Football Manager 2017 - Test, Sport, Linux, Mac, PC

Football Manager 2017
10.11.2016, Mathias Oertel

Test: Football Manager 2017

#Social Trainer-Simulator

Es gibt eine Spieleserie, die Jahr für Jahr hunderttausenden von Spielern hunderte Stunden raubt. Und das mit aufbereiteten Statistiken sowie einer an aufgehübschte Tabellenkalkulationen erinnernden Präsentation. Die Rede ist natürlich von Sports Interactives Football Manager, dessen neue Auflage wegen lizenzrechtlicher Probleme abermals nur als Import erhältlich ist. Im Test klären wir, welche Änderungen der Football Manager 2017 (ab 36,17€ bei kaufen) mit sich bringt und ob der Sog in die Welt des Trainerdaseins immer noch so stark ist, dass sich der Weg zum Importhändler lohnt.

Es gibt sie eigentlich in jeder Familie, in jedem Freundeskreis und am Arbeitsplatz findet man normalerweise mindestens einen. Wer glaubt, dass es in seinem Umfeld keinen gibt, sollte sich vielleicht die Frage stellen, ob er „es“ ist. Die Stammtisch-Trainer, die jeden Spieltag von der Fußball-Bezirksliga bis hin zur Bundesliga alles besser wissen und ohnehin alles mitbringen, um einen Trainerjob auch auf höchstem Niveau bewältigen zu können. Die Wochenend-Orakel, die genau sagen können, welche Aufstellung die beste ist und wieso es ja ohnehin nicht mit Punkten klappen konnte, wenn man sich die Spieler auf dem Platz anschaut. Die Klopp-Kopierer. Die Ancelotti-Anbeter. Die Möchtegern-Mourinhos. Die Gerne-wie-Guardiolas. Und obwohl das Genre der Fußball-Manager mit Titeln wie Anstoß oder dem Bundesliga Manager seit Amiga-Zeiten nicht aus der deutschen Spielelandschaft wegzudenken ist, kommt das seit Jahren beste Erlebnis aus dem Vereinigten Königreich.

Die Hobby-Kloppos

Das Ergebnis zwischen Dortmund und dem HSV ist mir persönlich zu dicht an der Realität, spricht aber für die Qualität der Matchberechnung.
Das in London ansässige Studio Sports Interactive, das vor über 20 Jahren von den Brüdern Paul & Oliver Collyer gegründet wurde und mittlerweile unter der Leitung von Miles Jacobsen arbeitet, ist bestrebt, den „perfekten“ Fußball-Manager zu produzieren. Lizenzstreitigkeiten sorgen allerdings dafür, dass man den Weg über den Importhändler sowie kleine Umwege bei der Steamaktivierung gehen muss. Doch die Management-Fans wissen nicht nur, wie sie an das Spiel herankommen können. Es gibt zudem auch genug Quellen wie z.B. fmscout.com , wo man sich Modifikations-Files für deutsche Texte sowie aktuelle Spielerfotos für die zehntausende Original-Spieler, die auch für die deutschen Mannschaften akkuraten Funktionäre, Schiedsrichter, Vereinsinformationen usw. herunterladen kann, um sein Spielerlebnis noch authentischer zu gestalten. Und sie nehmen diese Mühen gern auf sich, da sie wissen, dass der Football Manager das Nonplusultra des virtuellen Sport Managements bzw. als Trainer-Simulation darstellt. Das war die letzten Jahre so und ist auch mit der Ausgabe 2017 der Fall.

Allerdings gibt es in diesem Jahr vor allem inhaltlich weniger auffallende Änderungen. Die Art und Weise, wie man mit der Mannschaft agiert, hat sich abseits der Benutzerführung nur unwesentlich geändert. Und vor allem hinsichtlich der Spielergespräche, egal ob einzeln oder mit der Mannschaft, ggf. auch vor den Spielen oder in den Halbzeitpausen, stellt man eine Stagnation fest. Das gilt im Übrigen auch für die Pressekonferenzen oder gelegentlich vor Spielen eingestreuten Fragen. Sowohl die emotionalen Möglichkeiten als auch die grundsätzlichen Antwortoptionen werden in dieser Form schon seit Jahren mitgeschleppt und können im schlimmsten Fall immer noch kaum zu kittende Zerwürfnisse zur Folge haben. Obwohl man mit den besten Intentionen in ein teils von den Spielern gewünschtes

Die Visualisierung der Statistiken und Tabellen profitiert in diesem Jahr vom "Social Feed", der alles auflockert.
Gespräch geht und eigentlich nur darauf aufmerksam möchte, dass der Spieler im Training nachgelassen zu haben scheint, kann es zu schnell zu einer Diskussion um Stammplätze, Verkäufe und Transferwünsche führen.  

