Rise & Shine - Test, Arcade-Action, PlayStation4, XboxOne, PC

Rise & Shine
12.01.2017, Mathias Oertel

Test: Rise & Shine

Schick, aber höllisch schwer

Das von Super Awesome Hyper Dimensional Mega Team für Adult Swim produzierte Rise & Shine hat es in sich. Dabei dachte ich etwa zehn Jahre nach Ninja Gaiden und gut zehn Monate nach Rive, dass mich kein Spiel mehr derart  faszinieren und gleichermaßen frustrieren könnte. Oder fehlt dem Action-Adventure mit dem sympathischen Cartoon-Design einfach nur der letzte Schliff? Diese und andere Fragen wollen wir im Test beantworten.

Der Planet Gamearth ist in Gefahr: Die Weltraum-Grunzer haben eine Invasion gestartet. Alles liegt in Schutt und Asche, die Bevölkerung wird gnadenlos verfolgt und getötet. Der kleine Junge Rise wird Zeuge, wie der „Legendäre Held“ hinterrücks ermordet wird und das letzte seiner eigentlich unendlichen Leben aushaucht. Doch bevor er stirbt, reicht der Held seine Waffe Shine an Rise weiter und schickt ihn mit dem Auftrag los, Shine zum König zu bringen. Das klingt erstmal sehr konventionell. Doch es ist nicht nur der sympathische Cartoon-Stil, der kohärent im Spiel sowie in den Zwischensequenzen eingesetzt wird, der aus dem seitwärts scrollenden Shooter etwas Besonderes macht.

Nichts ist heilig

Die Action in Rise & Shine ist geradlinig, die Rätsel sind intelligent eingebunden und die Cartoon-Kulisse ist ansehnlich.
Es sind auch die vielen kleinen Anspielungen auf die Welt der Videospiele, mit denen Rise & Shine einen charmanten Eindruck hinterlässt. Schon im Titelbild lassen sich ein Triforce-Symbol und eine PlayStation One ausmachen. In einigen Abschnitten haben Varianten von Flappy Bird und anderen Pixelhelden einen Gastauftritt. Und die Gamearth-Versionen von Mario, Peach und Marcus Fenix spielen ebenfalls eine Rolle. Mit diesen Elementen und der mitunter quietschbunten Kulisse, die im krassen Gegensatz zur dargestellten Zerstörung und den teils extrem blutigen Auseinandersetzungen steht, schafft es Rise & Shine, eine kleine Nische für sich zu besetzen.

Die Geschichte wird über Zeichnungen erzählt. Die Inszenierung könnte straffer sein.
Auf den ersten Blick ist aber nicht nur die "Kleiner-Junge-muss-die-Welt-retten"-Story herkömmlich. Gleiches lässt sich für das Action-Fundament sagen. Man läuft oder springt mit Rise von links nach rechts, schießt mit Shine und kann hinter bestimmten Bauten in Deckung gehen. Doch zu den Extras, die man für die nie um einen klugen bzw. beleidigenden Spruch verlegene Knarre bekommen kann, gehört nicht nur das Aufwerten der Magazingröße. Zusätzlich zu den klassischen Projektilen darf man per Knopfdruck auch Energiegeschosse einsetzen. Weiterhin ist es möglich, zwischen normalen Geschossen, aufladbaren Granaten und einem lenkbaren Projektil umzuschalten, das allerdings einen kleinen Radius hat, der allerdings durch Geräte in der Umgebung vergrößert werden kann.

Mechanisch herkömmlich?

Diese Funktionen haben natürlich nicht nur kosmetischen Wert. Es gibt Feinde, die besser auf Standard-Munition ansprechen, während andere effektiver mit Energie-Kugeln erledigt werden können. Andere wiederum sind gepanzert, so dass man nur mit Granaten entsprechenden Schaden anrichten kann. Zusammen mit der Deckung, die jedoch auch zerstört werden kann und daher nicht unbegrenzt Schutz bietet, entwickeln sich immer wieder spannende Gefechte. Sehr schön: Die Kollisionsabfrage leistet sich keinen Patzer, was angesichts der mitunter pixelgenau nötigen Ausweichversuche eine enorme Hilfe darstellt. Darüber hinaus werden die verschiedenen Geschosstypen und -Zustände für intelligente Umgebungsrätsel genutzt, um den Zugang zum nächsten Abschnitt zu öffnen. Und man kann in einer Sequenz sogar eine "klassische" Bullet-Hell erleben, wenn man mit einem Flugschiff den rettenden Hafen erreichen muss.

