ReCore - Test, Action, PC, XboxOne
Als ReCore zum ersten Mal in Form eines Trailers auf der E3 vor zwei Jahren gezeigt wurde, war bei mir die Euphorie groß: Endlich mal wieder ein viel versprechendes Action-Adventure - eine neue Marke noch dazu. Und mit Armature, hinter denen einige Designer von Metroid Prime stecken, sowie Keiji Inafune (MegaMan, Dead-Rising-Serie) als treibende Kreativkräfte sind potente Entwickler mit an Bord. Doch danach wurde ein Mantel des Schweigens über das Projekt gestülpt. Es gab keine Spielszenen und als ReCore in diesem Jahr erstmals in spielbarer Form auf der E3 gezeigt wurde, blieb ein ernüchternder Eindruck.
Vom Hoffnungsträger zur Ramschware?
Dieser wurde jedoch in der interessanten Anfangsphase beiseite gewischt. Die Protagonistin Joule Adams findet sich nach einer Katastrophe auf der Erde auf dem Planeten Far Eden wieder, der offensichtlich das erklärte Refugium der Überlebenden werden sollte. Doch auch hier scheint nicht alles glatt zu gehen. Aus einer Bewusstlosigkeit aufwachend, stellt sie fest: Die Terraformer arbeiten nicht, der gesamte Wüstenplanet wirkt unbewohnbar und wird von merkwürdigen Roboterwesen beherrscht. Das macht aber nichts, denn ihr Kumpan Mack ist ebenfalls ein Roboter. Genauer gesagt: Ein Kernbot in Form eines Hundes. Was es mit den Kernen erzählerisch auf sich hat, werden wir an dieser Stelle aus Spoilerrücksicht nicht verraten. Doch auch mechanisch spielen diese Kerne eine Rolle. Die seltenen Prismakerne, die man finden kann, sind sehr wichtig für die Rettung Far Edens, während die verschiedenenfarbigen Standardkerne, die man im Kampf von anderen Kernbots extrahieren kann, für die Entwicklung von
Joules robotischen Freunden benutzt werden. Neben Mack findet man auch noch Seth (in der Anfangsform eine Spinne) sowie Duncan (anfänglich ein Gorilla), deren verschiedene Farben auch unterschiedliche Angriffsstile und Kampfanfälligkeiten repräsentieren.Reys kleine Schwester
Armature und Comcept schaffen es, in der Anfangsphase eine mysteriöse Stimmung aufzubauen, die mich neugierig macht. Allerdings fühlte ich mich auch sehr häufig an die erste halbe Stunde aus Star Wars: Das Erwachen der Macht erinnert. Wie Rey auf Jakku ist Joule auf einem Wüstenplaneten unterwegs, auf dem überall Wrackteile zu finden sind. Wie Rey ist Joule im weitesten Sinne Schrottsammlerin. Und wie die Macht-Nutzerin wird auch die Heldin aus ReCore von Robotern begleitet. Ob Armature diese Assoziationen beabsichtigt hat, weiß ich nicht. Aber es wiegt auch deswegen nicht so schwer, weil sich das Abenteuer von Joule trotz dieser grundsätzlichen Ähnlichkeiten schnell in eine andere Richtung entwickelt. Eine Richtung, in der mit schneller Action, Levelerforschung in vergleichsweise offenen Arealen sowie klassischen Plattformsequenzen drei interessante Eckpfeiler ins Fundament gegossen und vor allem anfänglich gut mit der Erzählung verknüpft werden. Im ersten Drittel passt das Tempo. Ruhige Erkundungsmomente wechseln sich ab mit rasanten Gefechten, nur um dann von waghalsigen Sprungsequenzen abgelöst zu werden.
Und in allen Bereichen mit Ausnahme der dank akkurater Steuerung und sehr guter Kollisionsabfrage gelungenen, aber gegen Schluss hammerharten Sprungsequenzen stehen die Kernbots statt Joule im Mittelpunkt. Zwar verfügt die Heldin über ein Gewehr, dessen Nachschub an Energiemunition unendlich ist, aber nach langem Dauerfeuer abkühlen und sich wieder aufladen muss. Doch ohne Mack, Duncan und Seth wären die Auseinandersetzungen gegen die Gegnermassen nicht zu schaffen. Nicht nur, dass die Kernbots autonom angreifen und sich potent zur Wehr setzen. Man kann ihnen zusätzlich noch einen Angriffsbefehl auf das aktuell anvisierte Ziel geben, was sie mit einer Spezialattacke quittieren und danach weiter nach allen Regeln der Kunst versuchen, den Kampf zu beenden. Taktische Finessen kommen u.a. durch die Farben der gegnerischen Kerne ins Spiel. Blau, Rot und Gelb als Standardfarben markieren die Anfälligkeit der jeweiligen Feinde und stehen auch bei der Munitionswahl zur Verfügung. Zusätzlich kann man seinen Schuss in mehreren Stufen aufladen, um z.B. Schilde auszuschalten. Und spätestens beim Betätigen des Ausweichschubs, um einem gegnerischen Angriff aus dem Weg zu gehen, weiß man die halbautomatische Zielaufschaltung zu schätzen, damit man den ausgesuchten Gegner und seine Kombo nicht aus dem Blick verliert. Denn je höher die Kombo, desto höher ist der Schaden, den Joules Knarre unabhängig von der gewählten Munitionsfarbe verteilt.
