WWE 2K17 - Test, Sport, 360, XboxOne, PC, PlayStation4, PlayStation3

WWE 2K17
26.10.2016, Mathias Oertel

Test: WWE 2K17

Ein Schritt vor, drei zurück

Wie die "echten" Showkämpfe der WWE haben auch die spielerischen Auseinandersetzungen in den letzten Jahren eine Wandlung durchgemacht. Diese ist in erster Linie mit der Übernahme der Marke durch 2K und der kreativen Ergänzung des seit Jahren verantwortlichen Teams von Yuke’s um Visual Concepts (NBA 2K) verbunden. Nachdem die Basketballer dieses Jahr allerdings etwas geschwächelt haben, bleibt den Anhängern des Pro-Wrestling die Hoffnung, dass wenigstens die Ringkämpfer die aufsteigende Form der letzten Jahre bestätigen können – mehr dazu im Test.

Die Attitude-Ära liegt schon lange hinter den Wrestling-Fans, die Monday-Night-Wars sind nur noch eine angenehme Erinnerung. Mittlerweile ist die echte WWE insgesamt etwas zahmer und wenn man so will kinderfreundlicher geworden. Auch die Action im Ring wurde im Lauf der Zeit einigen Änderungen unterzogen. Die Akrobatik, die vor gefühlt einer halben Ewigkeit mit den Hardys sowie Edge & Christian Einzug hielt, ist mittlerweile stärker ins Zentrum gerückt. Kraftpakete und abgefahrene Figuren, wie sie vor einem Jahrzehnt noch die Mehrzahl der Wrestler ausgemacht haben, wurden von schillernden Figuren ersetzt. Insofern ist die WWE nur konsequent. Waren die Archetypen wie Undertaker, Vader, Diesel, die Legion of Doom oder Macho Man schon immer mehr dem Comic zuzuordnen, haben die heutigen Superstars diesen Sprung nahezu komplett vollzogen.

Der Glanz der alten Zeit

Auch Razor Ramon gehört zu den über 130 Wrestlern, mit denen man in den Ring steigen kann.
Die Spiele rund um den Wrestling-Zirkus waren von diesen Zeitgeist-Veränderungen meist unbeeinflusst. Seit dem Wechsel der Lizenz von Acclaim zu THQ im Jahr 2000 ist das japanische Team von Yuke's für die Umsetzungen verantwortlich. Und das hat sich auch nicht geändert, als THQ vor ein paar Jahren die Segel streichen musste und 2K in die Bresche sprang, um die Spielezukunft der WWE zu sichern. Und im Laufe der Zeit hat Yuke’s immer wieder mit mal kleineren, dann wieder größeren Änderungen dafür gesorgt, dass die Spiele zum Spektakel Pro-Wrestling die Schaukämpfe in angemessener Form auf die verschiedenen Konsolen brachte. Und so ganz nebenbei hat man die Auseinandersetzungen als ernst zu nehmende Alternative zu den einschlägigen Prügelserien wie Tekken, Street Fighter & Co etabliert.

Die Action innerhalb und außerhalb des Rings wurde im Vergleich zum letzten Jahr nur geringfügig modifiziert.
Der jährliche Turnus, in dem die WWE-Spiele veröffentlicht werden, ist aber nicht nur für die Kreativität von Yuke's ein Problem. Auch andere Sportspielserien leiden immer wieder darunter. Doch zumeist kommen sie wie z.B. FIFA, PES oder Madden auch immer wieder in die Spur. Und vielleicht sollten alle involvierten Parteien überlegen, ob sie den Wrestlern vielleicht mal eine Pause gönnen. Denn abseits der über 130 Superstars, Divas und Legenden, die für die Kämpfe zur Verfügung stehen und die einen Rekord innerhalb der Serie markieren, scheint bei den Kreativköpfen Ratlosigkeit vorzuherrschen, in welche Richtung man sich entwickeln möchte. Ob deswegen der beliebte sowie gut gelungene Showcase-Modus der letzten Jahre der Schere zum Opfer gefallen ist, kann ich nicht beurteilen. Doch die Matches, die um echte Storylines, Ereignisse oder bestimmte Superstars bestritten werden konnten und auch die Historie der WWE beleuchteten, vermisse ich schmerzlich. Und es kann nicht an Materialmangel liegen. Es gibt noch zahlreiche Geschichten, Ereignisse und Persönlichkeiten, die innerhalb dieser Showcases beleuchtet werden könnten – zumal man ja auch über die Rechte an ECW oder WCW verfügt und sich dort bedienen könnte. Doch stattdessen konzentriert man sich dieses Jahr für Solisten bzw. Sofa-Wrestler auf die Karriere sowie das WWE-Universum. Letzteres ist eine konsequente Weiterentwicklung, ist aber auch frei von Überraschungen und bietet nach wie vor die Möglichkeit, sich frei in den Shows der WWE auszutoben und Fehden zwischen einzelnen Superstars anzuzetteln.

