Owlboy - Test, Plattformer, 360, Switch, PlayStation4, XboxOne, PC

Owlboy
14.11.2016, Benjamin Schmädig

Test: Owlboy

Ein Held, mit dem keiner gerechnet hat

Nein, wer in Pixel aufgelöste Zeichnungen nicht mag, dem kann ich auch Owlboy (ab 26,10€ bei kaufen) nicht ans Herz legen. Aber meine Güte, sieht dieses Spiel famos aus! Wenn Eulenjunge Otus vor steinernen Denkmälern steht, die mit riesigen Augen auf ihn herab blicken, wenn er seine großen Flügel ausbreitet und sein Kumpel Geddy mit hängenden Schultern trauert, dann gehört dieses Abenteuer zu den schönsten des Jahres. Und im Test wollten wir natürlich herausfinden, was Owlboy spielerisch ausmacht.

Neun Jahre! So lange hat es gedauert, bis aus einer Idee von Simon Andersen ein fertiges Spiel wurde und schon während seiner Entwicklung wurde es mehrfach ausgezeichnet – kein Wunder, wenn man die prachtvollen Zeichnungen und liebevollen Animationen sieht. Dabei ist Owlboy nicht nur oberflächlich schön, denn es erzählt auch eine überraschend gute Geschichte. Ich hatte jedenfalls nicht damit gerechnet, dass Andersen gemeinsam mit seinem Bruder ein so großes und gleichzeitig bodenständiges Drama erzählen würde.

Der Duke der Pixelkunst

Immerhin geht es um den drohenden Untergang ganzer Städte, eine Invasion durch Piraten und Enthüllungen, die immer wieder neues Licht auf die Ereignisse werfen. Tatsächlich schrieb Henrik Andersen kein handelsübliches Fantasy-Drehbuch, sondern öffnet mit seinen Figuren und Entwicklungen den Blick in eine glaubhafte Welt. Sprecher braucht er dafür nicht, ihm reichen gut geschriebene (ausschließlich englische) Dialogzeilen, ausdrucksstarke Bilder

Die Bilder sind bestechend! Owlboy überzeugt mit detailverliebten Zeichnungen.
und ein großer Soundtrack, der von leisen Emotionen bis zum furiosen Finale den richtigen Ton trifft. Bemerkenswert vor allem, mit welcher Selbstverständlichkeit das Spiel scheinbar mühelos zwischen beschwingter Leichtigkeit und dramatischen Ereignissen balanciert. Handlung und Charaktere erinnern im besten Sinne an einen guten Disneyfilm.

Im Mittelpunkt steht Otus, der titelgebende Eulenjunge, der sich als Stummer kaum dagegen wehren kann, dass ihm sein Tutor stets vermeintliches Versagen vorwirft. Geddy, sein bester Kumpel, kommt ihm zwar zu Hilfe, dennoch gilt Otus unter den Nachbarn seines Dorfes nicht als der wahrscheinlichste Beschützer vor den plötzlichen Angriffen der Piraten. Die stehlen erst ein Relikt und fliegen anschließend in Richtung Hauptstadt, wo das Abenteuer erst richtig Fahrt aufnimmt.

Plötzlich Piraten

Selbstverständlich erlebt Otus viele dieser Ereignisse aus erster Hand, während ihm Geddy nicht von der Seite weicht. Kann er auch gar nicht, denn der junge Held teleportiert seinen Kumpel einfach zu sich – der kann nämlich nicht fliegen. Eulenmensch Otus bewegt sich hingegen meist durch die Luft, weil er Angreifern so am besten

Otus fliegt, Geddy schießt. Das Duo steuert sich dabei wie ein normaler Arcade-Shooter.
ausweichen und die oft in großer Höhe liegenden Luftinseln oder Plattformen so erreichen kann.

Dabei ist Owlboy weder Arcade-Shooter noch klassischer Plattformer, sondern verbindet das Erkunden und das Kämpfen beider Spielweisen. Wer mit Gamepad spielt, bewegt den Helden also mit dem linken Stick und zielt mit dem rechten – wobei Otus faktisch nicht selbst schießt. Genau dafür braucht er ja seinen Kumpel. Per Knopfdruck wird der also so „gebeamt“, dass Otus ihn sich greifen kann oder er gleich in seinen Händen auftaucht. Das Anheben und Tragen ist also kein komplizierter Mechanismus, sondern funktioniert wie der schnelle Waffenwechsel in fast jedem beliebigen Actionspiel: Ein Knopfdruck und man schießt in die gewünschte Richtung.

„Du schießt, ich fliege!“

Immerhin treffen die Abenteurer bald weitere Gefährten, die Otus ebenfalls tragen kann. Weil deren Waffen ganz anderen Schaden anrichten, muss man immer überlegen, welche Fähigkeiten in den abwechslungsreichen Spielszenen gebraucht werden. Oft muss man die verschiedenen Eigenschaften auch flink kombinieren, im einfachsten Fall um aus der Nähe eine Panzerung zu zerstören und den Gegner anschließend aus der Entfernung zu beharken.

Auch um versteckte Artefakte oder mit Münzen gefüllte Kisten zu finden benötigt Otus seine Begleiter. Meist kommt es allerdings auf ihn an: Um den Weg freizumachen, schmeißt er z.B. eine Mine auf einen versperrten Durchgang. Oder er hebt kleine Wolken an, um sie über Brunnen auszuquetschen, damit ihr Wasser einen Schalter nach oben schwemmt.

