Syberia 3 - Test, Adventure, Mac, PlayStation3, PlayStation4, Switch, XboxOne, PlayStation4Pro, PC

Syberia 3
25.04.2017, Jan Wöbbeking

Test: Syberia 3

Kampf gegen die Technik

Endlich geht die Reise weiter: Acht Jahre nach der ersten Ankündigung von Syberia 3 (ab 13,49€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) erwacht Kate Walker im entlegenen Valsembor aus dem Koma und begibt sich auf ein neues Abenteuer, in der eine Reihe von Konflikten das Fortbestehen eines Naturvolks bedrohen. Die mystische Reise wird allerdings nicht nur von einer Militärregierung, sondern auch massiv von der Technik sabotiert.

Was hat Kate Walker mit Nintendos Maskottchen gemeinsam? Auch sie tanzt gerne mal den Mario, wenn sie in den verschlafenen Kopfsteinpflastergassen Valsembors auf eine Treppe steigen will. „Ein Schritt vor – und noch einmal!“ beschreibt zeimlich genau das sich bietende Schauspiel, wenn sie wieder einmal rhythmisch zuckend an der ersten Stufe hängen bleibt. Manchmal hilft ein Schritt zurück und ein neuer Anlauf, gelegentlich prallt sie aber auch dann noch gegen eine unsichtbare Wand. Oder sie trippelt nach dem Erklimmen schnurstracks wieder herunter, weil sich die Kameraperspektive wie im uralten Resident Evil um 180 Grad gedreht hat und ich eigentlich die Richtung des Analogsticks hätte ändern müssen. Manchmal läuft sie auch im Kreis oder wird von anderen Charakteren umzingelt, welche sie einige Sekunden lang nicht aus dem Pulk heraus lassen. Als würden die unnötig langen Laufwege die Nerven nicht schon genug strapazieren.

Mach den Mario!

Die weise aber alberne Ayawaska versucht, ihren bedächtig sprechenden jungen Stammesführer zurückzuholen.

Es mag seltsam erscheinen, einen Test zu Syberia 3 mit solchen technischen Details zu beginnen, aber sie nehmen derart viel Einfluss aufs Spiel, dass ich mir erst einmal den Frust darüber von der Seele schreiben muss. Ich würde ja gerne dem verlockenden Ruf des wilden Ostens folgen mit all seinen idyllisch designten Naturschauplätzen und urigen Maschinen des Comicautors und Steampunk-Fans Benoit Sokal - doch leider funkt viel zu oft die Technik dazwischen. Am stärksten werden die Nerven von den häufigen, teils wirren Perspektivwechseln strapaziert. Immer wieder spazierte ich ahnungslos durch die geräumige Stadt, um nach Minuten doch noch einen kleinen Interaktionspunkt in einem versteckten Winkel zu entdecken.

Auch die Lösung mechanischer Rätsel wird ungünstig in die Länge gezogen: Vor einem aufklappbaren Modellschiffchen oder einem Schlüssel-Duplikator muss ich immer wieder langsam und umständlich heran- und wegzoomen, bevor Rädchen, Stifte und Zahlenschlösser bewegt werden dürfen. Eigentlich hatte ich die in einem Text versteckte Kombination bereits entschlüsselt, doch die hakelige Steuerung und der ständige Wechsel der Sicht ließen mich noch eine ganze Weile durch die Werkstatt irren. Warum hat man nicht einfach komplette Maschinen auf einen Bildschirm ausgelagert wie in Professor Layton? Sogar die vielschichtigen Mechanikpuzzles in The Room steuern sich viel flüssiger und intuitiver!

Zähe Erkundungen

Konstruktionsgenie und Uhrmacher Steiner erinnert sich im Notfall seltsamerweise nicht daran, wo seine lebenswichtige Medizin liegt.

Schade, dass sich die Technik derart negativ in den Vordergrund drängt, denn der Ausgangspunkt bietet genug Stoff für ein idyllisches Mystery-Adventure. Protagonistin Kate hat ihr altes Leben, ihren Freund und ihre Arbeit hinter sich gelassen. Die Geschichte knüpft an den abgeschlossenen Handlungsstrang der Vorgänger an: Nachdem die ehemalige Anwältin und Karrierefrau Kate Walker und Tüftler Hans Voralberg ihr Ziel erreicht haben, erwacht Kate mit einer Gedächtnislücke in einer obskuren psychologischen Station im sibirischen Ort Valsembor. Offenbar haben Mitglieder des kleinwüchsigen Youkol-Stammes sie nach einem Unfall von einem Boot gefischt und sie hierher gebracht. Geleitet wird die Anstalt von einem Militär-Regime, welches nicht allzu viel von den störenden Bräuchen eines Nomadenstammes wie den Youkol anfangen kann. Auch andere unbequeme Einwohner werden hier unter dem Vorwand psychischer Krankheiten weggesperrt.