Detail-Besessenheit

Doch natürlich dreht sich hier nicht alles nur um Spielergespräche. Der Football Manager 2017 hat noch mehr zu bieten. Viel mehr. Allerdings muss man sich nach wie vor damit abfinden, dass man in die wirtschaftlichen Aspekte des Clubs nicht eingreifen kann, sondern dies den Geschäftsführern, Vorständen etc. vorbehalten ist. Hier kümmert man sich in erster Linie um die Mannschaft, das Training und die Taktik in Vorbereitung auf den nächsten Gegner. Um sich und sein Team auf den nächsten Kontrahenten einzustellen, hat man mehr Informationen zur Verfügung als einem lieb sein kann: Scoutberichte zeigen nicht nur an, in welchen Minuten die gegnerischen Spieler Tore geschossen haben, welche Taktik sie bevorzugt verwenden oder gegen welche Aufstellung sie anfällig sein könnten. Wer will, kann sich auch gezielt die Statistiken jedes einzelnen Spielers (egal ob beim eigenen oder anderen Team) anschauen, ihre Form in Augenschein nehmen und entsprechend versuchen, mit dem zur Verfügung stehenden Spielermaterial Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dazu muss man natürlich die eigene Formation einkalkulieren und dabei Verletzungsausfälle,  formschwache Kicker, Wünsche von über einen längeren Zeitraum nicht eingesetzten Spielern oder sonstige Befindlichkeiten berücksichtigen. Und für alles gibt es umfangreiche Info- und Statistik-Bildschirme, wenn man zusätzliche Argumente benötigt.

Wo man bislang allerdings in den Tiefen der Benutzerführung navigieren musste, um z.B. die Ratschläge der Assistenten umzusetzen oder viele wichtige Informationen einzuholen und entsprechende Einstellungen vorzunehmen, macht es der Football Manager 2017 dieses Jahr in vielen Bereichen deutlich einfacher. Häufig findet man schon in den E-Mails, die wie in den letzten Ausgaben als zentrale Anlaufstelle für alle relevanten Informationen dienen, Möglichkeiten, entsprechend auf Vorschläge zu reagieren. Und das sorgt dafür, dass man mehr Zeit damit verbringen kann, sein Team zu optimieren und weniger dafür opfern muss, in den Untiefen dieser hinsichtlich ihrer Basis-Statistiken vorzüglichen Simulation nach einem bestimmten Schalter oder Dropdown-Menü zu suchen.

Die neue Leichtigkeit

Natürlich kann man immer noch den komplizierten Weg gehen, weil man sich daran gewöhnt hat. Doch sowohl Veteranen als auch Einsteiger, denen es noch nie so leicht gemacht wurde, Zugang zu der spröde präsentierten Materie zu finden, dürften schnell Gefallen an den vereinfachten und damit übersichtlicheren Strukturen finden – zumal dies nicht zu Lasten des Tiefgangs oder Umfangs geht. Stattdessen kommt man schneller als zuvor an die richtigen Infos und Bildschirme, um seine Einstellungen vor zunehmen, damit man sich auf das Salz in der Suppe konzentrierten kann: Die Match-Darstellung, die seit ihrer Umstellung auf ein 3D-System kontinuierlich besser wird.

Die Matchdarstellung wird durch dynamische Kamerawechsel bei Standards aufgewertet.
Dass Fußball auch Kopfsache ist, wissen dieses Jahr vor allem die Fans der Hamburger Profi-Clubs. Hängst du einmal unten drin, kannst du machen was du willst – es klappen nicht einmal mehr einfache Pässe und Torschüsse, die man normalerweise mit geschlossenen Augen versenken würde, fänden nicht einmal mehr ihr Ziel, wenn sich der Torwart zum Sonnen hinlegen würde.  Beim Football Manager findet das ganz eigene Kopfkino einmal mehr im 3D-Spiel statt, das nicht nur mit Freistoßspray, sondern auch mit Einmärschen, Aufwärmen und weiteren Details angereichert wurde. Denn wenn hier die blanken Zahlen und Statistiken über im Vergleich zum Vorjahr zwar deutlich filigranere, aber weiterhin mit weitem Abstand zu aktivem virtuellen Fußball wie FIFA oder PES liegende Bewegungen auf den Platz gebracht werden, fiebere ich vor dem Monitor aktiv mit. Zwar ärgere ich mich, dass die Kugel mitunter merkwürdig wegflippert. Oder dass manche Jubel-Animationen schlichtweg lächerlich aussehen. Oder dass meine Spieler sich oder dem Schuss eines Kameraden häufig im Weg stehen. Doch wenn mir ein Abseitstor aberkannt wird (egal ob zurecht oder nicht), die Mannschaft Druck auf den Gegner aufbaut und Schuss um Schuss abfeuert oder mein Team einfach keinen Zugriff auf die Passmaschinerie der Gegner bekommt, geraten die Emotionen in Wallung. Sowieso, wenn die Taktik aufgeht und meine Mannschaft in der Nachspielzeit nach einer Umstellung das Siegtor erzielt und man darüber endlich dem Niederlagen-Strudel entkommt. Ich leide, ich zittere mit, ich ärgere mich – fast so, wie beim allwochenendlichen Live-Spiel oder der Konferenz. Nur mit dem Unterschied, dass ich hier nicht nur verantwortlich bin, sondern natürlich auch während des Spiels eingreifen kann, um einzelne taktische Anweisungen zu geben oder ganze Mannschaftsteile um- oder neu einzustellen.