Der Fluch der jährlichen Updates

Die Einmärsche werden größtenteils authentisch dargestellt.
In Anbetracht dessen, was man in den Karrieren der letzten Jahre erleben durfte, und vor allem mit dem Universe-Modus im Hinterkopf, macht man in WWE 2K17 (ab 13,91€ bei kaufen) allerdings auch nicht mehr als nötig. Nachdem man für eine kurze Evaluation im WWE-Nachwuchszentrum ein paar Basismatches bestritten hat, wird man auf die weite Welt des World Wrestling Entertainment losgelassen. Und letztlich bekommt man damit nur eine sehr personalisierte und auf die eigene Figur zugeschnittene Version des Universe-Modus, in der man sich von Rivalität zu Rivalität hangelt, um schließlich auch um Titel kämpfen zu können. Zwar gibt es hier wie da die Ergänzung der Mechanik um eigene Promos. Dahinter verbergen sich Interview-Möglichkeiten und Dialog-Duelle, in denen man aus einer Reihe von Antworten eine sinnhafte Zusammenstellung findet, um die Fans auf seine Seite zu ziehen und eine möglichst effektive "Promo" für seinen Charakter zusammenzustellen. Doch in der Praxis ist dies nicht mehr als eine gut gemeinte Idee, zumal die Soundbugs der kaum in Schwung kommenden Atmosphäre zusätzlichen Schaden zufügen. Denn wenn das Publikum in einem Moment noch mehr oder weniger frenetisch jubelt und im nächsten die komplette Halle auf "Stumm" geschaltet wird, zeigt dies vor allem eines: Dass die Qualitätssicherung nicht sauber gearbeitet hat.

Auch das übrige technische Umfeld ist nicht vor Fehlern gefeit. Mitunter zuckt die eigene Spielfigur bei Promos ungewohnt ruckhaft durchs Bild. Und auch wenn bei Leitern, anderen Objekten und Ringseilen die Kollisionsabfrage meist gut geregelt wird, findet man immer wieder und vor allem in den Wiederholungen Clippings, die die Illusion zerstören. Auf der mechanischen Seite hingegen liefert Yuke's gewohnte Qualität ohne Risiko ab. Der Roster ist, wie eingangs erwähnt, mit über 130 Athleten und Athletinnen prall gefüllt. Und die meisten davon sind mit authentischen Einmärschen sowie einem hohen Wiedererkennungswert ausgestattet, der in der fernsehreifen Präsentation gut zur Geltung kommt. Abseits der Präsentation wird allerdings deutlich, dass in den nächsten Jahren eine Sysiphus-Arbeit auf die Entwickler wartet. Denn es müssen nicht nur Inhalte her, sondern ein visuelles Update. Die Mimik der Athleten bei Schlägen, Würfen und Griffen ist zwar gut, doch das Figurendesign an sich schafft es seit dem Sprung auf die aktuellen Konsolensysteme nicht, den nächsten Schritt zu gehen. Da ist man bei EAs MMA-Kämpfern der UFC deutlich weiter. Und wenn man schon dabei ist, kann man auch die paar Charakter-Aussetzer beheben, zu denen u.a. Stephanie McMahon gehört, die ihrem echten Ebenbild so gar nicht entsprechen möchte und eher wie ein wild gewordener Zombie aussieht, wenn sie neben Triple H in die Arena kommt.

Bewährte Unterhaltung

Wieder da: Kämpfe in den Backstage-Bereichen.
Bei den Matchtypen, die von zahlreichen 1-gegen1-Variationen bis hin zum Royal Rumble (abermals auf sechs Kämpfer im Ring beschränkt) reichen, wird eigentlich auch alles angeboten, was derzeit in der WWE genutzt wird, um die Fans bei den wöchentlichen Sendungen und den monatlichen Pay-Per-Views vor den Bildschirm zu locken. Aber es gibt für Veteranen eben auch keine Überraschungen - selbst wenn die Backstage-Bereiche mit zahlreichen Interaktionsmöglichkeiten eine Rückkehr feiern und damit eine prinzipiell gelungene Erweiterung der Matches liefern. Auch die mächtigen Editoren bieten für Besitzer der Vorjahresversion nur eingeschränkt Gründe, dieses Jahr eine Neuanschaffung in Betracht zu ziehen. Figuren, Move-Sets, Einmärsche, Siegesposen, Titantron-Videos, Arenen, Titelgürtel, Shows: Man kann seine Wrestling-Träume in vielen Details wahr werden lassen, muss aber z.B. beim Erstellen und Bearbeiten der Figuren mit einer nicht immer intuitiven Steuerung leben. Und mit wenigen Ausnahmen konnte man bereits im Vorgänger diese Ringkampf-Fantasien zu virtuellem Leben erwecken und innerhalb der Community tauschen.