Aus Dankbarkeit für ihre Rettung versucht Kate, dem schwer verletzten Youkol Kurk eine wichtige spirituelle Reise zu ermöglichen. Zusammen mit ihren Schneestraußen wollen sich die Youkol zu einer Reise durch Sibirien aufmachen, um die Brutplätze der riesigen Vögel zu erreichen, die für den Stamm als heilige Stätte gelten. Obwohl das für die Youkol essenzielle Ereignis nur wenige Male in einem Jahrhundert stattfindet, versucht das neue Militär-Regime, es zu unterbinden. Zudem holen die ehemalige New-Yorkerin Kate auch Probleme aus ihrem alten Leben ein. Mehrmals kreuzt ein Detektiv ihren Weg, welcher sie zur Rückkehr bewegen will. Nachdem sie nicht in die Heimat und zu ihrer Rechtanwaltskanzlei zurückkehrte, hat sie mehrere Gerichtsverfahren am Hals, die mit dem Verkauf von Hans Voralbergs mechanischer Fabrik zusammenhängen - unter anderem wegen Veruntreuung.

Militärregime gegen Naturvolk

Pittoresk aber umständlich: Bei den meisten Rätseln müssen allerlei Hebel, Schalter und mechanische Gerätschaften per Analogstick bewegt werden.

Nachdem sie der Zwangsunterbringung in der psychiatrischen Abteilung  entkommen ist, erforscht sie den Ort Valsembor, dessen weitläufige Gassen ziemlich leer und verlassen wirken. Nur hier und da treiben sich vereinzelte Passanten herum, die billige Zigaretten loswerden wollen oder vor dem Rathaus gegen den länger als gewöhnlich dauernden Aufenthalt der als kriminell verschrienen Youkol demonstrieren. In einem der gelegentlichen Dialog-Rätsel kann Kate das Problem für sich nutzen. Auch der Bürgermeister will dem Nomadenstamm schließlich endlich seine Abreise genehmigen, befindet sich aber im Würgegriff der Militärregierung. Wählt man den passenden Dialogbaum, bietet sich Kate als Sündenbock an, der seinen Schützlingen angeblich zur Flucht verholfen hat. Der Bürgermeister muss dazu lediglich die Öffnung der Schleusentore genehmigen, damit das Boot mit ihnen und den heiligen Tieren ablegen kann.

Die Abzweigungen im Story-Verlauf unterscheiden sich allerdings kaum: Kurz danach muss Kate trotzdem noch persönlich am Meeresgrund auf einen schrecklich zähen Tauchgang gehen. Auf der Suche nach weggeschwemmten Teilen der maroden Schleusentore erreicht die Kameraregie einen neuen Tiefpunkt und blendet noch wirrer um als sonst. Auch anderswo halten sich die Unterschiede der Handlungsstränge in Grenzen: Reagiert Kate etwa flapsig auf die sadistische Ader von Dr. Olga, wird sie zwar mit einer Betäubungsspritze ins Land der Träume geschickt, danach ändern sich die Rätsel aber nicht. Später steht auch ein Besuch im verseuchten Baranour an, in dem man mitunter zwischen der Steuerung von Kate und einem humanoiden Automaten – also einer Art Steampunk-Roboter – wechselt, der bei Serienfans ein Deja-vu auslösen dürfte. Er kann radioaktiv verseuchte Gebiete erschließen, um z.B. mit Hilfe eines gefundenen Saitenschneiders ein Dach zu öffnen oder die wild gewordenen mechanischen Hunde abzuwehren.

Nervtötender Tauchgang

Die Hunde in Baranour leiden nicht unter Eisenmangel.

Letztere streunen seit der misslungenen Evakuierung  nach einem Supergau in der Stadt herum. Schön, dass ein bekanntes Wahrzeichen hier auf coole Weise in die Rätsel einbezogen wird. Schade allerdings, dass man sich vorher so lange durch Valsembor quälen muss, bevor man in die verfallene Zone gelangt. Am vom Fallout verschonten Ausgangsort muss Kate sich nämlich nicht nur mit der feindseligen Regierung herumschlagen, sondern auch einige Verbündete für sich gewinnen, darunter ein von Schuldgefühlen zerfressener Kapitän oder der Uhrmacher Steiner.

