Troll and I - Test, Action-Adventure, Switch, PC, PlayStation4, XboxOne

Troll and I
24.03.2017, Benjamin Schmädig

Test: Troll and I

Mythos zum Einschlafen

Das ist der vielleicht akkurateste Titel in der Geschichte der Computer- und Videospiele, denn Troll and I (ab 8,78€ bei kaufen) (Deutsch: Troll und ich) beschreibt treffend, wie das Spiel und ich zu einander stehen: Während ich versuche ein Abenteuer zu erleben, trollt es mich mit schrägen Designentscheidungen, Programmfehlern und einem Gamestopper, der mich dazu zwang, das Spiel von vorn zu beginnen. Auf skurrile Art hätte das vielleicht witzig sein können – wäre ich beim Test dieser langweilen Geschichte einer Freundschaft nicht fast eingeschlafen.

Es ist ja nicht alles schlecht an Troll and I, die Idee z.B. ist gelungen: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg muss der junge Otto aus seinem Zuhause irgendwo in Skandinavien fliehen. Dabei trifft er einen gejagten Troll und von da an ziehen beide gemeinsam durch die Natur. Sie müssen sich nicht nur gegen Troll-Jäger, sondern auch andere mythische Kreaturen wehren und öffnen dabei Wege, indem sie ihre Fähigkeiten kombinieren. Solisten wechseln zwischen den Charakteren, am geteilten Bildschirm erlebt man das Ganze sogar zu zweit – grundsätzlich also eine tolle Sache!

T(r)olle Sache!

Und natürlich entwickelt sich während der Reise eine Freundschaft zwischen Otto und Troll (den er tatsächlich einfach so nennt)... greifbar ist das allerdings kaum. Die in knappen Stichpunkten abgehakte und mit steifen Filmschnipseln gewürzte Erzählweise fühlt sich nämlich so an: Junge findet Troll, beide laufen durch Wildnis. Es gibt keine langsame

Weder erzählerisch noch spielerisch funktioniert die Annäherung zwischen Otto und Troll.
Annäherung und es bleibt unklar, wohin genau sich die beiden auf den Weg machen. Es wird nicht einmal erklärt, wie der keiner menschlichen Sprache mächtige Troll die Befehle des Jungen sofort versteht.

So viele Vorbilder – so wenig gelernt

Nun hat das Spiel natürlich Pech, dass das gerade in dieser Hinsicht herausragende The Last Guardian erst vor kurzem neue Maßstäbe gesetzt hat – allerdings hinkt Troll and I auch bedeutend älteren Titeln wie Enslaved, Majin and the Forsaken Kingdom, Brothers: A Tale of Two Sons oder dem inzwischen mehr als 15 Jahre alte ICO meilenweit hinterher. Abgesehen vom Auslösen weniger gemeinsamer Aktionen ("Folge mir!", "Warte!", Troll kann Otto außerdem tragen) sowie sich ständig wiederholender, situationsunabhängiger Sprüche gibt es kaum eine nennenswerte Interaktion zwischen den Charakteren. Selbst wenn sich einer der beiden im Kampf befindet, greift der andere schon mal mit ein, bleibt manchmal aber auch stur an irgendeinem Fleck in unmittelbarere Nähe stehen.

Die Umgebung ist so unübersichtlich, dass die Orientierung mitunter schwer fällt.

Troll and I ist nicht nur erzählerisch staubtrocken, sondern auch spielerisch öde. Dass sich der Wald mit seinen Höhlen z.B. immer weiter öffnet und die Protagonisten irgendwann zunächst verschlossene Durchgänge sprengen, klingt bedeutend interessanter, als es ist. Das geradlinige Abenteuer wird jedenfalls kaum vielseitiger, nur weil Otto aus Beutematerial Waffen sowie Pfeile mit explosiven Spitzen schnitzt, die anfangs undurchdringliche Steinwände sprengen.

Einmal hin, einmal her

Vielmehr sind die „Gassen“ des Waldes dermaßen verwinkelt und vor allem gleichförmig, dass man sich schnell mal verläuft. Eine Übersichtskarte gibt es genauso wenig wie brauchbare Hinweise darauf, wo genau es eigentlich weitergeht. Mir ist es sogar passiert, dass Otto sinngemäß meinte: „Hier ist unser Ausgang“, nachdem er selbigen Weg längst beschritten hatte und nach etwa einer Stunde lediglich dorthin zurückgekehrt war. Der Fehler hat die Orientierung nicht gerade erleichtert.

Unter „lediglich nett gedacht“ fällt auch die freie Charakterentwicklung, bei der man Ottos und Trolls Fähigkeiten nach eigenem Gutdünken erweitert. Immerhin kann sich die Kreatur heilen, unsichtbar machen und Gegner anbrüllen, um sie aufzuhalten, während Otto irgendwann länger sprintet oder stärker zuschlägt. Nur macht nichts davon das stupide Knopfdruckhämmern besser, bei dem es meist am effektivsten ist, wenn Troll einfach auf eine Gruppe Feinde zuläuft, um sie mit seinen großen Fäusten und Füßen zu zerschmettern. Theoretisch kann sich Otto zwar anschleichen, um Gegner heimlich auszuschalten. Weil hohes Gras oft fehlt, ist das zum einen aber nur selten möglich und zum anderen ist es ohnehin kaum effektiver als das Trampeln und Schlagen seines Begleiters. Dass man dessen Bewegungen nicht präzise steuern kann, ist dabei besonders frustrierend: Bis das Programm entscheidet, dass er einen Gegner präzise zermalmt, haut er nämlich automatisch weit daneben. Anspruchsvoll sind die Kämpfe trotzdem fast nie – und diese ungelenke Mischung macht nicht den geringsten Spaß!

