichts der vielen Indizien und vor allem Charaktere gerne etwas nachlesen würde - denn neben den vier Hologramm-Persönlichkeiten entdeckt man unter den Toten noch viel mehr wichtige Akteure. Die Dialoge sind recht kurz, aber mit subtilen Untertönen versehen und gut geschrieben. Sie sind nicht sehr verschachtelt, aber bieten des Öfteren die Wahl einer Antwort inklusive Konsequenzen.
Rätselhafte KI
Fazit
Nach Home gelingt Benjamin Rivers auch mit Alone With You eine richtig gute Adventure-Novelle! Ich wähle bewusst den literarischen Begriff, weil dieses Spiel vor allem von seiner Erzählung lebt. Lasst euch von der Beschreibung „Sci-Fi Romance“ nicht abschrecken, denn hier geht es nicht schnulzig um Rosamunde Pilcher im Weltraum, sondern vordergründig um die Flucht von einem tödlichen Planeten und hintergründig um ein mysteriöses Geflecht aus Beziehungen. Die Rätsel sind leider nicht der Rede wert, ich habe über die etwa sechs Stunden mehr Anspruch sowie ein Tagebuch vermisst, außerdem kann die Wiederholung von Abläufen nerven. Aber die Regie hat es in sich: Sie verknüpft die Erkundung der Stationen clever mit den Biographien von vier Hologramm-Persönlichkeiten, die man in Dialogen immer besser kennenlernt, die man mögen oder ablehnen kann. Mir gefallen zudem die dezente Musik als auch der Stil - auch wenn es "nur" Pixel sind, entsteht eine emotionale Anbindung zu den Charakteren. Und während man dem Schicksal der Kolonie immer näher kommt, entwickelt sich auch eine ambivalente Beziehung zur KI. Ist man mit einem der beiden Enden nicht zufrieden, lohnt sich vielleicht ein weiterer Versuch mit anderen Entscheidungen.
Pro
- Story macht bis zum Schluss neugierig
- interessante Charakte und Entwicklungen
- SciFi-Flair im Stile der 80er-Jahre
- auf das Wesentliche reduzierte Benutzeroberfläche
- sehr gute Regie von Erkundung & Erzählführung
- stimmungsvolle Pixelkulisse
- gut geschriebene Dialoge mit Antwortauswahl
- guter Soundtrack
- präzise Steuerung
- zwei Enden
Kontra
- nur sehr leichte Rätsel, viel sammeln
- recht nervige Gängelei der KI
- einige stets wiederholte Abläufe
- kein Tagebuch oder Dialogübersicht
- bisher keine deutsche Übersetzung