Shin Megami Tensei 4: Apocalypse - Test, Rollenspiel, 3DS

Shin Megami Tensei 4: Apocalypse
09.12.2016, Jens Bischoff

Test: Shin Megami Tensei 4: Apocalypse

Rückkehr ins okkulte Tokio

Mit Shin Megami Tensei 4 eröffnete Atlus hierzulande vor zwei Jahren einen dämonischen Machtkampf um Tokio, über dessen Ausgang man als himmlischer Samurai aktiv mitentschied. Mit "Apocalypse" geht das übersinnliche Kräftemessen jetzt mit neuen Gesichtern und alternativen Ereignissen in eine zweite Runde. Ob die Verlängerung überzeugt, verrät der Test.

Shin Megami Tensei 4: Apocalypse (ab 109,84€ bei kaufen) entführt den Spieler ins Jahr 2038, wo man als Rekrut der für Versorgungs- und andere Auftragsarbeiten verantwortlichen Hunter Association im post-nuklearen Tokio unterwegs ist. Die japanische Hauptstadt blieb dank eines übernatürlichen Schutzschilds zwar vor der atomaren Vernichtung verschont, hat innerhalb ihrer unüberwindbaren Abschottung aber mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: Dämonen.

Zwischen den Fronten

Konkret stehen sich wie im neutralen Spielverlauf von Shin Megami Tensei 4 die Armeen Luzifers und Merkabahs gegenüber, während die Menschheit ihre Hoffnungen in Originalprotagonist Flynn setzt. Der wird in Apocalypse allerdings von einer dritten Fraktion entführt, deren Pläne nicht nur die Geister spalten, sondern auch die Fronten verschieben. Man selbst ist in diesem Machtkampf eigentlich nur ein unbedeutender Niemand, der schon, bevor es richtig losgeht, den Löffel abgibt.

Nimmt man sein Schicksal an, heißt es konsequenterweise auch tatsächlich Game Over. Doch es gibt eine Alternative: Den Abschluss eines göttlichen Wiederauferstehungspakts. Die Konsequenzen sind zwar ungewiss, doch nur so kann man das Leben seiner von Dämonen bedrohten Kameradin retten.

Das Leben des Protagonisten endet für Serienkenner nicht unüblich bereits kurz nach Spielbeginn. Akzeptiert man sein Schicksal, heißt es auch tatsächlich: Game Over.
Und so willigt man ein und löst damit eine Fahrkarte für eine lange und spannende Reise, die einen noch vor ganz andere Überraschungen und Entscheidungen stellen wird...

Vorzeitiges Ende

Die Wahl des Schwierigkeitsgrads ist dabei egal, da man ihn jederzeit beliebig anpassen kann, ohne dadurch irgendwelche Einbußen zu erfahren. Wer einen Spielstand aus Shin Megami Tensei 4 importiert, erhält sogar eine zusätzliche Starthilfe in Form von Bonusgegenständen. Auch Spielstandsicherungen sind jederzeit uneingeschränkt möglich. Frei durch Tokio ziehen, kann man hingegen nicht. Auf der Stadtkarte sind anfangs nur wenige Gebiete zugänglich, die man zu Fuß erreichen kann. Später werden aber immer mehr Absperrungen aufgehoben und Schnellreise-Terminals verfügbar. Die Übersichtlichkeit der automatisch kartografierten Gebiete hätte aber vor allem im späteren Spielverlauf besser sein können - fehlende Ausgänge und Verbindungen lassen einen trotz aktivierbarem Zielmarker oft unnötig umherirren.

Zu Auseinandersetzungen mit Dämonen kann es überall kommen - auch auf dem navigierbaren Stadtplan. Vor lästigen Zufallskämpfen bleibt man dabei allerdings verschont. Gegner treten als flackernde Silhouetten in Erscheinung, die bei Berührung oder Waffenkontakt eine rundenbasierte Konfrontation nach sich ziehen. Schlägt man als Erster zu, sichert man sich einen Startvorteil.