„Nett, aber…“

In den langweiligen Kämpfen trifft Troll ganz automatisch - oder eben nicht.


Beutejäger

Apropos Steuerung: Die hat mich mal fast zur Weißglut getrieben, mal beinahe einschlafen lassen. Denn beide Helden bewegen sich furchtbar träge, was besonders das (völlig gefahrlose) Klettern zur Geduldsprobe macht. Animationen gehen außerdem nicht ineinander über, weshalb man z.B. jedes Mal warten muss, bis Otto vollständig zum Stehen gekommen ist, bevor er in die Hocke gehen kann. Enervierend auch, dass man selbst während relativ langer und häufiger Animationen wie dem Aufsitzen auf Troll nicht einmal die Kamera drehen darf.

Noch ein seltsamer Fauxpas gefällig? Otto jagt Wildschweine, um mit deren Fleisch einen Teil seiner Gesundheit wiederherzustellen – eigentlich eine gute Idee. Blöd nur, dass die Jagd erstens völlig anspruchslos ist und zweitens viel zu gekünstelt verläuft. Schließlich gibt es in der Umgebung überhaupt keine Wildschweine! Von denen wird genau eins vielmehr immer erst dann platziert, wenn Otto per Tastendruck eine Fährte liest. Und auch die gab es vorher natürlich nicht.

Auch beim gefahrlosen Klettern stört die träge Steuerung.
Jenseits eines unglücklichen Missgeschicks im Spieldesign war hingegen folgende Situation: Ich lade einen Spielstand, nachdem Otto doch tatsächlich mal das Zeitliche gesegnet hatte und höre, wie er sich sofort wieder in einem Kampf befindet. Eingreifen kann ich allerdings nicht, denn das Artwork des Ladebildschirms bleibt so lange stehen, bis er erneut stirbt. Das wiederholte sich selbst nach mehreren Versuchen und einem kompletten Neustart. Wahlweise durfte ich also das Kapitel oder das komplette Spiel von vorne beginnen.

Selbst der Rasen (t)rollt!

Zu „guter“ Letzt ist es mir außerdem unbegreiflich, wie es selbst nach dem heutigen Update einen Fehler geben kann, dank dessen ein Mauszeiger in der Mitte des Bildes auftaucht, sobald man das Menü öffnet – nicht das Systemmenü, sondern das ständig gebrauchte Inventar. So weit, so ärgerlich, aber der Mauszeiger verschwindet auch nicht, wenn man das Menü verlässt und obwohl man mit Gamepad spielt. Nach jedem Zugriff aufs Menü bewege ich also die Maus ein kleines Stück, damit ich wenigstens den gut sichtbar aufklappenden Rollrasen direkt vor Otto in Ruhe „bewundern“ kann.

Fazit

Troll and I hätte aus so vielen Gründen nicht in dieser Form erscheinen sollen – nicht nur wegen seiner Programmfehler, der unhandlichen Steuerung sowie akustischer oder grafischer Probleme. Die sympathische Idee des gemeinsamen Abenteuers zweier ungleicher Helden wird vom gleichförmigen Abgrasen der immer gleichen Waldstücke und Höhlen ebenso begraben wie vom Knopfdruck-Stakkato der langweiligen Kämpfe und der ungemein trägen Steuerung. Hinzu kommen das beinahe komplett abwesende emotionale Zusammenspiel der Protagonisten sowie große Lücken in der Erzählweise der Geschichte. Mich ärgert - von vielen weiteren und wichtigeren Einzelheiten mal abgesehen -, dass die Entwickler beim Erschaffen dieses kooperativen Abenteuers nicht einmal daran gedacht haben, dass Otto nicht wie in einem kleinen Zimmer reden sollte, wenn er mit einem haushohen Troll spricht. Nein, dieses Spiel funktioniert auf keiner Ebene so, wie es soll!

Pro

  • kooperatives Spiel mit zwei verschiedenen Figuren für einen oder zwei Spieler
  • herstellen eigener Waffen
  • freies Erweitern der Fähigkeiten von Otto und Troll
  • Wildschweine jagen, um Fleisch als Heilmittel zu erhalten...

Kontra

  • behäbige Bewegungen und sehr träge Steuerung
  • Malträtieren der Angriffsknöpfe statt spannender Kämpfe
  • Programmfehler von Tonaussetzern bis hin zu Abstürzen und Gamestoppern
  • ... aber genau ein Wildschwein taucht immer erst dann auf, wenn Otto nach einer Fährte sucht
  • unzuverlässige, teils fehlerhafte Wegfindung
  • grundsätzlich interessantes Anschleichen bei vielen Gegnern überhaupt nicht möglich
  • relativ offene, aber unübersichtliche Umgebung ohne Karte oder Hinweise auf nächstes Ziel
  • Troll und Otto stehen oft tatenlos herum, anstatt sich zu helfen
  • praktisch keine emotionale Interaktion zwischen Troll und Otto
  • anstrengendes Beutesammeln, u.a. weil Gegner sofort verschwinden
  • teilweise keine Geräusche oder Sprachausgabe, obwohl Otto z.B. nach Troll ruft
  • auffallend nah und deutlich sichtbar aufklappender Rollrasen
  • Animationen passen gelegentlich nicht zusammen
  • sehr auffälliges Blinken von Sammelgegenständen nicht abschaltbar
  • uninteressante, in Stichpunkten erzählte Geschichte
  • Ottos Stimme klingt immer wie im Studio aufgenommen, nie wie in Höhle oder freier Natur gesprochen
  • Mauszeiger bleibt nach jedem Zugriff aufs Menü mittig im Bild

Wertung

PC

Schlecht erzähltes, spielerisch langweiliges Abenteuer, das man zu zweit spielen kann, aber auch solo lieber links liegen lassen sollte.