Destiny: Das Erwachen der Eisernen Lords - Test, Shooter, XboxOne, PlayStation4

Destiny: Das Erwachen der Eisernen Lords
21.10.2016, Benjamin Schmädig

Test: Destiny: Das Erwachen der Eisernen Lords

Daueraction ohne Köpfchen

Ein Effektgewitter donnert über den Bildschirm, wenn drei Hüter mit Äxten durch eine Arena wüten, in der farbenfrohe „Edelsteine“ den Boden wie eine funkelnde Tanzfläche erleuchten. In einem oft stundenlangen Rausch fliegen Munition, Granaten, Schwerter, Schweber, Hüter, Bosse und Freischalt-Schlüssel für die jeweils nächste Runde zu lauter Rockmusik umher. Die furiosen Gefechte in der neuen Archon-Schmiede sind symptomatisch für Das Erwachen der Eisernen Lords. Sie sind die auf den kleinsten Nenner reduzierte Essenz von Destiny: griffige Action und eine nicht enden wollende Jagd nach stärkerer Ausrüstung – mehr nicht. Denn mehr hat die aktuelle Erweiterung auch nicht zu bieten.

Warum unser Test so spät erst kommt? Der Herbst und seine Viren haben mich vom Spielen und Schreiben abgehalten. Ausgerechnet beim ersten Anlauf auf den Boss des neuen Raids hatte es mich plötzlich erwischt. Das flaue Gefühl kam jedenfalls nicht von den Gegnern; die Erkältung hatte zugeschlagen.

Doppelt verschnupft

Allerdings – und das ist der entscheidende Punkt – spätestens in diesem Moment wäre ich auch ohne den Infekt ausgelaugt gewesen. Denn ich bin enttäuscht von der gleichförmigen Action im neuen Raid, von den neuen Gegnern ganz allgemein, dem neuen Schauplatz und der neuen Geschichte in Das Erwachen der Eisernen Lords. Während die letztjährige Erweiterung König der Besessenen nämlich aus dem ursprünglichen Destiny ein besseres Spiel machte,

Wenn's in der neuen Archon-Schmiede erst mal so aussieht...
fügt ihm Die Eisernen Lords nur Masse hinzu. Das ewige Streben nach höheren Levels bleibt dabei wie es war. Und das hatte für mich schon mit dem hohen Schwierigkeitsgrad des letztjährigen Raids seinen Höhepunkt erreicht.

Das Erwachen der Eisernen Lords ist beileibe kein schlechtes Aufblähen! Dank der Erweiterung hatte ich einmal mehr Dutzende Stunden Spaß mit Destiny und werde noch einige dazukommen lassen. Das ist auch dem neuen Mehrspieler-Modus Vorherrschaft zu verdanken, in dem man Kontrahenten nicht nur abschießt: Denn damit der Kill zählt, muss ein Mitglied des eigenen Teams noch das Signum des Gefallenen auflesen, erst dann gibt es dafür und für den Schützen einen Punkt.

Ein Kill allein ist nichts wert

Diese Variation sorgt dafür, dass PvP-Teams besser zusammenarbeiten; immerhin muss man so ein Signum erst einmal erreichen, wenn das feindliche Team vielleicht das Gebiet um den Toten herum bewacht oder dessen Zeichen gar zurückzuholen versucht. Das richtige Timing aus Angriff und Positionswechsel gewinnt so

... dann quillt die Post bald über. Die Laufrinne zwischen Kryptarch und Lager war nie tiefer.
an Bedeutung. Auch so stehen bei den Gefechten im Schmelztiegel noch immer schnelle Zeigefinger und Automatik-Kills im Vordergrund (das Auslösen mancher Super-Fähigkeiten verlangt ja nicht das geringste Können), Vorherrschaft fügt ihnen aber eine interessante taktische Note hinzu.

Und immerhin ist der Shooter weiterhin einer der Besten seiner Art: In Sachen Präzision, Trefferfeedback und Bewegungsfreiheit macht Bungie selbst zwei Jahre nach Erscheinen des eigentlichen Spiels niemand etwas vor. Und deshalb ist die zuvor erwähnte Schmiede auch so etwas wie der symbolische Mittelpunkt seiner aktuellen Erweiterung, weil Bungie dort das hervorragende Spielgefühl mit dem zweiten großen Standbein seines Destiny direkt zusammenführt: In der Schmiede sammelt man im Eiltempo bessere Waffen und Rüstungsteile.

Gleichförmige Tontauben statt clevere Tricks

In der neuen Arena wird aber auch schnell klar, was der aktuellen Erweiterung im Vergleich zur letzten fehlt: Musste man im Hof von Oryx, also der im vergangenen Jahr eingeführten Arena, nämlich erst Schwächen der Gegner finden und sie anschließend durch geschicktes Teamwork ausnutzen, ballert man in dem neuen Areal stets munter drauf los. Schwachstellen sind die bekannten Trefferzonen – mehr muss man nicht wissen. Das macht natürlich Laune, ist aber auch oberflächlicher und auf Dauer kräftezehrend. Die Spannung lässt irgendwann nach, der Spaß ebenso.

