Transport Fever - Test, Simulation, Linux, PC, Mac

Transport Fever
29.12.2016, Mathias Oertel

Test: Transport Fever

Alte Schwächen, neue Qualität

Mitunter gibt es Spiele, die zu einem ungünstigen Zeitpunkt veröffentlicht werden und in der Testschleife hintenstehen müssen. Mitunter liegt der Release irgendwann so weit zurück, dass aktuellere Titel weiterhin den Vorzug bekommen, so dass das Spiel irgendwann auf dem Abstellgleis landet. Und mitunter schaut man sich seine liegen gebliebenen Titel an und denkt: 'Das Spiel sollte man trotzdem noch besprechen!' Und deswegen bekommt Transport Fever (ab 44,99€ bei kaufen), die Fortsetzung zum ambitionierten, vor zwei Jahre erschienen Train Fever, einen Test kurz vor dem Jahreswechsel.

Lange mussten Spieler mit Hang zu logistischem Mikromanagement auf eine zeitgemäße Neuinterpretation von Spielen wie Transport Tycoon, Railroad Tycoon oder Industriegigant warten.Doch nachdem Cities in Motion von Colossal Order vor allem hinsichtlich des öffentlichen Nahverkehrs interessante Aufbau-Strategie mit wirtschaftlichen Aspekten über zwei Teile hinweg anbot, war es vor allem das 2014 erschienene Train Fever, das sich in die Herzen der Fans spielen konnte. Dabei war das von einem kleinen Team entwickelte Projekt vor allem in der Anfangsphase von zahlreichen Bugs geplagt, während inhaltlich vor allem das auf wenige Rohstoffe ausgelegte Warensystem und die geringen wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten störend auffielen. Das änderte jedoch nichts daran, dass sich eine interessierte (Modding-)Community um das Spiel scharte.

Die Fehler der Vergangenheit

Auf großen Karten eine potente Einnahmequelle: Flugzeuge.
In der Fortsetzung hält das mittlerweile mehr als doppelt so große Team von Urban Games an den Kernmechaniken fest: Man ist immer noch hauptsächlich damit beschäftigt, den Transport von Rohstoffen sowie den Personennah- und -fernverkehr zu optimieren bzw. die dafür benötigten Fahrzeuge bereitzustellen. Dafür steht einem vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart ein Fuhrpark von mehr als 120 Vehikeln zur Verfügung. Dazu gehören nicht nur Pferdefuhrwerke, Kutschen oder Lokomotiven samt Fracht- oder Personenwaggons, sondern später auch Schiffe und Flugzeuge. Letztere sind zwar erst wirklich sinnvoll, wenn man im Endlosspiel auf einer großen Karte unterwegs ist, doch mit ihnen ergeben sich neue umsatzstarke, aber auch kostenintensive Routen. Einen Fortschritt hat man auch bei der Anzahl der Rohstoffe bzw. Rohstoffketten gemacht. Wirklich aufwändige, sich über mehrere Produktionzyklen oder auf zahlreiche Fabriken verteilte Ketten sind zwar nicht dabei. Doch im Vergleich zum Vorgänger mit seinen vier Rohstoffen hat man in Transport Fever weitaus mehr Möglichkeiten zur Verfügung, um sowohl seinen Kontostand als auch den Fortschritt der Städte, die man beliefert, sowie der Rohstoffquellen bzw. verarbeitenden Industrie positiv zu beeinflussen.