Angreifer können durch Multiple-Choice-Dialoge zum Überlaufen überredet werden.
Serientypisch steht vor allem die Ausnutzung elementarer Schwachstellen im Mittelpunkt, die man aber erst herausfinden muss. Einmal analysiert, lassen sich Feindaten aber jederzeit einsehen - selbst mitten im Kampf.

Kämpfen oder reden

Und das ist auch wichtig, denn wer die passenden Angriffe einsetzt, erhält oftmals entscheidende Bonuszüge und Statusvorteile, während Fehlschläge mitunter folgenschwere Zugverluste nach sich ziehen. Darüber hinaus kann man seine Gegner aber auch in Gespräche verstricken und sie im Idealfall so als Mitstreiter rekrutieren. Je nach Wortwahl kann man sie jedoch auch in die Flucht schlagen oder so verärgern, dass sie, auch ohne an der Reihe zu sein, plötzlich angreifen. Im Gegensatz zu Shin Megami Tensei 4 können unterbrochene Dialoge beim nächsten Aufeinandertreffen sogar fortgesetzt werden.

Zudem kann man neuerdings einen bevorzugten Kampfpartner wählen, der am Ende einer Runde eine für ihn typische Aktion ausführt und dadurch Unterstützungspunkte ansammelt.

Das Fusionieren von über 450 Dämonenarten erlaubt ein breites Spektrum an Weggefährten.
Ist das Punktelimit erreicht, schließen sich alle potentiellen Kampfpartner der Gruppe zusammen und lassen eine ganze Angriffsstafette vom Stapel, deren Auswirkungen mit dem richtigen Timing oft kampfentscheidend sein können. Ebenso wichtig ist es, die passenden Dämonenmitstreiter im Team zu haben und bei Bedarf einwechseln zu können, da man nur die neben der eigenen Spielfigur direkt befehligen kann.

Willkommene Hilfe

Dank Dämonenfusionen kann man seine Kampfgefährten natürlich auch wieder gezielt heranzüchten. Mit über 450 Spezies sind die Möglichkeiten so vielfältig wie noch nie. Zwar müssen dabei wie gewohnt bestimmte Vorgaben eingehalten werden, die Resultate können aber sehr unterschiedlich ausfallen, die zu vererbenden Fähigkeiten sehr frei bestimmt werden. Zudem sammeln auch Dämonen durch Kampf- und Quest-Erfolge Erfahrung, werden Stufe um Stufe stärker und lernen weitere Fertigkeiten hinzu, die sich in Apocalypse zur besseren Übersicht auch beliebig umordnen lassen.

Manchmal können Fertigkeiten auch mutieren oder auf den eigenen Charakter übertragen werden, während bereits vorhandene Fähigkeiten Verstärkungen erfahren. Der frei benennbare Protagonist lässt sich zudem durch das Verteilen von Attributspunkten sehr individuell entwickeln. Und auch bei der Wahl der Ausrüstung kann man mit diversen Waffen- und Munitionsarten sehr unterschiedliche Ansätze verfolgen.

Per StreetPass lassen sich eigene Dämonen auf Fusions- oder Trainingsreisen schicken.
Schade ist nur, dass man als einziger das ganze Spiel über völlig stumm bleibt und bei Gesprächen trotz Entscheidungsmöglichkeiten gänzlich unbeteiligt wirkt.

Interessante Wechselwirkungen

Dabei hat man sich bei der Vertonung richtig Mühe gegeben und alle wichtigen Dialoge mit erfreulich klarer Sprachausgabe unterlegt. Die englischen Sprecher leisten dabei ebenfalls gute Arbeit. Eine Option auf japanischen Originalton gibt es allerdings nicht und auch deutsche Untertitel sucht man leider vergeblich. Dafür gibt es eine interessante StreetPass-Einbindung über die man seine Dämonen lokal oder übers Internet auf die Reise schicken kann, von der sie dann je nach Auftrag gestärkt oder fusioniert zurückkehren - begehrte Beute inklusive.