Und genau das ist Das Erwachen der Eisernen Lords: mehr vom guten Gleichen, aber ohne nennenswertes kreatives Konzept. Ohne clevere Ideen wie die kleinen Rätsel und aufeinander aufbauenden Gefechte an Bord des letztjährigen Grabschiffs. Die diesmal hinzugekommene Umgebung ist lediglich eine Ansammlung meist bekannter Missionen, Ereignisse und Gegner. Rätsel und gestaffelte Aufgaben fehlen im Vergleich fast komplett, große Teile des Schauplatzes wurden sogar dem seit Beginn vorhandenen Kosmodrom entnommen.

Es geht auch ohne reden

Selbst der Raid, dessen Vorgänger zum Besten gehört, das Destiny zu bieten hat, ist lediglich eine Ansammlung halbwegs vertrauter Mechanismen, die man überraschend schnell durchschauen und abarbeiten kann. Keine Frage: Manche Gefechte sind spektakulär. Doch mussten Hüter sich im Kampf gegen Oryx noch präzise absprechen und in vielen Situationen individuelle Aufgaben übernehmen, reicht diesmal das grobe Verständnis eines herkömmlichen Zusammenspiels.

Das hat auch damit zu tun, dass die neuen Gegner, Spleißer genannt, kaum neue Tricks beherrschen: Als weiterentwickelte Gefallene agieren sie im Wesentlichen genau wie diese – kein Vergleich zu den sich teilenden oder teleportierenden Besessenen.

Um Postkartenmotive ist Destiny nach wie vor nicht verlegen.


Wer sind die Lords und wen interessiert's?

Und es hat auch mit der Geschichte zu tun, die im Wesentlichen nach fünf Missionen schon vorüber ist, die sich um Vorgänger der Hüter dreht und nicht mal im Ansatz so interessant erzählt wird wie die um Oryx. Besonders die wenigen neuen Charaktere bleiben erschreckend blass, versprühen im Vergleich zu ihren markanten Vorgängern kaum Charisma. Ganz ehrlich: Diesen allzu offensichtlich nachträglich ans Spiel genagelten C-Plot hätte sich Bungie von mir aus gerne schenken können.

Erzählerisch gelungen ist dagegen das sympathische Augenzwinkern, mit dem die Entwickler auf manches zurückblicken, das Destiny-Spieler lange begleitet hat. Vor allem der Geist, also ihr ständiger Begleiter, lässt mitunter Kommentare fallen, die beinahe die vierte Wand durchbrechen – wenn er z.B. darauf hinweist, dass die Gegner in einem der Strikes immer wieder diese eine Tür verschließen, so dass man sie zum Weiterkommen stets neu öffnen muss. „Jedes. Einzelne. Mal.“: Ein sympathisches Stilmittel, um das erste Kapitel Destiny abzuschließen.

Ende

Und endlich finden immerhin die Mitglieder eines Clans direkt im Spiel zusammen! Das ist eine ebenso kleine wie verdammt gute Neuerung. In Anbetracht der großen Ausbeute in der Schmiede ist es dafür zwar ärgerlich, dass man die Gegenstände im Tresor noch immer nicht nach verschiedenen Kriterien sortieren darf. Aber vielleicht lässt sich dich Beute in Destiny 2 ja endlich bequem verwalten.

Fazit

Denn auch das ist Das Erwachen der Eisernen Lords: ganz offensichtlich nur ein Lückenfüller, bevor Bungie mit dem verspäteten Nachfolger endlich ein echtes neues Kapitel schreibt. Dass sich die Entwickler Zeit damit lassen ist klasse! Dass sie in der Zwischenzeit weiter Geld verdienen wollen: Warum nicht? Dass sie dies mit einem so gefühlt seelenlosen Masse-Update tun, empfinde ich aber als enttäuschend – vor allem deshalb, weil die letztjährige Erweiterung eine so umfassende Verbesserung fast aller Spielinhalte bot. Natürlich ist der neue Raid eine willkommene Ergänzung, ihn zu spielen fühlt sich aber viel zu gewöhnlich an. Auch überarbeitete Strikes sind eine sinnvolle Anpassung, in gewisser Weise aber auch eine Kleinigkeit. Und der neue Schauplatz ist eben kein mit interessanten Aufgaben gespicktes Grabschiff, sondern nur die gewöhnliche Ausdehnung eines bestehenden Gebiets. So viel Spaß mir Destiny dank seiner guten Anlagen auch mit Das Erwachen der Eisernen Lords also bis heute macht, so wenig drückt die Erweiterung dem Erlebnis ihren Stempel auf.

Wertung

XboxOne

Enttäuschende Erweiterung, welche die immer gleiche Suche nach besserer Ausrüstung weder spielerisch noch erzählerisch verbessert.

PlayStation4

Enttäuschende Erweiterung, welche die immer gleiche Suche nach besserer Ausrüstung weder spielerisch noch erzählerisch verbessert.