Nicht nur die mehrstufigen Bosskämpfe fordern höchste Konzentration.
Für Abwechslung ist also gesorgt, während die Kulisse ein mehr als solides Fundament für den Aufstieg dieses Indie-Titels in den Action-Olymp legt. Richtig? Nicht ganz. Denn hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades hat es Rise & Shine vor allem im letzten Drittel übertrieben. Während über einen Großteil der brachialen und stets schwieriger werdenden Action mitunter kleine Spitzen zu spüren sind, an denen man sich über einige Versuche hinweg festbeißen kann, läuft es gegen Ende aus dem Ruder. Neben den Grundvoraussetzungen wie guten Reaktionen, akkurater Hand/Auge-Koordination und ordentlichem Timing braucht man in den letzten Abschnitten auch viel Geduld. Nicht etwa, weil die Ladezeiten nach einem zwangläufigen Ableben so lang wären - sondern vielmehr, weil man einige Sequenzen, in denen einem nicht einmal ein Fehler wie Nachladen zum falschen Zeitpunkt verziehen wird, dutzendfach in Angriff nimmt.

Zwischen fordernd und Frust

Immerhin muss ich Super Awesome Hyper Dimensional Mega Team zu Gute halten, dass es keine unfairen Momente gibt. Zwar muss man in wenigen Situationen mit Trial & Error leben, doch selbst hier bleibt man stets fair. Aber extrem fordernd. Für alle Situationen

Vor allem gegen Ende verzeiht Rise & Shine keine Fehler.
gibt es eine Lösung. Aber auch wenn man sie kennt, heißt das noch lange nicht, dass man sie erfolgreich zu Ende bringt. Eine Unaufmerksamkeit hier, ein Fehlschuss oder ein leeres Magazin dort, in der Hektik die falsch getroffene Wahl der Munition und schon heißt es wieder zurück zum letzten Kontrollpunkt. Apropos: Die werden gegen Ende auch immer erbarmungsloser gesetzt. Es ist ein schmaler Grat, den das Team hier geht. Auf der einen Seite macht mir Rise & Shine unmissverständlich klar, dass ich nicht gut genug bin bzw. besser werden muss – was sich spätestens dann zeigt, wenn ich eine Stelle, für die ich (nicht nur) gefühlt vorher um die 100 Versuche benötigt habe, mittlerweile mit nur zwei oder drei Fehlversuchen abschließen kann. Andererseits sind die Belohnungen außer einem persönlichen Schulterklopfen, wenn man die Sequenz oder den mehrstufigen Bosskampf hinter sich gebracht hat, zu klein. Die Geschichte wird an Schlüsselstellen zwar inhaltlich stimmungsvoll fortgesetzt, doch es hätte hinsichtlich der zu sehr auf Comic getrimmten sowie auf Sprachausgabe verzichtenden Inszenierung mehr geboten werden müssen, um die Strapazen auf sich nehmen zu wollen.

Fazit

Rise & Shine ist für mich eine der unerwarteten Überraschungen des noch jungen Jahres. Die auf Sprachausgabe verzichtende Inszenierung könnte zwar packender sein. Doch die Geschichte, die einen mit Videospielbezügen von Mario bis Marcus Fenix gespickten brachialen Konflikt auf den Bildschirm bringt, wird charmant erzählt. Lange war die seitwärts scrollende Action mit ihrem auch für intelligente Umgebungs-Rätsel genutzten Munitions-Management und der farbenfrohen Kulisse sogar auf Award-Kurs. Die Auseinandersetzungen sind packend, sie verlangen höchste Konzentration und Fingerfertigkeit. Mit einem Wort: Das kontinuierlich schwieriger werdende Abenteuer ist über einen großen Zeitraum ein Paradebeispiel für "Hammerhart, aber fair." Doch irgendwann kippte die Stimmung bei mir und die Motivation wurde durch Frust ersetzt. Die Szenarien sowie mehrstufigen Bosskämpfe bekamen mehr und mehr Trial&Error-Elemente, während die Gefechte im letzten Drittel keinen Fehler mehr verziehen und mir mit einem Bildschirmtod nach dem anderen ins Gesicht schrien, dass ich nicht gut genug sei. Doch ich habe mich bis zum Ende durchgebissen und dem immer wieder kehrenden Impuls widerstanden, das Pad in die Ecke zu feuern. Nur: Der Spaß fehlte irgendwann ebenso wie eine adäquate Belohnung außer einem virtuellen Schulterklopfen. Doch trotz gegen Ende vollkommen aus dem Ruder laufenden Schwierigkeitsgrades ist Rise & Shine eine schicke und unter dem Strich gut gelungene Modernisierung der Turrican- oder Probotector-Mechanik.

Pro

  • über einen Großteil der Zeit sehr schwer, aber fair...
  • sehr sympathisches Cartoon-Design
  • viele Anspielungen auf Videospielkultur von Gears of War bis Mario
  • akkurate Steuerung
  • blutige Action
  • intelligente Umgebungsrätsel
  • saubere Kollisionsabfrage

Kontra

  • ... Balance läuft im letzten Drittel vollkommen aus dem Ruder
  • seltenes Trial & Error
  • schwache Inszenierung, keine Sprachausgabe

Wertung

XboxOne

Packende, aber gegen Ende extrem fordernde Action mit intelligenten Umgebungsrätseln und vielen Videospiel-Anspielungen.

PC

Packende, aber gegen Ende extrem fordernde Action mit intelligenten Umgebungsrätseln und vielen Videospiel-Anspielungen.