Alles Kopfsache

Statistiken, wohin man schaut. Doch nahezu jede Info kann wichtig sein, wenn man sein Team optimal auf den Gegner einstellen will.
Doch egal ob in der Match-Vorbereitung oder im Spiel selbst fehlt mir eine Option, die mittlerweile zum modernen Fußball gehört wie Konzeptmannschaften à la RB Leipzig: Gegenpressing. Diese Methode, nach einem Ballverlust so schnell wie möglich das gegnerische Team zu einem Ballverlust zu provozieren, kann man hier zwar über ein paar Einstellungen emulieren. Aber eine einfache taktische Vorgabe per Knopfdruck gibt es nicht. Und vor allem im laufenden Spiel ist es zu umständlich, die Mannschaft auf „Gegenpressing“ umzustellen, insofern es erforderlich werden sollte. Dafür jedoch gibt es einen Haufen Möglichkeiten, seine Aufstellung bis hin zur Positionierung bei Standardsituationen zu modifizieren. Nach eigenem Gutdünken auf dem Transfermarkt umtriebig werden, kann man hingegen  wie bislang nicht. Hierzu braucht man  die Befürwortung der Entscheidungsträger, die das Ok meist erst geben, wenn man die vorgegebenen Budget-Grenzen nicht sprengt. Wer sich jedoch nur um die Mannschaft kümmern möchte, kann auch sämtliche Transfers, die übrigens um ein Details wie neue Sonderkonditionen oder Versprechen erweitert wurden, von den weitreichend einstellbaren Assistenten übernehmen lassen.

Doch nicht nur auf dem Transfermarkt hat sich einiges getan. Denn der Football Manager 2017 zollt auch den immer populärer werdenden sozialen Medien Tribut. Immer wieder findet man mit Hashtags versehene Tweet-ähnliche Meldungen, die Bezug auf aktuelle Leistungen des Teams oder Entscheidungen seitens des Spielers nehmen. Allerdings stellt man fest, dass man diese Stürme im Social-Media-Glas wie auch meistens in der Realität nicht zu ernst nehmen sollte. Denn einerseits findet sich für jeden Befürworter auch einer, der so gar nicht mit der Entscheidung übereinstimmt. Andererseits wiederholen sich die Einsendungen recht schnell und haben über einen Schauwert auch keinerlei Einfluss auf irgendetwas. Man kann dieses Medium auch nicht nutzen, um bestimmte Infos zu lancieren oder à la Donald Trump seine Kontrahenten anzugreifen. Um zusätzliche Atmosphäre aufzubauen, ist der so genannte „Social Feed“ aber sehr gut geeignet. Ebenfalls oberflächlich und nur mit Schauwert versehen bleibt die Einführung von Sportwissenschaftlern. Diese werden hier der medizinischen Abteilung zugeordnet und scheinen nur

Entscheidet man sich für die komprimierte Darstellung werden Passagen, in denen nur wenig passiert, durch Statistiken aufgelockert.
der allgemeinen Effektivität der Mediziner zu helfen. Ebenfalls nett, aber vollkommen unerheblich und höchstens dem Atmosphäre-Aufbau zuträglich: Man kann das Konterfei des Coaches und damit auch der Einblendungen gegen sein eigenes eintauschen, das per Frontalfoto importiert wird und überraschend gut implementiert wird.

