Rez Infinite - Test, Musik & Party, OculusRift, PlayStation4, PlayStationVR, PlayStation5, OculusQuest, PlayStationVR2, HTCVive, PC, VirtualReality

Rez Infinite
17.10.2016, Jan Wöbbeking

Test: Rez Infinite

Auch in VR zeitlos gut?

Rez und Virtual Reality – für Fans psychedelischer Action klingt das nach einer Traumhochzeit. Der Dreamcast-Klassiker begründete schließlich im Jahr 2002 das Genre im Takt blitzender Rail-Shooter. Wir testen, ob das freie Umschauen per PlayStation VR und ein zusätzlicher Level für neue Grenzerfahrungen sorgen.

Als Sega-Entwickler Tetsuya Mizuguchi Mitte der Neunziger über die Züricher Street Parade schlenderte, war er derart von der pulsierenden Kreativität der Rave-Kultur beeindruckt, dass er die Atmosphäre unbedingt in einem Spiel einfangen wollte. Nach jahrelangen Experimenten erschien im Jahr 2002 schließlich ein leuchtender Rail-Shooter im Stil von Panzer Dragoon, der aber komplett auf geometrische Technik-Ästhetik setzte. Später wurde der Dreamcast-Titel auch für PlayStation 2 (nebst obskurem „Trance Vibrator“) und als HD-Fassung für Xbox 360 umgesetzt. Jetzt ist eine angepasste Version zum Start von PlayStation VR erhältlich, die auch einen frischen Abschnitt bietet. Wer Näheres über den Spielablauf erfahren möchte, sollte sich unseren ausführlichen Artikel zur HD-Fassung durchlesen. Dieser Test dreht sich im Wesentlichen um die Neuerungen und Probleme der Virtual-Reality-Umsetzung. Nach wie vor fliegt man auf vorgegebenen Bahnen durch eine wild zur Musik pulsierenden Computerwelt, um allerlei kreativ designte Viren zu zerbröseln. Das Spielprinzip bleibt denkbar schlicht: Einfach das Zielkreuz über den Gegner bewegen, Knöpfchen drücken – und schon fliegen die zielsuchenden Raketen gen Widersacher. Bis zu acht lassen sich für eine Kombo markieren. Dazu kommen eine alles versengende Smart-Bomb sowie kleine Icons, welche dem Charakter höhere Evolutionsstufen und somit mehr Leben verleihen.

Techno in Spielform

Immer im Kreis herum: Mit dem Kopftracking lassen sich solche gleichmäßigen Muster noch leichter markieren.
So weit, so bekannt - doch sobald man das Headset übergestülpt hat, erlebt man selbst als Rez-Veteran eine Überraschung. Da man plötzlich mitten durch die Kulisse fliegt und sich frei umsehen kann, fühlt sich der Trip noch eine ganze Ecke intensiver an. Meist spielt sich die bunte Action im vorderen Sichtfeld ab, ab und zu muss man aber zu den an der Wand entlang krabbelnden Cyber-Krabben schauen oder sich sogar noch weiter zu einem fliehenden Boss umdrehen. Das Markieren der Gegner per Kopf-Tracking funktioniert traumhaft gut. Intuitiv bewegt man den Kopf zu all den blitzenden Gefahrenquellen und kann vor allem aufgereihte Gegnerwellen viel ruhiger und eleganter in ihren Grüppchen erwischen. Zur Not hilft man ein wenig mit dem Analogstick des Dualshock-Controllers aus, während man sich gerade anderswo umsieht. Schade, dass die alternativen Steuerungsschemata keine Möglichkeit bieten, die Bewegung des Fadenkreuzes komplett vom Umsehen zu entkoppeln. In der Praxis erweist sich das schnelle Umschauen mit gelegentlicher Stick-Ergänzung aber als tolle Alternative, die den Spieler noch tiefer in der Welt versinken lässt.