Kernbots sind das A und O
Robo-Tuning
Denn während man an Teleportpunkten immerhin noch auswählen kann, welche zwei Kerne man mitnimmt, muss man zum Körper- und damit Fähigkeitswechsel immer wieder in die Heimatstation von Joule zurückkehren. Nur hier kann man den Mack-Kern vom Hund in den Gorilla packen, den man benötigt, um bestimmte Gesteinsformationen zu zerstören. Wieso hat man nicht entweder schon an den Reisestationen die Möglichkeit des Kernwechsels? Oder noch besser: Man könnte die Tauschtaste nutzen, um bei einem kurzen Druck zwischen den letzten zwei gewählten Robotern zu alternieren und hat bei einem Halten der Taste Zugriff auf ein Menü zu bekommen, in dem man ad hoc die Kern-/Körper-Kombo verändern kann. Denn da die Ladezeiten auf beiden Systemen nicht ohne sind, wird das dauernde Hin- und Herteleportieren spätestens ab der Hälfte des Spiels zu einer kleinen Tortur. Doch nicht nur hier sind die involvierten Teams über das Ziel hinausgeschossen.
Vor allem gegen Ende, wenn eigentlich alles auf ein sich stetig steigerndes Finale hinauslaufen sollte, wird immer wieder unnötig auf die Bremse getreten. Dass bestimmte Tore nur mit einer festgelegten Anzahl an Prismakernen geöffnet werden können, ist nicht per se das Problem - dies ist eine bewährte Mechanik, die seinerzeit auch bei Super Mario 64 gut funktionierte. Nur wenn die Suche nach diesen Kernen später so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass der Spannungsbogen des sich eigentlich ständig und auch im Anforderungsprofil steigernden Finales immer wieder in sich zusammenfällt, macht es keinen Spaß mehr. Hier hätte man entweder die Anforderungen senken oder den Spieler intelligenter an den benötigten Prismakernen vorbeiführen können. Dabei habe ich prinzipiell nichts gegen das Suchen und Finden von Dingen, um alle Geheimnisse und Türen lüften bzw. öffnen zu können. In ReCore allerdings wirkt es unharmonisch und nur darauf getrimmt, die Spielzeit zu strecken. Es wäre ungleich intensiver gewesen, wenn man das Finale in einem Stück erleben könnte und dann nach eigenem Gutdünken versuchen dürfte, sämtlich Höhlen und Verliese zu finden, die sich teilweise hinter Schlössern verstecken, für die man wiederum die richtigen Schraubenbots suchen muss.
Zu viel des Guten
Fazit
Nach viel versprechendem Start baut ReCore vor allem in der Mitte ab, bevor es sich im eigentlich gelungenen Finale mit unnötigen Streckungen immer wieder das Leben schwer macht. Die Kernelemente Kampf mit Roboter-Unterstützung, Levelerkundung sowie Plattform-Action können von Anfang an packen und sind gut miteinander verwoben - wenngleich der Wechsel von Kernen und Robo-Körpern verkompliziert wurde. Doch der Kollaboration von Armature (mit ehemaligen Metroid-Prime-Entwicklern) und Comcept (Capcom-Legende Keiji Inafune) fehlt unter dem Strich die leitende Hand. Die Dramaturgie wird immer wieder unnötig gestreckt, so dass die Stärken von ReCore ständig unter die Räder kommen. Der Kampf erinnert mit seiner Dynamik häufig an ein entschleunigtes Vanquish, während viele Plattformsequenzen mit zum Besten gehören, was ich in dieser Konsolengeneration in diesem Bereich erleben durfte. Doch dazwischen findet sich trotz zahlreicher Geheimnisse auch eine Menge spielmechanischer Leerlauf in einer nur anfänglich interessanten Wüstenwelt. Schade, hier wäre mehr möglich gewesen. Doch Microsoft hat ja bereits angedeutet, dass man eventuell eine Marke etablieren möchte, so dass noch weitere Teile folgen könnten, in denen diese Probleme ausgemerzt werden. Das Konzept des Kerntauschs in Verbindung mit der japanisch angehauchten Action sollte auf jeden Fall weiter verfolgt werden - auch wenn der Start in die Welt von ReCore holprig verläuft.
Pro
- sehr gute Kollisionsabfrage bei der Plattformaction
- akkurate Steuerung
- interessante Geschichte
- dynamische Kämpfe
- Aufrüsten der Kernbots in mehreren Ebenen
- viel zu entdecken
- gute deutsche Lokalisierung
- ordentlicher dynamischer Soundtrack
Kontra
- unnötig komplizierter Wechsel von Kernen und Körpern
- Finale wird unpassend gestreckt
- Längen im Spieltempo, Hang zum Grind
- Abstürze, grobe Clipping-Probleme (PC)
- auf Dauer wenig Gegner-Variation
- Ladezeiten auf beiden Systemen, aber vor allem auf Konsole