Auch die Erweiterung des zur Dämonenbeschwörung dienenden Smartphones weiß einmal mehr zu begeistern. So erhält man für Stufenaufstiege oder das Melden entdeckter Kameradenleichen Punkte, die man völlig frei in leistungssteigernde App-Downloads investieren kann.

Manche Hindernisse lassen sich nur mit speziell aufgeladener Waffe aus dem Weg räumen.
Die reichen von äußerst praktischen Analyse- und Kartenfunktionen über zusätzliche Plätze für Gefährten oder Fertigkeiten bis hin zu speziellen Spieloptionen wie der Möglichkeit, Gegner um Geld anzubetteln oder Dämonen selbst während eines Kampfs fusionieren zu können.

Mächtiges Handy

Zusätzliche Herausforderungen gibt es darüber hinaus auch in Form optionaler Quests, die von einfachen Such- und Jagdaufträgen bis hin zu Zuchtgesuchen und Kämpfen mit speziellen Auflagen bzw. Handicaps reichen. Die aus der Schulterperspektive zu erkundenden 3D-Schauplätze locken hingegen mit kostbaren Relikten und übernatürlichen Hindernissen, die teils nur von einer bestimmten Seite oder mit speziell aufgeladener Waffe aus dem Weg geräumt werden können. Aber je schwerer ein Ort erreichbar ist, um so größer ist meist der dort verborgene Lohn.

Fazit

Mit Apocalypse spendiert Atlus seinem vor zwei Jahren in Deutschland veröffentlichten Endzeit-Rollenspiel Shin Megami Tensei 4 einen alternativen Handlungsverlauf, der zwar auf der neutralen Route des Originals aufbaut, aber mit neuen Gesichtern, Ereignissen und Folgen aufwartet, die wiederum unterschiedliche Spielenden nach sich ziehen. Trotz Überlappungen und Querverbindungen, werden dabei selbst Neueinsteiger nicht im Regen stehen gelassen, da vorausgegangene Geschehnisse rekapituliert und relevante Details oder Zusammenhänge in Datenbanken aufbereitet werden. Zudem kann man mit verdienten Punkten sehr individuelle Spielanpassungen vornehmen sowie jederzeit den Spielstand sichern oder den Schwierigkeitsgrad anpassen. Die rundenbasierten Kämpfe setzten auf die serientypische Ausnutzung elementarer Schwächen und Rekrutierung gesprächsbereiter Gegner. Diese sammeln wie man selbst im Kampf Erfahrung, werden stärker und lernen neue Fertigkeiten, die sich durch Zucht auf über 450 Spezies übertragen lassen - so viele wie noch nie. Der eigene Spielcharakter lässt sich ebenfalls sehr frei entwickeln, bleibt aber trotz insgesamt umfangreicher englischer Vertonung das ganze Spiel über stumm. Aber das dürften Serienkenner ähnlich wie das Fehlen einer deutschen Lokalisierung mittlerweile ja schon gewohnt sein. Rollenspiel-Fans mit einem Faible fürs Okkulte kann ich den verlängerten Machtstreit zwischen Engeln, Dämonen und Co. wärmstens empfehlen!

Pro

  • bizarre Endzeitstimmung
  • facettenreiche Dämonenzucht
  • flexibles Kampf- & Partnersystem
  • individuelle Charakterentwicklung
  • frei wählbare Spielanpassungen
  • unterschiedliche Spielausgänge

Kontra

  • verbesserungswürdige Kartenfunktion
  • stummer Protagonist
  • nicht lokalisiert

Wertung

3DS

Atlus gewährt seinem okkulten Endzeit-Rollenspiel eine alternative Abzweigung, die sowohl Veteranen als auch Neueinsteiger in ihren Bann zieht.