Nur manchmal wird es zu hektisch oder unübersichtlich – z.B. wenn der riesige Marathonläufer die eigene Figur wild umkreist, an den Wänden entlang läuft und ihn mit Sprüngen attackiert. Dann ist schnelles Umschauen nötig, teilweise sogar komplett nach hinten oder oben. In solchen Momenten wird deutlich, dass die Regie ursprünglich für einen Fernseher konzipiert wurde, auf dem es leichter war, mit Rotationen die Übersicht zu behalten. Wer auf einem Drehstuhl sitzt, hat in diesem Bosskampf also klare Vorteile. Auch dann kann es in wilden Momenten aber mulmig im Magen werden – echte Übelkeitsprobleme bekam ich allerdings nie. Meist spielt die Musik auch frontal vorm Spieler. Die Kamera-Bewegungen wurden ein wenig auf VR-Bedürfnisse abgestimmt: Auf Wunsch kann man es bei einer ruhigeren Regie belassen oder in den Optionen zu mehr Dynamik wechseln.

Dieses Spiel verdreht euch den Kopf!

Die neue Area X besteht beinahe komplett aus funkelnden Partikeln.
Grafisch gehört Rez Infinite (ab 97,00€ bei kaufen) zu den hübschesten Titeln für PlayStation VR. Das zeitlose Drahtgitter-Design wird wahrscheinlich noch in zehn Jahren einen ganz eigenen Charme versprühen. Bis heute noch hat es kein anderer „Techno-Shooter“ geschafft, ein derart stilsicheres Zusammenspiel aus Farben und Formen zu orchestrieren. Schön auch, dass alles trotz der eingeschränkten VR-Auflösung stets flüssig und sehr sauber erscheint. Da der Titel früher für SD-Fernseher konzipiert wurde, bleibt die klar leuchtende, von Bauhaus und Kandinsky inspirierte Formensprache auch hier erhalten. Nur selten kommt es bei schnellen Bewegungen und ruckartigen Kopfdrehungen zu Farbverschiebungen, wobei es sich um einen Nebeneffekt der nebeneinander liegenden Subpixel des Bildschirms handeln könnte. Im Gegenzug sorgen sie übrigens dafür, dass das Bildpunktraster bei der PSVR weniger störend auffällt als auf Rift oder gar Vive.

Eine Enttäuschung ist die alternative Move-Steuerung, die noch einen Deut schwammiger wirkt als seinerzeit die Kinect-Variante von Child of Eden. Da man kein virtuelles Gegenstück der Bewegungscontroller vor Augen sieht, fällt es schwer, Distanzen abzuschätzen. Außerdem wirken die Bewegungen allgemein etwas träge und bei weitem nicht so präzise wie per Blick oder Stick. Auch bei der Musik gibt es eine Enttäuschung: Der Sound wird zwar räumlich abgemischt, im Vergleich zum knackigen 5.1-Mix des HD-Remakes wirken die einstmals wummernden Techno-Stücke aber etwas bassarm und matschig. Bei einem derart legendären Soundtrack grenzt das fast schon an Ketzerei! Einen deutlich druckvolleren und klareren Eindruck hinterlässt der euphorisch-melodiöse, trancelastige EDM-Soundtrack des neuen Levels, in dem Mizuguchi offenbar einen Song seiner eigenen Electro-Band verarbeitet hat. Auch visuell merkt man sofort, dass der Altmeister hinter dem leuchtenden Spektakel steckt: Die durch die Luft schwebenden Elektro-Quallen und pulsierende Himmelskörper passen zum klassischen Konzept, bieten mit ihren Partikeleffekten aber trotzdem eine eigenständige Interpretation des Designs. Praktisch überall fliegt gleißend glitzerndes Lametta durch den Raum. Orientalisch anmutende Luftschlösser und explodierende Gegner zerteilen sich in tausende und abertausende feine Bildpunkte – wie bei einem wunderhübschen elektronischen Feuerwerk. Hat Mizuguchi sich etwa von Jeff Minter (Tempest 2000, TxK) beeinflussen lassen?

Feuerwerk der Partikeleffekte

Der über allem thronende Techno-Adler wirkt wie ein Sinnbild digitaler Überwachung.
Für dies neue Areal haben die Entwickler sogar ein eigenes Steuerungs-Schema benutzt, dass sich ein wenig vom klassischen Spiel unterscheidet: Ähnlich wie in Star Fox Zero oder Crimson Dragon kann man etwas freier durch die breiteren Areale fliegen. Mal düst man seitlich an eine Boss heran, anderswo schwebt man ein Stückchen rückwärts, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Die Flugrichtung wird mit Kopfneigungen zum Bildrand vorgegeben, was recht gut funktioniert. Schub und Gegenschub liegen auf zwei Knöpfen.

