Ride 2 - Test, Rennspiel, PC, PlayStation4, XboxOne

Ride 2
07.12.2016, Michael Krosta

Test: Ride 2

Formel Milestone auf zwei Rädern

Das Gran Turismo für Motorräder sollte es werden. Doch trotz des ähnlichen Konzepts war Milestone mit Ride weit von der Qualität entfernt, mit der Kazunori Yamauchi regelmäßig die PS-Jünger auf vier Rädern erfreut. Mit Ride 2 (ab 19,00€ bei kaufen) wagen die Recycling- und Fortsetzungsspezialisten aus Italien einen neuen Anlauf, um Biker-Freunde zu beglücken. Geht es vorwärts oder bleibt alles beim Alten?

Das italienische Studio Milestone hat sich nach all den Spielen rund um Superbikes, die MotoGP, MXGP und die WRC den Ruf erarbeitet, technisch nicht unbedingt auf der Höhe der Zeit zu sein, bei seiner Fließbandarbeit verstärkt auf Wiederverwertung zu setzen und bei der Präsentation auf Sparflamme zu kochen. Gleichzeitig sind die Entwickler aber auch bekannt dafür, ihre Rennspiele ordentlich mit Inhalten vollzustopfen und eine solide Fahrphysik zu bieten, die mit Abstufungen und Hilfen sowohl die Ansprüche von Anfängern als auch Zweirad-Profis zufriedenstellt. Tja, was soll ich sagen? Ride 2 bestätigt einmal mehr den Ruf der italienischen Motorrad-Spezialisten!

Bekannte Konstante

Die Bikes und Fahrer sehen richtig gut aus. Die restliche Kulisse wirkt grafisch und technisch einmal mehr veraltet.
Neben schnellen Rennen sowie dem Zeitfahren auf Strecken und Bikes nach Wahl steht erneut die World Tour im Mittelpunkt der Biker-Karriere. Dort klappert man fleißig die riesige Auswahl an Veranstaltungen ab, die neben Positionskämpfen gegen bis zu 17 Konkurrenten u.a. auch die Jagd nach Medaillen im Zeitfahren oder Herausforderungen auf Pylonen-Kursen umfassen. Erfreut wird man feststellen, dass das Angebot an Stadt- und Naturpisten sowie realen Rennstrecken nicht nur recycelt, sondern um ein paar Neuzugänge erweitert wurde. Darunter befinden sich etwa die legendäre Nordschleife des Nürburgrings samt GP-Strecke sowie die italienischen Racing-Schauplätze Monza und Vallelunga, die jeweils auch verschiedene Strecken-Layouts zu bieten haben. Grafisch legt man ebenfalls im Vergleich zum Vorgänger zu – vor allem Ausflüge in Metropolen wie Miami oder Mailand sowie Scenery-Pisten wie die Sierra Nevada sind mitunter ganz nett anzuschauen, kommen aber auch nur selten über ein gutes PS3-Niveau hinaus.  Gerade bei lizenzierten Rennstrecken wird wieder deutlich, wie sehr Milestone der Konkurrenz technisch hinterher fährt: Vergleicht man den Ring oder die Road America mit dem Pendant aus Forza Motorsport 6, liegen Welten zwischen der grafischen Qualität. Noch sichtbarer wird es, wenn es bei Regen auf die Strecke geht, denn das Nass sieht nicht nur billig aus, sondern zeigt zumindest in den unteren Klassen auch kaum Auswirkungen auf die Fahrphysik. Hinzu kommt, dass man an der PS4 trotz der angestaubten Kulisse weiterhin mit einer Darstellung von meist flüssigen 30 Bildern pro Sekunden, Flimmerkanten und Pop-ups Vorlieb nehmen muss. Also alles wie gehabt.

Der Grip-Unterschied zwischen trockener und nasser Strecke macht sich vor allem in unteren Leistungsklassen kaum bemerkbar.
Das gilt auch für die Tuning-Optionen, denn die 177 Maschinen bekannter Hersteller wie Aprilla, BMW, Ducati, KTM und Yamaha lassen sich nicht nur visuell durch individuelle Lackierungen aller erdenklichen Teile, sondern auch hinsichtlich der Leistung aufmotzen. Dem Motor macht man u.a. mit dem Austausch des Zylinderkopfs, einem Steuergerät und besseren Luftfiltern Beine, während man mit einer neuen Kette, einem Renn-Getriebe und Quickshifter die Übertragung optimiert. Des Weiteren dürfen Bremsen und Federung mit der entsprechenden Auswahl an Teilen aufgemöbelt werden. Das Sortiment an Reifen und Felgen runden das Tuning-Angebot ab. Dank überarbeiteter Motorensounds röhren die Maschinen jetzt etwas kerniger aus den Boxen als früher. Der Soundtrack, der zwischen Aufzugmusik-Gedüdel, billigen Gitarren-Riffs und Elektrobeats schwankt, ist dagegen immer noch sehr gewöhnungsbedürftig und wurde von mir schnell deaktiviert.

