NBA 2K17 - Test, Sport, 360, PlayStation3, PlayStation4, PC, XboxOne
Diese Veröffentlichungspolitik darf gerne Schule machen: Knapp zwei Wochen vor dem Erscheinen von NBA 2K17 konnte man bereits die Karriere in "The Prelude" starten, um sie dann zum Release fortzuführen. 2K Sports hat also nicht z.B. das dramatische Finale der Cleveland Cavaliers gegen die Golden State Warriors zum Probe spielen angeboten, obwohl das auch cool gewesen wäre, sondern das Prinzip der guten alten Demo sinnvoll erweitert. Und diesmal ist auch nicht Spike Lee für die Story verantwortlich, die letztes Jahr bekanntlich enttäuschte.
Der sympathische Auftakt
Hat man sein eigenes Gesicht gescannt oder eines über den schwachen Editor erstellt, was
bei weißen Charakteren fast immer zu Neanderthaler-Ergebnissen führt, kann man als Duo loslegen. Schön ist, dass man bei der Einstellung der körperlichen Werte wie Größe, Gewicht und Spannweite teilweise erkennen kann, wie sich das auf die Beweglichkeit oder Stärke auswirkt. Aber es bleibt bei lobenswerten Details auf der Mikroebene, denn schon die College-Phase wird aus erzählerischer Sicht überraschend lieblos über fünf Etappen inszeniert. Da stellen sich die Colleges z.B. nicht mehr persönlich vor, es wird in dieser Phase auch kein Rivale oder Ähnliches aufgebaut.Die zähe Karriere
Und die darauf folgende Karriere wird zwar bodenständiger inszeniert, es gibt weniger Kitsch und man kann Justice später auch selbst spielen. Das Motiv des befreundeten Duos ist zudem interessant, wird aber nicht gut entwickelt. Außerdem leidet die Dramaturgie unter einer Ansammlung von kleinen Filmschnipseln, die zwar Charaktere anreißen, aber zu selten über Dialoge oder Entscheidungen in die Tiefe gehen. Die Karriere spielt sich zäh wie Kaugummi.
Das liegt nicht nur an den vielen Ladephasen, die einen Tag mit drei Trainingseinheiten zur nervigen Angelegenheit machen, die man spätestens nach drei, vier Wochen am liebsten überspringen würde, sondern vor allem daran, dass sie dramaturgisch enttäuscht und inhaltlich zu viele Widersprüche bietet. Das fängt schon damit an, dass man trotz nur durchschnittlicher Auftritte im College in das Nationalteam der USA eingeladen wird und neben Kevin Durant aufläuft - man wird nur bei wirklich schlechten Leistungen nicht eingeladen. Oder dass man trotz nur wenig Spielzeit und C-Note schon wie ein Star im Team auftritt...der eigene Spitznamen "Mr. President" oder "Pres" symbolisiert dieses Missverhältnis. Als ob ein College-Absolvent so in einem Profiteam auftreten würde!
Widersprüche und frühe Star-Allüren
Außerdem trifft man bis auf Zu- und Absagen von Meetings über Stunden keine relevante Entscheidung. Und wo sind Dialoge mit Rivalen oder Kabinengespräche? Lediglich auf Pressekonferenzen kann man Stellung zu Sponsoren, Teamkollegen und Co beziehen, die sich auch mal auswirken. Aber warum sind die Halbzeitanalysen des Trainers immer noch so überflüssig, weil darin keine neue
Taktik angesagt wird? Wieso werden da nicht mal direkte Playbook-Spielzüge gefordert?2K Sports verpasst also die Chance, das rein Sportliche in der Karriere weiter zu entwickeln: Lobenswert ist zwar, dass ich freiwillig zusätzlich trainieren kann und dass das auch vom Trainer honoriert wird. Aber warum werden in den offiziellen Einheiten nicht die speziellen Team-Taktiken von z.B. Utah Jazz geübt?
Warum wird meine Entwicklung als Power Forward und Post-Spezialist nicht individuell gefordert und gefördert? Man wählt ja zu Beginn eine Rolle, aber kann diese nicht wirklich spezialisieren. So fühlt man sich auch teilweise wie ein Fremdkörper, denn weder die eigenen noch die Ziele des Vereins werden deutlich. Hier liegt noch viel Potenzial brach!
Es bleibt auch dabei, dass man in NBA 2K17 nicht jene Fähigkeiten verbessert, die man tatsächlich trainiert oder anwendet, sondern dass man mit allgemeinen Punkten belohnt wird. Wenn man seinem Profi-Ethos gerecht werden will und jedes Training mitmacht, bekommt man immerhin Fleißpunkte. Als ich die gelbe Leiste dafür nach zig Würfen und Übungen endlich voll hatte, gab es - ja was eigentlich? Ich weiß es nicht, denn das wurde nicht klar angezeigt. Schön wäre gewesen, wenn der Trainer sich daraufhin meldet, ich eine Fähigkeit umsonst verbessern könnte oder reichlich Punkte erhalten würde.
Stagnation statt Fortschritt
Zumal man spätestens online die Kehrseite der digitalen Käufe erleben darf: Da tummeln sich in allen Spielmodi so viele künstlich gepimpte Spieler mit Top-Werten, dass man als normaler Charakter im One-on-One kaum eine Chance hat und sich in seinen Klamotten wie ein Spieler zweiter Klasse vorkommt. Widerspricht dieses Pay-to-win nicht auch der Philosphie der harten Arbeit, die in der Karriere propagiert wird? Apropos online: Richtig flüssig lief es in unseren Partien nur in zwei von vier Matches; hinzu kamen auch plötzliche Verbindungsabbrüche.
