Sonic Boom: Feuer & Eis - Test, Plattformer, 3DS

Sonic Boom: Feuer & Eis
30.09.2016, Jan Wöbbeking

Test: Sonic Boom: Feuer & Eis

Rückkehr aus dem Wertungskeller?

Segas Maskottchen schwächelt schon seit geraumer Zeit, doch Sonic Boom: Lyrics Aufstieg markierte vor zwei Jahren einen traurigen Tiefpunkt. Kann Entwickler Sanzaru mit Sonic Boom: Feuer & Eis den Karren wieder aus dem Dreck ziehen? Dass die Kalifornier ein Händchen für Plattformer haben, bewiesen sie bereits mit dem Vita-Spiel Sly Cooper: Jagd durch die Zeit.

Bevor Missverständnisse aufkommen: Für den Totalschaden auf Wii U war Sanzaru nicht verantwortlich. Das Team lieferte seinerzeit den 3DS-Ableger Sonic Boom: Der Zerbrochene Kristall ab, der mit seiner etwas hakeligen Steuerung ebenfalls zu den schwachen Teilen der Seriengeschichte zählt, allerdings deutlich weniger enttäuschte als das Wii-U-Desaster. Offenbar hatten Sega und Nintendo keine Lust auf weitere Image-Schäden: Das Ergebnis wirkt zumindest so, als hätte Sanzaru diesmal deutlich mehr Zeit für Level-Design und Polishing bekommen, um ein ordentlich flutschendes Sonic-Spiel auf die Beine zu stellen. Schon die Steuerung geht von Beginn an etwas entspannter von der Hand und wurde besser auf das Level-Design abgestimmt. Wenn ein Spiel eine Zeichentricktrickserie zum Vorbild hat, sollte man eigentlich davon ausgehen, dass auch die Zwischensequenzen halbwegs professionell wirken.

Beim zweiten Mal wird alles besser?

Wer jetzt nicht aufs Schockfrosten umschaltet, landet in den tödlichen Stacheln unter Wasser.
Dem ist leider nicht so, stattdessen unterbieten sich Sonic und seine Mitstreiter mit Dialogen, die selbst mir als Freud platter Wortspiele zu dämlich sind. Als Wissenschafts-Spezi Tails z.B. über die Zusammensetzung des gefährlichen neuen Elements Ragnium referiert, kommentiert Knuckles das mit Sätzen wie „Wieso Zusammensetzung? Wer sitzt denn da zusammen?“ Vielleicht hat der massive Anabolika-Konsum die grauen Zellen geschädigt – er wirkt zumindest wieder um einiges mehr aufgepumpt als früher.

Als Dauerschurke Dr. Eggman vom gefährlichen neuen Element erfährt, macht er sich das Ragnium natürlich zunutze, um sich eine Armee aus äußerst flinken Robotern zu erschaffen, die selbst Segas blauen Blitz überholen können. Außerdem hat sich „D-Fekt“, einer von Dr. Eggmans Ragnium-Dieben, selbständig gemacht und zerstört die idyllische Spielwelt, in der plötzlich überall bedrohliche Strahlenwirbel aus der Erde zwirbeln. Sonic und seine Freunde müssen der Zerstörung ein Ende setzen und den Frieden auf der Insel Ragnarück wiederherstellen.

Strahlende Aussichten

Treffer!
Wie im Vorgänger wechsle ich mitten in der Action frei zwischen den Figuren, um ihre Spezialfähigkeiten zu nutzen: Sonic kann sich schwungvoll in die Höhe schleudern, Tails überquert Abgründe mit dem bekannten Rotor-Schweif und zerbröselt Schalter sowie Gegner mit seinem langsam nachladenden Blaster. Auch der Rest der Crew wird schön ins Leveldesign eingebunden: Immer wieder stoße ich ich am Rande eines Areals auf einen Geheimraum, vor dem ich Sticks' Bumerang gefühlvoll um die Ecke gegen einen Schalter steuern muss. Weniger subtil wirken die Säulen, die sich mit Amys Hammer absenken lassen: Wo das entsprechende Symbol zu sehen ist, kloppt man drauflos und schon ist meist der Weg frei.