Hier die besten Optionen für den öffentlichen Nahverkehr zu finden, ist nicht immer leicht.
Allerdings hat man erneut darauf verzichtet, den Wirtschaftsteil zu optimieren. Nahezu alles ist fix bzw. vorgegeben. Die Kosten für den Ausbau des Schienen- oder Straßennetzes richten sich nach der Route sowie den dafür nötigen Geländemodifikation, wobei es mitunter sinnvoller ist, die Strecke ungeachtet der Wirkung auf das Landschaftsbild zu heben oder zu senken, da man erhebliche Beträge sparen kann, wenn man die verschiedenen Höhenstufen durchschaltet. Man hat nach wie vor keine Option, eigene Fabriken zu errichten, um so z.B. an einem Wirtschaftsboom zu partizipieren oder kostengünstige Schienenstränge bzw. Holzbohlen zum Verlegen herzustellen. Auch die Produktion firmeninterner Treibstoffe ist nicht möglich. Man kann nicht versuchen, den Wert mindernden Verschleiß durch besonders hohe Qualität der Instandhaltung/Reparaturen zu beeinflussen. Irgendwann sollte man nur darüber nachdenken, seinen Fuhrpark komplett zu modernisieren. Man kann auch nach wie vor keine eigenen Preise festlegen. Das wird dadurch relativiert, dass man sich ohnehin niemals in einem Preiskampf befindet - es gibt keinerlei Konkurrenz. Die Nachfrage wird durch die Bedürfnisse der einzelnen Städte und ihrer Bewohner geregelt. Und natürlich dadurch, inwieweit man dieser nachkommen kann. Beliefert man eine Stadt mit ihren Wunschgütern, wächst sie, während die jeweiligen Industrien ihre Produktion ebenfalls anpassen, so dass man das Bild der Karte nachhaltig beeinflussen kann. Das Stauverhalten in späteren Epochen bietet allerdings nach wie vor Luft nach oben und wirkt deutlich unrealistischer als bei Cities in Motion.

Flacher Wirtschaftsteil

So lässt man hier wie gehabt eine Menge Potential ungenutzt. Transport Fever ist dabei aber weit von einem niedrigen Anforderungsprofil entfernt. Vor allem in der Anfangsphase ist das Geld knapp und bis die ersten per Transportweg erschlossenen Rohstoffe bzw. Warenketten Gewinne ausschütten, ist penible Planung angesagt. Irgendwann stellt sich zwar eine gewisse Routine beim Streckenbau und dem Verwalten der Transportlinien ein, dennoch muss man auch profitable Routen immer im Auge behalten und evtl. modernisieren bzw. optimieren. Apropos Optimierung: Das Verlegen von Straßen und noch mehr das von Schienen geht komfortabler als noch im Vorgänger, wobei man nach wie vor gut damit beraten ist, seine Streckenvorstellungen nur in kleinen Etappen umzusetzen, da bei längeren Pfaden mitunter ungewöhnlich kostspielige Kurven gezogen werden. Und trotz aller Verbesserungen und gelegentlicher Auto-Optimierung kann das korrekte Anlegen von kreuzenden Schienen zum Erstellen einer Weiche immer noch zu einer kleinen Tortur werden. Schade, wenngleich auf lange Sicht natürlich sinnvoll ist, dass man keine gemischten Bahnhöfe bauen kann, an denen sowohl Passagiere als auch Fracht verladen werden können, so dass man vor allem in der Anfangsphase der eisernen Rösser keine Möglichkeit der Profitoptimierung hat, indem man z.B. Eisenerz und Passagiere mit einem Mischzug transportiert – hierfür müssen hintereinander liegende unterschiedliche Bahnhöfe gebaut werden.

Die Kampagnen führen einen u.a. in die Wildwest-Ära.
Um den Umgang mit Waren, den Transportbedürfnissen der Bevölkerung, dem Streckenbau sowie dem Einrichten von Linien zu üben, darf man sich nicht nur an einem dreiteiligen Tutorial, sondern auch an zwei Kampagnen (Europa, USA) versuchen. Hier muss man neben seinem Kontostand auch die jeweiligen Aufgaben im Auge behalten, die vom Beliefern mit bestimmten Rohstoffen bis hin zum Verbinden von Ortschaften reichen und so den Blick für das Wesentliche im Endlosspiel schärfen. Europa und der amerikanische Mittelwesten stehen dabei übrigens auch als szenische Kulisse zur Verfügung. Hinsichtlich des Detailgrads der Umgebung und vor allem der Fahrzeuge hat man einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht. Zwar wird man meist aus einer relativ weiten Zoomstufe das Geschehen verwalten. Doch wer die Nahaufnahme sucht, kann sich nicht nur beim Personentransport an zahlenmäßig korrekt modellierten Passagieren, sondern allgemein gut aussehenden Vehikeln sowie abwechslungsreicher Architektur freuen.