Nötige Tuning-Maßnahmen

Je nachdem, für welches Modell man sich am Anfang im Rahmen der gefühlt ewigen und von langen Ladezeiten geplagten Einrichtungsprozedur entschieden hat, wird man schnell feststellen, dass man ohne Verbesserungen nicht um den Sieg mitfahren kann. Ich war zu Beginn mit meiner gewählten Maschine chancenlos gegen die KI, obwohl sie nur auf den mittleren Schwierigkeitsgrad eingestellt war. Ein frustrierendes Erlebnis, das ich bereits im Vorgänger erleben durfte. Genau wie dort wird man sich übrigens auch hier wieder darüber ärgern, dass sich ein bis zwei Fahrer innerhalb kürzester Zeit vom restlichen Feld absetzen und damit die Balance beeinträchtigen bzw. das Gefühl vermitteln, kein Teil eines ausgeglichenen Starterfelds zu sein. Immerhin hat man durch die Angabe eines Leistungsindex jetzt endlich die Möglichkeit, sich schon im Vorfeld der Rennen über das Niveau der Konkurrenz zu informieren und mit entsprechenden Aufrüst-Maßnahmen zu reagieren. Gleichzeitig sind auch viele Veranstaltungen auf bestimmte Kategorien oder durch Leistungsgrenzen eingeschränkt. Wie man in der Praxis sieht, tragen diese Maßnahmen aber trotzdem nicht unbedingt zu einem einheitlichen Fahrerfeld bei. Die Folge: Man investiert massiv ins Tuning, um ganz vorne mitfahren zu können, ist dann aber schnell so überlegen, dass selbst die Ausreißer an der Spitze kein Problem mehr darstellen. Da man aber sowohl den Schwierigkeitsgrad der KI in fünf Stufen anpassen als auch den Anspruch der Fahrphysik erhöhen kann, findet man mit etwas Glück seine goldene Mitte. Allerdings steigt das KI-Niveau mit jeder Stufe relativ deutlich an und man ist entweder gezwungen, wieder einen Schritt zurück zu gehen oder sich etwas eingängiger mit dem Setup zu beschäftigen: Wie im Vorgänger darf man erneut die

Die Auswahl umfasst über 100 Motorräder vom handelsüblichen Straßen-Bike bis hin zu Rennmaschinen.
Gangübersetzung anpassen oder an der Federung herumschrauben, um Härte, Vorspannung sowie die Druck- und Zugstufendämpfung nach eigenen Vorlieben in groben Schritten einzustellen.     

Jagd auf Ausreißer

Eine nette Ergänzung stellt das Team-Management dar: Dort legt man nicht nur einen eigenen Namen für seinen kleinen Rennstall fest, sondern darf auch einen Team-Kollegen einstellen und in speziellen Wettbewerben mit ihm gemeinsam um den Sieg kämpfen. Will man nicht nur eine lahme Krücke als Partner, muss man in die Einstellungen flotterer Piloten investieren: Dazu benötigt man so genannte Token, die man entweder durch das Meistern von (Online-)Herausforderungen oder unverhältnismäßig hohe Zahlungen aus dem Topf der Preisgelder erhält. Oder man macht es sich einfach und stellt einen Freund als Teamkollegen ein.

Teamwork

Denn die Tokens lassen sich auch an anderer Stelle investieren: Genau wie in Forza Horizon darf man hier ebenfalls Vorteile freischalten, darunter etwa höhere Preisgelder bei diversen Renntypen oder wenn man auf der Maschine eines bestimmten Herstellers sitzt. Darüber hinaus werden die finanziellen Belohnungen jetzt auch in Relation zu den verwendeten Fahrhilfen und dem Schwierigkeitsgrad gesetzt – etwas, was wir im Vorgänger noch vermisst haben. Schade dagegen, dass die Veranstaltungen weiterhin nur eine Aneinanderreihung von Einzelrennen darstellen. Ein klassisches Rennwochenende inklusive Qualifikation ist weder innerhalb der Karriere noch bei einzelnen Rennen möglich.