Rein spielerisch spare ich mir tiefere Analysen, denn dieses NBA 2K17 fühlt sich
weitgehend genauso gut an wie der Vorgänger - dort habe ich Steuerung, KI und Spielmechanik ausführlich erläutert. Und bei aller Kritik an der Karriere muss man zwei Dinge festehalten. Erstens wird hier immer noch Basketball auf allerhöchstem Niveau zelebriert, was Defensive, Offensive, Wurfanimationen & Co betrifft. Die Möglichkeiten für Spielzüge und Spielstile sind enorm, so dass man sich als Basketballfan so richtig austoben kann. Allerdings bleibt es auch bei Altlasten wie der unpräzisen Bewegungssteuerung.Basketball auf hohem Niveau
Hinzu kommen aber viele andere Modi, die auch ohne Story für zig Stunden unterhalten: Man kann vom Streetball bis zum Verein nahezu alles ausprobieren, kann einzelne Saisons oder eine ganze Franchise inklusive Finanzen und Transfers erleben, dazu über den Sammelkarten-Modus MyTeam an seinem Dreamteam basteln und versuchen, die neuen "dynamischen Duos" zu finden - also zwei Spieler, die sich ergänzen und nur gemeinsam von besseren Werten profitieren.
Zwar ist es ärgerlich, dass man nicht situationsbezogen jedes Manöver wie das Aufposten trainieren kann, aber dafür kann man sich jede Bewegung inklusive Video anzeigen lassen, außerdem geben Coaches einige Tipps und Einsteiger können quasi begleitet von Steuerungshinweisen ein Probespiel in 2KU absolvieren.
Fazit
NBA 2K17 ist ein gutes Basketballspiel. Aber zum ersten Mal seit einem gefühlten Jahrzehnt geht kein Award an 2K Sports. Erstens sehe ich spielerisch und technisch keine relevanten Fortschritte gegenüber NBA 2K16. Zweitens hatte mich sehr auf die neue Karriere gefreut, aber die enttäuscht: Sie ist mit ihren Ladezeiten zäh wie Kaugummi, ihr fehlt dramaturgische Spannung, man trifft kaum relevante Entscheidungen und es gibt einige Widersprüche, was das Sportliche betrifft. Man ist zu früh als "Mr.President" auf Starniveau unterwegs, obwohl man ein Rookie ist. Außerdem verpasst man es, das Training und die eigene Entwicklung sowie das Feedback in Halbzeitansprachen & Co endlich auf ein neues Niveau zu bringen. Stattdessen fummelt man an seinem Smartphone rum und absolviert teilweise beliebige Übungen, ohne Bezug zu den eigenen Stärken oder dem Playbook des Vereins. Außerdem nervt dieser penetrante Fokus auf Mikrotransaktionen - jetzt wird eine Fähigkeitensteigerung schon in den "Warenkorb" legt, obwohl man gar nichts kauft. Aber, man darf nicht vergessen: Wer auf diesen Story-Spielmodus pfeift, der bekommt hinsichtlich Umfang und Spielmechanik immer noch ein richtig gutes Basketballspiel mit ausgezeichneter Kulisse und Atmosphäre, das spannende Duelle vor tosendem Publikum mit tollen Kommentatoren und Analysen zelebriert. Trotzdem fühlt sich dieses NBA 2K17 eher wie ein Update als eine Weiterentwicklung an.
Pro
- ausgezeichnete Spielmechanik
- ausführlicher Karriere-Modus mit Story
- hervorragende Kommentare zum Spiel
- Publikum geht noch dynamischer mit
- witzige Pre-Game-Show mit Shaq & Co
- eigene aufrüstbare Basketballhalle
- eigenes Gesicht einscannen für Karriere
- Spielzüge für jeden Verein nachspielbar
- zig Plaketten aka Sonderfähigkeiten
- weltweites Ligasystem 2K Pro-Am
- sehr gutes Feedbacksystem
- unheimlich stylische Präsentation
- ausgezeichnete Animationen
- Video-Tutorials von NBA-Stars eingesprochen
- Sammelkarten & Streetball, Franchise & Liga
- 1vs1, sehr gute Online-Ligen mit Abstieg etc.
- NBA-Ergebnisse mit Spielszenen
- vielfältige Online-Modi
- zig Euroleague-Teams und US-Nationalteam dabei
- umfangreicher Soundtrack
- extreme Individualisierungen möglich
- zig Optionen für Taktik und Spielsteuerung
- offline mit sieben, online mit zehn Spielern
- deutsches Handbuch
Kontra
- Karriere spielt sich zäh wie Kaugumi
- sehr lieblose College-Phase
- Fähigkeiten über "Warenkorb" kaufen?
- nervig penetrante Mikrotransaktionen
- als "Weißer" wirkt man immer noch wie Fremdkörper
- Widersprüche in der Karriere (Top-Star vs. Realität)
- wo sind Rivalitäten im Team geblieben
- etwas unpräzise Bewegungssteuerung
- Halbzeitansprachen mit zu wenig Taktik
- Spielzüge werden in Karriere nicht studiert
- viele Ladezeiten in der Karriere
- willkürliche Trainingsübungen, belanglose Fleißbelohnungen
- Video-Tutorials sind zu oberflächlich
- Tutorialspiel für Einsteiger
- recht wackliger Netzcode und Abstürze
- ab und zu Clippingfehler in Wiederholungen
- viele mit Geld gepimpte Online-Charaktere
- robotische Bewegungen abseits des Platzes
- nur englische Kommentare