Neuerungen und Ungereimtheiten

Sprich: Eigentlich sind viele der neuen Elemente in diesem Jahr nicht so sauber bzw. so gut verzahnt in die tiefer liegenden Mechaniken eingebaut, wie man es von der Serie gewohnt ist. Das ist jedoch Jammern auf sehr hohem Niveau. Denn dabei darf nicht vergessen werden, dass der Football Manager hinsichtlich Tiefgang bei gleichzeitiger Glaubwürdigkeit nicht nur mangels Konkurrenz das Nonplusultra darstellt. Und es ist gut zu wissen, dass das Team für nächstes Jahr auch noch Optimierungsbedarf hat. Übrigens auch in einem ganz speziellen Fall, der nur HSV-Fans auffallen dürfte. Denn während man stilecht bei der Jobvorstellung von Dietmar Beiersdorfer und dem Aufsichtsratschef Karl Gernandt begrüßt wird, laufen sämtliche Budget-Verhandlungen mit Klaus-Michael Kühne. Das mag zwar unter bestimmten Gesichtspunkten eine richtige Interpretation seiner Person bzw. Stellung im Verein sein. Doch da Herr Kühne letztlich nur Edelfan, Anteilseigner (und manchmal Einflussnehmer) ist, aber offiziell beim HSV in keiner strukturellen Position steht, hat man in London seine Rolle offensichtlich falsch aufgefasst. Denn die Gegenkontrolle bei RB Leipizig und Hoffenheim ergab, dass man hier nicht mit Herrn Mateschitz oder Herrn Hopp um Transfersummen feilscht, sondern den entsprechenden Verantwortlichen. Doch letztlich sind dies alles nur oberflächliche Probleme. Denn wo es zählt, nämlich auf und abseits des Platzes, gibt sich die Vorzeige-Trainer-Simulation wieder einmal keine Blöße.

Fazit

Im Vergleich zu den letzten Jahren hat Sports Interactive hinsichtlich der Mechanik hauptsächlich Feintuning betrieben. Veteranen werden daher abseits von kleinen Details z.B. beim Transfermarkt nicht viel Neues entdecken. Einerseits ist dies schade, da man dieses Jahr in den wesentlichen Kernbereichen weitgehend stagniert. Andererseits darf man aber nicht vergessen, dass der Football Manager von Jahr zu Jahr die Messlatte für gut miteinander verzahnte Komplexität stets nach oben geschraubt hat. Dafür jedoch wurde in dieser Ausgabe an der Zugänglichkeit gearbeitet. Viele Einstellungen lassen sich jetzt im Handumdrehen vornehmen, so dass man sich auf das Wesentliche, nämlich die Kaderplanung, taktische Einstellung auf den nächsten Gegner sowie das verbesserte 3D-Match konzentrieren kann - auch wenn es keine Schnelleinstellung für das mittlerweile populäre "Gegenpressing" gibt und man mühevoll Micromanagement betreiben muss, um einen ähnlichen Effekt zu erreichen. Dennoch läuft der Trainer-Simulator hier wieder zur Höchstform auf und sorgt für Emotionen vor dem Bildschirm, während durch die neuen Social Feeds und die allgemein verbesserte Übersicht die Atmosphäre gesteigert wird. Das wird allerdings u.a. durch die Gespräche und Pressekonferenzen wieder relativiert, die mangels Variation oder gar Optimierung in diesem Jahr zunehmend an Reiz verlieren. Ist der Football Manager 2017 gegenwärtig der beste Trainer-Simulator? Keine Frage. Doch wenn man auf ein bisschen Bedienungskomfort und Übersicht verzichten kann, ist man auch bei der letztjährigen Version gut aufgehoben.

Pro

  • enormer Tiefgang
  • verbesserte 3D-Match-Engine...
  • stark skalierbare Eingriffsoptionen
  • logische Zusammenhänge
  • authentische Spielerwerte
  • realistische Transferbedingungen, -Mechaniken und Reaktionen
  • Matchlänge und -Geschwindigkeit variabel einstellbar
  • Original-Namen auch in den deutschen Ligen
  • umfangreicher Editor
  • "Create-A-Club"-Modus
  • "Fantasy Draft"
  • umfangreiche sowie aussagekräftige Statistiken
  • zahlreiche Assistenten
  • Steam-Workshop-Anbindung
  • über Community-Mods einfach mit Logos und Bildern aufzufüllen
  • umfangreiche kontextsensitive Hilfen
  • "Social Feed" sorgt für zusätzliche Atmosphäre
  • eigenes Porträt möglich
  • potenter Editor

Kontra

  • nativ fehlen viele Original-Logos und Spielerfotos
  • ... die aber immer noch viel Luft nach oben hat
  • Hinweise des Trainerteams mitunter kontraproduktiv
  • keine native deutsche Textunterstützung
  • viele Änderungen nur kosmetisch
  • kein "Tagestraining" einstellbar
  • inhaltlich wenig mehr als ein geringfügiges Update
  • Gegenpressing nicht als taktische Vorgabe vorhanden, sondern nur über manuelles Pfriemeln erreichbar
  • Gespräche wirken nach einigen Jahren ohne Veränderung statisch und vorhersehbar
  • "In-Game"-Editor als kostenpflichtige Mikrotransaktion

Wertung

PC

Einsteigerfreundlicher als je zuvor und in vielerlei Hinsicht optimiert, können Veteranen auf den nach wie vor grandiosen, aber inhaltlich nur im Detail verbesserten Trainer-Simulator in diesem Jahr eigentlich verzichten.