Die Youkol zeigen sich von Anfang an sehr hilfsbereit, auch wenn ihre nach oben verrenkten Köpfe oder wilden „Tooktook“-Ausrufe etwas arg albern anmuten. Für noch mehr unfreiwillige Komik sorgt die zerhackte deutsche Synchro: Etwa jeder fünfte Satz wird nicht komplett ausgesprochen, sondern nach ein paar Sekunden einfach abgeschnitten. Auch mitten im Satz kommt es immer wieder zu bizarren Sprechpausen – zumal manche Sätze auch ohne die technischen Probleme nicht gerade passend betont werden.

Tooktook, spihid!

Ein Blick aufs Camp der Youkol und ihre heiligen Schneestrauße.

Auf der „gewöhnlichen“ PlayStation 4 leidet das Gesamtbild zusätzlich unter starkem Ruckeln, auf dem PC und der PS4 Pro läuft es immerhin etwas flüssiger. Die Steuerung ist primär auf das direkte Laufen per Analogstick des Controllers ausgelegt. Wer möchte, kann stattdessen auf eine noch umständlichere und schwammigere Mausvariante umsteigen. Dann wird per Tastatur die Laufrichtung vorgegeben, während mit der Maus Hebel bewegt oder Gegenstände in Schubladen zur Seite geräumt werden. Zudem lassen sich einige Komfort- und Hilfefunktionen an- oder abwählen. Dazu gehören z.B. die grobe Vorgabe der nächsten Aufgabe oder kontextbezogene Hinweise, die zeigen, an welchen Orten sich Gegenstände einsetzen lassen. Ich empfehle allerdings, alles aktiviert zu lassen. Wie bereits erwähnt sind die Rätsel an sich ziemlich einfach gestrickt – der nervige Such- und Probier-Marathon zieht sich ohne die Hilfsmittel aber noch weiter in die Länge. Glücklicherweise werden die Nerven währenddessen immerhin etwas von Inon Zurs sphärischem Soundtrack beruhigt – viel retten kann aber auch das nicht mehr.

Fazit

Schon wieder ein unfertig veröffentlichtes Adventure: Nach dem enttäuschenden Dreamfall Chapters zerstören technische Probleme auch die in Syberia 3 gesetzten Hoffnungen. Die acht Jahre seit der ersten Ankündigung haben der Rätselreise in die Wildnis des ehemaligen Ostblocks nicht gerade gut getan. Die Story und Mechanik-Puzzles halten sich in etwa die Waage, für den größten Dämpfer auf das Erlebnis sorgt aber die schwache Technik. Es beginnt mit der abgehackten Vertonung und zieht sich mit Geruckel und hölzernen Animationen durchs komplette Spiel. Die wirren Perspektivwechsel und die sperrige Steuerung haben mir beinahe den letzten Nerv geraubt: Oft besteht die Herausforderung nicht darin, die eigentlich einfachen und logischen Rätsel zu lösen, sondern doch noch den passenden Winkel zu finden, aus dem man ein wichtiges Detail oder einen Interaktionspunkt entdeckt. Schade um die mystische Stimmung und den gelungenen Design-Mix aus mechanischer Technik und idyllischen Naturkulissen – aber hier läuft einfach zu viel falsch, um sie genießen zu können!

Pro

  • idyllische Naturkulissen
  • urige Konstruktionen und mechanische Puzzles wecken die Neugier
  • gelungene Einbindung berühmt-berüchtigter Bauwerke in Pripyat
  • stimmungsvoller Soundtrack

Kontra

  • verwirrende Kameraregie mit starren Perspektiven
  • hakelige Steuerung lässt Spielfigur mitunter an Übergängen hängenbleiben
  • ständige leichte (PC, PS4 Pro) bzw. starke Ruckel-Attacken (PS4)
  • abgehackte, nicht lippensynchrone deutsche Vertonung
  • hölzerne Animationen
  • unnötige viele Laufwege machen das Spiel noch zäher

Wertung

PlayStation4

Zahlreiche technische Probleme und wirre Perspektivwechsel machen die mystische Adventure-Reise zu einer frustrierend trägen Angelegenheit.

PC

Zahlreiche technische Probleme und wirre Perspektivwechsel machen die mystische Adventure-Reise zu einer frustrierend trägen Angelegenheit.