Lernen leicht gemacht

Allerdings neigt Transport Fever zu Hardware-Hunger – obwohl man weiterhin auf unterschiedliche Wetterbedingungen und Tageszeiten verzichtet. Aber hat man erst einmal ein paar Dutzend Linien im Betrieb, die sich womöglich über einen Großteil der Karte erstrecken, beginnt das Geschehen zu stottern und zu lahmen. Und macht man den Fehler, eine große Karte ohne einen halbwegs potenten Rechner zu starten, nagt nicht nur die Erstellung der Landschaft an der Geduld, sondern auch das sich bald einstellende Dauerruckeln, das im späteren Verlauf zu einer Diashow wird.

Fazit

Transport Fever ist ein ungewöhnlicher Titel. Einerseits schafft es die Aufbaustrategie/Wirtschaftssimulation, nahezu alles zu verbessern, was den Vorgänger Train Fever auszeichnete. Das hohe Modellbahnflair bleibt erhalten und wird durch den enorm gewachsenen Fuhrpark mit seinen sich erkennbar abnutzenden Fahrzeugen verstärkt, während der Schienen-/Straßenbau optimiert wurde, allerdings gelegentlich immer noch Probleme macht. Bei der Ausmerzung der Schwächen ist man allerdings weit weniger konsequent. Zwar darf man sich hier auf zwei Kampagnen sowie mehr zu transportierende Rohstoffe freuen, die das weiterhin im Fokus liegende Sandkasten-Spiel auf zufällig generierten Karten ergänzen. Doch hinsichtlich der wirtschaftlichen Inhaltskomponente kocht man weiterhin auf Sparflamme: Die Transportpreise sind immer noch vorgegeben, man hat keinerlei Möglichkeiten, durch Kniffe wie Lohneinsparungen etc. seine Bilanzen aufzubessern. Und Gegner, die einem das Leben schwer machen, sucht man wie im Vorgänger vergebens. Dennoch ist Urban Games ein wichtiger Schritt nach vorne gelungen. Denn selbst mit all seinen Mankos können Hobby-Spediteure Stunde um Stunde in die logistische Strategie investieren und sich an der ansehnlichen Kulisse erfreuen – müssen sich aber auch bewusst sein, dass für die großen Karten ein potenter PC notwendig ist, wenn man nicht irgendwann bei einer Diashow landen will.

Pro

  • ansehnliche Kulisse
  • zwei Kampagnen (Europa/USA)
  • verbesserter Straßenbau/Verlegung von Schienen
  • Endlosmodus auf Zufallskarten
  • über 120 Fahrzeuge (u.a. Bahn, Schiff, Flugzeug)
  • nachvollziehbares Städtewachstum
  • gelungener Zeitenwandel (Fuhrpark, Umgebung, Bevölkerung)
  • Alter/Zustand der Fahrzeuge auch visuell erkennbar (Abnutzungsmerkmale)
  • Anbindung an Steam Workshop, hohe Modifikations-Fähigkeit

Kontra

  • die sich auf großen Karten allerdings als hardwarehungrig präsentiert
  • oberflächliches Wirtschaftssystem
  • der mitunter im Detail immer noch frickelig ist
  • keine eigenen Produktionsstätten
  • keine gegnerischen Transport-Firmen
  • auf Dauer nervige Musik

Wertung

PC

In vielen Punkten ein Schritt in die richtige Richtung, schleppt Transport Fever einige Altlasten mit, die auch schon den Vorgänger geplagt haben.