Auch Alberto Del Rio wurde einigermaßen gut getroffen - auch wenn er mittlerweile nicht mehr bei WWE unter Vertrag steht.
Auch der wie z.B. bei der Madden-Serie in vielen Bereichen individuell anpassbare Schwierigkeitsgrad soll helfen, um sowohl Einsteiger als auch Könner ins Wrestling-Boot zu holen. Effektiver wäre es jedoch, wenn man an der Kampfmechanik feilen würde. Die ist zwar umfangreich und bietet mit ihren kontextsensitiven Aktionen die Grundlage für Duelle, die hinsichtlich Hin und Her im Ring bzw. der Tempovariation durchaus dem entsprechen, was man in den echten WWE-Programmen zu sehen bekommt. Doch immer noch bleibt das Gefühl, nicht die komplette Kontrolle zu haben. Und damit meine ich nicht, dass es immer noch Aktionen gibt, deren ellenlange Animation man über sich ergehen lassen muss. Es ist vielmehr die Kontermechanik, die trotz Überarbeitung immer noch einen zu schmalen Grat beschreitet. Denn die ist unter dem Strich nicht Timing-, sondern Reaktions-basiert. Zwar bekommt man wie bei den Vorgängern ein Gespür dafür, an welchem Punkt der Animation man vermutlich aufgefordert wird, die Taste zu drücken. Doch eine kleine Verzögerung im Ablauf oder ein anderer Wrestler mit einer abweichenden Animation schmeißt das gemutmaßte Timing über den Haufen - genauso wie die Momente, in denen man auf die Anzeige wartet, aber sie partout nicht auftauchen möchte. Ob dies jetzt daran liegt, dass man zu erschöpft ist, um einen Konter setzen zu können oder schlicht ein weiterer Bug, bleibt offen - vermutlich eine Mischung aus beidem. Alledings gibt es bei bestimmten Konter-Aktionen jetzt auch Boni für Schaden oder Ausdauer, wenn man den richtigen Moment abpasst, so dass man sich das Anheizen der  Menge sparen kann, um einen ähnlichen Effekt zu erreichen. Dennoch sollte sich Yuke's überlegen, ob man den Konter nicht von Animationen oder noch besser, Körperkontakt abhängig macht. Sprich: Wenn ich als Spieler genau in dem Moment, wenn der Schlag treffen sollte, die Kontertaste drücke, wird geblockt und gekontert. Dadurch würden die Konter nicht an Herausforderung verlieren und es würde ein willkürliches Element ausradiert.

Zwischen Lust und Frust

Auch bei NXT gibt es Diva-Kämpfe.
Andererseits kämpft man innerhalb einer Fehde ohnehin häufiger gegen bestimmte Gegner, so dass man die Reaktionszeit für sich optimiert. Und sobald man dies hinter sich hat, entfalten die Matches ihre ganze Faszination, die sich auch über visuelle oder akustische Schwächen wie den schnell redundanten sowie inkonsequenten Kommentar vom Team Michael Cole/Jerry Lawler hinwegsetzt. Es wogt hin und her. Die KI kontert (natürlich immer im unpassenden Moment) und das Publikum reagiert mit "Oooh" und "Aaaah" auf das Geschehen im Ring. Ok: Manchmal scheint es unmöglich den Gegner zu besiegen, wenn er nach dem dritten oder vierten Finisher immer noch aus dem Pin herauskommt und er einen dann seinerseits mit seiner übernächsten Aktion in einen Pin verwickelt, aus dem man in dem Minispiel nur schwer oder gar nicht herauskommt - ist man vielleicht das Opfer eines digitalen "Montreal Screwjob"? Zur Erinnerung: In einer Fehde von Bret Hart und Shawn Michaels wurde Bret Hart vor seinem Ende bei der WWE (damals noch WWF) und dem Überlaufen zur WCW quasi um den Titelgürtel betrogen. Doch da Niederlagen im Laufe der langen Karriere nur eine untergeordnete Rolle spielen und man im Zweifelsfall nur ein paar Plätze in der Rangliste nach hinten gesetzt wird - was durch eine vernünftig geführte Fehde wieder reguliert werden kann  - kann man diese mitunter unfair scheinenden KI-Bevorzugungen weitgehend ignorieren. Am Ende ist man doch ohnehin nur ein Angestellter der "Authority" und muss seinen Job für Vince McMahon und seine Handlanger erledigen. Und in diesen raren Momenten, in denen man sich genau so fühlt, laufen alle Fäden von WWE 2K17 zusammen. Leider passiert dies zu selten.