Dank drei Physikstufen und optionalen Fahrhilfen kommen sowohl Anfänger als auch Profis auf ihre Kosten.
Online beschränkt man sich ebenfalls auf Einzelrennen oder darf eine Meisterschaft mit eigenem Kalender austragen. Neben der automatischen Vermittlung darf man sich außerdem im Server-Browser seine Wunsch-Veranstaltung aussuchen oder eine eigene Lobby eröffnen, wo man Hilfen, Leistungsklassen oder die Stufe der Fahrphysik nach eigenem Geschmack für die bis zu zwölf Teilnehmer vorgeben darf. In den Online-Rennen war die Darstellung meist ordentlich und nicht mehr ganz so laganfällig, wie man es sonst von Milestone kennt. Allerdings konnten wir die Performance in einem vollen Starterfeld mangels Spielern nicht ausprobieren. Immerhin lassen sich freie Plätze auch mit KI-Fahrern auffüllen, die erneut übertrieben sicher auf ihrem Sattel sitzen, mitunter sehr aggressiv in kleine Lücken stoßen und bei Berührungen die manchmal arg fragwürdige Kollisionsabfrage offenbaren. Dank Splitscreen-Option sind außerdem auch Duelle für zwei Spieler am geteilten Bildschirm erlaubt.

Kleine Auswahl an Mehrspieler-Modi

Fazit

Will man als Motorrad-Fan den Rausch der Geschwindigkeit und den Motorsport auf zwei Rädern auch am heimischen PC oder der Konsole erleben, muss man sich zwei Dingen bewusst sein: Zum einen führt kaum ein Weg an Milestone vorbei, denn das italienische Studio hat mittlerweile eine Art Monopolstellung in diesem Nischenbereich der Rennspiele für sich beansprucht. Zum anderen bedeutet das auch, dass man technisch nicht viel erwarten darf – vor allem auf den Konsolen fahren die Macher mit angestaubten Kulissen, durchschnittlichen Bildraten und einer mageren Präsentation dem aktuellen Stand der Technik konstant hinterher. Wer sich damit arrangieren kann, dürfte auch mit Ride 2 glücklich werden. Am Umfang gibt es mit zig Veranstaltungen und einer großen Auswahl an Motorrädern nichts zu meckern. Auch die gewohnt solide Fahrphysik sorgt zusammen mit den gebotenen Tuning-Maßnahmen und abwechslungsreichen Pisten für Freude auf dem Sattel. Schade nur, dass sie durch die schlecht ausbalancierten KI-Piloten, lange Ladezeiten und die mitunter merkwürdige Kollisionsabfrage wieder massiv getrübt wird. Dank kleiner Verbesserungen und zusätzlicher Schauplätze lässt Ride 2 seinen Vorgänger zwar hinter sich, ist aber mit seinen vielen Schwächen hinsichtlich Technik und Präsentation immer noch weit davon entfernt, Begeisterungsstürme auszulösen. Ride 2 ist eben wieder ein typisches (Motorrad-)Rennspiel von Milestone. Nicht mehr und nicht weniger.    

Pro

  • ansprechende Bike-Auswahl verschiedener Klassen und Epochen
  • ordentliche Tuning-Optionen
  • verschiedene Fahrphysik-Stufen und Hilfen
  • anpassbares Setup
  • sowohl Renn- als auch Stadt- und Landkurse...
  • Strafsystem im Ansatz vorhanden...
  • umfangreiche Karriere
  • (optionale) Rückspulfunktion
  • Wiederholungen und Fotomodus
  • Online-Modus mit Meisterschaften
  • Rennen am geteilten Bildschirm möglich

Kontra

  • lange und häufige Ladeunterbrechungen
  • meist kein ausgeglichenes Starterfeld
  • keine klassischen Rennwochenenden möglich
  • angestaubte Grafik
  • ...aber insgesamt überschaubare Streckenauswahl
  • ...aber mitunter inkonsequent umgesetzt
  • Konkurrenzfähigkeit extrem stark vom gewählten Modell und Tuning abhängig
  • z.T. seltsame Kollisionsabfrage
  • keine wechselnden Witterungsbedingungen
  • mitunter unaufmerksame Grobian-KI
  • kein Tag-/Nachtwechsel
  • kaum Unterschied zwischen trockener und nasser Fahrbahn
  • keine Siegerehrungen
  • mäßiger Fahrer-Editor
  • wenig Optionen bei der Bike-Anpassung
  • schwacher (und wiederholungsanfälliger) Soundtrack

Wertung

PlayStation4

Ride 2 ist wieder ein Motorrad-Rennspiel mit der typischen Milestone-Formel: Viel Inhalt und eine solide Fahrphysik, verpackt in einer mauen Präsentation sowie angestaubter Technik.