Der überschaubare Mix aus Spezialaktionen sorgt innerhalb der Levels meist für einen schönen Spielfluss: Zuerst geht es mit Sonic in die Luft, dann schwebe ich mit Tails auf eine entfernte Plattform, um von dort aus mit Sticks' Bumerang einen verborgenen Schacht zu öffnen und mich schließlich mit Knuckles durch einen Erdtunnel zu buddeln. Da sich der Ameisenigel unaufhörlich voran gräbt, ist auch hier das passende Timing nötig. Eine zentrale Technik ist zudem der stetige Wechsel zwischen Feuer und Eis-Zustand. Da auch Sonic und sein Freunde sich die Macht des neuen Elements zunutze machen, sprinten sie entweder lodernd oder mit alles gefrierenden Eiskräften durch die Levels. Ich zische über einen See mit tödlichen Stachel-Algen? Schnell R drücken und schon schliddere ich sicher über die schockgefrostete Eisfläche. Sogar Fontänen lassen sich in nützliche Rampen verwandeln. Andersherum ramme ich im Feuerzustand mit dem passenden Timing durch Eisblöcke in versperrte oder verborgene Bereiche.

Wilder Wechsel

Zwischendurch stehen Robo-Rennen auf dem Programm.
Wer den richtigen Rhythmus raus hat, zischt flüssig durch die Welt. Ab und zu funkt allerdings ein Mangel an Präzision dazwischen. Die Steuerung fühlt sich eine ganze Ecke genauer an als im Vorgänger, manchmal blieb ich aber nach wie vor hängen, weil der Sprungknopf oder das Umschalten der Elemente in der Eile nicht verlässlich genug reagierte. Schade auch, dass Sonics klassische Kugelform so selten eine sinnvolle Option ist. Meist ist es hilfreicher, sich mit der automatischen Zielsuch-Attacke von Gegner zu Gegner zu hangeln. Andererseits haben die Entwickler mit Hilfe von Sonics modernem Steuerungs-Schema einen sinnvollen Kompromiss erreicht, bei dem auch auf dem kleinen 3DS-Schirm nur selten die Übersicht verloren geht. Die Reise führt durch einen typischen Mix aus Sonic-Themen wie einer Strand-Idylle, vereisten Wäldern, feurigen Grotten oder alten Maya-Tempeln. Der Soundtrack hat mich mit seinen gutgelaunten Melodien immer wieder zum Mitwippen animiert und verströmt in temporeichen Momenten einen schönen japanischen Oldschool-Techno-Vibe.

Richtig toll zur Geltung kommt übrigens der 3D-Effekt: Trotz der seitlichen Sicht ranken exotische Pflanzen durch den Hintergrund und lassen den blitzschnellen Ausflug schön plastisch erscheinen. Beim Posieren nach dem Level ragen Sonic & Co manchmal sogar ein wenig aus dem Gerät heraus. Es gibt allerdings einen störenden Haken an der Räumlichkeit: Ist die 3D-Darstellung aktiv, sinkt die Bildrate. Sie bleibt zwar auch mit aufgedrehtem Effekt konstant, das Spiel fühlt sich aber weniger flüssig an, was bei der hohen Geschwindigkeit die Augen strapaziert. Nachgemessen haben wir den Unterschied nicht, er ist aber ähnlich deutlich wie auf stationären Konsolen zwischen 60 und 30 Bildern pro Sekunde. Ob es auf dem New 3DS in 3D flüssiger läuft, konnten wir nicht überprüfen. Wir haben das Spiel auf einem klassischen Gerät getestet. Eine willkommene Abwechslung bieten die seitlichen Wettrennen gegen einen von Eggmans Renn-Robos und die Reaktionstests in 3D. In Letzteren düst man in berauschend flottem Tempo aus der Schulterperspektive an Seilbahnen entlang und an Fallen vorbei. Ab und zu kommt auch hier die Feuer- und Eisfähigkeit zum Einsatz, um ein schockgefrostetes Wasserbecken zu überqueren oder mit dem flammenden Igel eine Eiswand zu durchbrechen. Der Großteil des Spiels läuft allerdings aus einer seitlichen Perspektive ab.