Fazit

Es tut mir in der Wrestling-Seele weh, aber die kreative Schaffenspause der 2K-Sportspiele setzt sich nach den Basketballern auch bei den Showkämpfern des World Wrestling Entertainment fort. Es bleibt der Eindruck, dass man sich nicht sicher ist, in welche Richtung sich die Serie entwickeln soll. Und so schlingert man vor und zurück, anstatt den fälligen nächsten Schritt zu machen. Der wäre auch bei der Kulisse nötig, die zwar unter dem Strich ordentlich ist und mit der bekannt hohen Präsentations-Qualität ausgestattet wurde, aber dennoch ein gutes Stück entfernt von dem bleibt, was man als „zeitgemäß“ bezeichnen würde. Hinsichtlich der Mechanik gab es nur Fortschritte im Detail, die zwar dem Tempo sowie dem Hin und Her der Matches sowie der Spannung zu Gute kommen, aber letztlich das Spielgefühl nur unwesentlich erweitern. Die Rückkehr der Backstage-Areale ist eine gelungene Ergänzung, die aber angesichts der reduzierten Modi ebenso eine vergebene Liebesmüh scheint wie die über 120 Wrestler, die zur Verfügung stehen und ein breites Spektrum an aktuellen Superstars, Diven und Legenden abdecken. Die Showcases wurden komplett gestrichen - obwohl es eigentlich nicht an Themen mangeln dürfte, während die Karriere auf eine personalisierte Version des aus den Vorgängern bekannten Universe-Modus reduziert wurde. Und die eigenen Promos werden so staubtrocken präsentiert, dass sie letztlich an der Umsetzung scheitern und "nur" als gute Idee in die Geschichte eingehen. Vielleicht ist es an der Zeit, der Serie mal eine Zwangspause zu gönnen, sich alle Einzelteile anzuschauen, auf jeden Fall die vorhandenen Bugs auszumerzen und ggf. etwas Neues zu probieren. Dessen ungeachtet können Wrestling-Fans aber auch mit der 2K17-Ausgabe ihren Spaß haben. Nur sollte man sich bewusst sein, dass der deutlich unter dem der letzten Jahre liegt.

Pro

  • über 130 Superstars, Divas und Legenden zur Auswahl
  • eingängiges Kontrollschema mit leicht überarbeitetem Kontersystem
  • eigene "Promos" werten Karriere und "WWE Universum" auf
  • Backstage-Areale
  • umfangreiche Editoren
  • ansprechende Auswahl an Matchtypen
  • Austausch von Community-Kreationen
  • blitzsaubere Präsentation im TV-Stil mit zumeist authentischen Einmärschen
  • größtenteils hoher Wiedererkennungswert der Athleten
  • in zahlreichen Bereichen individuell einstellbarer Schwierigkeitsgrad

Kontra

  • Kontersystem basiert immer noch auf Reaktion und nicht auf "Auslesen" der Bewegung
  • Promos sehr atmosphärearm und unspektakulär inszeniert
  • Editor nicht immer intuitiv zu bedienen
  • Karriere nur eine personalisierte WWE-Universe-Variante
  • Soundbugs (Aussetzer, komplett ruhiges Publikum)
  • Grafikfehler (ruckelnde Animationen bei Promos, Clipping)
  • Kommentare von Michael Cole & Jerry Lawler nerven zu schnell und sind nicht immer passend
  • einige Aussetzer beim Figurendesign (z.B. Stephanie McMahon)

Wertung

XboxOne

Nicht nur wegrationalisierte Modi machen deutlich, dass die Wrestling-Serie stagniert. Trotz ordentlicher Unterhaltung und einem riesigen Roster will der Funke nicht überspringen.

PlayStation4

Nicht nur wegrationalisierte Modi machen deutlich, dass die Wrestling-Serie stagniert. Trotz solider Unterhaltung und dem bislang größten Roster will der Funke nicht überspringen.