Tethered - Test, Taktik & Strategie, PlayStationVR, VirtualReality, PlayStation4
Umringt von Wolken und Sonnenschein befinde ich mich inmitten einer idyllischen Insel. Wenn ich das schreibe, meine ich das auch so. Dank der VR-Brille steht direkt vor meiner Nase ein plätschernder Wasserfall. Ich kann von Wolke zu Wolke springen, um die Spielwelt von allen Seiten zu betrachten. Und noch nie sahen grünes Gras und bunte Blumen so frisch und farbenfroh aus, wie in der virtuellen Welt. Plötzlich saust ein Ei vom Himmel und mein Arbeitstag als Herrscher der Insel beginnt. Das Spielprinzip ist schnell erklärt: Man erschafft möglichst viele
Inselbewohner und lässt sie arbeiten, um die vorgegeben Anzahl an Punkten zu erwirtschaften. Im Detail zeigen sich allerdings einige unterhaltsame Faktoren.Mittendrin statt nur dabei
Gesteuert werden alle Vorgänge in Tethered, indem man in die gewünschte Richtung blickt. Ein See soll eingefroren werden? Blick auf die Schnee-Wolke, mit der X-Taste bestätigen, ein Blick auf den See und erneut bestätigen. Schon bewegt sich die Wolke und ermöglicht durch das Einfrieren des Sees neue Routen für die Inselbewohner. Das Tracking ist gut und ich konnte das Spiel auch für längere Zeit ohne Übelkeitsgefühl spielen. Die Gremlin-artigen Wesen namens Peeps haben keinerlei eigenen Antrieb, sind jedoch für alles in der Spielwelt verantwortlich. Nachdem mein erster Inselbewohner geschlüpft ist, lasse ich ihn das von Wurzeln überwucherte Zentrum der Spielwelt öffnen. Dort befindet sich ein leuchtender Totempfahl und vier Speicher für die essentiellen Rohstoffe Nahrung, Stein, Metall und Holz. Zunächst sollte man sich schleunigst um die Beschaffung von Nahrung kümmern, da die Bewohner sehr schnell hungrig werden. Teilt man einem Wesen zu lange keine Arbeit zu, verzweifelt es und stürzt sich laut schreiend von der Klippe. Blick auf den Peep, Blick auf ein paar Pilze und schon ist der emsige Arbeiter durch eine blaue Linie mit dem Objekt der Begierde verbunden.
Brüten, Sammeln, Punkten
Diese optische
Kennzeichnung ist sehr praktisch, da es im Spielverlauf sehr bald nur so von Peeps wimmelt und sehr viele Arbeitsaufträge parallel ablaufen. Zu tun gibt es jede Menge. Gerade zu Beginn macht es tierischen Spaß alle Möglichkeiten zu entdecken und zu bestaunen wie alles in der virtuellen Realität zum Leben erwacht. Schnell stellt sich auch ein gewisser Suchtfaktor ein. Mit jeder neuen Insel will man besser, schneller, effizienter werden. Nach und nach erscheinen Artefakte in Form von Büchern in der Spielwelt, die den Bau von wichtigen Gebäuden ermöglichen, die wiederum mit den richtigen Ressourcen weiter spezialisiert werden können. Sehr schade ist allerdings, dass man nicht selbst entscheiden kann, wann beispielsweise die Taverne, ein Acker, oder der Wachturm erscheinen. Zwar werden die Gebäude in jedem Level in unterschiedlicher Reihenfolge freigeschaltet, viel strategischer Freiraum bleibt jedoch nicht. Besonders nervig ist, dass man nicht bestimmen kann, wo ein Gebäude entsteht. Manchmal konnte ich einen Tempel, der Holz-Ressourcen als Antrieb nutzt, nur auf der komplett anderen Seite des Waldes bauen. So wurden meine Arbeiter gezwungen, jedes Mal extrem lange Wege auf sich zu nehmen, da jede Ressource einzeln zum Ziel getragen wird. Zu gerne hätte ich außerdem probiert, mich vorrangig als Bauer mit zahlreichen Feldern oder als Kriegsherr mit strategisch platzierten Wachtürmen und Kasernen durchzuschlagen. So muss man sich jedoch zu sehr an die vorgegeben Abläufe des Spiels halten, was auf Dauer den Spaß mindert.Stimmungsvolles VR-Gewusel
Neben dem klassischen Ressourcen-Management spielt auch das Wetter eine wichtige Rolle. Der Tag- und Nachtwechsel wird sehr atmosphärisch dargestellt, wenn sich der Himmel zur Nacht langsam rosa färbt, oder am Morgen die ersten Sonnenstrahlen erscheinen. Auch der tolle Soundtrack von Kenny Young, bekannt für die Musik von Tearaway und Little Big Planet, unterstützt dieses Naturschauspiel.