Mehr Bewegungsfreiheit?

Schade, dass nur ein einziges neues Level mitgeliefert wird und es keine weltweiten Highscorelisten oder Herausforderungen übers Netz gibt. Zudem kam mir ein Durchgang etwas leichter vor als früher – was allerdings auch daran liegen könnte, dass ich das Spiel mittlerweile in- und auswendig kenne. Nach dem nur ein bis zwei Stunden kurzen Durchspielen des Hauptmodus bleibt es dank der audiovisuellen Pracht aber trotzdem noch recht motivierend, weitere Herausforderungen anzugehen. Man kann z.B. versuchen, lokale Highscores zu knacken, eine möglichst hohe Prozentzahl der Gegner abzugrasen, kleine Geheimnisse zu entdecken oder kleine Boni wie neue Perspektiven und Design-Änderungen freizuschalten. Wem der visuelle Overkill mit der VR-Brille zu viel ist, kann übrigens auch einen TV-Modus starten, mit dem sich das Spiel mit einer gewöhnlichen PlayStation 4 auf dem Fernseher bestreiten lässt.

Fazit

Rez ist auch in seiner aktuellen VR-Fassung Gänsehaut pur! Ein zeitloses audiovisuelles Kunstwerk, das oft kopiert, in seiner Stilsicherheit aber auch nach 14 Jahren nicht erreicht wurde. Dank der VR-Einbindung fühlte ich mich noch intensiver ins Geschehen versetzt. Das intuitive und präzise Zielen per Kopftracking trägt ebenfalls viel zur Immersion bei und macht die bunt blitzende Reise auch für Veteranen interessant, die das Spiel bereits Dutzende Male beendet haben. Die VR-Umsetzung bringt kleine Macken wie eine manchmal überfordernde Regie, eine bassarme Abmischung (wie kann man nur?!) oder eine enttäuschende (optionale) Move-Einbindung mit sich. Doch solche Kleinigkeiten sind schnell vergessen, wenn ich erst einmal mit einem breiten Grinsen durch den Cyberspace rausche und nur mit der Kraft meiner Gedanken – pardon – Kopfbewegungen massenhaft Cyber-Mollusken in ein glitzerndes Feuerwerk verwandle. Gewissermaßen habe ich mir VR genau so vorgestellt, als ich Anfang der Neunziger zum ersten Mal von der Technik las. Hoffentlich legen Arcade-Spezis wie Jeff Minter (Polybius) mit ähnlich faszinierenden Titeln nach, denn in meinen Augen passt das Genre neben Rätselspielen bisher am besten zur noch jungen VR-Technik.

Pro

  • zeitloser Grafikstil hat nichts von seiner Faszination verloren
  • Vielfalt an fantastisch designten Gegnern und Cyberspace-Kulissen
  • traumhafter elektronischer Soundtrack
  • simples, aber hoch motivierendes Spielprinzip
  • mitreißendes Mittendringefühl dank Virtual Reality
  • hochpräzises Kopf-Tracking passt bestens ins Konzept
  • neues Areal bezaubert mit Partikel-Stil und neuem Steuerungs-Schema
  • ideal platzierte, rhythmische Pad-Vibrationen
  • "Reise"-Variante mit unendlich vielen Leben zum Entspannen

Kontra

  • zu kurz und etwas zu einfach
  • nur ein einziges neues Level
  • keine Extrawaffen oder komplexere Kombos
  • zu wilde Regie sorgt raubt manchmal die Übersicht und strapaziert den Magen
  • schwammige (optionale) Move-Controller-Steuerung
  • keine weltweiten Bestenlisten, Freundes-Herausforderungen o.ä.

Wertung

PlayStation4

Mit Rez Infinite wird der zeitlos gute Arcade-Klassiker sogar noch vereinnahmender - ein klares Highlight für VR!

PlayStationVR

Mit Rez Infinite wird der zeitlos gute Arcade-Klassiker sogar noch vereinnahmender - ein klares Highlight für VR!