Rätselhafte Funde

Viele der Rätsel muss man lösen, um überhaupt voranzukommen und auch für jene, die man ignorieren könnte, erhält man keine Sammelgegenstände, deren einziger Zweck das Sammeln ist. Vielmehr füllen sie meist die Kasse des Helden – mit den Münzen kauft man ihm mehr Lebensenergie. Und dann gibt es noch Fundsachen, deren Bedeutung

Man sammelt nicht zum Selbstzweck: Aus Kisten erhält man Münzen zum Kauf neuer Ausrüstung, darunter... modische Hüte.
sich erst später erschließt. So ist das Entdecken immer sinnvoll, während das Unbekannte den geheimnisvollen Charakter einiger Verstecke unterstreicht. Schade nur, dass das Erhöhen der Gesundheit die einzige Möglichkeit ist, die Fähigkeiten des Eulenjungen eigenhändig zu verändern.

Und leider ist auch das häufige Beschießen der nicht zahlreichen, aber regelmäßigen Feinde nicht perfekt, denn während die eigentliche Action der eines Arcade-Shooters gleicht, feuert man am Gamepad mit der rechten Schultertaste. Das führt bei Dauerfeuer schnell zu Ermüdungserscheinungen und macht einige der explosiven Höhepunkte zu physischen Durchhaltespielen statt zu packenden Herausforderungen.

Der Zeigefinger wird schwer

Überhaupt zeigt die Steuerung besonders in kniffligen Situationen Schwächen. Otus beginnt nämlich sowohl per Tastendruck zu fliegen als auch dann, wenn man Stick oder Steuerkreuz nach oben drückt. Mit dem gleichen Tastendruck lässt er sich allerdings auch gen Boden fallen. In hektischen Momenten habe ich deshalb häufig den Stick aus Versehen nach oben gezogen und wollte anschließend das Fliegen starten – woraufhin der Eulenjunge in eine Gefahr unter ihm stürzte. Das ist kein großes Ärgernis, stört auf Dauer aber den Spielfluss.

Bosskämpfe erfordern oft ein besonderes Vorgehen - sind meist aber viel zu leicht.

(Un-)Glück im Unglück: Das Abenteuer ist kein schweres. Tatsächlich ist es sogar fast durchgehend zu einfach und einen höheren Schwierigkeitsgrad gibt es nicht. Viele kleine Höhepunkte sind aufregend, weil man für besondere Gegner neue Lösungen suchen muss. Denn oft kommt man den Bossen allein mit Dauerfeuer nicht bei, sondern muss sich geschickt bewegen und Objekte der Umgebung nutzen. Meist gelingt dies aber gleich im ersten Anlauf, weshalb ein Teil der notwendigen Spannung fehlt.

Aha! - und vorbei

Das liegt auch daran, dass viele Aufgaben nach einem Aha-Moment und einer recht kurzen Herausforderung bereits erledigt sind. Mal muss Otus ungesehen schleichen, ein andermal durch stockfinstere Höhlen fliegen – die Abwechslung ist klasse! Mitunter versteht man das Prinzip dieser besonderen Abschnitte aber erst, wenn Otus Schaden nimmt...

... und dann sind sie eben schon fast vorbei. Weitläufige Umgebungen erkundet man ohnehin kaum; nach wenigen Abzweigungen erreicht man oft den Ausgang. Häufig unterhalten sich die Figuren dann erst einmal recht lange oder werden Teil eines besonderen Ereignisses. Und so sehr ich die Geschichte auch genossen habe: In einen richtig flüssigen Rhythmus bin ich so nie gekommen.

Fazit

Owlboy ist voller Abwechslung, lässt den jungen Helden durchdachte Kopfnüsse knacken und gegen fantasievolle Gegner kämpfen – die Steuerung wirkt teilweise aber undurchdacht und manche Herausforderungen sind unausgegoren, während Otus insgesamt recht unbeschwert durch das zu leichte Abenteuer schwebt. Spielerisch ist es trotz der vielen Ideen deshalb kein großer Wurf. Grafisch, akustisch und erzählerisch gehört es allerdings zum Besten, das man mit Pixelkunst erleben kann! Vor allem die Geschichte, das beeindruckende Artdesign und die wundervollen Animationen haben mich in ihren Bann gezogen; selten werden Videospiele so gut erzählt. Und so ist Owlboy vor allem eins: ein spielerisch gutes, inhaltlich großes Drama, erzählt in dem liebenswerten Tonfall eines Abend füllenden Disney-Films.

Pro

  • fantasievolle, detailverliebte Zeichnungen und Animationen
  • fesselnde Geschichte mit liebenswerten Charakteren und interessanten Entwicklungen
  • abwechslungsreiches Abenteuer mit unterschiedlichen Spielsituationen
  • gut versteckte Geheimnisse, aber kein überflüssiger Sammelkram
  • orchestraler Soundtrack untermalt kleine emotionale und große bedeutsame Momente

Kontra

  • Steuerung vor allem in schnellen Szenen nicht präzise genug, Dauerfeuer über rechte Schultertaste mitunter unangenehm
  • Herausforderungen, auch Bosskämpfe, fast durchgehend zu leicht
  • viele lange Unterhaltungen wechseln sich mit relativ kleinen Höhlen oder anderen Levelabschnitten ab
  • einige Abschnitte frustrierend undurchschaubar

Wertung

PC

Wunderschönes, vor allem erzählerisch starkes Abenteuer mit kleinen spielerischen Schwächen.