Das Spiel mit dem Wetter
Besonders wichtig ist die Kombination aus Regen und Wind, die eine Sturmwolke erschafft. Mit dieser können Feinde mit einem Blitzschlag ausgelöscht werden. Denn nachts wird die Spielwelt von stacheligen Würmern, den Grubs, heimgesucht, die Ressourcen wegfressen
und Inselbewohner angreifen. Gerade in den späteren der insgesamt dreizehn Level muss man häufig von Wolke zu Wolke springen, um einen Überblick zu bekommen, von welcher Seite die zahlreichen Grubs auf die Insel kriechen. Hat man im Vorfeld keine Peeps zu Kämpfern ausgebildet, ist die Gefahr relativ groß, dass sie beim Kampf draufgehen. Ein Kampfsystem ist nicht vorhanden, es gibt nur den Befehl „Töte den Wurm!“.Nachts kommen die Killerwürmer
Ärgerlich ist hier, dass man kämpfende Bewohner nicht stoppen kann, wenn sich ihre Lebenspunkte dem Ende zuneigen. Während die Steuerung im Spielverlauf sehr gut funktioniert und alle Vorgänge stets flüssig ablaufen, zeigen sich im Kampfgewusel nervige Schwächen. Stehen mehrere Bewohner und Feinde an einem Ort, ist es sehr fummelig Befehle zu verteilen, da die Wesen nicht richtig anvisiert werden können. Was dazu führen kann, dass jemand nur wegen der fehlerhaften Steuerung stirbt.
An der Frusttoleranz kratzt manchmal auch das absolut dämliche Verhalten der Peeps. Obwohl Feinde mit mehreren Wesen angegriffen werden können, kommt nie ein Bewohner von alleine auf die Idee, seinem sterbenden Kollegen mit der Keule auszuhelfen - selbst wenn er direkt daneben steht. Auch beim Ressourcen-Abbau kommt Frust auf: Ein Peep, dem ich fünf Mal aufgetragen habe Holz zu sammeln, kommt niemals auf die Idee damit weiter zu machen, sondern steht dumm in der Gegend rum und bringt sich im schlimmsten Fall auch noch beleidigt um, weil er nichts zu tun hat. Einerseits macht der Druck Spaß, stets ein Auge auf seine Bewohner haben zu müssen. Andererseits wäre es oft sehr viel angenehmer, gewisse Aufträge automatisch ablaufen lassen zu können.
Kein Spiel für lange VR-Nächte
Der Reiz des Spielens in der virtuellen Realität besteht vor allem aus dem Bestaunen der hübschen Kulisse und den Vorgängen. Kennt man diese jedoch aus dem Effeff, langweilt man sich auch auf der VR-Insel irgendwann. Ich habe fest damit gerechnet, dass die Level sich verändern, je weiter ich komme. Leider ist dies nicht der Fall.
Fazit
Tethered ist eine äußerst putzige, aber auch relativ simple Göttersimulation. Während das Bestaunen der Spielwelt vor allem zu Beginn in der virtuellen Realität zu beeindrucken weiß, mindern die eingeschränkten strategischen Möglichkeiten irgendwann den Spielspaß. Die 13 Level unterscheiden sich leider nur von ihrer geographischen Anordnung. Es gibt keine frischen Aufträge, Ressourcen, oder Herausforderungen. Wer buntes Gewusel mit putzigen Wesen und simplem Micro-Managment in VR ausprobieren würde, ist bei Tethered gut aufgehoben. Strategiefans werden nur sehr selten gefordert und dürften die umfangreichen Möglichkeiten eines Populous oder Black & White vermissen.
Pro
- tolles Mittendrin-Gefühl durch das VR-Headset...
- Micro-Managment der Bewohner, Ressourcen und Gebäude weiß zunächst zu begeistern...
- atmosphärische Level mit unterschiedlicher Größe und Design
- strategisches Spiel mit dem Wetter
Kontra
- ...das durch das immer gleiche Spielprinzip irgendwann an Faszination verliert
- ...wird dann allerdings zur langweiligen Routine
- keine Speicherfunktion
- Inselbewohner sind im Kampf schwer anzuvisieren und müssen stets Aufträge erhalten, um zu agieren