Der Industriegigant 2 - Test, Taktik & Strategie, XboxOne, PlayStation4, PC

Der Industriegigant 2
27.12.2016, Mathias Oertel

Test: Der Industriegigant 2

Transportwesen mit Retro-Charme

Vor fast 15 Jahren hat Industrie Gigant 2 bei uns einen guten Eindruck im Test hinterlassen. Angesichts des Alters ist die Wirtschaftssimulation beinahe schon ein „moderner Klassiker“ und nun dürfen sich auch Konsolenspieler als Magnat versuchen. Hat der Charme des Originals dem Zahn der Zeit widerstanden und kann Industrie Gigant 2 HD mehr bieten als eine große Prise Retro-Charme?

Das vereinfachte Transportwesen von Industrie Gigant 2 HD ist nicht der neuen Konsolenheimat geschuldet. Schon in der Ur-Fassung aus dem Jahr 2002 ging es nicht darum, über logistisches Mikro-Management seine Fähigkeit als Spediteur unter Beweis zu stellen. Für diesen Zweck gab es damals Titel wie Transport Tycoon. Hier ging und geht es nach wie vor vielmehr um den cleveren Aufbau von Kreisläufen, die angefangen vom Rohstoff-Abbau über die Weiterverarbeitung bis hin zum Verkauf in spezialisierten Kaufhäusern euer Geschick als Industrie-Magnat abverlangen.  Dementsprechend reicht es, wenn man die jeweiligen Rohstoffabbau-Vorrichtungen wie Minen, Holzlager oder auch Farmen in Reichweite eines Transportlagers aufstellt, das wiederum in Reichweite eines Shops liegen sollte, wenn man nicht zusätzliche Kosten für eine Spedition einkalkulieren will.

Reichweiten-Rohstoffe

Die Kulisse besticht durch Retro-Charme und eine kaum optimierte Schriftgröße.
Was anfangs noch relativ überschaubar ist, wenn man etwa Eier von der Hühnerfarm in der nahe gelegenen Stadt verkauft, wird mit den komplexeren der über 150 Produkte vorausschauende Planung zunehmend wichtiger. Denn bevor man sich versieht, sorgen die vom Fahrzeug abhängigen Transportpreise im Zweifelsfall schnell dafür, dass die sorgsam erarbeiteten Gewinne sich im Handumdrehen auflösen. Und damit spricht vieles schließlich doch für den Ausbau eines eigenen, allerdings rudimentär zu verwaltenden Transportnetzes. Um seine Gewinnspanne zu maximieren, sollte man zusätzlich die von Stadt zu Stadt unterschiedliche Nachfrage im Auge behalten und entweder die Produktion oder aber die Gehälter anpassen. Die zur Verfügung stehenden Optionen sind allerdings eher rudimentär und in nur wenigen Stufen anpassbar. Dafür jedoch verändern sich Waren ebenso wie Bedürfnisse nicht nur im Lauf der Epochen z.B. von Holz- zu Metallspielzeugen, sondern auch von Jahreszeit zu Jahreszeit. Schlauchboote haben im Sommer Hochkonjunktur, andere Produkte wiederum können nur zu einem bestimmten Zeitpunkt hergestellt werden, es gibt aber das ganze Jahr über Bedarf.

Nach einer Eingewöhnungsphase sorgt die Suche nach kostengünstigen Rohstoffrouten für Motivation.
Die reduzierten Einstellmöglichkeiten kommen den Pad-Spielern entgegen, denn ohne Keyboard oder Maus wäre es ein Mikromanagement-Gefrickel sondergleichen, wenn man Löhne oder sonstige Einstellungen über Zifferneingabe oder auch nur Pfeilgeklicke lösen müsste. Wobei ohnehin festgehalten werden muss, dass die Pad-Steuerung zwar in Ordnung geht, aber mitunter nicht intuitivist und damit leicht frustrierend werden kann. Vor allem, wenn man bei mehreren Lagerhäusern die Annahme bestimmter Güter verweigern oder die maximal erlaubte Zahl einstellen möchte, ist dies nicht nur umständlich, sondern kann auch immer wieder dazu führen, dass man im Eifer des Gefechts die falsche Taste drückt – das kann nerven.  Ganz kurz davor ist auch die Schriftgröße. Kleiner hätten die Standardfonts, die offensichtlich nur wenig für Konsolen angepasst wurden, wirklich nicht sein können. Dementsprechend könnte sich bei allen, die weiter als zweieinhalb Meter vom Bildschirm weg sitzen, auch in diesem Bereich der Benutzerführung Frust aufbauen. Dem gegenüber steht eine saubere Menüstruktur, in der man sowohl die Bauvorhaben als auch die wirtschaftlichen Statistiken schnell über die Bühne bringt bzw. einsieht. Die Tutorials könnten allerdings ausführlicher sein. Zwar lernt man mehr oder weniger genau, wie man eine Bahnstrecke errichtet, Stationen abfährt sowie be- und entlädt. Doch auch wenn es bei LKW-Transporten ähnlich abläuft, wäre eine detaillierte Hilfe in dieser Hinsicht ein nicht zu unterschätzender Frust mindernder Faktor, damit man seine Kontore nicht falsch platziert.