3D-Effekt mit Problemen

Minispiele wie diese simple Shoot-em-up-Einlage sind zwar nicht besonders anspruchsvoll, aber eine willkommene Abwechslung.
Eine Enttäuschung sind die relativ simpel aufgebauten Bosskämpfe gegen fade designte Hünen wie ein Holzmonster, die ich meist nur lustlos und ohne große Gegenwehr abgearbeitet habe. Auch die wenigen Upgrades wie ein Ringe-Magnet oder eine neue Dash-Attacke wirken wie aufgestülpt. Da man ohnehin erst relativ spät im Spiel genügend Währung dafür zusammen hat, spielen sie aber keine all zu große Rolle. Wer möchte, kann verdiente Ressourcen stattdessen in frische Rennroboter mit leicht variierendem Handling stecken. Die in den Story-Modus eingestreuten Wettrennen lassen sich auch gegen einen drahtlos verbundenen Freund bestreiten – allerdings nur sofern er das Spiel besitzt. Motivierende Online-Geister, weltweite Bestenlisten o.ä. haben sich die Entwickler leider gespart.

Enttäuschende Obermotze

Fazit

Schön, dass Sanzaru mit seinem zweiten Sonic-Boom-Spiel noch die Kurve gekriegt hat. Der Titel gehört zwar nicht zu den Highlights der Serie, ist aber auch meilenweit von einem Totalschaden wie Sonic Boom: Lyrics Aufstieg entfernt. Die Entwickler verknüpfen die Charakterfähigkeiten schön mit dem Grundprinzip und haben auf dem kleinen 3DS-Screen einen unterhaltsamen Kompromiss aus Geschwindigkeit und Übersicht gefunden. Vor allem der ständige Wechsel zwischen Feuer und Eis sorgt für einen passenden Spielfluss. Es gibt nach wie vor deutliche Dämpfer wie leichte Präzisionsmängel bei der Steuerung, öde Bosskämpfe oder peinliche Zwischensequenzen. Trotzdem bemerkt man, dass diesmal mehr Zeit und Muße ins Leveldesign geflossen ist. Im Vergleich zu Sonics Absturz in den vergangenen Jahren ist das Spiel also eine positive Überraschung, selbst wenn unterm Strich nur ein solides Jump-n-Run dabei herausgekommen ist.

Pro

  • Leveldesign gut auf Spezialfähigkeiten abgestimmt
  • guter Kompromiss aus Geschwindigkeit, Übersicht und Spielfluss
  • idyllische farbenfrohe Schauplätze mit viel Abwechslung
  • plastische Kulisse profitiert stark von 3D-Effekt...
  • schwungvoller Soundtrack mit vielen Ohrwürmern
  • motivierende High-Speed-Rennen aus seitlicher und 3D-Perspektive

Kontra

  • Steuerung und Kamera in hektischen Momenten nicht immer verlässlich genug
  • monotone Bosskämpfe gegen hässlich designte Endgegner
  • marginales Upgrade-System und Oberwelt wirken unausgegoren
  • ...aktivierter 3D-Effekt senkt die Bildrate etwas (die aber weiterhin stabil bleibt)
  • schwach inszenierte Zwischensequenzen voller bemüht komischer Peinlichkeiten
  • keine Online-Modi, -Geister oder weltweite Bestenlisten

Wertung

3DS

Trotz einiger Macken sorgt der ständige Wechsel der Fähigkeiten für einen unterhaltsamen Spielfluss und ein um Längen besseres Sonic-Spiel als die missratenen Vorgänger.