Ordentliche Steuerung

Man kann sich durch zahlreiche Statistiken wühlen.
Doch hat man sich an die Unwegsamkeiten der Benutzerführung gewöhnt, entfacht Industrie Gigant 2HD beinahe einen so hohen Motivationssog wie die PC-Version vor annähernd 15 Jahren. Man ist stets am Tüfteln, wie man die vorhandenen Rohstoffe verarbeitet und dabei so effektiv und kostensparend wie möglich über die teilweise großräumige Karte an die Konsumenten bringt, wobei man vor allem im Sandkasten-Modus auch mit passabel agierenden KI-Konkurrenten zu tun haben kann. Allerdings sorgt trotz „HD“ im Titel die veraltete Kulisse dafür, dass der Spaß bereits mittelfristig wieder eingebremst wird. Die verpixelte Kulisse, auf deren flachen Karten es keinerlei Höhenunterschiede gibt, entfacht zwar einen gewissen Retro-Charme, während man in moderneren Epochen einen ordentlichen Wuselfaktor zu Gesicht bekommt, doch wer etwas fürs Auge sucht, ist hier fehl am Platz. Gleiches gilt übrigens für Spieler, die gerne die Anlage lauter drehen. Das Gedudel, das hier aus den Lautsprechern tönt, ist ebenso Nerv tötend wie damals, während übrige Soundeffekte eher Mangelware sind.

Fazit

Auch wenn nach fast 15 Jahren die Faszination des Originals nicht mehr erreicht und die Retro-Kulisse dem "HD"-Stempel nicht gerecht wird, sorgt Industrie Gigant 2 HD immer noch für solide Unterhaltung. Im Rahmen der Pad-Steuerung ist zwar ebenso nicht alles intuitiv gelöst worden wie bei den Schriftgrößen, doch hat man sich einmal an die Unwegsamkeiten gewöhnt und weiß sie zu umschiffen, entfacht die Suche nach den optimalen und daher Kosten sparenden Produktionswegen den Reiz, der auch schon Wirtschafts-Strategen im Jahr 2002 faszinierte. Für die Wertung zwar unerheblich, muss das Preisschild  mit seinen knapp 40 Euro für einen derart alten Titel, der trotz Retro-Charme weder akustisch noch visuell Bäume ausreißt, dennoch erwähnt werden. Wer diese Investition eingeht, bekommt im Gegenzug sauberen, wenngleich in jeder Hinsicht unspektakulären Aufbau mit haufenweise Waren,  Fahrzeugen sowie logischen Zusammenhängen.

Pro

  • über 50 Fahrzeuge
  • über 150 Roh- und weiter verarbeitete Produkte
  • unterhaltsame Kampagne
  • ein Dutzend Zoomstufen
  • Kulisse mit Retrocharme
  • ordentlicher Aquarium-Effekt
  • Endlosspiel auch gegen KI-Gegner
  • variable Spielgeschwindigkeit

Kontra

  • Pad-Steuerung nicht immer intuitiv
  • Schriftgröße grenzwertig
  • deren 14 Missionen mehr oder weniger wahllos zusammen gefügt wurden
  • Add-On nicht integriert
  • flache Gebiete, keinerlei 3D-Strukturen
  • magere Akustik mit Fahrstuhlmusik-Gedudel

Wertung

XboxOne

Unterhaltsame, aber im Detail nicht für Konsolen optimierte Suche nach Rohstoffen und Produktionsketten.

PlayStation4

Unterhaltsame, aber im Detail nicht für Konsolen optimierte Suche nach Rohstoffen und Produktionsketten.